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156, 8. Juli Nichtamtlicher Theil. 2519 allerlei Hoffnungen und Wünschen, doch wie dann zu Anfang April 1777 die Hochzeit in Hannover gefeiert wird, weih Heyne, daß ihm seine Frau mehr als das sein wird, was er von ihr gehofft hat. In der That spricht aus des Göttingers weitern Briefen, soweit sie sein eheliches Berhältnisi berühren, das volle Behagen des glück lichen Gatten, Jetzt, wo auch das Geschäftliche wieder sein Recht verlangt, tritt die Weltgeschichte aufs neue in den Vordergrund; daneben ge langen Anfragen wegen Neubearbeitung einzelner Weidmannscher Vcrlagsartikel zuiLeincund finden dort prompteBeantwortung. Da bei beschäftigt sich Heyne jetzt eifrig mit der Zusammenstellung seiner antiguarischcn Aufsätze (1778-- 1779), deren Verlag Reich über nommen hat. Dann jährt es sich zum erste» Male, daß Philipp Erasmus den Freiwerbcr für den Freund gemacht, daß Heyne hinüber nach Han nover fuhr, sich selbst das Jawort der Geliebten zu holen, dann, daß die Hochzeit war, und alle diese Tage verfließen nicht, ohne daß ihrer in des Hosraths Briefen dankend gedacht würde. Auch das Jahr 1778 vergeht in gewohnter Beschäftigung, zeitweiligem heftigen Zorn über die Unzuverlässigkeit des oder jenes Mitar beiters am Guthrie, und im guten Bewußtsein, daß die jeweiligen Messen nicht bloß neue und gute Bücher, sondern auch Ballen seiner Leinewand, ei» Fäßchcn Borsdorfer Acpfcl und einen Flug köstlicher Lerchen zur Leine bringen. Das Jahr 1779 beginnt, und Reich lädt Herrn Müller i» Genf zur Mitarbeiterschaft am Guthrie ein. Die von Müller ein gehende ablehnende Antwort wird zwar von Heyne freudig be grüßt, dock, weiß der Hofrath selbst keinen besseren Vorschlag, Ein junger Gelehrter, der von ihm in Aussicht genommen war, ist jetzt nicht mehr zu haben, Professor Gebhardi in Lüneburg, der von Heyne gern gewünscht wurdc, hat seine Abgencigtheit zu erkennen gegeben, und wird ablehnen, wenn man ihn direct fragt, ob er die Geschichte der Schwei; übernehmen will. Ebenso sruchtlos erweist sich der Versuch, einen jungen gelehrte» Hannoveraner für die Arbeit zu gewinnen. So kommt der Sommer und für Reich eine Erholungsreise an der Seit: seiner Frau nach Jena, Und ist man dann ein mal unterwegs, so möchte das Ehepaar wohl auch nach Götlinge» sahre», wäre es nicht gar zu weit dorthin, Reich fragt deshalb bei Heyne an. Dieser aber schreibt: „Kommen Sic, mein werthester Freund, zu uns, ohne zu fragen, wie weit Jena von Göllingen ablieget. Von Gotha hierher sind es elf Meilen, und wie weit cs bis Gotha ist, wissen Sie, Hier haben Sic außer dem Vergnügen, Ihren Freund und die Seinigen zu sehen, Ihre liebe Freundin mit meiner Georgine bekannt zu machen und uns allen einige recht angenehme Tage zu verschaffen, »och die weitere Möglichkeit, die in Göttingen noch schwebende neue Verlagsvcrhandlung ins Reine zu bringen," Ende August ist Reich mit der Gattin bei Heynes, und am ö, September kan» dann der Hosrath »ach Leipzig schreiben: „So unvollkommen und unterbrochen auch mein Genuß war, so haben doch die Tage Ihrer Gegenwart mich sehr erquickt, ich fühle »och eine größere Heiterkeit als ich sonst gewohnt bin und noch oft seit Ihrer Abreise sind Sie mit Ihrer hochachtungswürdige» Freundin der Inhalt unserer Gespräche, Gern hätte ich Sic vor Ihrer Abreise noch einmal umarmt; allein erst verzog es sich mit dem fremden Besuch aus der Bibliothek, und dann war cs Reflexion und Philo sophie, was mich zurückhielt." Und dann dankt Heyne noch für die beide» vortreffliche» Stollen, die der Leipziger Freund wohl nur ge sandt hat, um sich Hcyne's Damen dadurch in der Erinnerung zu halten, „daß er ihnen verdorbene Mägen macht". Während die nächsten Jahre ruhig verfließen — ei» starkes Un wohlsein, von dem Philipp Erasmus zu Ende 1779 meldete, ist