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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 07.09.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-09-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190609079
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19060907
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19060907
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-09
- Tag 1906-09-07
-
Monat
1906-09
-
Jahr
1906
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 07.09.1906
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weit über dar Tatsächliche hinauSgehen. NachlweShalb er beim Rate eine hierauf bezügliche Ein einem ungefähren Ueberschlage dürste die Höhe derlgabe mit der Begründung einbrachte, daß durch Brandkasse der abgebrannten Gebäude, die ja in der'das Regulativ die sittlichen Zustände in unserer Hauptsache ziemlich alter Bauart waren, die Summe von 60000 Mk nicht übersteigen. Rechnet man hierzu die Mobiliar- und Geschäftsverluste, die zum grössten Teile wohl durch private Versicherung ge deckt sind, so dürste man höchstens auf die Summe von 150000 Mark kommen. Besonders schwer ge Stadt nur verschlechtert worden seien. Die Eingabe bat schließlich um die Erlaubnis, die Kellnerinnen bis 1 Uhr nachts beschäftigen zu dürfen. Während nun der Rat diese Petition ablehnte, beschloß daS Stadtverordnetenkollegtum nach sehr lebhafter Debatte, den Rat zu ersuchen, dem Gesuch deS GastwirtS schädigt sind, wie schon gestern mitgetetlt, die Be- wohner der östlichen Häuserreihe, die zum Teil in tiefem Schlafe von dem gefräßigen Element über rascht wurden. Sie haben zum Teil nicht mehr retten können, als was sie auf dem Leibe trugen, während die Bewohner de« Weise'schen, Knort'schen und Müller'schen HauseS ihr Eigentum wohl nahezu vollständig vor den Flammen retten konnten. Am heutigen Morgen bereits war eine Anzahl Arbeiter tätig, um zunächst auf der mit Trümmern oereinS zu entsprechen, damit den Kellnerinnen die Möglichkeit genommen werde, die Abende in unge bundener und zu vielen Bedenken Veranlassung gebender Weise für sich zu verbringen. — Steichenbrand, 4. September. Eine un bekannte JrauenSperson, 30 bis 34 Jahre alt, mitt lere Größe, schmächtiger Statur, blasse Gesichtsfarbe und schwarze Haare; Kleidung: grauwollene und weißkarrierte Bluse mit weißseidenem Einsatz, grau brauner und weißgesprenkelter Rock, schwarze Schuhe besäten Straße einen fahrbaren Weg zu schaffen. Desgleichen begannen in einzelnen Grundstücken der östlichen Seite die Aufräumungsarbeiten, während auf der westlichen Seite, vor allem im Grund stück des Herrn Knorr, die durch das viele zum Teil noch brennende Holz genährte Hitze ein Betreten der Brandstelle zur Zeit noch unmöglich macht. Doch, vielleicht morgen schon werden auch hier fleißige Hände in Tätigkeit sein, um die Trümmer wegzuräumen und den Boden für die Neubauten zu ebnen. In wenig Wochen wird sich die Straße in neuem, verjüngtem, hoffentlich auch architektonisch schönem Gewände präsentieren und der große Brand vom 5. September wird nur noch in der Erinnerung leben. —* Die prachtvolle Spätsommer-Wit terung, welche uns die Wende des August gebracht hat, scheint nach neuntägiger Dauer zu Ende zu sein. Gestern schon umwölkte sich der Himmel und heute Morgen ging ein feiner