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Jur Erplostouskatastrophr bei^Witte« Zur Explosionskatastrophe bei Witten von Bnpchlcn «on der ttnglücksstätte bei Witte». eine» Tage» ohne Lebewohl au» Pari» oerschwun. «rvstthul. Ab Hohen st ein-Er. Bahnhof »orm. 7.50 nachm. 1.2b Elübchen hoch droben im fünften Stock der häßlichen, schmutzigen Mietskaserne auf dem Montmartre. Und doch war sie im Grunde auch damal» recht froh ge wesen, daß. sie wenigstens diesen Ur^erschlupf ge funden. Denn wenn die dicke Frau Vertier sie u.» barmherzig auf die Straße gesetzt hätte, würde sich wohl kaum zu ihren Gunsten noch einmal ein so offenbares Wunder ereignet hoben wie zwei Jahre zuvor, wo sie just in der Stunde der äußersten Rast losigkeit und Verzweiflung ihrer jungen Freundin, der hübschen, sch'anken Berthe von den FolieS drama- t que» begegnet war und bei ihr Aufnahme gefun- den hatte. Die liebe arme Kleine war ja nun auch längst tot — in den dürftigsten und traurigsten Verhältnissen gestorben trotz all ihrer schäumenden L benSlust und feurigen LebenSenergte. Sie hatte so gern gelacht, die hübsche Berthe, und so gerne Champagner getrunken — fast so gerne, wie Demoi- fille Halpern selbst zu der Zeit, da sie de» schönen, l den war, seinem fassungslosen Frauchen nicht» an deres zurücklassend, al» die Aufgabe, sich solange mit seinen zahlreichen Gläubigern herumzuschlagen,! bi» von ihrer allerliebsten Einrichtung, ihren reizen den Kleidern und ihren wunderschönen Schmuck sachen nicht ein einzige» Stück mehr vorhanden war, daß sie ihr hätten wegnehmen können. Anfang» war die Verlassene vor Jammer und! vor Sehnsucht nach dem lieben, guten, herzigen und ach, so schlechten Kapitän schier vergangen, dann aber,! al» die Notwendigkeit de» Kampfe» um» Dasein sie wieder auf die Füße gestellt hatte, war mit dem Trieb zum Leben auch die Hoffnung wieder aufge keimt in ihrem Herzen. Und allgemach war e» ihr zu einer unerschütterlichen Gewißheit geworden' Denn Gaston de Roanne» alt ist, de» Spiel» und! >er verführerischen kleinen Mädchen müde — dann,I o, dann wird er sicherlich zu ihr zurückkehren. ES mag wohl eine geraume Zeit darüber vergehen, denn An dem nämlichen Nachmittag noch erhielt Damoiselle Helpern ihre Entlassung. Herr Fried richsen konnte seine Kinder doch unmöglisch von einer Person erziehen lassen, die sich am Hellen, lichten Tage einem Mann an den Hal» warf, den sie nur zwei- oder dreimal in ihrem Leben gesehen. Der Oberst du Troyes, ein alter Freund der Familie, hatte sie und die kleinen Mädchen nach Hause ge bracht und dabei sehr deutlich zu verstehen gegeben, wie fat l ihm die lächerliche Szene gewesen sei, in der ihm die Exaltation dieses offenbar mannStollen «alten Frauenzimmers eine sehr unfreiwillige Rolle laufgenötigt hatte. Weil er sich leutselig herbeige llassen, sie freundlich zu begrüßen, war sie ihm an die Brust geflogen wie eine glückliche Braut und Idann gar noch ohnmächtig geworden, so daß er vor IVerlegenheit nicht ein und aus gewußt habe. Mademoiselle hatte für ihr unerhörtes Be inehmen keine andere Erklärung als Tränen, und lohne Widerspruch oder Bitte fügte sie sich in ihr .Geschick. Als der Abend über die Dächee von Pari» herabsank, saß sie schon wieder in dem duuklen, muffigen Stübchen der guten, dicken Frau Vertier, hoch droben im fünften Stockwerk der häßlichen, chmutzigen Mietskaserne auf dem Montmartre. Denn daß sie zuweilen an Hallucinationen litt, und