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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 27.04.1907
- Erscheinungsdatum
- 1907-04-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190704272
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19070427
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19070427
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1907
-
Monat
1907-04
- Tag 1907-04-27
-
Monat
1907-04
-
Jahr
1907
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 27.04.1907
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der Leipziger Justiz nicht erst darzuiegen. Seine Behauptung, daß wir Preußens edie Königin, die für jeden Deutschen eine Heilige sei, aus dem Herzen deS Volkes reißen wollten, erledigt sich durch die einfache Tatsache, daß im Herzen des Volker ganz andere Dinge leben alS Königin Luise, und daß, wenn die Dame, was möglich sein kann, im Herzen deS KaffernkartellS leben sollte, wir durchaus kein Bedürfnis haben, diese Anbeter von dieser An gebeteten zu trennen. Sie gehören in der Tat zu sammen. Wir würden eS deshalb auch verstehen und nichts dagegen einzuwenden haben, wenn das Kaffernkartell eine lex Luise beschlösse, wodurch die Beleidigung dieser Hockseligen noch härter bestraft werden würde als die Lästerung GotteS, des Sohnes und des heiligen Ge ste»." — Folgen längere Zitate auS den Ergebnissen sozialdemokratischer „Geschichts- forschung" »6 usum der Genossen. Eines Kommen tars bedarf es hierzu nicht. Aue unseren Aokonien. Pro-etz Puttkamer. In dem Prozeß gegen den zur Disposition ge- stellten Gouverneur von Kamerun Jesco v. Puttkamer wegen Paßfälschung und unerlaubter Beteiligung an kolonialen Erwerbsgesellschaften wurde d r Angeklagte zunächst wegen der Paßfäl- schung vernommen. Er will sich wegen des Passes für Frau 0. Germ r völlig guten Glauben zugc- schrieden wissen. Als er die betreffende Dame kennen gelernt, habe sie sich jedermann gegenüber als Frl. v. Eckardstein bezeichnet. Er habe das für eine Art von Bühnennamen gehalten. In sehr geschickter Weise habe sie es immer verstanden, sich davor zu drücken, ihre Personalpapiere ihm vorzuze gen. Als ihre etwas illegitime Anwesenheit in Kamerun Ge rede erregt habe, habe er sich entschlossen, sie so schnell wie möglich nach Hause zu schicken. Auf den Vorhalt des Vertreters der Anklage, ob er nicht die Ausstellung eines Passes überhaupt hätte ablehnen können, erwiderte v. Puttkamer, er habe gewußt, daß eS in Hamburg ziemlich scharfe Vorschriften gebe, und die Ecke habe ihn so lange gequält, bis er den Paß ausgestellt hatte. Im weiteren Verlaufe ver breitete sich Herr 0. Puttkamer über seine Einge- borenen-Politik, für die er kaS gute Recht deS Er oberers in Anspruch nimmt. Im Gegensatz zu seiner Landpolitik sei das Ziel der Missionare: Alles für die Eingeborenen, nichts für die Kultur. So habe sich ein unversöhnlicher Gegensatz zwischen ihm und den Missionaren gebildet, und er habe sich oft gegen Anordnungen von Berlin wehren müssen. Er habe nie eine Gesellschaft begünstigt; er habe jähre- lang in Kamerun dem Tode ins Auge gesehen. Puttkamers Standpunkt wird in nachdrücklicher Weise von vielen früher vernommenen Zeugen ge teilt, und auch Puttkamers Vorgehen im Gouver nement von Kamerun gebilligt. Der Staatsanwalt beantragte Dienstentlassung. Er sei der Ueberzeugung, daß der Angeklagte sich in zwei Fällen einer fahr lässigen Fälschung von Urkunden schuldig gemacht habe und daß er ferner in ungehöriger Weise in di? Funktionen von richterlichen Beamten eingegriffen habe. Er beantragte, auf Grund der 88 10 und 75 des Reichsbeam»engesetzes den Ange- klagten für schuldig zu erklären. Der Verteidiger Justizrat Sello beantragte dagegen in allen Fällen Freisprechung des Angeklagten, die zugleich mit der Wiederherstellung seiner