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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 29.07.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-07-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190607290
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19060729
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19060729
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-07
- Tag 1906-07-29
-
Monat
1906-07
-
Jahr
1906
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 29.07.1906
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Wiborg. »nit Zeklo», Eisenbahn Petersburg—HelsingforS. Die Stadt hat der malerisch. 2 Kilometer davon liegt MonrepoS, ein schönes Lustschloß mit schattigem Park. Schulen und treibt einen ansehnlichen Handel mit Holz- des Gouverneurs. Die Umgebung der Stadt ist sehr dlsrktpiskr l« io/idoe-H Rach Diborg, der Hauptstadt deS finnischen Gouvernements Wiborg, hat sich die russische Du ma nach ihrer Auflösung durch den Erlaß des Zaren zurückge zogen. Während der kurzen Tagung des »Rumpf- Parlament-" herrschte in der sonst verhält- niSmäßig stillen Stadt reges Leben; die Du ma erließ von hier aus ihr historisches Manifest an die russische Nation. In unseren Bildern bringen wir Ansichten der Stadt. Sie iegt an der Mündung deS SaimakanalS n die Bucht Trangösund des Finnischen Meerbusens und echs Kirchen, ein altes gotisches Schloß, gute waren, Butter und Eisen. Wiborg ist Sitz Ls vier» Vef-Ksn^lungen len nussiscken vumaadgeos-clnesen in Widowa spöMte-her Kohlvwser ; recht viel wird net übrig! bleibU^och jy einerMeiS!" j kAe» IWHie hxr Hau» genau so spöttische Die UebWaW Hb' ^umsonst und kneg al- SchiffSztm- merMuGnoch waS drüber; i« alles schon so gut wie nbg'machst." M .. / . De» Kohlchoser wurde nicht recht extra, eine neu« drohende Gefahr stieg da für Stasi heran „So?" rief er halb ängstlich, halb wütend, „und die Stasi? Und der arme Wurm? Bist Du »et der Vater? Hast Du gar kein Gewissen?" „Will i mich wegleugnen ?" wehrte sich der Han«; „i hab'S Wadl.gern und fürs Buaberl zahl i, aber ins Australien geh i, oder ins Afrika und baui" - „Lalli, dummer !" fuhr der Schleckerlkramer auf; warum, Laust denn nachher net da im Dorf, wenn grad schon baut sein muß, warum willst denn zu den Wilden? Du hast nachher was von Dein' Haus, wenn's Dich aufg'freffen hab'n, Du Dick- schädell" ' „Siehgst, iatz mag i gar nimmer dableiben, iatz iS mir amal der Gusto kommen zu dö Wilden!" beharrte Hans, der Lunte roch und schnitt ein Ge sicht wie ein Feld voll Teufel. Und der Kohlmoser, dem Himmelangst wurde, gab sich einen energischen Ruck und sagte so von hinten herum: „No, nachher renn' halt' 'nein in Dein Unglück. Aber mir kann's Wurscht sein, baut halt der Pfrentner der Stasi a neu'S Haus, er hat schon lang a Äug' aus'- Madl; da kann er ja gleich Dein Anwesen als Bauplatz kaufen, i gib's Geld dazu her." Da fuhr der Hans wie ein angeschossener Eber auf den Kohlmoser, der sich langsam erhoben hatte, los, packte ihn beim Schlawittel und rief: „Was ? Bauen? Auf meinem Grund und Boden? Der? Mit Dein Geld? Und mir hast eS net vergönnt?" „Ja," lachte der Schleckerlkramer pfiffig, „Du willst ja zu den Wilden? Ins Australien? Du zahlst ja fürs Buaberl und läßt'S Madl fitzen? Mein Geld ist Dir ja net gut g'nug —" „Krutzitürken!" jubelte der Hans und schlug im Ueberschwung seiner Gefühle dem zukünftigen Schwiegervater auf die Schulter, daß ihm Hören und Sehen verging; „iatz zahlst mir noch a Schwei nernes mit Kraut, nachher bin i im Himmel!" Als im nächsten Jahre die jungen Schreiners leute den „Hebewein" feierten, sagte der als Gast anwesende Bürgermeister zum Kohlmoser: „Respekt! Tief hast 'neing'langt in Geldsack! Mein Tochter mann, der Valentin, hält' auch so G'lüst'n aber das gibts fein net — baut wird net, dös mach i noch im Testament aus; i bin a Konservativer, waS für mich und meine Ochsen gut g'nug war, dös wird'S wohl auch für die Cenzl und ihre Kü sejn, bei mir wird net baut, net amal nach mein Tod!" Der HanS kratzte sich Hinterm Ohr und mur melte: „Krutzitürken! da wär i schön reing'fallen mit der Bürgermeisterischen I der alte Geizkragen hätt mich meiner Seel zu den Wilden gehn lassen—" „Du Schlaumeier," drohte der Schleckerlkramer, i glaub allaweil, i bin Dir aufg'sessen, Du wär net recht weit 'gangen?" „I glauballaweil auch," lachte der HanS, und seinem nudelsauberen Weiberl in die leuchtenden Augen schauend, rief er: „Stasis Haus ist fertig, was baun wir iatz?" Da antwortete sie ganz heimlich „A Bettstattl fürs Büaberl —weil d'Wiege -'klein iS für zwei!" Ans der lettische« Revolution.') Gleich zu Beginn der Unruhen auf dem Lande hatte sich in Riga ein kleines KorpS gut bewaffneten Selbstschutzes