Nebelregen nieder, der an scheinend der Vorbote zu regnerischem, kühlem Wetter ist. — Von einenl hiesigen Einspännergeschirr überfahre« wurde heute vormittag das Sjährige Töchterchen einer am Altmarkte wohnhaften Witwe. DaS Kind war im Begriff, vom Altmarkt kommend, die Dresdnerstraße zu überschreiten, als es jedenfalls von der Bordkante des Trottoirs abglitt und direkt in das vorüberfahrende Gefährt, dessen Führer keine Schuld trifft, hineinfiel. Dem bedauernswerten Kinde wurden durch die Huftritte des Pferdes mehr fache Verletzungen am linken Arme zugefügt. Von Straßenpafsanten wurde es aufgehoben und in die elterliche Wohnung gebracht. —:/: Gersdorf, 6. September. Die Gesellschaft für Omnibus-Verkehr GerSdorf—Hohenstein-Er. läßt anläßlich des Jahrmarktes in Hohenstein-Er. (Neu stadt) kommenden Montag, den 10. September einen Extra-Wagen nach Hohenstein-Er. und zurück ver kehren. Abfahrt vom Gasthaus zur Krone mittags 1 Uhr 30 Minuten, Ankunft in Hohenstein-Er. 2 Uhr 40 Min. Die Rückfahrt vom Bahnhof er folgt abends 7 Uhr. Dieser außerfahrplanmäßige Omnibus hält an allen Haltestellen. Der Montag früh verkehrende Marktomnibus fährt an diesen Tag ausnahmsweise anstatt 12 Uhr 15 Minuten schon 11 Uhr 15 Minuten nach GerSdorf zurück. — Lichtenstei«-C., 5. September. Die Kell- nerinnenfrage hat in unserem Stadtparlament wieder holt zu lebhaften Debatten und schließlich zu einem Regulativ geführt, nach welchem Kellnerinnen nicht über 11 Uhr abends hinaus bedienen dürfen. Die ses seit 1*/, Jahren bestehende Regulativ hätte nun der Gastwirtsverein gern beseitigt gesehen, und brauner Strohhut — treibt sich in hiesiger Gegend umher. Sie gibt sich für eine Gefangenauf- sehertn aus Plauen i. V. aus, bleibt in den Gast häusern Übernacht, macht Zeche und am anderen Morgen verschwindet sie, ohne ihre Schuld zu be- richtigen. — Chemnitz, 5. September. Gleich den Wirkern im Erzgebirge wollen auch die hiesigen Wirker Forderungen einreichen. Eine hier statt gefundene öffentliche Wirkeroersammlung beschäftigte sich mit dieser Angelegenheit. Die Anwesenden be- schloffen und beauftragten das Agitationskomitee der sächsischen Textilarbeiter, sofort die bekannten Forderungen einzureichen und Antwort bis zum i7. September zu verlangen. — Auch die Tüllweber owie Nebenarbeiter von hier und Plaue bei Flöha reschlossen folgende Hauptforderungen bei den Fabrikanten einzureichen: 1) Erhöhung der Stück löhne. 2) Beseitigung des Prämiensystems und Sonnabends unr 6 Uhr Schluß der Arbeitszeit. Antwort wird bis 15. September verlangt. — CH«M«itz, 5. September. Das Ende des Bierkrieges steht nahe bevor. Das Aktionskomitee und Vertreter aller Chemnitzer Gast- und Schank- wirte-Organisationen tagten in Gemeinschaft mit dem Vertreter des Brauereiringes im Volkshause. Der Brauereiringvertreter teilte mit, daß die Brauereien ihre Forderung von 2 Mark auf 1,20 Mark ermäßigen und den Wirten 2 Prozent Skonto bewilligen wollten. Einmütig wurde dieses Angebot von den Vertretern der Wirtevereinigungen zurück- gewiesen und ein Antrag angenommen, der verlangt, raß der Aufschlag für Lager- und Böhmisch-Bier auf 1 Mark, für Einfach-Bier auf 50 Pfg. zurück gesetzt, bei Zahlungen innerhalb 10 Tagen nach Monatsschluß drei Prozent Skonto gewährt werden und daß alle sonstigen Vergünstigungen bestehen