Ehre in der öffentlichen Meinung verbunden sein müsse. Der Angeklagte v. Puttkamer verwahrte sich in einem Schlußworte nochmals gegen die Beschuldigungen der Anklage und versicherte, daß er stets während seiner lang jährigen Tropendienstzeit das Wohl des Reiches und der Kolonie im Auge gehabt habe, daß er sich auch niemals bewußt gewesen sei, gegen das Interesse des Reiches verstoßen zu haben. Der kaiserliche Disziplinarhof erkannte wegen dreier Dienstvergehen auf einen Verweis und 1000 M. Geldstrafe und legte dem Angeklagten die Kosten des Ver fahrens auf. Die Beschwerde der Akwa-HSuptli«ge. Dem Reichstage ist gestern der Bericht deS KolonialduektorS über das Ergebnis der Unter suchung in der Beschwerde der Akwa-Häupt linge in Kamerun zugegangen. Bei der Ucber- reichung deS Berichts und der zugehörigen Denk schrift des mit der Führung der Untersuchung be trauten Kammergerichtsrats Strehler an den Reichs kanzler hat der Kolunialdirektor Dernburg Hinzuge, fügt: „Nach dem Ergebnis der Untersuchung liegt kein Anlaß vor, gegen einen der Beamten, gegen die sich die Beschwerde^ richren, strafrechtlich oder disziplinarisch vorzugehen; dagegen ist nicht zu ver kennen, daß in verschiedenen Punkten die Hand habung der Verwaltung und der Eingeborenen- Rechtsprechung in Kamerun nicht gebilligt werden kann, und daß auch die bestehenden gesetzlichen Vor- schriften in verschiedenen Beziehungen als den der zeitigen Verhältnissen entsprechend nicht mehr be trachtet werden können. Ich habe deshalb durch Anordnung an das Gouvernement Sorge dafür ge tragen, daß bei der Verwaltung und der Ginge- borenen-Rechtsprechung, sowohl materiell alS formell, streng nach den gesetzlichen Vorschriften verfahre» wird. Zugleich habe ich Vorarbeiten für die auf dem Gebiete der Verwaltung wie der Eingeborenen- Rechtsprechung erforderlichen Reformen eingeleitet." Aue dem Auekande. England und die Abrüstungsfrage Eine unbequeme Anfrage richtete in der gest- rigen Sitzung des englischen Unterhauses der Liberale Byle an die Regierung. Er ersucht- den Staatssekretär angesichts der Verwirrung, die durch die sich widersprechenden Meldungen angerichtct sei, anzugeben, weiches die anfängliche Haltung der britischen Regierung im H a a g zu dem Vorschläge der Begrenzung der Rüstungen sein werde Der Staatssekretär gab folgende orakelhafte Antwort: Die dem britischen Bevollmächtigten zu erteilenden Weisungen würden gegenwärtig „erwogen". Er könne jetzt keine Erklärung abgeben. Angesichts deS Um- standes, daß die „Wünsche und Absichten der anderen Negierungen in Erwägung gezogen" werden müßten, bestehe die Möglichkeit, daß jede weitere Mitteilung der Vorschläge einer Regierung Anlaß zu der Ver wirrung geben würde, die Byle bekämpfe. — Ueber die Bündnisfrage läßt die englische Regierung durch das Reutersche Bureau folgende gestern er gangene „autoritative Erklärung" verbreiten: „ES besteht keinerlei Begründung für die Nachricht be treffend den Abschluß einer Marineallianz zwischen Großbritannien und Spanien und die Bildung einer Quadrupelentente Großbritannien-Frankreich-Jtalien und Lpanien." — Hoffentlich bleibt das schöne Wort „Quadrupelentente" das einzige praktische Re lultat, daS die Rundreise König Eduards, gezeitigt hat. Ar WbemMgili unserem 17. WMMlkreist. Am Vorabend deS Wahltages hatte die sozial demokratische Partei nochmals eine Wähler- versammlungnach der „Z che" einberufen, in der Herr StUger das Gewicht seiner Autorität für Herrn Molkenbuhr in die Wagschale werfen und den Genossen nochmals eindringlich ins Gewissen reden sollte, das „Erbe Auers" festzuhalten. Von 6 Uhr ab strömten bereits scharenweise sozialdemokratische Wähler und auch vereinzelte Anhänger der gegne rischen Parteien nach dem Versammlungslokal, dessen Saal kurz vor 7 Uhr geöffnet und, nachdem er sich