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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 01.09.1907
- Erscheinungsdatum
- 1907-09-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190709017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19070901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19070901
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1907
-
Monat
1907-09
- Tag 1907-09-01
-
Monat
1907-09
-
Jahr
1907
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 01.09.1907
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«uisetzt, Rechenschaft zu geben. Ich kann «S mir vor» stellen, daß diese Dame nach Familie, Erziehung, Gesinn ung wirklich immer noch eine Dame ist und daß eS vielleicht nur der Beichte an einen wohlmeinen den Freund bedürfte, um ihr die schreckliche Situa tion, der sie entgegen treibt, zum Bewußtsein zu bringen und sie kurz vor dem Abgrund auch zurück zu reißen." Dieser elende Heuchler, dachte Gerda. Sie er widerte nichts, denn ihr Herz schlug zum Zerspringen. Sie zog ihre Uhr und warf einen raschen Blick da rauf. Gottlob! nur noch sechs Minuten! Sie erhob sich und blieb, den Revolver in der Hand, in Verteidigungsstellung. Auch der Fremde sah nach seiner Uhr. Na, jetzt konnte nichts mehr passieren. Sie war also doch eine verstocktere Sünderin, als er gedacht hatte. Der Zug fuhr auf der Station ein. Man trennte sich. Gerda Hellwig brach in Tränen aus, als sie in ihrer Droschke sich in Sicherheit gebracht hatte. Zwei Stunden lang diese unerträgliche Todes- angst I Nach Berlin zurück wollte sie ganz gewiß bei Tag reisen — in drei Etappen. Entsetzlich! Ein so stattlicher und eleganter Mann! Es war sicherlich der berüchtigte MonaleScu-Lahovary! Im Hotel angekommen, sagte Gerda zu dem Portier: „Ich erwarte um 10 Uhr früh einen Herrn. Lasten sie ihn ins Lesezimmer eintreten." Pünktlich zur Minute wurde er gemeldet und — Gerda Hellwig sah sich ihrem unheimlichen Reise gefährten gegenüber. Sein Erstaunen war nicht geringer als das ihrige. „Rittergutsbesitzer von Bredow," stellte er sich vor. „Ich bringe Ihnen das Geld für ihre Hypo- thek, Gnädigste." Sie sahen sich an und brachen gleichzeitig in ein befreiendes Gelächter aus. „Ich hielt sie für einen Eisenbahnräuber," sagte Gerda. „Und ich glaubte, Sie wären designiert, mir ihr eigenes Geld abzujagen", erklärteHerr von Bredow. „Ihr Revolver " »Ihre Zigaretten " „Und die Ihrigen " „Und Ihr sonderbares Benehmen " „Und Ihr Cognac!" Sie kamen gar nicht dazu, die geschäftliche An gelegenheit mit dem wünschenswerten Ernst zu er ledigen. ES war auch nicht nötig. Denn ihre materiellen Interessen reiften einer innigen Vereinigung zu genau so, wie ihre seelischen. Und es erwies sich in naher Zeit, daß sie sich in jener Nacht doch nicht ganz unrichtig eingeschätzt hatten. Denn sie hatten einander die Herzen geraubt. Die Prager Iudenstadt. Von Karl Michels. (Nachdruck verboten.) Die gestrengen Herren der schönen und an historischen Erinnerungen so überaus reichen Wenzel stadt an der Moldau haben nach heißem Bemühen und mit enormen materiellen Opfern in den letzten Jahren einen der interessantesten Teile Prag?, daS uralte Ghetto, rasiert. Wo das Gewirr der engen und von Schmutz starrenden Judengäßchen mit den windschiefen Häuschen noch vor kurzem als eine