Suche löschen...
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 29.07.1908
- Erscheinungsdatum
- 1908-07-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190807294
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19080729
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19080729
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-07
- Tag 1908-07-29
-
Monat
1908-07
-
Jahr
1908
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 29.07.1908
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
o schwere Brandwunden, daß es am Abend im Unwetters, bestehend aus heftigen Gewittern, wolken- binde. Der Aufenthalt deS Präsidenten werde wirken, dieser Freundschastsband noch enger knüpfen und den festen Willen beider Länder, Erhaltung der Festigkeit deSWeltfri denr wettzueisern, neuerdings ins rechte Licht be- -u bei e - -u dankte, der von ganz Rußland als ein neues Zeug- nir für die aufrichtige, unveränderliche Freundschaft angesehen werde, die Rußland und Frankreich ver- nach dreißig und mit Hilfe eines bemittelten Kon sortium» ist er jetzt gelungen, einen regelrechten Echürfbetrieb einzurichten. — Die Edelsteine sind meist unregelmäßige Splitter, jedoch sind darunter auch vollkommen regelmäßige Oktaeder und krumm- flächige Rhombendodekaeder in der bekannten typischen Kristallform des Diamanten nicht selten. Die Farbe der Steine ist wasserhell. Kenner behaupten, die Diamanten Maden im Wert den besten südafrika nischen nicht nach. Eine weitere Prüfung wurde im Laboratorium der Minensyndikair oorgenommen, über den Ausfall jedoch nicht» bekannt^geworden. DaS französische Geschwader lief am Montag um 3 Uhr nachmittags in die Reede von Reval ein. Von der Kaiseryacht „Stan- dort" fuhr Marineminister Dikow zum Schiff deS Präsidenten, um diesen zu begrüßen. Dann fuhr Präsident Falliöres zum „Standart". Dort schritt er zunächst die Fronten der Ehrenwache der Of fiziere und Mannschaften der Kaiseryacht ab, dann wurde ihm das Gefolge deS Kaisers vorgestellt. Darauf fuhr der Präsident unter den Salutschüssen zu seinem Schiff zurück, auf dem bald nachher der Zar den Besuch erwiderte. Dann fuhr der Kaiser zum „Standart" zurück. FalliöreS' Besuch an Bord des „Standart" dauerte zehn Minuten, der Gegenbesuch deS Kaisers auf dem Präst- dentenschiff „V^ritä" eine Stunde. Während dieser Zeit konferierten die beiderseitigen Minister des Auswärtigen IS wo! Ski und Pichon. Unter den politischen Fragen, die zwischen ihnen zur Sprache gekommen sind, sollen sich auch die Reor - g a n i s a t i o n d e r russischen Armee, sowie die Aufnahme einer neuen Anleihe gegen Ende des Jahres befunden haben. Bezüg- lichMarroko » , der T ür ke i und Persiens erwartete man in Paris keine die bisherige Politik wesentlich ändernden Abmachungen. — Nach einer telegraphischen Meldung brachte bei der abends stattgehabten Galatafel auf dem „Standart" Kaiser Nikolaus einen Trinkspruch auS, in dem er dem Präsidenten für den Besuch mittag ein 1 «jähriger Knecht ein Pferd mit einem Strick an der Zunge fest, damit eS beim Putzen sich ruhiger verhalten sollte. Da» Tier machte aber trotzdem den Versuch, sich stetzumachen und riß sich die Zunge au». Der junge Mensch wurde in Haft genommen. — Limbach, 27. Juli. In einer ZeitungS. Meldung über das Bahnprojekt Limbach—Walden, bürg—Gößnitz war kürzlich geschrieben worden, daß man von dem Projekte Limbach—Penig nicht» mehr höre. Von maßgebender Stelle wird jetzt dem Peniger Amtsblatt geschrieben, daß der Annahme daS Bahnprojekt Limbach—Penig werde wohl nicht ernsthaft betrieben, ganz energisch entgegengetreten werden müsse. Der Ausschuß in dieser Bahnfrage meint, daß e» einer öffentlichen Reklame