im Nu bis auf den letzten Platz gefüllt hatte, '^8 Uhr bereits wieder abgesperrt wurde. In der Zerr dis zum Vechindlungsbeginn, der erst auf ',9 Uh festgesetzt war, konnte man tallenthalben über die Frage debattieren hören: „Ob er wohl da sei» wird?" Damit war nicht sowohl Herr Sinner, alS vielmehr Herr MÜller-Poyritz gemeint, di ssen Erscheinen in der Versammlung vermutet wurde, weil ihm die sozialdemokratische Presse den UriaS- brief oorauSgeschickt hatte. Und ste kamen bilde, Herr Singer sowohl wie Herr MÜller-Poyritz. DaS Nahen des ersteren kündigte sich den im Saale Ver sammelten bereits durch die Hurrarufe der vor der Zeche harrenden Menge an, die keinen Einlaß mehr gefunden hatte, während die Anwesenheit des Herrn Müller zunächst im Dunkeln blieb, weil er Wäh rend des ganzen Referats des Herrn Linger stch vollständig ruhig verhielt. Erst Nach Eintritt in die Dtskusston begehrte er das Wort, das ihm trotz der den Gegnern zuge- sicherten Redefreiheit — verweigert wurde Daß Herr Müller nicht zu dem Zwecke gekommen war, um die Versammlung zu sprenge» und Herrn Smoer nicht zu der Versammlung reden zu lassen, wie ihm imputiert wurde, geht doch klipp und klar daraus hervor, daß er Herrn Singer in der Tat ruhig ausrede« liest und erst das Wort ver langte, als er es nach der gegebenen Zusicherung verlangen durste. Nachdem Herr Singer seine Agitationsrede beendet hatte, wäre doch eine Sprengung der Versammlung Völlig zwetklos, ja zweckwidrig gewesen, denn Herr Müller hätte stch damit lediglich selbst das Wert abgefchuitte«. Trotzdem aber stand eS sür viele bombenfest: Herr Müller wollte die Versammlung „sprengen". Nach- dem ihm das Wort verweigert war, und er ver- geblich dagegen protestiert halte, wurde er schließlich unter tosendem Lärm der Versammlung aus dem Saale hinanSdeföcdert. Seine Freunde folgten so fort. Seitens der draußen harrenden Menge wurden die Herren mit gewaltigen Toben in Empfang ge- nommen; dabei ging es auch nicht ohne Tät lichkeiten ab. Herr Müller wurde u. a. durch einen Fußtritt am Schienbein verletzt, wodurch laut ärztlichem Zeugnis eine Fleischwunde und ein Blut erguß unter der Knochenhaut heroorgerufen wurde Ueber die weiteren Vorgänge im Saale wird uns von Herrn v. Hauenschild, der nunmehr stch zum Worte meldete, folgendes berichtet. Der ge nannte Herr führte über die Röthenbacher Vorgänge ans: „Meine Herren, denken Sie über alles ge recht. Hören Sie in allen Sachen auch den Gegner au I Wenn Sie etwa glauben, daß wir heute hier her gekommen sind oder daß es jemals oorgekommen ist, daß nationale Sprengkolonnen in sozialdemokratische Versammlungen geschickt werden, so ist daS eine unglaubliche Unterstellung, die wir nicht einmal den Sozialdemokraten zutrauen. DaS ist ein derartiger Blödsinn, daß wir gar nicht weiter darüber zu sprechen brauchen (Zuruf des Herrn Singer: Sehr richtig!) In der Bebel- Versammlung am Sonntag ist Herr MÜller-Poyritz in durchaus begreiflicher Erregung, nachdem er über aus gereizt worden war, mit Herrn Bebel zusammen geraten. Es hat sich Ihrer Leitung dadurch eine außerordentliche Erregung bemächtigt, die in jeder Beziehung zum Ausdruck kam. Meine Herren! Sie können es niemandem verdenken, nachdem am Montag nicht bloß ihm, sondern auch uns anderen zugerufen worden war, daß MÜller-Poyritz niemals wieder in einer sozialdemokratischen Versammlung sprechen dürfte, daß er dann am Montag abend in einer Versammlung in Rothenbach sich zunächst ein- mal vergewissern wollte, waS Wahres an diesem Gerüchte sei. Er hat diese Frage am Podium der Versammlungsieitung und dem Referenten Reichs tagsabgeordneten Stückten gegenüber gestellt. Die Beantwortung fiel bereits außerordentlich heftig und verletzend für Herrn M.