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materielle Förderung fand. Jndeß gab er das kaufmännische Ge schäft immer noch nicht ganz auf, sondern betrieb es nebenbei bis zu seinem Weggange von Amsterdam fort. Wie alles, was Brockhaus in seinem Leben ergriff, erfaßte er nun auch das neue buchhändlerische Unternehmen sogleich mit dem regsten Eifer und suchte cs nach großartigen Gesichtspunkten ins Werk zn setze», sowohl im buchhändlerischcn und im musikalischen Sortiment, wie im Verlagsgeschäft, das er natürlich bei seinem weit schauenden Geiste auch nicht verfehlte in seinen Bereich zu ziehen. Während er als Sortimentsbuchhändler vorzüglich die internationale Seite ins Auge faßte, war es beim Verlag besonders die nationale, indem er, zum Zwecke der Beförderung „nationaler Wissenschaft und Kunst", journalistische Unternehmungen zu begründen suchte, in beiden Hinsichten also die Ideen und Richtungen angebend, welche seine Söhne und Enkel mit so viel Erfolg in der Weiterentwicklung des von ihm begründeten Geschäfts zur Ausführung bringen und verfolgen sollten. So begründete er kurz nacheinander eine hollän dische politisch-literarische Zeitschrift: „De 8tsr", eine deutsche zeit geschichtliche Monatsschrift: Cramcr's „Individualitäten", endlich eine französische Vierteljahrsschrifi: „Ts Oouvsrsatsur". Alle drei Zeitschriften hatten keinen bedeutenden materiellen Erfolg. Der „Ster", keine eigentliche Neuigkeiten-Zcitung, sondern eine dreimal wöchentlich erscheinende Zeitschrift, die hauptsächlich Be fleckungen von literarischen und Theaterangelegenheiten, daneben aber auch politische raisonnirende Aufsätze brachte, in denen zwar nach der damaligen Zeitströmung die Bewunderung der französischen Revolution und ihrer Prinzipien, durchaus aber nicht die Verherr lichung des damaligen Dictators von Europa, Napoleon's, die durchgehende Stimmung bildete. Was war daher natürlicher, als daß „Oe 8tsr", der den 11. März 1806 zu erscheinen begonnen, in dem am 5. Juni desselben Jahres proclamirten bonapartistischen Königreich Holland nicht an seiner Stelle war und schon am 10. Juni durch königl.'Befehl unterdrückt wurde! Nicht bessern Erfolg hatten ans andern Gründen die in freien Heften erscheinenden „Indivi dualitäten aus und über Paris", von denen nur 3 Hefte statt 12 in einem Jahrgange zu Stande kamen. Obwohl dieselben einzelne interessante Artikel enthielten, so war das auf einem großen Fuß, sowohl nach Honorar wie nach Ausstattung angelegte Unternehmen doch ein verfehltes, schon deshalb, weil Redacteur und Mitarbeiter in Paris, der Verleger in Amsterdam und der Drucker in Leipzig ihren Sitz hatten. Von Bedeutung wurde das Unternehmen nur deshalb für Brockhaus, weil dasselbe ihn mit dem Redacteur, dem bekauutcn enthusiastischen Verehrer Klvpstock's und der französischen Revolution, dem von Kiel nach Paris erilirten Prof. Cramer, einer eigcnthümlichen, in vieler Hinsicht Brockhaus ähnlichen Natur, in Verbindung brachte, die von 1805 bis zu Cramer's Tode 1807 dauerte und durchweg, ganz den beiden Charakteren entsprechend, eine sehr freundschaftliche und selbst innige war. Von größerer Be deutung als die holländische und die deutsche Zeitschrift war die französische„Ts Oonssrvnteur. llournal äs Uttsraturs, äs soisn- ves st äs bsnux-nrts", von der von Anfang 1807 bis Mitte 1808 18 Monatshefte erschienen sind. Schon die Namen der Mitarbeiter, die zu den bedeutendsten in der damaligen literarischen Welt Frankreichs zählten, geben Zeugniß dafür, und manche der darin mitgetheilten Abhandlungen sind noch jetzt von historischer Merk würdigkeit, so ein Brief des Leipziger Professors Erhard über die Audienz einer Deputation der Universität Leipzig bei Napoleon, Aufsätze des damaligen Fürsten Primas über den Einfluß der schönen Künste auf das allgemeine Wohlbefinden, sowie über die Düsseldorfer Gallerte; am wichtigsten ist jedoch ein authentischer Bericht über die Stürmung und Plünderung Lübecks am 6. Novbr. 