nicht be dürfe. DaS Projekt habe eine reelle Grundlage und spreche für sich selbst. In Penig wisse man recht gut, daß nach wie vor ein großer Teil von Limbach für das Peniger Projekt zu haben ist, mit gutem Grunde, denn Limbach würde auf diese Weise nicht nur billiger Baumaterial (Ziegel, Sand), sondern auch billige Kohlen erhalten können. Bei Ausfüh rung dieses Projektes wäre eS nur eine Frage der Zeit, daß Penig die versprochene Schleife von der Bahn Altenburg—NarSdorf erhielte und damit die billige Meuselwitzer Kohle über Penig geführt wer den könnte. Schließlich wird noch gesagt, daß die König!. StaatSregierung in erster Linie auf die Rentabilität achte, die auf der Strecke nach Penig viel mehr in die Augen springe, als die auf der Linie nach Waldenburg. Die Limbacher städtischen Kollegien haben, wie mitgeteilt, vor kurzem ein stimmig den Beschluß gefaßt, das Projekt nach Wal- denburg zu unterstützen. — Zwickau, 27. Juli. Tödlich überfahren wurde in Crossen auf der Dorfstraße der 8jährige Sohn deS Fabrikarbeiters Paul Hermann von einem mit Brettern beladenen Lastwagen. Der Knabe kam mit einem Trupp Soldaten dem Fuhrwerk entgegen und ist direkt in das Geschirr hineingelaufen. Der Tod trat sofort ein. — Crimmitschau, 27. Juli. In der Glau- chauer Straße hat sich heute ein Drama abgespielt, daS noch der Aufklärung bedarf. AuS der Wohnung des dort wohnenden Schneiders L. kam starker GaS- geruch, und da die Familie noch nicht bemerkt wor den war, wurde im Laufe des Vormittags in die verschlossene Wohnung eingestieg-n. Hier fand man die Ehestau mit ihren beiden Kindern röchelnd auf. Schnell herbeigeholte ärztliche Hilfe brachte da» fünf- jährige Kind wieder zur Besinnung; auch bei der Mutter gelang dies, doch ist eS fraglich, ob diese dem Leben erhalten bleibt. Ein zweijähriges Kind war bereits tot. Der verreiste Ehemann wurde telegraphisch zurückgerufen. — Plaue«, 27. Juli. Hier hat die Sattlers- ehefrau Luise K. aus Lebensüberdruß Selbstmord verübt. Ueber der Familie liegt ein trag sches Ver hältnis. Ein körperliches, jahrelanges Leiden verwan delte die einst lebensfrohe Frau und Mutter in eine stille, müde Dulderin. Nichts mehr, selbst nicht der Anblick ihrer beiden Kinder, vermochte der Be- dauerswerten neuen Lebensmut zu verleihen. Sie siechte dahin. Und zu den körperlichen Schmerzen gesellte sich noch ein Furchtbares. In der Erinne rung der Kranken stiegen düstere Bilder auS der Vergangenheit auf. Urgroßvater, Großvater, der Vater selbst, sie alle hatten nicht vermocht, des Lebens Last und Mühe bis zum Ende zu tragen: alle drei waren durch Erhängen freiwillig auS dem Leben ge schieden. Immer mächtiger stieg so in diesem ge quälten Menschenherzen der Selbstmordgedanke auf. — W-ischlitz, 27. Juli. Die 12 jährige Tochter des ZiegeleiarbeiterS Sütz benutzte in Ab wesenheit der Eltern zum Anmachen von Feuer Petroleum. Dabei verunglückte das Kind und erlitt Krankenhaus zu Plauen, wohin eS gebracht worden war, starb. — Ehrenfriedersdorf, 27. Juli. Während eines gestern über daS Erzgebirge hereingebrochenen stürzte nieder. Die Bedauernswerte zog sich beim Sturze eine erhebliche Verletzung am rechten Arm zu. — Von der Xordla«dreise des K-«ig- wird berichtet: Der König von Sachsen kam am Sonntag von Hammer in Gjöotk an, wo eine zahl- l reiche Menschenmenge am Kat versammelt war. Am Montag morgen fuhr der König nach Oduae», von wo er mittag» mit der Eisenbahn die Reise nach ! Valdre» fortsetzte. Den bevorstehenden Berba«d-tag der Saalinhaber in Pirna soll u. a. auch ein Antrag betr. Einreichung einer Petition an den Landtag , bezw. an die Regierung um Schaffung eine» ein heitliche« Lanzregnlativs für da» ganze