bleiben. Diese Bedingungen wurden als die äußerste Konzession seitens der Wirtevertreter bezeichnet; einige wollten sich auf ein so weites Entgegen kommen gar nicht einlassen. Der Vertreter des Bierrings versprach schließlich, dahin zu wirken, daß auf der von den Wirtevertretern gewünschten Grund lage die Einigung herbeigeführt werde. — Niedevzwönttz, 4. September. Feuerlärm ertönte Dienstag nachmittag in der 3. Stunde. In dem mit Stroh gefüllten Wohnhausanbau des Kohlen händlers Bruno Löffler hier war Feuer ausgebrochen, das sich rasch über das ganze Wohnhaus verbreitete und dasselbe bis auf die Grundmauern einäscherte. Die Entstehungsursache ist unbekannt, doch wird bös willige Brandstiftung vermutet. Das Haus war von 4 Familien bewohnt, wovon eine nicht versichert hatte. Leider find bei den Rettungsarbeiten mehrere schwere Verletzungen vorgekommen. Tin Kalamitose wollte den Aufgang über die brennende Treppe er zwingen, wobei er sich recht schwere Brandwunden im Gesicht und besonders am rechten Arm zuzog; ein Feuerwehrmann zerschnitt sich an einer gesprung- nen Fenstertafel die Pulsader und ein anderer wurde von einem herabfallenden brennenden Querbalken so unglücklich getroffen, daß er an Hals und Achsel Brandwunden erlitt. — Adorf, 4. September. Ueber da« schwere Eisenbahnunglück auf der neuen Linie Adorf—Roß bach, die in Kürze eröffnet werden soll, wird in Er- gänzung unserer gestrigen Mitteilung noch folgende« gemeldet: Der Leiter deS gesamten Bahnbaue», der im oberen Vogtlande besten« bekannte Ober ingenieur Prokubek unternahm heute vormittag mi dem Bahnhofsinspektor Rappaport eine Fahrt au einem sogenannten Förderwagen von Roßbach nach Adorf, um dienstliche Angelegenheiten zu erledigen. Die Bahn geht ab Roßbach ziemlich abschüssig, so daß die verkehrenden Wagen mit Vorsicht behandelt werden müssen. AIS der Förderwagen mit den ge nannten zwei Herren abgefahren war, kam auf dem selben Gleise ein anderer Förderwagen, in welchem sich Telegraphenpersonal und Utensilien für den Telegraphenbau befanden, in schnellem Tempo daher- gefahren. Dem Personal deS zweiten Wagens war es nicht möglich zu bremsen und das nahende Un glück zu vermeiden. Mit furchtbarer Gewalt fuhr der zweite Wagen in den ersten hinein, wodurch beide später entgleisten. Der Oberingenieur Prokubek wurde aus dem Wagen geschleudert, überfahren und fürchterlich verstümmelt. Er war sofort tot. Bahn- hofSinspektor Rappaport sprang in voller Fahrt, kurz vor dem Zusammenstoß, aus dem Wagen und blieb unweit der Gleise bewußtlos liegen. Durch den Sturz hat auch er schwere Verletzungen davon getragen. Er befindet sich jedoch außer Lebens gefahr. Der noch mit in dem Wagen befind liche Buchhalter Zenkerlein wurde leicht verletzt, ebenso die Telegraphenarbeiter im zweiten Wagen, der, wie verlautet, keine Bremse gehabt haben soll. Die Wagen gingen in Trümmer. Seitens der be teiligten österreichischen und sächsischen Bahnbau verwaltungen ist eine Untersuchung eingeleitet worden. — Falkenstein, 5. September. Bei dem am 1. August vorgenommenen Wechsel des Lagerhalters im hiesigen Konsumverein wurde bei der Inventur» aufnahme und Geschäftsprüfung ein Defizit von über 20 000 Mark vorgefunden, worauf der Lagerhalter verhaftet wurde. Diese Angelegenheit hat bisher hier begreifliches Aufsehen