1806 von dem später» Göttinger Prof. Charles de Villers, einem durch seine Liebe für Deutschland wie durch seinen edlen Charakter ausgezeichneten französischen Emigranten, der durch die Mitarbeiter schaft am ,,6ou8srvatsnr" mit Brockhaus in nähere Verbindung trat, aus der ein inniges, dauerhaftesFreundschaftsbündniß gleicher weise für beide Theile ehrenvoll hcrvorging. lieber die weitere Verlagsthätigkeit, die Brockhaus schon in Amsterdam entwickelte uud die sich gleichmäßig über schöne, populäre, praktische wie strengwisseuschaftliche Literatur erstreckte, sowie über die vielen nicht vorausbedachten Hindernisse, die sie erfuhr, und die mancherlei persönlichen Differenzen, in die Brockhaus dadurch ver wickelt wurde, verbietet uns der Raum eingehend zu berichten; es genügt zu bemerken, daß die Namen von Kurt Sprengel, Asmund Rudolphi, Brisseau-Mirbel, Jens Baggesen, Oberst von Massen bach, Ersch sich unter den Schriftstellern befinden, von denen Brock haus bedeutende Werke verlegt. Nur einer Thatsachc müssen wir specielle Erwähnung thun, da sie von entschiedener Wichtigkeit für die Entwickelung ist, welche später das Brockhaus'sche Verlagsge schäft nahm: wir meinenden Ankauf des „Conversations-Lerikons". Dasselbe war schon im I. 1796 von einem Or. Renatus Löbel im Verlag von Lcupold zu Leipzig herauszugeben begonnen und in 4 Jahren erst bis zum Buchstaben R in 4 Bänden fortgeführt worden, nach dem Tode des Herausgebers und einer sechsjährigen Pause aber in andere Hände übergegangen, unter denen die beiden letzten Bände bis 1808 erschienen. In diesem Jahre kaufte es Brockhaus bei einer Reise zur Michaelismesse in Leipzig von dem Buchdrucker Richter, und traf sogleich die kräftigsten Anstalten zur Vollendung des noch ausstehenden letzten Heftes sowie zur unmittelbaren Inan griffnahme von Nachträgen. Brockhaus ist also nicht Erfinder des — Titels des neuen Werkes, denn nicht mehr als diesen hatte er im Grunde gekauft; was er später daraus zu machen gewußt hat — und dies ist die Hauptsache, denn die Idee war nicht neu, und ist auch später noch von so Vielen wieder ausgenommen und nach dem von Brockhaus aufgestellten Modell glücklich ausgebcutet worden — dies ist ganz sein Werk und sein Verdienst. Den Schluß des zweiten Abschnitts bildet die Mitthcilung eines zweiten unerquicklichen Intermezzos aus Brockhaus' Leben, eines Pendants zum Hiltrop'schen Prozesse, die Darlegung des Zerwürf nisses mit Baggesen, einem, wie hieraus hervorgeht, moralisch höchst Haltungslosen und dabei in eitler Selbstüberschätzung über die Vor schriften einfacher Ehrenhaftigkeit sich hinaufschraubendcn Charakter. Wir müssen in Betreff dieses Zwischenfalls ebenfalls auf die Bio graphie verweisen und können hier nur als Resultat mittheilcn, daß die ganze Angelegenheit ein widerwärtiges Beispiel von Mißhand lung eines Verlegers durch einen Schriftsteller bildet. Das einzig Wohlthuende daran ist der versöhnliche Schluß, der aber lediglich auf Rechnung des nobel», gemüthreichen, uneigennützigen, aller Ränke unfähigen Charakters Brockhaus' zu setzen ist, der sich überhaupt in demselben von einer liebenswürdigen, nachgiebigen und zartfühlenden Gutmüthigkeit zeigt, die einem zu Selbstüberhebung geneigten Men schen, wie Baggesen war, leicht als schwächliche Unsicherheit erscheinen konnte, der gegenüber ein „Genie" immer im Rechte war. Es nimmt der Versöhnlichkeit und dem Edelmuth, die Brock haus in dieser Angelegenheit zeigte, nichts an Werth, daß ein Schlag des Schicksals, das ihn gerade um diese Zeit traf, großen Antheil an der Stimmung hatte, die ihn vermochte, dem früheren Freunde, der ihm als Geschäftsmann so empfindlichen Schaden bereitet, die Hand zu reichen: es war dies der Tod seiner vielgeliebten Gattin Sophie, die nach elfjähriger glücklicher Ehe, in der sie ihm sieben Kinder ge boren, am 8. Decbr. 1809, 14 Tage nach ihrer letzten Entbindung gestorben war. Der Tod seiner Frau, die ihm immer die liebens würdigste Gefährtin wie die treueste Freundin und Beratherin in vielen schweren Zeiten gewesen war, wurde nun auch die entfchei-