Land beschäftigen. Man verspricht sich davon eine Besse rung der Verhältnisse der Saalinhaber und Ab- > stellung von Uebelständen im öffentlichen Tanzwesen. ! Die Anregung zu diesem Anträge geht vom Bezirk Auerbach i. V. aus, wo die Amtshauptmannschaft den Saalwirten bezüglich der Erlaubnis zur Abhal- i tung außerregulatiomäßiger Tanzmusiken angebliö i wenig entgezenkommen soll. Ferner wird in dem- ! selben Bezirk darüber Klage geführt, daß einzelne Saalwirte, um Tanzerlaubnis zu erhalten, unver- hältniSmäßig hohe Beträge zum Besten deS zu er richtenden Bezirks-SiechenhauseS opfern. i — Dst Pilzzeit hat begonnen und als erste ihrer Gabe unS daS Gclbschwämmchen oder den - Pfifferling beschert, dem in kurzer Zeit der fleischreiche ; Steinpilz folgen wird, der ein köstliches Gericht ab- gibt und zum Trocknen und Einlegen sehr geeignet > ist. Aber auch der Pfifferling schmeckt geschmort oder ! gebraten vortrefflich, und eS ist deshalb erfreulich, daß er diesmal in ziemlicher Menge anzutreffen sein wird. Die Furcht vor Vergiftungen hält viele vom Pilzgenuß ab. Beim Pfifferling ist eine Verwechslung mit einer giftigen Art ausgeschlossen, und auch den Steinpilz wird derjenige, der ihn echt auch nur einmal gesehen, niemals mit anderen Pilzen ver- wechseln. Auf jeden Fall kaufe oder suche und esse man nur Pilze, die man genau kennt, um so jeder Gefahr vorzubeugen. —:/: Gersdorf, 28. Juli. Bei dem Gewitter am Sonntag abend schlug der Blitz in die hiesige elektrische Starkstromleitung und oernrsachte in vielen Wohnungen das Versagen des elektrischen Lichtes. Auch daS Edison-Theater hatte unter dem Gewitter zu leiden und mußte wegen Fehlens deS elektrischen Stromes die Vorstellung vorzeitig abbrechen. — Im schönen Garten der Gasthauses „Teutonia" konzer- tierte am Sonntag nachmittag die Lichtenstelner Stadtkapelle, die mit ihren Darbietungen lebhaften Beifall erntete. Am Abend hielt der hiesige König!. Sächs. Militärverein „Kronprinz Albert" im Saale genannten Lokales sein Sommervergnügen ab, daS einen echt kameradschaftlichen Verlauf nahm. — Luga«, 27. Juli. Bei dem Gewitter am Sonntag abend schlug der Blitz in daS größere Haus beim Saxoniaschachte. Er fuhr von der Esse aus in die Zimmer der zweiten Etage, beschädigte daselbst den Decken- und Wandputz und gelangte dann wieder ins Freie. Die Räumlichkeiten waren in eine Staub wolke gehüllt und mit starken Schwefelgasen ange- füllt. Die zahlreichen Bewohner des Hauses wurden aufs äußerste erschreckt, blieben aber glücklicherweise unverletzt. — In einem Fichtenwäldchen in der Nähe des JohanneSschachteS wurde gestern vormittag der in Anbau Lugau wohnhafte 39jährige Berg- arbeiter Paul Wagner erhängt aufgcfunden. W. war schon seit Freitag von seiner Wohnung abwesend und hatte sich schon längere Zeit mit Selbstmord gedanken getragen. Er hinterläßt eine 12jährige Waise. — Chemnitz, 27. Juli. Heute abend geriet auf der Annaberger Straße, an der Beckerbrücke, daS 4 Jahre alte Söhnchen des Fleisch:rmeisters Rechen- berg von vorn unter ein zweispännigeS, mit Kisten beladenes Geschirr. Der Knabe kam zunächst unter die Pferde und sodann, wahrscheinlich durch eine Wendung, vor das rechte Vorrad zu liegen. Durch letzteres erlitt er so schwere Verletzungen am Kopf i und Oberkörper, daß der Tod sofort eintrat. Ob den Geschirrführer ein Verschulden trifft, dürfte die < rücken. Der Kaiser trank aus die Gesundheit des Präsidenten und auf den Ruhm und da» Gedeihen Frankreichs. — Präsident Falliöre » antwortete, er sei glücklich, mit Kaiser Nikolaus die Gefühle der beständigen und treuen Freundschaft zu bekräftigen, die die beiden Völker vereinigen. Der für die Wah- rung der gemeinsamen