erregt, da man in dem abgehenden Lagerhalter den Schuldigen suchte. Sie hat jedoch eine plötzliche Wandlung erfahren, da am Donnerstag der Verhaftete wieder auf freien Fuß gesetzt wurde. — Plaue«, 5. September. Wie die „Neue Vogtl. Ztg." meldet, gingen heute nachmittag zwei Pferde mit einem Geschirr der Bierhandlung Herza 8r Höra durch, während der Kutscher mit dem Bier abladen beschäftigt war. Die Pferde kamen erst zum Stehen, als der Wagen umschlug. Dabei wurde der achtjährige Sohn des Tischlermeisters Prüfer, der auf dem Wagen gesessen hatte, auf die Straße geschleudert und erlitt außer verschiedenen anderen Verletzungen einen Schädelbruch, so daß der Tod sofort eintrat. Schadenfeuer brach heute mittag in der 12. Stunde im Dachgeschoß des von vielen SeschäftSfirmen be wohnten Eckhauses Brühl 1, Ecke Theaterplatz, auS. In dem betreffenden Hause befanden sich u. a. die Aktiengesellschaft sür Sächsische Leinenindustrie, oorm. Cramsta u. Sohn, ferner eine Drogerie, ein Firmen schildergeschäft, ein Institut für AuSstopfen von Tieren usw. Die Feuerwehr rückte mit drei Dampf, spritzen und zwei großen Schiebeleitern an. DaS Dachgeschoß wurde auf der nach dem Brühl zu ge legenen Seite vollständig zerstört. In dem Dachge schoß lagerte viel Gerümpel, das in halboerkohltem Zustande auf die Straße geworfen wurde. Die Tätigkeit der Feuerwehr wurde durch eine gewaltige Rauchentwicklung uesentlich erschwert. Die unter dem Dachgeschoß gelegenen Stoffwaren haben durch die Waffermengen, die zum Löschen verwendet wurden, bedeutend gelitten. Das Feuer soll durch unoor- sichtiges Umgehen mit Licht in einer Bodenkammer entstanden sein. — Oschatz, 5. September. Bei dem Großfeuer in der Filzwarenfabrik von Ambrosius MarthauS ist ein großes Fabrikgebäude, in welchem sich die Schuhabteilung befand, vollständig ausgebrannt und und bei einem zweiten Gebäude der Dachstuhl völlig verbrannt. Durch den Brand ist in e nem Teile der Fabrik eine Betriebsstörung heroorgerufen, deren Dauer noch nicht mit Sicherheit zu übersehen ist. Der Materialschaden ist auf weit über 300 000 Mk. geschätzt, der wirkliche Schaden jedoch viel größer, da durch die Störung im Betriebe die Herbstlieferungen erhebliche Verzögerungen erleiden und ein Teil der über 500 Köpfe betragenden Arbeiterschaft be schäftigungslos wird, bis der Betrieb wieder ausge nommen werden kann. — Coswig, 4. September. Die junge Frau eines hiesigen Fabrikarbeiters wollte gestern den Morgenkaffee auf Spiritus zubereiten. Beim Zu gießen von Spiritus explodierte die Spiritusflasche, die Kleider der Frau fingen Feuer, und im Nu stand sie in Flammen und erlitt schwere Brand wunden, an denen sie kurz darauf gestorben ist. Bei dem Versuche, die Flammen zu ersticken, hat sich der Mann der bedauernswerten Frau beide Arme verbrannt. — Zitta«, 4. September. Eine leichtsinnige Handlungsweise, die schwere Folgen haben konnte, ließ sich nach dem am Montag bei Oderwitz statt- gesundenen Scharfschießen des Dresdner Feld- Artillerie-Regiments Nr. 48 der Fabrikarbeiter Kramer aus Oberseifersdorf zu Schulden kommen. Kramer kam nach dem Scharfschießen in einen Oberseifersdorfer Gasthof und zeigte dort den Gästen ein nicht krepiertes Artillerie-Geschoß, das er auf dem Schießfeld gefunden hatte. Er erzählte, daß er an dem Geschoß, einem sogenannten