wirklich unvergleichliche Sehenswürdigkeit de« Fremden aufnahm, erheben sich heute protzige Mictkasernen an breiten Straßenzüzen. Die ureingesestene Be völkerung von kümmerlich vegetierenden Kcambuden- besttzern und Althändlern ist in alle Winde zerstreut. Nur ein Stück des ehrwürdigen Friedhofes und die in ihrem Unterbau aus dem 6. Jahrhundert unserer Zeitrechnung stammende Alt-Neu-Synagoge, sowie das jüdische Rathaus sind noch als Zeugen der wechselvollen Geschichte des Judentums in Böhmen erhalten geblieben. Vom sanitären Standpunkt aus ist diese gründ liche Aufräumung sicherlich als eine Großtat der rührigen Gemeindevertretung Prags zu begrüßen. Dem Historiker und Altertumsfreund bedeutet sie einen beklagenswerten Vandalismus Denn eS ist ein Stück Mittelalter dabei vernichtet worden, wie es sich nirgends auf der Welt in gleicher Treue, Vollkommenheit und Größe erhalten hat. Man kommt nicht über die Frage hinaus, ob ein so durch- Tages-Kalender für Gersdorf. Gemeindeamt (Gemeindevorstand) Registratur, Meldeamt Wochentags von 8—12 und 2—6 Uhr. Gemeindekassen- Schulkassen-Berwaltung u. Onssteuereinnahwe Wochentags von 8—12 und 2—6Uhr. Punkt 6", Uhr wird die Kasse geschlossen. Sparkasse: Jeden Dienstag und Freitag Nachmittag 2—k Uh. Staudesamt. Wochentags von 9—12 und 2—4 Uh: Balksttbltathek: Central chule parterre Jeden Mornag nachmittag von 5—v Uhr geöffnet. Schlachtfteneretnoahme: Hauptstraße Nr. 908, bei Herrn Th. Friedrich. Wochentags von 8—1 und 2—6 Uhr. Ortskrankenkaffe für Wirker re. bet Herrn Hermann Vieweg Hauptstr. Nr. t.6. Expeditionszeit von 8—12 u. 2—6 Uh Trichinenschau-Bestellung: für Schlachten am Vormittag bis früh o Uhr, für Nachmittags bis 1 Uhr. Bezirk v. Brd.-Cat. Nr. 1—143k bei Herrn Hugo Hübsch Erlbacher Straße Nr. 1198. II. Bezirk v. Brd.-Cat. 9tr. 144—233 bei Herrn Richard Straß, Hauptstraße Nr. 978. Allgemeine Ortskrankenkasse bei Herrn Karl Th. Nietzold Hauptstraße Nr. 162 pariere. Expeditionszeit: Montag Dienstag Donnerstag Sonnabend 8—12 u. 2—6 Sonntag 8—10 Uhr. v. 8—12 un 2-4 Uhr. Iakob Morenga mit seinem Stabe. Die Nachricht, daß der Häuptling Morenga mit einigen hundert Anhängern nach Deutsch-Südweft- afrika zurückgekehrt sei, läßt befürchten, daß unsere brave Schutztruppe neue langwierige Kämpfe wird durchfechten müssen, denn Morenga ist unser gefähr lichster Feind. Wie wir an anderer Stelle berichten, hat er sich zurzeit am Oranjefluß festgesetzt. Morenga, der teilweise als Hererobastard, teilweise als echter Herero gilt, wird von allen, die je mit ihm zu tun gehabt haben, als der weitaus befähigtste Führer der Aufständischen bezeichnet. Eine unübertreffliche Kenntnis jener wildromantischen, zerklüfteten Berge am Ocanjefluß, gepaart mit hoher Intelligenz und strategischer Vemnlagung, machen ihn denn auch zum geborenen Führer im Guerillakriege, in dessen An wendung die Hottentotten Meister sind. Morenga ist von hoher Statur und trägt in seiner Haltung etwas vom Wesen eines Grandseigneurs zur Schau. DaS vorstehende Bild zeigt ihn inmitten seines Stabes. auS radikales und schonungsloses Vorgehen nötig gewesen ist, und kann den zähen Männern nicht dankbar genug sein, die in einem langwierigen Rechtsstreit die Absicht, auch den unvergleichlich wert vollen Friedhof der modernen Verschönerungswut ganz zum Opfer zu