daß eS ihr unter dem Einfluß ihrer viel leicht all zu lebhaften Erinnerungen nun schon zum d.iiten Mal widerfahren war, daß sie einen wild fremden Offizier für ihren geliebten, endlich zurück» !gekeh«ten Gaston gehalten, das hätte sie um nicht» in der Welt einem Menschen gebeichtet. An die Heilig keit ihrer Liebe sollte sich kein Spott heranwagen. Da wollte sie, wenn e» nun einmal nicht ander» sein konnte, doch lieber verhungern. lieben, guten und, ach, so schlechten Kapitän Gastar« noch nicht, obwohl der schöne Gaston, bald nachdem — er etwa» unfreiwillig seinen Abschied genommen, hätte wünschen Sommers hatte gönnen von gartenS bereits ten Blätter zu können. Mit dem Beginn det sie sie angelreten, und jetzt be ben Bäumen des Tuilerien- sacht und leise die verfärb» fallen. Der Herbst war gekom H«he»stei«-l Ab Gersdorf: OrtSgrenze Lugau »orm. 6.00 » 11.30 le» ist so schwer, sich ihn al» einen müden, alten Mann oorzustellen — ihn, mit seinem Flammen- * Herzen voll ewig junger Leidenschaft. Aber schließ lich — einmal wird doch auch er der Zeit Ihren Tribut zahlen müssen, und darum kann sich Made moiselle Halpern unmöglich auf lange Kündigung«, fristen einlassen. Sie muß doch in jedem Augen blick für ihn bereit sein, wenn er kommt, sie voll reuiger Zärtlichkeit in seine Arme zu schließen. Wo er wohl jetzt sein mag? Und wa» er wohl treibt? Demoiselle Halpern kann sich ihren ritterlichen Gaston durchaus nicht ander» vorstellen, als in der glänzender« Soldaten-Uniform, und dar um hat sie das Märchen von den fremden Kriegs diensten erfunden, ein Märchen, an das sie selber freilich längst so fest glaubt wie an daS Evange- Ilium. Da wird die Sonne mit einem Mal noch strah lender, der Himmel noch blauer und das Lachen und Singen um sie her noch lauter und fröhlicher. Denn den Weg herauf kommt Einer, den sie unter Tausenden herauskennen würde, wenn noch Jahr zehnte hätten vergehen müssen, ehe eS ihr vergönnt gewesen märe, ihn wiederzusehen — ein schöner, statt licher Mann in einer militärischen Uniform, die sie nicht kennt. Schon von weitem nickt er ihr freundlich zu, und die kleine Mademoiselle Halpern mit dem verknitterten Gesichtchen und dem grauen Scheitel fliegt aufjauchzend an seinen HalS, um nach einem .unter Tränen gestammelten: „Gaston — mein neuer, geliebter Gaston I* ohnmächtig in die Arme dcS fassungslos Erstaunten zu sinken. Mademoiselle. Skizze von Reinhold Ortmann. (Nachdruck verboten.) E» war ein große», ein sehr große» Glück fü die arme kleine Demoiselle Halpern, daß sie du«! ein beinahe wunderbare» Zusammenwirken günstige Zufälle endlich in dem Hause de» deutschen Kauf mannes Friedrichsen Stellung al» Erzieherin gefun den hatte. ES war, bet Sott, die höchste Zeit ge- piesen, denn sie schuldete der dicken, gutmütigen Frau Vertier den ZinS für da» Kämmerchen bereit» seit drei Monaten. Und immer kann der Mensch doch auch nicht von Semmeln und dünnem Kaffee leben, selbst wenn er nur ein so winzige» Körperchen zu versorgen hat, wie eS da» der Demoiselle Halpern war. E» ist mit fünfundvierztg Jahren so schwer, ein Unterkommen als Gouvernante zu finden, zu mal wenn man keine amtliche«« Prüfungsatteste aufweisen und sich nur auf seine Sprachkennt- nifle wie auf ein bischen musikalische Fertigkeit berufen kann. Aber in dein großen Paris, da» für so viele arme Schiffbrüchigen Brod und Obdach hat, hätte sich für die bescheidene, zierliche deutsche Er zieherin, die in Haltung