Blindgänger, unterwegs wiederholt mit einem Messer herumge- bohrt habe, um das „Ding" auseinanderzubekommen; auch auf einen Stein hatte er das Geschoß ge- chlagen. Er wollte sich aus dem Stahlmantel deS Geschosses einen Zigarrenabschneider machen lassen. Auch in dem Gasthof stellte Kramer noch weitere Experimente mit dem totbringenden Geschoß an. Ein Glücksumstand war es daher, daß ein Gendarm hinzukam. Dieser erkannte sofort die Gefahr. Er beschlagnahmte das gefährliche Spielzeug und brachte es zu den Zielscheiben zurück, wo ein Feuerwerker das Geschoß zur Explosion brachte. Gegen Kramer wurde Anzeige wegen Diebstahl erstattet. — Der hier und in der Umgegend seit 16 Wochen an dauernde Streik der Maurer, Zimmerer und Bau arbeiter ist heute beendigt worden. Am Montag wird die Arbeit wieder ausgenommen. Die beider- — Plauen i. V-, 6. Sept. (Privat-Tele- gramm.) Wie der „Vogtl. Anz." meldet, sind in der vergangenen Nacht in Pilgramsreuth bei Rehau in Bayern durch eine Feuersbrunst 12 Wohnhäuser, sowie eine Anzahl Nebengebäude eingeäschert worden. — Leipzig, 5. September. Ein bedeutendes! Die Kombe platzt! Humoreske von Ralph von Rawitz. (Nachdruck verboten.) Das Feld-Artillerie-Regiment lag wieder ein mal auf dem Schießplatz, wie in jedem Sommer. Weit in der Ferne zurückgeblieben — in der Garnison — waren alle Genüsse des Kulturlebens, und nun hie es, sich so gut einrichten, wie es primitive Baracke: und Fachwcrkhäuschen gestalten. Solche Einsam keit in der Heide hinter dem Wald weckt das Er finder-Talent: jeder sucht sich das Leben fo ange nehm wie möglich zu machen, und während dieser eine Jalousie für sein Stubenfenster konstruiert, das der Militär-FiSkuS in unverhüllter Schönheit be- lassen hat, nützt der andere die Stunde Langeweile, um seinen Terry oder Pintscher zu dressieren. Zwei Meister in solchen Dingen waren die Leutnants Holzmann und Förster, und die Kon kurrenz steigerte ihre erfinderischen Anlagen mit jedem Tage. Zugleich stellte sich aber auch die Lust ein, den Rivalen zu necken und zu überbieten und dem Spott der Kameraden auszusetzen. So entstand ein Schabernackspiel, an dem sich das ganze Regiment belustigte. „Ich bin neugierig, wer schließlich den Vogel abschießen wird" sagte eines Abends, als die Herren im Kasino saßen, Hauptmann Stark zu seinem Nachbar, ich glaube Holzmann. Was meinen Sie?" „Ich bin der entgegengesetzten Ansicht und proponiere 6 Pullen Seckt auf meinen Favoriten. Was halten Sie dagegen?" „Natürlich auch 6 Silbergehalste. Und dazu Pfirsich oder sonst ein Gemüse!" „Famos! Auf Vorschuß können wir immer schon zwei trinken! Ordonnanz, zwei Monsieur und Eis, Eis — denn es ist eine Mordshitze, >>nd wir haben mindestens 25 Grad ini Schatten!" Die Flaschen kamen, das Gespräch ging hin und her, der Abend sank immer tiefer herab, ohne wesentliche Kühlung zu dringen. Niemand wollte sich vom Kasinogärtchen trennen, wo es einiger maßen erträglich war, um die durchglühten Baracken zur nächtlichen Ruhe aufzusuchen. Nur Leutnant Holzmann war früh verschwunden, aber nach einiger Zeit taucht er wieder auf, mit zufriedenem Gesicht. „Lächle Du nur" dachte Förster, „morgen habe ich für Dich eine Sach^, einfach erstklastig! Na, Du wirst springen guter Kerl!" Endlich, als die große Lager-Uhr Elf schlug, brachen die Offiziere auf; mußten