-P. aus. Ich gebe Ihnen zu, daß ich die Erregtheit der Versammlungs ieitung und des Referenten nach dem für Sie so unangenehmen Vorgang am Sonntag verstehen kann. Sie können aber einem temperamentvollen Menschen nicht verdenken, daß er Grobheiten mit mindestens ebenso großen Grobheiten erwidert. Herr Müller-P. bestand auf seinem Rechte, in öffentlicher VolkSoer- sammlung mit freier Diskussion das Wort verlangen zu können. Unter dem unglaublichsten Toben der Versammlung in Rothenbach wurde die Versamm lung schließlich aufgelöst. Meine Herren! Sie werden aus dies r Darstellung ersehen, daß die Schuld sn diesem Vorkommnissen durchaus nicht auf Seiten des Herrn Müller-P liegt und ich finde es uner hört geradezu, daß Sie Herrn Müller, nachdem auch ich mich noch für meine Person für seine Sachlich keit und Ruhe verbürgt habe, auch dann nicht ge statteten, daS Wort zu ergreifen. Das ist eine un glaubliche Beschränkung der Redefreiheit, wobei alles aufhöct!" Nachdem Herr von Hauenschild dann noch von Herrn Petzold aus Chemnitz als Reisender deS Reichsoerbandes hingestellt worden, wa§ Herr 0. H. aber glatt verneinte, wurde ihm zuge- rufen: „Ihnen glauben wir nichts!" Herr 0. H. er widerte darauf:„Wenn Sie meiner in einer öffentlichen Volksversammlung abgegebenen Erklärung nichteinmal glauben, dann halten Sie mich für einen ebenso,geringen rhrenmann, wie Sie selbst einer sind. Unter diesen Um- tänden verzichte ich auf das Wort." Herr von Hauen- child verabschiedete sich hierauf von Herrn Singer, >er sich hierzu von seinen Sitz erhob, und verließ den Saal unter bedauernden Zurufen eines Teiles der Anwesenden, daß er nicht sprechen wollte. Einige gaben ihm auch die Hand und baten ihn nochmals, dazubleiben. Herr von Hauenschild erklärte: „Es lut mir leid, daß ich ni t mit Ihnen sprechen kann. Wenn mich Leute nicht für einen Ehrenmann halten, bedauere ich daß ich nichts mit Ihnen zu tun haben kann." Ein weiterer Diskussionsredner trat nicht aus. Herr Singer erhielt das Schlußwort und nach einem Epilog des Vorsitzenden wurde die Ver sammlung geschlossen. Hinzuzufügen ist noch, daß vor Beginn der Ver- sammlung Herr v. Hauenschild H-rrn Singer im Vorflvr der „Zeche" stellte, ihm mittetlte, daß Herr MÜller-Poyritz zugegen sei und ihn frug, ob diesem das Wort erteilt werden würde. Herr Singer gab das Verspreche«, datz Herr Müller zu Worte komme« werde. Als dann sich im Saale die geschilderten skandalösen Vorfälle ereigneten, erhob sich auf eine Anzapfung von natio- naler Sette Herr Singer und erklärte, daß er aller dings versprochen habe, daß Herr MÜller-Poyritz das Wort erhallen solle, daß er aber nach den Vorgängen in Glauchau und Rothenbach cs vollkommen billi gen müsse, wenn Herr MÜller-Poyritz nicht reden dürfe. Bei der Abfahrt einer Anzahl von auswärts gekommener Herren hatten sich Nachts gegen 12 Uhr etwa 50 bis 60 Angehörige der nationalen Parteien auf dem Bahnh 0 fe eingcfunden, welche den aus wärtigen Herren daS Geleit geben wollten. Als zu gleicher Zeit Herr Singer eintraf und ihm ge meldet wurde, daß Genossen in ihrem sozialdemo kratischen Freiheitsdrange Herrn Müller gemiß- handelt hätten, drückte er über die Tatsache sein lebhaftes Bedauern aus, fügte aber hinzu, daß sich Herr Müller durch sein provokatorisches Auf- treten in Glauchau und Rothenbach die Unannehm lichkeiten selbst zuzuschreiben habe. Die „Vo l ks st i mm e" ist über die Vorgänge in der „Zeche", die zu so bedauerlichen Ausschreitungen feiten der durch die wüste sozialdemokratische Agitation erhitzten Menge führten, sichtlich bestürzt. Sie veröffentlicht über die Versammlung aus der Feder ihres Redakteurs Petzold, der anwesend war und auch in die Debatte eingriff, einen verhältnismäßig sehr ruhigen Artikel, der für jeden, der zu lesen versteht, die Verlegenheit durchblicken läßt, in der stch die Sozialdemokratie angesichts der Tatsache befindet, daß ste von