an seinem K3, Geburtstag bereits wieder gehoben —, während die Hosräthin sich zum zweiten Male für einige Zeit hinter den Gardinen ihres Himmelbettes den Augen der Welt entzieht und der Gemahl literarisch fruchtbar ist, ist auch Herr Müller von Schaffhausen fleißig gewesen. Er hat eine Geschichte der Schweiz zu schreiben angesangcn. Der erste Band erscheint 1781, wie der Titel jagt, in Boston, aber es ist ein offenes Geheimniß, daß die typographische Gesellschaft in Bern den Band gedruckt hat. Bald nach Ausgabe des Bandes geht Müller nach Deutschland, Neun Monate lebte er hieraus als Reisender in verschiedenen Städten Norddeutschlands, und wie er Füßli*) schreibt, wird er diese Zeit, obgleich sie sich für Erweiterung feiner literarischen Kenntnisse unfruchtbar erwies, nie mals bedauern. In dieser Zeit wird ihm eine Professur am Caro linum in Cassel angeboten. Er leistet dem Ruf Folge und erhält bald daraus die Aufsicht über des Landgrafen Bibliothek, als dessen Rath. Er greift nun wieder zu seiner Schweizer-geschickte, findet aber, daß sein bisheriger Plan nichts taugt, und beginnt Umar beitung und Fortführung auf Grund eines neuen Planes, Im Früh jahr 1783 nimmt er sich Urlaub und geht nach Genf. In diese Zeit fällt die Wiederaufnahme des Briefwechsels zwischen Reich und Müller, Heyne, der bisher immer vergeblich nach einem Bearbeiter der Schweizer Geschichte sich umgesehen, bekehrt sich endlich zu Müller und knüpft mit diesem an, noch während dessen Casseler Aufenthalts. Er ist dazu von Reich ermächtigt, die von Müller gestellten Beding ungen anzunehmen. Von der Boissiere, dem Landgut seines Freun des Tronchin in Gens, schreibt dann der hochsürstlich hessische Rath und Bibliothekar am 1, Juli 1783 selbst nach Leipzig an Herrn Reich, „Schon vor sechs oder acht Wochen", schreibt Müller, „hat Herr Hofrath Heyne mir geschrieben, Sie nähmen die Bedingnisse an, unter welchen ich Ihnen die Geschichte der Schweiz angeboten, und wünschen wider Nachdruck von Seiten der ersten Verleger des ersten Theils derselben genügsame Sicherheit, Ich kenne Sie durch den seligen Sulzer und verschiedene noch lebende berühmte Männer von einer solchen Seite, daß mir gar sehr angenehm wäre, mit Ihnen sowohl über dieses Buch als andere Arbeiten eins zu werden; diese Verbindung würde mir eine der angenehmsten Ge fälligkeiten seyn, die ich dem Hn, Hofrath Heyne zu danken habe. Die Ursache meines langen Stillschweigens ist, weil um eben die selbe Zeit mir solche Vorschläge zu Genf gethan worden sind, wodurch ich über den Ort meines künftigen Aufenthalts ungewiß wurdc: dieser mußte bestimmt werden, ehe ich Ihnen mit einiger Zuver lässigkeit schreiben konnte. Zwar kann ich auch nun, ehe ich von dem Landgrafen Antwort habe, nicht sagen, daß mein Plan ganz ent schieden sey: doch ist, wo nicht gewiß, doch äußerst wahrscheinlich (welches aber für izt noch unter uns bleibe), daß ich für wenigstens einige Jahre hier seyn werde. Dieses wird auch der Arbeit an der Geschichte meiner -Ration sehr vortheilhast seyn," Müller kommt dann im Weiteren auf den von der typographi schen Gesellschaft in Bern vor drei Jahren verlegte» Band, von dem das neue Werk bis aus einige Capitel gänzlich verschieden sein wird. Dieses wird vier Octavbände umfassen; „davon der erste die Geschichte des Anbaus der Schweiz, den Ursprung der Städte, Länder und Gesetze vom Altertum bis auf den ewgeu Bund erzählt; alsdann der andere den Anfang der Freiheit und ihre glorreiche Vertheidigung, der dritte die Zeiten des Kriegesruhms der Nation bis auf das Unglück bei Marignano, der letzte aber den Genuß ihrer Freiheit beschreibt und erklärt, wie sie bei solch einer Verfassung so lange bestehen konnte," Und wer könnte Müller hindern, zwei ") Job, Müllcr's Briefe an seinen ältesten Freund in der Schweiz. Zürich I8l2, 336