Interessen so glücklich ge schloffene Bund empfange eine Weihe der Zeit. Er sei in Europa die Bürgschaft deS Gleichgewichts und werde fortdauern zum größten Wohle Frankreichs und Rußlands. Auch er sei überzeugt, daß der Bund den festen Friedenswillen der beiden Völker bestätigen werde. Der Präsident trank auf den Kaiser, die Kaiserin, die kaiserliche Familie und auf die Größe und daS Glück Rußlands, deS Freundes und Bundesgenossen Frankreichs. Drohender Aufstand in Natal. AuS Pietermaritzburg gehen der „Daily Mail" Nachrichten über einen drohenden Zu lu aufstand und die in aller Eile dagegen ge troffenen militärischen Vorkehrungen der Regierung von Natal an. Diese hat sich durch die Vertrags- widrige Verweigerung der Gehaltszahlung an den Häuptling Dinizulu während seines Prozesses außer bei den Eingeborenen auch bei der Mehrzahl der englischen Kolonisten sehr unbeliebt gemacht. Zu den Streikunruhe« i« Bombay wird unterm 27. Juli gemeldet: Nachdem die Trup pe n längere Zeit mit Steinen beworfen waren, feuerten sie auf die Menge und verwundeten drei Aufständische, darunter zwei schwer. In einer Ansprache an hervorragende Bürger Bombay» erklärte der Gouverneur, die Regierung sei ungehalten, daß sie auS ihrer Mitte keine Unterstützung erhalte. Im „freien" Amerika. AuS Newyork wird gemeldet, daß ein Gefäng- niSskandal im Staate Georgia aufgedeckt worden ist. In verschiedenen Fällen wurden Gefangene, die Strafen für geringfügige Vergehen büßten, zu Tode gepeitscht. In anderen Fällen wurden die Gefangenen verkauft, ähnlich wie Sklaven ehemals in diesen Gegenden verkauft wurden. In Georgia besteht nämlich das System, Gefangene an die verschiedensten Unternehmer als Arbeiter zu vermieten. Dieses System scheint der Kern deS ganzen Uebels zu sein. Die Leiden dieser vermieteten Gefangenen sind un beschreiblich. Lu« dem St« de«tfch-marokka«tfcher Awifche«fav. Am Mittwoch ließ die marokkanische Regierung einen im Dienst der deutschen Gesandt schaft in Tanger stehenden Marokkaner ver haften, angeblich wegen persönlicher Beziehungen zudem hasidischen Pascha von Alkasar. Tatsächlich steht der Mann den politischen Vorgängen aber fern. Der deutsche Gesandte hat noch in derselben Nacht die Freilassung deS Verhafteten durchgesetzt und die Bestrafung der marokkanischen Soldaten verlangt, die ihn unter SchimpfredengegenDeuts ch- land zum Gefängnis brachten. Dt- SLule des Weltfriedens. Der König und die Königin von England empfingen am Montag im Bücking- hampalast 24 Mitglieder des gegenwärtig in London tagenden internationalen Friedens- kongresseS. Der König hieß in Erwiderung auf eine Ansprache, in der er Förderer deS Friedens genannt war, die Abordnung willkommen und sagte, er empfinde nichts mit aufrichtigerer Genugtuung, als die Erkenntnis, daß seine Bemühungen zur Aufrechterhaltung des Friedens unter den Völkern nicht fruchtlos gewesen seien, und das Bewußtsein der hochherzigen Wertschätzung, die seine Bestrebungen in England sowohl wie in den anderen Ländern gefunden hätten. Die Herrscher könnten sich kein höheres Ziel setzen als die Förde- rung eines guten Einvernehmens und herzlicher Freundschaft zwischen den Nationen. Dies sei das sicherste und geradeste Mittel, durch daS die Mensch lichkeit ihr vornehmstes Ideal zur Wirklichkeit machen könnte. Dies Ziel zu erreichen, sei sein unauSge- setzte» Bemühen und Gebet. Der König sprach schließlich die Hoffnung aus, daß die Arbeiten des Friedenskongresses gesegnet sein möchten. Die Begegnung zwischen KallidreS und dem Zaren. Sächsisches. HohensteiN'Ernstthal, 28. Juli 1908. «ettervorauSfage der König!. Sächs. Landes- Wetterwarte zu Dresden. Kür Mittwoch r Nordostwind, heiter, warm, Ge witterneigung. 