vornherein Redefreiheit verspricht, dann aber einem Gegner, der vollkommen ruhig 1'/, Stunden lang ihrem Referate zuhört, das Wort verweigert, weil sie weiß, daß ste von ihm Unangenehmes zu hören bekommen wird. DaS ist die vielgerühmte „Freiheit" in der Sozial- demokratie, das ist die „Redefreiheit", von der die Genossen unausgesetzt fabeln! Die „Bolksstimme" brachte folgende Notiz „Dr. Clautz als Lokalpatriot. Herr Dr Clauß behauptet, den 17. Wahlkreis und seine Ver hältnisse zu kennen, weil er einmal Stadtrat von Meerane war. Seitdem er aber eine reiche Ara« geheiratet, ist er nach Loschwitz bei Dresden ge zogen, wo man nicht so vielen abgehärmten Weber- gcsichtern begegnet. AlS ob die Stadt Meerane, in deren Dienst er stand, seine zu leistenden Steuern nicht viel nötiger brauchen könnte, als die Gemeinde Loschwitz! Daher kommt der Name Lokalpatriot!" So die „Volksstimme", die sich fortwährend über die angeblichen Wahllügen der Gegenpartei er eifert. In Wirklichkeit ist Dr. Clauß heute noch genau so ««verheiratet wie früher. Auch der Humor darf im Wahlkampf nicht ganz fehlen. KächsiscHes. Hahe«stein-Er«stthal, 26. April 1997. Wettervoraussage des Kgl. Sächs. Meteorologischen Instituts zu Dresden. Kür Sovnabendt Starke westliche Winde, meist trübe, Niederschläge, etwas wärmer. 27. April: Tagesmittel -j-8,70, Maximum -j-12,5", Minimum -j-4,1 — Der heutige Wahltag hat auch dem Straßenverkehr in unserer Stadt sein Gepräge auf- gedrückt. Besonders um die Mittagstunde sah man Dit KlM mii die Schlauen. Roman von Arthur Zapp. 17. Forts. (Nachdruck verboten.) „Die Stellungen der beiden Heere haben wir mit an Stecknadeln befestigten Fähnchen bezeichnet, und ich brenne nun darauf, die blau-weiß^rotge- ftreisten Fähnchen südwärts gegen Richmond vor rücken zu dürfen. Im Uebrigen sind Papa und Mr. Cunningham von einer fieberhaften Tätigkeit. Mr. Cunningham war in Europa und hat große Einkäufe von Waffen gemacht. Jndeß hat Papa b e Fabrikation von Gewehren vorbereitet. Mr. Cunningham ist mehr als je PapaS rechte Hand, und Papa wird nicht müde, zu rühmen, ein wie tüchtiger, kluger Geschäftsmann Mr. Cunningham und von wie großem Werte er ihm gerade in jetziger Zeit ist. Ich aber bin der Ansicht,ein jedertüchtige Mann gehöre jetzt auf den Kriegsschauplatz. Frei- lich Papa entgegnet mir immer, wer denn die Waffen schmieden und die Armee mit dem zum Kriege Nötigen versehen soll, wenn alle waffenfähigen Männer im Felde ständen. Etwa nur die Krüppel und die ganz Alten? Papa mag Recht haben: Es müssen auch tüchtige Männer zu Hause bleiben, die die Soldaten mit Allem, was zum Kriege erforder- lich ist, versorgen, und es mag wahr sein, daß Mr. Cunningham, der ohnedies die Strapazen deS Feld zuges wohl kaum aushalren würde, hier mehr am Platze und dem Vaterlande nützlicher ist, als er es als Soldat im Felde wäre. Doch ich sehe zu meinem Erstaunen, daß ich bereits nahezu acht enge Seiten beschrieben habe. Ich mutz nun wohl schließen sür heute, obgleich ick noch gern mit Ihnen geplaudert hätte. Grüßen Sie mir Harry und schreiben Sic mir recht bald, wie eS Ihnen geht, was Sie treiben, wie Si- leben und wie Sie die Strapazen ertragen. Seien Sie überzeugt, daß daS Alles für mich von lebhaftem Interesse ist, und bitte, teilen Sie mir mit, ob es bald wieder zur Schlacht kommen wird. Nicht wahr, Sie werden mir von Zeit zu Zeit schreiben? Ich bitte Sie recht herzlich darum, und ich weiß ja, daß Sie gern gefällig sind. Ihre auf richtige, Sie herzlich grüßende Freundin Carrie Bradley." Der sonnige Glanz, der stch Anfangs über daS Antlitz deS Lesenden gebreitet hatte, verschwand mehr und mehr, je weiter er in der Lektüre vor schritt, und seine stch immer finsterer runzelnden Brauen bewiesen, daß ihm das Bild des neben Miß Bradley über die Karte des Kriegsschauplatzes