sie doch morg n um '/z6 wieder auf dem Gaul sein. Auch Förster wandelte im Vorgefühl seines morgigen Triumphes nach seinem Stübchen und öffnete die Pforte seines bescheidenen Gemaches, um dann sofort mit einem lauten „Donnerwetter" zurückzufahren. Gleich darau hörte man ihn in höchsten Fisteltönen nach seinem Burschen rufen. Die Stubennachbarn stürmten her bei, eine Korona Neugieriger bildete sich um den scheltenden Leutnant, und nun stellte sich heraus, was das Hilfegeschrei heroorgerufen hatte: „das Zimmer des Leutnants war bestens geheizt! Der eiserne Ofen glüht, wie ein feuriger Kraterschlund, und das Thermometer zeigte 43 Grad Reaumur! Ueber dem Bett aber klebte ein großer Zettel mit den freundlichen Worten: „Wünsche angenehme Nachtruhe!" Förster ließ zunächst ein kleines Lexikon von „Donnerwettern" und „Bomben-Elementen" los; dann aber, einsehend, daß in diesem Bratofen nicht zu schlafen war, wandelte er nach dem Kasino zu rück, wo ihm der Oekonom auf dem Billard mit Hilfe von Decken und Kissen eine Art von Ersatz ür das Bett improvisierte. An diesem Abend triumphierte Holzmann, und als vorsichtiger Soldat gab er sogleich seinem Burschen Ordre, unter keinen Umständen seinen Gegner in ein eignes Zimmer hineinzulassen, denn er mußte erwarten, gleiches mit gleichem vergolten zu sehen. Förster aber, ein ebenso schlauer Stratege, beschloß, während er auf seinem Billard schlaflose Stunden verbrachte, den Feind in anderer Richtung anzu- greifen. Vor wenigen Tagen war er noch in der Nachbarschaft bei einem Oberförster zu Gast ge wesen, der ihm u. a. gezeigt hatte, wie man Wild von jungen Pflanzungen fernhält: mit Hilfe von Zeuglappen, die in eine starkriechende Flüssigkeit getaucht und an Bäumen gebunden sind. Den Namen dieser Flüssigkeit suchte Förster die ganze Nacht, aber erst gegen Morgen fiel es ihm ein: loeticia" — richtig, so hieß das Zeug. Am Nachmittag des nächsten Tages, währenddie Kameraden ausruhtrn, ritt der erbitterte Leutnant nach dem nächsten Städtchen und hatte dort mit dem Apotheker rne trauliche Zwiesprache, von der er sehr erheitert wiederkam. In der darauf folgenden Nacht aber, als alles schlief, schlich er, wie ein Fuchs so leise, hinüber nach den Burschenstuben, und dort machte er sich geraume Zeit an einem Paar hoher Reit stiefeln zu schaffen: Wenn einer der müden Artilleristen aufgewacht wäre, hätte er den Leutnant Stiefel putzen sehen. Am Morgen, als die Batterien ausmarschierten, schnüffelte Major v. Eichwald, der Abteilungs kommandeur nach rechts und nach links. „Dcifelmäßiger Geruch" sagte er zu Holzmann, seinem Adjutanten „den ich mir garnicht erklären kann I Bitte, Holzmann, kommen Sie mal her, riechen Sie mal, bemerken Sie es nicht auch?" Holzmann hatte es schon lange bemerkt, seine eigenen Stiefel diesen penetranten Geruch aus strömren, und sich daher möglichst weit von seinem Brotherrn gehalten. Jetzt halfS ihm nichts, jetzt mußte er an die Seite des Majors. „Ich rieche nichts, Herr Major! Herr Major täuschen sich wohl." „Aber Mensch, Holzmann, Adjutant! Es wird ja immer doller mit jeder Sekunde! Riechen Sie noch nichts?" Dem un glücklichen Leutnant perlten die Schweißtropfen vom Besicht. „Zu Befehlen — ja — mir ist beinahe ö — —" „Natürlich — und wissen Sie, was ch glaube? Ihr Gaul, oder Ihr Sattelzeug oder