29. Julit Tagesmittel -f-16,5°, Maximum -s-20,6°, Minimum -j-11,7«. — Herr Bürgermeister vr Patz ist vom Urlaub zurück und hat seine Amtstätigkeit mit dem heutigen Tage wieder ausgenommen. —i Einen schönen Verlauf nahm der gestern im Saale deS Logenhauses veranstaltete Ball de» Bereit»- Turnerschaft, wozu sich die Mitglieder mit Angehörigen, sowie Turnbrüder vom Altstädter Turnverein und andere Gäste zahlreich eingefunden hatten. Während des Abends herrschte die fröhlichste Stimmung, belebt durch mehrere Ansprachen. Be sondere Freude erregte eS, als ein mit anwesendes ehemaliges treues Mitglied dem Verein ein wert volles Geschenk überreichte. —i Durch eine achtlos auf daS Trottoir ge worfene Kirsche glitt gestern auf der Chemnitzer- straße eine dort wohnende ältere Frau auS und eingeleitere Untersuchung ergeben. — In einem Gute Unwetters, bestehend aus heftigen Gewittern, wölken- im Stadtteil Altchemnitz band am Sonntag oor°'bruchart»gem Regen, zum Teil mit Schloßen ver- Der schöne Leutnant. Roman von Rudi von Stollberg. K7. Fortsetzung. lRachdruck verboten.) Während des Aufbruchs hört Lydia, wie Stammern langsam mit seinem schalkhaftesten Tone vor sich hinsagt: „Flaschenpyramide! — kolossal intelligenter Gedanke — Flaschenpyramide!" Und trotz ihrer bitteren Laune muß sie über ihn lächeln. Auf dem Weg zum Caf6 hängt sie sich an Wetterns Arm und hält ihn etwas zurück. Er ahnt, was sie will. „Du kanntest diese Sängerin schon?", beginnt sie in gleichgültigem Ton und sieht dabei auf die Spitzen ihrer Stiefelchen herab, die unter dem Saum ihres Mantels hervorglänzen. „Em wenig, Lyddi," gibt er vorsichtig zur Antwort. Er möchte ihr so gern ersparen, von der alten, häßlichen Geschichte zu erfahren, und doch hat er den Mut nicht, zu lügen oder zu schweigen, — beides käm' ihm wie eine Sünde vor. „Spielt sie eine Rolle in der Geschichte Deines Zwistes mit Kurt Wolf, Georg?" Jetzt erst bemerkt er, wie viel sie schon ahnt. „Warum fragst Du?" „Antworte mir," bittet sie, immer ohne den Kops zu erheben. Er holt tief Atem und sagt: „Wenn Du nur aus Neugier oder Interesse für einen von uns fragst, erspar' mir die Antwort, — oder fragst Du auS einem anderen Grunde?" Ein paar Augenblicke schweigt sie; von vorn klingt das Helle Lachen des Ordonnanzoffiziers zu ihnen zurück. Dann hebt sie den Kopf und er sieht, daß große, silberne Tropfen an ihren Wimpern hängen. „Ich frage," murmelt sie, „weil ich sein Weib werden soll — und will . . ." Hans Georg drückt ihren Arm fester an sich und erwidert mit unsagbarer Zärtlichkeit und Güte im Ton: „Es ist eine lange Geschichte, Lyddi, — ich kann sie Dir hier nicht erzählen, aber ich will zu Dir kommen, bald — morgen, wenn Du willst." „Ja, komme," sagt sie und wischt sich die Tränen vom Gesicht. Den Rest des WegeS legen sie schweigend zurück. Im Cafö bemächtigt sich der kleinen Gesellschaft noch einmal ausgelassene Heiterkeit; Stammern, der sich vor Uebermut nicht zu lassen weiß, trägt die Kosten der Unterhaltung. Als sie endlich — gegen ein Uhr — aufbrechen, begegnen sie im Vestibül dem Fräulein Berelli in Begleitung zweier älterer Damen und mehrerer Herren. Während der Fürst und Wettern mit einer Verbeugung zur Seite treten und der Prinz, der sie erst gekannt hat, noch nachträglich den Hut lüftet, blickt Stammern, das Monocle im Auge, hochmütig blinzelnd über die Gesellschaft hinweg. Beim Abschied sieht Lydia dem Vetter noch einmal bittend ins Auge und er flüstert, indem er ihr die Hand küßt: „Aengstige Dich nicht, Lyddi, ich komme, und eS wird noch alles gut werden." Während der Fahrt schlafen der Prinz und die Prinzessin; auch Asta Gabrielle nickt nach einigen