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^ 65, 18, März 1930, Fertige Bücher, Börsenblatt f. d. Dtschn Buchhandel. 2187 5re c/ew (7ir-ch'/e e/e5 und schiebt ihn in die Brusttascbe. wie manche Zigarette ist nicht zu Ende geraucht worden. Frieden — wie soll man das wissen, und was geht es einen schließlich an? Der Rompagnieführer kann keinen Frieden machen, der Rüchenunteroffizier nicht, der Feldwebel auch nicht, weiß man denn noch, wie es angesangen hat? Drei Tage Stellung, drei Tage Bereitschaft, drei Tage Reserve — dann wieder Ablösung in die Stellung. Ein Pa- trouillenunternehmen, drei Tote durch Granatsplitter, einer durch eine eigene Handgranate. Sechs Verwundete und ein Gefangener. Vernichtungsfeuer. Nachts drei Stunden lang Gasbeschuß. Morgens zweimal Sperrfeuer, warum weiß kein Mensch. Dann in der Frühe ein Fliegerkampf hoch oben. Einer wie eine brennende Pechfackel abgeftürzt. Nach- mittags Volltreffer auf einen Unterstand der Nachbarkom pagnie. Die Leute haben zuviel bekommen. Sie sitzen wie verdatterte Hühner im Graben und reagieren aus nichts. Abends noch einmal Sperrfeuer. Nachts die Essenträger. Zwei Stunden Leuchtkugelposten, gegen Morgen als Läufer zum Bataillon. Vom Alten zwei Zigaretten bekommen, furchtbares Rraut. Frieden? Nein, es hat keinen Zweck. Und eines Tages hämmert das Trommelfeuer. Alles geht in die Brüche, fein nacheinander. Die Gräben, die Unterstände, die Hindernisse. Alles ist ja in monate- langer Arbeit nur dafür gebaut worden, daß es jetzt in wenigen Stunden zerquetscht wird. Heute ist dieser Stollen an der Reihe, morgen jener, wie es der Zufall gerade will. In dieser Nacht saßt es die Essenträger. In der nächsten Nacht das Maschinengewehrnest nebenan. In der dritten den Rompagniesührer mit seinem ganzen Stabe. Heute sind noch sechzig Gewehre im Rompagnieabschnitt. Morgen noch vierzig, übermorgen noch zwanzig — und dann? Vielleicht feuert, wenn sie angreifen, noch ein Maschinengewehr, viel- leicht auch nicht. Vielleicht gelangen noch ein paar in die Hauptwiderstandslinie, die Nachricht bringen können — vielleicht auch nicht ... Hlandcrn, wie soll man diese Schlacht beschreiben? Obwohl eine Zusammenwirkung tausend lebendiger Rräste und Energien, eine Unsumme konkreter Vorgänge, ist sie als Ganzes doch fast etwas Abstraktes, nicht Greifbares. Die örtlichen Veränderungen, die sie hervorruft, sind so geringfügig, daß sie belanglos erscheinen. Der einzelne Rampfvorgang unterscheidet sich in nichts vom andern. Es ist eine monotone und endlose Wiederholung des gleichen Bildes. Als einziger sichtbarer Ausdruck tritt immer wieder das Artilleriefeuer in Erscheinung. Sichtbar? Auch das ist in seiner Zusammensetzung so dicht, so grau, so einförmig, daß es zu einem dunstigen Schleier wird, der über dem Trichterfeld liegt und die Materialzone bezeichnet. Ob bei Bikschoote, bei Langemarck, bei passchendaele oder bei Gheluvelt — weder der Boden, auf dem es sich abspielt, noch der Vorgang, der abrollt, verändert sich. Alles ist so unper- sönlich, so neutral in Farbe, Rlang und Wirkung, daß man sich eine Variation auch gar nicht vorstellen könnte. Ein Tag wie der andere, wenn die ^Kriegsgeschichte zwischen dem 3). Juli und dem 10. November 1017 sechzehn besondere Großkampftage feststellt, so ist auch das nur be dingt richtig. Es trifft zu, wenn man die Befehle, die ört- lichen Veränderungen, die Menge des verbrauchten Mate- rials und die Zahlen der von rückwärts neu in die Mate- rialzone geschickten Menschen berücksichtigt. Aber das sind nur hinten meßbare Größen. Vorn regiert das Material, der Schlamm, die Ohnmacht, der Brei. Auch an diesen Großkampftagen gibt es nur Trichterfeld, Artilleriefeuer, Tanks, Flieger, Artilleriefeuer und wieder Artillerieseuer. Vielleicht hier und da das dünne Zirpen der Infanterie- geschosse in jenem Geländestrich, wo Materialzone von hüben und Matcrialzone von drüben aneinandergrenzen. Aber auch diese Grenze verwischt sich immer mehr. Die ^onen greifen in dem Bestreben, möglichst auch die vor- deren Teile des Gegners zu erfassen, schon ineinander über. l^nd nun verteilen 8ie diese I^eseproke sor^kältiZ an Ilire XundscliaH. 8ie sollen selien, jeder wird sicli nacli dein Luclie reißen 1.0. Börsenblatt s. d. Deutschen Buchhandel. 97. Jahrgang.