stch beugenden und mit ihr plaudernden Mr. Cun ningham nichts weniger uls Behagen verursachte. VIII. Die schmähliche Niederlage von Bull Run ent mutigte die Anhänger der Union keineswegs. Die Hauptcharaktereigenschaften deS Amerikaners, seine Zähigkeit und seine Energie, die sich nicht so leicht Niederdrücken und beugen lassen, zeigten sich jetzt in glänzendem Licht. DaS Unglück spornte Regierung und Bürger zur höchsten Tatkraft an. Man sah ein, daß mit Reden und mit der bloßen Begeisterung nicht« getan sei, und man fing an, die vorhandenen lebelstände, die schlechte Ausrüstung und AuS- bildung der Truppen zu erkennen und an ihrer Be ¬ seitigung mit Anspannung aller Kräfte zu arbeiten. Man erkannte, daß kleine Anstrengungen den Gegner nicht überwinden würden, und man begann den Krieg in großem Stil. Lincoln verlangte 400 000 neue Soldaten. Der Kongreß bewilligte 500 000 Mann und zugleich die nötigen Millionen. Mc. Dowell, der die Schlacht am Bull Run verloren hatte, wurde seines Postens enthoben und an seiner Stelle ein noch junger General Mc Clellan zum Oberbefehlshaber der Union ernannt. Mc Clellans Verdienst war es, daß er sich zunächst daran genügen ließ, die Armee zu organisieren, sie, so gut cS ging, kriegStüchtig zu machen und von jedem offensiven Unternehmen für die nächsten Monate ab zusehen. Manche Regimenter besaßen auch jetzt noö nicht einmal Waffen in genügender Anzahl. Abe nun wurde mit größtem Eifer gearbeitet, aus dem ChaoS, in dem sich die Truppen zum Teil noch be fanden, eine brauchbare Armee zu schaffen. Täg- lich langten neue Regimenter an. Washington glich einem ungeheueren Waffenplatz. Die Regimenter wurden in Brigaden und Bataillone geteilt. Armee korps konnte man aus Mangel an brauchbaren Führern noch nicht formieren. ES wurde täglich mehrere Stunden exerziert und auch der Ausbildung deS einzelnen Mannes größere Sorgfalt als bisher gewidmet. Auch in den Arsenalen wurde fieberhafte Tätigkeit entwickelt und die ganze Industrie deS Nordens legte stck auf die Fabrikation von Kriegs- material. Die Unionsarmee erreichte unterdessen eine Stärke von 600 000 Mann und Washington wurde mit einem Gürtel starker FortS umgeben. Die deutsche Division war durch ihren Anteil an der unglücklichen Schlacht am Bull Run sehr beliebt geworden. General Ble, ker gehörte zu den populärsten Figuren in Washington. Seine martialische Gestalt in der kleidsamen prächtigen Uniform erregte über all Aufsehen und er hatte jedesmal eine größere Schaar neugieriger Begleiter, so oft er sich in den Straßen der Bundeshauptstadt sehen ließ. Man nannte ihn den Retter von Washington, und ohne zu übertreiben, konnte der General diese« schmückende Beiwort für sich wohl in Anspruch nehmen. Denn wenn die deutsche Division dem Beispiel der anderen Regimenter gefolgt und eben falls in wilder Flucht vor dem Feinde daoonge- aufen wäre, so wäre die Bundeshauptstadt sicherlich m ersten Schreck genommen worden, und der Weg nach Baltimore, Philadephia und New-Aork hätte der feindlichen Armee offen gestanden. ES waren heitere, sorglose, abwechslungsreiche Tage, die die deutschen Offiziere in HunterS Chapel und in Washington verlebten, daS zu Pferd oder Wagen in einer Stunde zu erreichen war. Nicht nur der Ober befehlshaber Mc. Clellan, auch der Präsident zeichnete Blenker aus und er sowohl wie seine Offiziere waren oft gern gesehene Gäste deS Präsidenten. In den Gesellschaften im Weißen Hause, der Residenz des Präsidenten, erschien immer eine Menge hervor ragender Persönlichkeiten und Oberst von SaliS sv- wie Dietrich Henning, der inzwischen zum Kapitän aufgerückt war und des gefallenen LeipholdS Kompagnie übernommen hatte, b. nutzten die Ge legenheit interessante Bekanntschaften anz«Inüpfe«j Fvrtsetzung folgt.
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