bringen, endlich vereitelt haben. Die Stadt Prag stieß bei der Durchführung des EnteignungSoerfahrens auf enorme Schwierig keiten. Die Besitzverhältnisse im alten Ghetto waren so außerordentlich kompliziert, daß man eS fast bei jedem einzelnen der zum Abbruch bestimmten Häus chen mit Dutzenden von Eigentümern zu tun hatte. Die Gebäude hatten sich zumeist durch Jahrhunderte in derselben Familie fortqeerbt und, da sie gewöhn- lich das gesamte Vermögen oder doch wenigstens den Hauptteil des Vermögens des Erblassers reprä sentierten, mit jeder neuen Generation die Zahl ihrer Besitzer anwachsen sehen. Es gab da elende Baracken, die, auf wenigen Quadratmetern Boden, ohne Hofiaum, sich aufreckend, mehr als hundert Personen gleichzeitig zu eigen gehörten. Teils aus Pietät für den angestammten Besitz, teils aus Spekulation griffen die Bewohner des Ghetto zu dem einfachen Mittel, einige Miteigen tümer eines jeglichen Grundstückes für längere Zeit verschwinden zu lassen, um so den Abschluß der Kaufverhandlungen, die der Enteignung voraus- gehen mußten, zu verschleppen. Inzwischen wurden durch vielleicht nicht immer ganz lautere Manipu lationen die Mieten der alten Häuser ins Groteske hinaufgesch aubt, um einen dreijährigen Durchschnitts ertrag von lächerlicher Höhe, der dem Enteignungs preis zugrunde gebgt werden mußte, zu erzielen. Nach Ablmf dieser Frist fanden sich dann die so plötzlich verschollenen Miteigentümer wieder ein und kassierten schmunzelnd die stattlichen Kaufsum men, mit deien Zahlung die Stadt Prag für ihr pietätloses Vorgehen gewissermaßen sich selbst bestrafen mußte. So ist eS der städtischen Behörde Prags auf lega lem und friedlichem Wege gelungen, was in wilden und zügellosen Vernichtungskämpsen des Pöbels früherer Jahrhunderte vergeblich angestrebt worden ist: die Judenschalt auS dem ihr angewiesenen und durch zahlreiche Privilegien der böhmischen Könige und römisch-deutschen Kaiser geschützten Stadtgebiet endgiltig zu verdrängen. Usber die Zeit der jüdischen Einwanderung in Böhmen ist geschichtlich nichts Sicheres festzustellen. Mat hat indessen Grund, anzunehmen, daß sie schon zur Zeit ihres politischen StaatcS in Jndaea unter Julius Caesar, ja vielleicht schon früher erfolgt ist Jedenfalls aber nahm die Einwanderung der Juden in Böhmen nach der Zertrümmerung des jüdischen Reiches durch die Römer und Titus im Jahre 79 n. Chr. einen größeren Umfang an. Da für ist ein Beweis eine Ansprache des Kanzlers BretiSlaws II. an den Vorsteher der Prager Juden, die sich im Jahre 1098 wegen der ihnen drohenden ZwangStaufe zur Auswanderung anschickten. Er warf ihnen vor, „daß sie nach dem VerbannungSedikt des Kaisers Vespasian arm und elend von Jerusalem abzogen und nun die in Böhmen angehäuften Schätze anderswohin verschleppen wollten." Ferner hoben in ihrer Fürsprache um Aufhebung des Ausweis- Ediktes von 1559 die Christen Pcags zu Kaiser Ferdinand I Zeiten hervor, „daß die Juden dieses Land schon vor Zerstörung ihres jerusalemischen Tenipels bewohnt hätten." BiS zur Zeit der Kreuzzüge waren die jüdischen Einwanderer in Böhmen nicht nur wohlgelitten, sondern man ließ ihnen auch gern eine gewisse Selbständigkeit und Unabhängigkeit. Sie hatten ihre Aeltesten, von denen sie nach ihren besonderen Rechts gebräuchen gerichtet wurden. Auch bezüglich des