und Bewegungen noch immer von einer gewissen jugendlichen Anmut war, doch vielleicht schon früher irgend ein gastliche» Winkelchen aufgetan, wenn die Engagements-Ver handlungen nicht immer im letzten Augenblick daran gescheitert wären, daß die kleine Dame zu ehrlich war, den dunklen Punkt in ihrem Leben zu oer» schweigen. Diesen dunklen Punkt bildete der Um stand, daß sie in Wahrheit gar keine Demoiselle Halpern, sondern eine eheverlassene Madame de Roanne» war, und daß sie bei jeder Bewerbung erklärte, sich auf allzulange Kündigungsfristen nicht einlassen zu können, weil ihr vermutlich in fremde Kriegsdienste getretener Gatte ohne Zweifel binnen kurzem zurückkehren würde, um seine Rechte auf sie gel tend zu machen. DaS wollte zur grenzenlosen Verwun derung der kleinen Demoiffelle Halpern den Müttern erziehungsbedürftiger Kinder zumeist sehr wenig ge fallen, und die Bewerberin kam garnicht erst in die Lage, eine Entdeckung jenes zweite«« dunklen Punktes befürchten zu müssen, dessen Offenbarung sie schon zwei frühere Stellungen gekostet hatte, und von dem sie bei all ihrer Ehrlichkeit aus freien Stücken nie» malS gesprochen haben würde — nicht einmal zu ihrer Vertrauten, der guten, dicken Frau Vertier. Nun aber hatte sie, wie gesagt, durch eine wunderbar glückliche Zufallsfügung die angenehmste und behaglichste Stellung gefunden, die sie sich nur lieben, guten rnd, ach, so schlechten Kapitän Tasto«« de RoanneS überglückliche» junge» Weibchen ge wesen war I Da» Lächeln auf dem winzigen verknitterten Frauengesicht wird noch sonniger, als ihre Gedanken und Erinnerungen wieder bei dem Gegenstand an- gelanzt sind, dem sie mit unfehlbarer Sicherheit immer zusteuern, von einem wie entfernten Punkte sie auch ihren AuSgang genommen haben mögen Ach, er war ja so reizend, ihr herilicher, ritterlicht r Gaston, und so unvergleichlich präch tig in seiner strahlenden, bunten Uniform! Seine Liebe aber «rar wie ein alemrauben» der Sturmwind gewesen oder wie ein heißer, be rauschender Wein. Daß sie jemals enden, daß die himmelhoch lodernde Glut jemals zu einem arm» seligen Häuflein kalter Asche zusammenstnken könnte, >ie überselige kleine Frau hätte eS nimmer für mög- ch gehalten. Und eigentlich glaubte sie'S auch heute men, aber es war ein echt pariserischer Herbst voll lächelnder Milde. Er ging mit sommerwarmen Tagen einher und mit sanften, kosenden Winden, die nicht gleich den rauhen deutschen Herbststürmen ungeberdig durch die Straßen fuhren und den Leuten die Hüte von den Köpfen rissen. Mademoiselle Halpern konnte m t ihren Zöglingen um die Mittags zeit noch immer spazieren gehen, natürlich stets zu der gleichen Bank im Garten der Tuilcrien, mit dem Werther oder einem anderen guten Buche in der einen, und diesem oder jenem Kinderspielzeug in der anderen Hand. Die Stunde, die sie da zubringen durfte, war ihr die liebste deS ganzen TageS, Denn da konnte sie, ohne ihre Pflichten gegen die Kinder zu vernach lässigen, die herrlichsten Wanderungen in daS Wunder land ihrer Erinnerungen unternehmen und konnte sich in den lieblichsten ZukunftSträumen wiegen, während sie mit ihrem Regenschirm allerlei seltsame, nicht zu enträtselnde Figuren in den Sand zeichnete, oder verschlungene Buchstaben mit Herzen darum, die von scharfen Pfeilen durchbohrt wurden. Linder und schöner als der heutige aber ist noch keiner dieser goldenen Herbsttage gewesen. In köstlicher, tiefer, azurner Klarheit strahlt