fruchtlosen Widerstandsversuchen, all' ihre Sorgen und Aergernisse vergessend, ein; nur Lydia Thorstan und der gottlose Kurt Wolf fühlen keine Müdigkeit und blicken schweigend durch die entgegengesetzten Fenster hinaus in die sternhelle Nacht. XOIX. Dienstliche Geschäfte machen eS Wettern am folgenden Tage unmöglich, nach H. hinüberzufahren. Er benachrichtigt Lydia davon in einem kurzen, per Eilpost gesandten Billet. Etwa eine halbe Stunde, nachdem sie dasselbe empfangen, geschieht, was sie nicht mehr erwartet hatte: Kurt Wolf läßt sich bei ihr melden. Während sie im ersten Augenblick entrüstet ist, kommt ihr doch sehr bald der Gedanke, daß eine offene Aussprache am Ende das Beste ist, und sie läßt ihn bitten, einzutreten. Lydia sitzt am Fenster, gegenüber der Tür, durch die Stammern hei eintritt. Sie sieht blaß und an gegriffen aus, blaue Ringe liegen unter ihren Augen, und ihr Blick hat auf einmal wieder jene apathische Müdigkeit, die sie sich damals, nachdem sie an Wettern irre geworden, so schön angekünstelt hatte. Alles in allem macht sie heute — wie immer mit vornehmer, fast möchte man sagen hochmütiger Ein- fachheit gekleidet — den Eindruck einer sehr groß-n Dame mit sehr kleinem Herzen. Sie blickt dem Eintretenden nicht entgegen, sondern hat ihr Antlitz dem Fenster zugewandt. Erst als die Portiere rauscht und zwei bespornte Hacken vernehmlich gegen einander klappen, wendet sie den Kopf. Da steht Stammern, — in voller Gala, als ob sich's um eine Staatsaktion handelte. Ungewöhnlich gut steht er aus in der knappen, blauen Uniform, mit den blitzenden Goldschnüren und der silbernen Schärpe, mit dem unternehmenden frischen Gesicht voll nichtsnutziger Liebenswürdigkeit, ohne eine Spur von Scheu und Befangenheit. „Ich habe den Vorzug, Ihnen einen guten Morgen zu wünschen, meine Gnädigste," beginnt er, näher tretend, mit ruhigem Lächeln. „Ich hoffe, Sie haben mich erwartet?" Sehr kalt erwidert Lydia, auf einen Sessel deutend: „Nehmen Sie Platz, Kurt Wolf, — da Sie mir gestern Ihren Besuch ankündigten, wär' es wohl unhöflich, wenn ich Ihre Hoffnung täuschen wollte." Er lächelt noch immer. Wenn sie wüßte, wie sie ihm gefällt, gerade in ihrer kühlen Unnahbarkeit I Er legt die Pelzmütze auf den Tisch und setzt sich aus den ihm angewiesenen Sessel. Mit vorge beugtem Oberkörper, den Säbel zwischen den Knieen, sieht er mit neugieriger Keckheit in ihr blasses, mürrisches Gesicht. Und dann beginnt er, ganz unvermittelt, als wollte er ihr ein Märchen erzählen: „Vor etwa Jahresfrist gab mir mein guter, alter Freund Hans Georg Wettern den Rat, auS dem intimen Verhältnis, daZ eben damals Seine Königliche Hoheit der Großherzog mit mir anzubahnen die Gnade hatte, alle meine persönlichen, meine Herzensinteressen sorgsam fernzuhalten. Obwohl ich chon damals einsah, wie vernünftig der Rat war, gelang es mir nicht, ihn zu befolgen. Die immer ich mehrende Güte des Fürsten ließ mich mit der Zeit jener untilgbaren Nuance vergessen, durch die sich die Freundschaft eines Fürsten immer und ewig von der eines Freundes unterscheiden wird. Sie, gnädigste Baronin, wissen am besten, wie hart ich dafür bestraft worden bin. Lange Zeit hat es mir bittere Miene gekostet, mir mit meinem berühmten Humor über die Angst einerseits, in der schönsten Hoffnung meines Lebens getäuscht zu werden, und andererseits über daS Mitleid mit meinem hohen Freunde hinwegznhelfen. Aber eS ist mir gelungen. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, wo binnen Kurzem mit dem Glück meines Lebens noch etwas anderes, was dem Edelmann noch höher steht, in Gefahr ge raten könnte. Fortsetzung folgt.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)