Grunderwerbs waren sie keiner Beschränkung unter worfen. Erst mit dem Erwachen deS religiösen Fanatis mus zur Zeit der Kreuzzüge begannen auch in Böhmen die grausamsten Verfolgungen der Juden, wobei natürlich die Plünderungen und Beraubungen des Ghetto eine hervorragende Rolle spielten. Um die lästigen Freibriefe und Privilegien, die sich im Besitz der Prager Judengemeinde befanden, zu vernichten, beschlagnahmte die Geistlichkeit unter militärischer Assistenz am Versöhnungstag des Jahres 1453 alle in Judenhänden befindlichen Bücher und Schriften, ohne jede Rücksicht auf den Inhalt. Do kumente von unschätzbarem Wert mögen durch diese beispiellose Greueltat zerstört worden sein. Die Gemeinde und alle jüdischen Personen büßten dabei sämtliche in mehr als einem Jahrtausend erworbenen Urkunden, teils von geschichtlicher, teils von wissen schaftlicher, teils von materieller Bedeutung für alle Zeiten ein. denn daS konfiszierte Material wurde natürlich sofort verbrannt. Aehnliche Ding', wenn auch nicht in so großem Umfang, wiederholten sich 1559, 1630 und noch 1714. Noch beschämender als diese Untaten erscheinen die wilden Ausbrüche der künstlich angefochten Volks wut gegen die stummen Zeugen der Prager Juden- geschichle auf dem Friedhof, von dem ein bemerke, S° werter Teil erhalten bleibt. Namentlich au§ Anlaß der Verfolgung im Jahre 1389 wurden alle vor- handenen Leichensteine zertrümmert, die Gräber er brochen und die Leichname herauSgerissen. Noch am 27. und 28. November 1744, nach dem Abzug der Preußen, wütete die österreichische Soldateska in ganz ähnlicher Weise gegen die Lebenden und Toten deS Prager Ghetto. Unter diesen Umständen ist eS fast ein Wunder zu nennen, daß der ehrwürdige, von uralten Hollunder bäumen ganz durchwucherte Friedhof doch noch eine so stattliche Anzahl von Leichensteinen auS früheren Jahrhunderten aufzuw-isen hat. Bon den über der Erde befindlichen stammt der älteste aus dem Jahre 606 n. Chr. und gilt dem Andenken der Sara, Gattin deS Aroniten Josef. Er ist also 71 Jahre vor der Ankunft der Slaven in Böhmen und 120 Jahre vor der Gründung Prags errichtet worden. Es darf aber ohne weiteres angenommen werden, daß unter dem gegenwärtigen Niveau des Fried hofs noch weit ältere Steine ruhen, da ja deS be schränkten Begräbnisraumes wegen der Boden wieder holt aufgeschüttet worden ist und die Leichen in zahlreichen Schichten über einander bestattet werden mußten. Daher kommt eS auch, daß die Gra.bsteine zu meist ganz dicht neben und hinter einander gesetzt erscheinen, fünf und sechs auf einem Grabe, sich gegenseitig verdeckend. Hin und wieder nur wird dieses steinerne Trümmerfeld durch ein größeres, von einem steilen Steindach eingedecktes Grab einer besonders bemerkenswerten Person unterbrochen. Zu diesen so ausgezeichneten Gräbern gehören u. a. das Grab deS Rabbi Abigdor Karo (1439), des Rabbi Gedalia (1486), des Mordachai Meisl (1601), Freundes und Vertrauten deS Kaisers Rudolfs II., und das Grab der Hendl, Gattin des Jakob Bath Scheba von Treuenberg, des ersten vonKaiser Ferdinand II. in den Adelsstand erhobenen Juden (1628) ES macht einen sonderbaren Eindruck, die Grab denkmäler dieser seit Jahrhunderten Abgeschiedenen über und über mit winzig kleinen Steinchen bedeckt zu sehen, die fromme Besucher des Friedhofes nach Vätersitte