das licht blaue Himmelsgewölbe, bis in die tiefster« Fernen erfüllt von einem wundersam wannen Leuchten Die kleinen Sänger in den bald entlaubten Wipfeln mögen sich wohl der holden Täuschung hingeben, daß der Sommer noch einmal zurückgekehrt sei, denn sie zwitschern und jubilieren, als wären ihnen die Kälte und der Hunger deS grausamen Winters noch un- ermeßltch fern. Auf den Wegen aber springt in kurzen Röckchen und Höschen, mit Reifen und Bällen die Zukunft von Paris durch einander, und die Bänke sind voll von schwatzenden, kichernden MidinetteS, die unter Lachen und Scherzen ihr kärgliches Mittagsmahl verzehren. Ein glücklicher Lächeln auf den Lippen, blinzelt Demoiselle Halpern mit halb geschlossenen Augen in all die sonnige Herrlichkeit hinaus. Wohliger ist ihr's kaum jemals zum Bewußtsein gekommen, wie gut sie eS doch eigentlich hat. Sie erzittert, wenn sie die Zeit vor ihrem Eintritt in daS Friedrichsensche HauS mit d«m Heute vergleicht — wenn sie an die Sorge und an den Hunger denkt, an da» dunkle, muffige Fahr-eiten. v«»tb«»-verbin»n»tz Ger«»,rf-Oberl»nß»ttz» Die furchtbare Katastrophe bei Witten, welche leider so vielen Menschen daS Leben kostete, hat auch großen Materialschaden angerichtet. Unsere heutigen Bilder geben davoll Zeugnis. Die Ge walt der Explosion muß entsetzlich gewesen sein Wie man auf dem Bilde sieht, besteht die Fabrik nur noch aus einem Trümmerfeld. Alles ist zerschlagen und zersprengt, Eisen wie Wachs verbogen, >a» eiserne Tor am Eingänge zusammengedrückt. Auf weite Entfernungen sind Gebäude zerstört oder tark beschädigt worden, als ob ein Hagelwetter in der Gegend ntedergegangen wäre. So sind bei der Kirche, welche man aus unserem Tableau steht, alle Fenster eingedrückt. Man hat die Gefährlichkeit deS RoburitS bis jetzt erheblich unterschätzt. Nur dadurch ist eS zu verstehen, daß eine Fabrik Sprengstoffen inmitten menschlicher Behausungenbelossen werden konnte. Träumende OdaUske. Versifizierte Skizze von Bill. Träume umkosen ReziaS Sinne — Gaukelnde Bilder einstiger Minne — Heimische Hütte — Palmen sanft wehen — Hoch Mangustanen im Mondlicht stehen — Brennende Sehnsucht — seufzende Klagen Quälen die Schöne in Nächten, an Tagen . . . „Achmed, Geliebter — Sohn freier Wüste — lkär ich die Sonne — heiß ich dich küßte"! Schmachten im Harem — schmachten und leiden — IDas ist mein Leben — dich muß ich meiden! Prunk — Pracht und Reichtum — Demanten — sOpal — Rubine — Perlen im türkischen Shaml — Purpurgewänder — seidene Mieder — Güldene Spangen fesseln die Glieder — Fesseln die Seele drücken gleich Erzen — Salem Aleikum — lindre die Schmerzen! Du Cigarette — einzige Freude — Du bist mein Tröster in Qual und im Leide — Duftige Wolken — mit euch will ich fliehn — Weit in die Ferne zur Heimat zieh«« — Liebkost mich Düfte — umhüllet daS Sein — IHÜllt blaue Nebel — sacht hüllet mich ein — Tragt mich zur Heimat — zaubre die Stätte Da ich geboren einst, — Cigarette — Gib du mir Träume — mir armen Müden — Salem Aleikum — du — gib mir Frieden! . . . über deS Hareins dunkele Halle Senkt die Nacht sich — die Nachtigallen LeiS klagend singen im Perserflieder Schluchzende Weisen und Jubellieder — Erloschen ist längst deS SonnenballS Glut — Vom Schlaf umfangen der WeltenkreiS ruht — !Rezia flüstert still lächelnd im Traum: „Salem Aleikum!" — entrückt Zeit und Raum — I„Achmed, Geliebter!" Palmen sanft wehen — Hoch Mangustanen im Mondlicht stehen .... Salem Aleikum!