onst was stinkt so infernalisch! Herr Leutnant polzmann, ich muß mir von meinem Adjutanten ausbitten, daß er immer wohlriecht, zu Fuß, wie zu Pferde, verstanden?" Holzmann legte stumm die Rechte an den l; dann folgte er betrübt seinem Kommandeur, der seinen Gaul herumgeworfen hatte und davon gesprengt war, mit den Worten: „Ich bitte heute, da wir Ostwind haben, immer westlich von mir zu bleiben. Westlich — fdenn, Herr Holzmann, Sie duften Übel l" — Förster lachte in seinen Vollbart, den er sich während eines längeren Urlaubs angeschont hatte, als er den Rivalen so jämmerlich zerschmettert sah. Und in der Freude seines Herzens trank er an nesem Abend im Kasino doppelt so viel wie ,sonst Im dem Gegner so recht seinen Triumph zu zeigen, bat er immer gerade diesen, der oben an der Bowle aß, ihm das leere Glas zn füllen und durch eine Ordonnanz hinüberzuschicken. Das tat Holzmann lenn auch mit größter Bereitwilligkeit, aber eben- o bereitwillig goß er in jedes Glas Bowle einen Schuß Cognac lm LtmmpaFne, dessen Wirkung nicht ausblieb. Schon um 9 Uhr war Förster der Ansicht, daß die Fenster und Stühle um ihn tanzten, und um '/,10 lag er im tiefsten seligen Schlaf in seinem Bett. Ueber ihn beugte sich aber Holzmann, bewaffnet mit Rasierpinsel und Messer. Der ganze schöne Bart mußte herunter, — nein, nicht der ganze. Unten am Halse unterhalb deS Kinnes, von einem Ohr zum andern, blieb ein Streifen stehen, den man im Volksmund eine „Maurerfrese" nennt, der älteren Herren sehr würdig steht, zur Uniform aber wenig paßt. Nach getaner Arbeit zog Holzmann sich zurück und harrte des Morgens. Förster schlief sehr lange, und erwachte erst, als ihn sein Bursche am Arm schüttelte mit der Versicherung, daß in zehn Minuten abmarschiert würde. Da fuhr er aus dem Bett, in den Waffen- rock und Hose, ohne zur Toilette Zeit zu haben. Die Stiefel an, — Säbel um, — Helm auf, — und hinaus. Die Batterie hatte sich schon in Marsch gesetzt, und, was das schlimmste war, Major von Eichwald hielt ans seinem Fuchs da neben und ließ Geschütz an Geschütz bei sich vor- iber ziehen. — Verdammt! doch zu spät gekommen! Förster setzte sich vorschriftsmäßig iu Galopp, parierte kurz vor dem Vorgesetzten und meldete sich: „Ganz gehorsamst — zur Stelle!" Der Major sah ihn befremdet an: „Mit wem hab' ich das Vergnügen?" „Leutnant Förster I" „Schlagschwerenot, Mann, wie sehen sie denn aus? Und was hängt Ihnen denn da überhaupt aus der Halsbinde?" Förster griff ans Kinn, wo es ihm schon wiederholt so merkwürdig kühl oorgekommen war — der Vollbart war weg. Aber als gewandter n faßte er sich sofort: „Ich habe mich rasteren lassen, Herr Major!" „So? Sie sich selber? Und was soll diese da unten? Sagen Sie mal, Sie glauben wohl neue Moden hier einführen zu können, wie ? 'n richtigen Pelzkragen hat er um! Herr, wir sind hier nicht bei den Südsee-Jnsulanern, sondern stark in Mittel-Europa!" — Nach diesem Vorfall ward Förster 24 Stunden nicht gesehen, aber auch Holzmann verreiste plötzlich auf dieselbe Zeit nach unbekannten Gefilden, um, wie boshafte Kameraden versicherten, „in guten > zu kommen." Andere aber sagten, der Verlauf sei durchaus normal gewesen, denn 8 sei ganz selbstverständlich für Feld-Artilleristen, daß zum Schlüße „die Bombep latzt!"
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