da zusammengetragen haben. Die jüdische Beerdigungs-Brüderschaft, der die Pflege dieses ältesten aller Judenfriedhöfe obliegt, hat die glückliche Idee gehabt, die infolge der teil weisen Enteignung jetzt weggeräumten Grabsteine in die neue Umfassungsmauer einbauen zu lassen und sie dergestalt zu erhalten. Eine ergreifende Melancholie umweht dieses Stückchen Erde, das, wie keines sonst, eine unschätz bare Fülle von Lebensschicksalen in sich einschließt. Die tausendjährige Geschichte dieses versprengten Volksstammes kann nicht deutlicher und überzeugender unserem Empfinden nahe gebracht werden, als eS durch die stumme Sprache dieses regellosen Gräber feldes geschieht. Einen besonders tiefen Eindruck scheint der Friedhof auf den verstorbenen Kaiser Friedrich gemacht zu haben, dessen Unterschrift nicht weniger als dreimal in dem Fremdenbuch erscheint, zuletzt mit den Namen der Kronprinzessin Viktoria und deS Prinzen Wilhelm. Er hatte schon sein Notizbiichlein gezogen; dann brach er lächelnd ab: „Aber richtig, Sie haben ja droben Ihr altes Zimmerchen, Stadelmann sagte mir ja . . ." Tante Gusti, die ein paarmal verlegen gehüstelt hatte, fiel nun in ihrem etwas spitzen Ton ein: „Der Urlaub wird doch reichen, Herr Ingenieur?" Arnold lehnte nicht direkt ab, empfahl sich aber gleich darauf. Stefanies Hand behielt er länger als nötig in der seinen. Sowohl Benjamin als auch die Tante bemerkten das. Der Bruder begleitete den Besuch, ein gleich- giltiges Gespräch über die Seereise aufnehmend, zur Korridortür. Draußen im Gang, als Benjamin ihm schon zuvorkommend die Tür geöffnet hatte, wandte sich Arnold dem jungen Mann plötzlich voll zu und sah ihm mit forschender Strenge ins Antlitz. „Herr Plügge," redete er ihn dabei in ge dämpftem, aber scharfem Ton an, „ich habe gehört, daß Sie mit Kapitalien an der „Levantina" be teiligt sind?" „Allerdings — großartiges Unternehmen." Er verstummte vor dem immer ernster und drohender werdenden Blick des andern. „Seltsam, Herr Plügge, daß mir mein Freund Ermete Bonziani vor neun Tagen, als ich ihn in Genua besuchte, nichts davon gesagt hat." Der junge Mann hatte den siegessicheren, über legenen Ausdruck sofort verloren. „Bonziani ist — Ihr Freund?!" stammelte er. „Allerdings, Herr Plügge. Und er hat mich zum technischen Direktor der neuen Schiffsgesellschaft ernannt." II. der In seinem Zimmer wieder angekommen, ging Ingenieur mit großen Schritten auf und nieder. Wenn sein Verdacht zutraf, daß Benjamin seine Ich .Es bleibe droben, bis Sie kommen." geht heute nicht, Herr Struck! Nach dem i Nach einer schlecht verbrachten, durch wirre Träume vielfach gestörten Nacht erhob er sich zeitig. Im ganzen Hause herrschte schon große Unruhe. Als er über die Treppe schritt, um sich bei Frau Stadel mann das Frühstück zu bestellen, sah er die Tür zur Plüggeschen Wohnung weit geöffnet. Gärtner burschen trugen hohe Topfpflanzen in den geräumigen Salon, aus dem der Teppich und alle Möbel ent fernt waren. Theaterdekorationen, teils zusammen gerollt, teils in gespannten kleinen Versatzstücken, schwankten, von Zimmerleuten getragen, gleichfalls n die erste Etage. Vermutlich wurde für die am heutigen Polterabend zu gewärtigenden Aufführungen eine Bühne aufgeschlagen. Benjamin sah sich hastig und scheu um. „Her^ Struck — ich muß — ich habe ... Ich weiß nicht, durch wen Sie erfahren haben, daß mein Schwager. .." „Ich erwarte Ihren Besuch, Herr Plügge. Heute noch." Der junge Plügge warf ihm einen verzweifelten ! Blick zu. „Daß das auch gerade jetzt . . ." Als Arnold, vom Hausflur nach oben zurück kehrend, wieder an der Entreetür vorüberkam, sah er Benjamin im Salon stehen, damit beschäftigt, den Leuten Anweisungen zu geben. Er rief ihn an. „Ich hatte soeben beabsichtigt, hinaufzukommen — Gönnen Sie mir noch zehn Minuten!" Endlich — es war noch eine halbe Stunde vergangen — trat Benjamin droben bei Arnold ein. Sein Antlitz war verstört. Er sprach in hastigen, abgerissenen Sätzen. Benjamin war seiner Schwester wie aus dem Gesicht geschnitten. Er ähnelte ihr auch in Haar farbe und Teint. Sogar etwas in seinem Tonfall er innerte an Stefanies Redeweise. Der Grimm, der den Ingenieur gegen Benjamin erfüllt hatte, ließ nach, während er sich so in die Einzelheiten der Aehnlichkeit mit Stefanie vertiefte und das Bild der Geliebten vor seinem Auge wieder auftauchte. Fortsetzung folgt. Schweigen abforderte. Schließlich hatte sie glauben müssen, daß er eine andre liebte. . . ... Es war stockdunkel geworden; Benjamin hatte sich aber noch immer nicht bei ihm blicken lassen. Endlich — es schlug gerade neun Uhr — klopfte es an seine Tür. Das Plllggesche Stubenmädchen stand draußen mit einem Briefchen vom jungen Herrn. „Warten Eie einen Augenblick!" sagte er mit Schwester, die im Begriffe war, seiner Karriere ihr Lebensglück zu opfern, belogen und betrogen hatte, dann sollte ihn nichts, nichts davon abhalten, Stefanie die Augen zu öffnen und zugleich seine eigne Liebe ihr zu gestehen. In der vorhin beendigten Unterredung war es ihm mit voller Klarheit aufgegangen: Stefanie hatte ihn heimlich geliebt — ebenso innig wie er sie. Sicherlich hatte sie immer und immer auf seine Er klärung gewartet, nicht ahnend, welcher Zwang ihm Fest will ich Ihnen über alles Aufschluß geben. Aber jetzt, wo ich alle Hände voll zu tun habe..." „Ich erwarte Ihren Besuch — heute noch!" wiederholte der Ingenieur streng. „klommen Sie nicht — so empfängt Ihr Schmager morgen den meinen I" Sie standen einander einen Moment gegenüber, Äug' in Äug'. Dann verließ Arnold die Plüggesche Wohnung. . unsicherer Stimme. Rasch trat er ins Zimmer ' zurück, holte die von der Portiersfrau sorgsam in Ordnung gebrachte Lampe und machte Licht. Mit nervös zitternder Hand riß er den Umschlag auf und überflog das Kärtchen. Er könne, ohne Aufsehen zu erregen, heute abend nicht mehr kommen, schrieb Benjamin. „Aber morgen früh, bevor ich als Trauzeuge mit zum Standesamt fahre, suche ich Sie droben in Ihrer Wohnung auf," lautete der Schlußpassus des Billets, „nur jetzt beschwöre ich Sie, nichts zu unternehmen, was imstande wäre, das Glück meiner Schwester zu trüben!" Arnold lächelte bitter vor sich hin. Stefanies Glück! „Ist Besuch unten ?" fragte er das Mädchen, fest entschlossen, Benjamin zur sofortigen Aussprache zu zwingen. Das Mädchen schüttelte verwundert den Kopf. „Die Herrschaften sind fortgefahren. Sie wollten in der Stadt im Restaurant zu Abend speisen. Um elf Uhr soll ich zu Bett gehen, sagte Fräulein von Reck, für den Fall, daß es vielleicht später werden würde." Arnold entließ das Mädchen.
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