gebildet, das unter der Führung eines Herrn von Loevis of Menar unermüdlich Tag und Nacht, bei Wind und Wetter, oft tagelang nicht aus den Kleidern kommend, Hunger und Durst nicht achtend, von Hof zu Hof jagte, den Bedrängten zu Hilfe. Am Freitag, den 15. Juli, frühmorgens trafen 14 Herren bei uns ein; wir konnten sie nach kurzer Rast von nur wenigen Minuten nach dem benachbarten Taurup schicken, da wir genügenden Schutz hatten. Kaum waren sie sott, als ein Reit- knecht auf schaumbedecktem Pferde aus Altenwoga in den Hof gejagt kam, um Hilfe bittend, da eine vielhundertköpfige Bande im Anzuge sei. Lin schriller Pfiff, das mit den Kosaken verabredete Zeichen, sich in größtmöglichster Eile in Bereitschaft zu setzen, er tönt, und in nicht vollen sieben Minuten stürmen unsere 14 Kosaken mit blitzenden Augen den steilen Berg hinan. „Wohin, Ew. Hochwohlgeboren?" „Nach Altenwoga; schont mir die Pferde nicht!" Der Führer blickt mich wie geistesabwesend an und dann ringen sich schwer die Worte von seinen Lippen: „Unmöglich, Herr! Ich habe strikten Befehl, nicht über die Grenzen von Fistehlen hinauszugehen." „Mensch, Du wirst doch nicht um wenige Fußbreit Grenze zusehen, wie Deine Nebenmenschen mißhandelt werden und gebrandschatzt wird?" Es blieb bei dem „Unmöglich", da mir als Privatmann keinerlei Machtvollkommenheit zu Gebote stand. Auch die Bitte, wenigstens an den bedrängten Hof mit ihrem bei der Attacke üblichen Geschrei heranzureiten, wovon ich mir genügenden Effekt versprach, blieb wirkungslos. Zeit war nicht zu verlieren. Ich schickte den Reitknecht auS Altenwoga mit einem in größter Hast gekritzelten Zettel nach Taurup, um schleunigsten Selbstschutz für Altenwoga bittend und mit der Warnung, die Familie aus Taurup sollte unter keiner Bedingung den gewöhnlichen, zurzeit schwer gefährdeten Weg über Altenwoga nehmen; sie rüstete sich zum Aufbruch nach Riga. In knapp einer halben Stunde jagte ein Vierspänner mit sieben Herren an uns vorüber nach Altenwoga. Der sieben *) Unter deni Titel: „Vier Monate unter den Revolu tionären in Livland" (zu beziehen durch jede Buchhand lung oder direkt durch den Hilssausschutz für die notleiden den Deutschen Rußlands, Preis 50 Pf.) bringt Victor von Rautenseld eine Sammlung außerordentlich interessanter Erlebnisse, von denen wir nachstehend einige Skizzen folgen lassen. Kilometer lange Weg schlängelt sich die letzten 2'/, ülometer dicht an einem Flusse entlang im Ange- ichte des bedrängten HofeS. Die Ufer sind steil und hoch, daS Wasser reißend, jedoch nicht tuf Zeit gewonnen heißt hier alles gewonnen, also Kopf über Kopf unter, durch und hinauf — und der Selbstschutz erreichte früher den Hof. „Da kamen die Teufel, die kein Wort reden, ondern nur schießen," lautete hernach die Motivierung ür das Kehrt der Bande dicht vor der Einfahrt oeS HofeS, der für heute gerettet war. Einige Stunden danach reiste ich aus Fistchlen auf Umwegen nach der zweitnächsten Eisenbahn- station, um nach Riga zu gelangen. Auf dieser Fahrt traf ich die aus Taurup flüchtende Familie bestehend aus acht Erwachsenen und zwei Kindern, unter Bedeckung der sieben Herren vom Selbstschutz. Ich schloß mich dieser Gesellschaft an und bestieg den ersten Wagen. Auf der 28 Kilometer langen Strecke passierten wir sechzehn bewaffneten Piquets, von denen einige unser Nahen im Anschläge er warteten. Ich kann ehrlich gestehen, daß mich das nicht sonderlich irritierte, da jedesmal, sobald wir unsere Gewehre hoben, sich die Läufe der Gegner senkten. Aber einen Augenblick gab es doch, wo der Herzschlag aussetzte. Wir mußten den Hof Saadsen passieren, wo sich eine vielköpfige Menge unter Ent faltung von roten Fahnen mit den üblichen Auf- schriften soeben anschickte, einzuziehen. Als wir in scharfem Trabe mitten durch die johlende Menge fuhren, durchzuckte der Gedanke das Gehirn, — wenn jetzt das Schlimmste passiert, eines der Pferde nieder geschossen und dadurch der lange Troß von sieben Wagen zum Stillstand verurteilt wird, — was dann mit den sieben Frauen und beiden Kindern? — Die chützende Hand GotteS lag über uns. Für kurze Augenblicke verstummte alles, die Menschen glotzten uns verdutzt an und wußten sich offenbar die fremde, lange Wagenreihe nicht zu erklären. Wir passierten ungehindert. Auf der letzteu Strecke bis zur Bahn- tation kamen wir an den ersten Verwüstungen vor- tber. Im Hofe Kroppenhof rauchten die Trümmer einer großen Futterscheune, wenige Kilometer weiter lag der halbe Beihof eines Vetters von mir in Schutt und Asche. * * * Die Erfahrungen, welche ich nach meiner am 7. Juli erfolgten Bestätigung als ehrenamtlicher ?reiSchefSgehilfe mit der mir von der Regierung zur Verfügung gestellten Infanterie — eS waren zu Be ginn meiner Amtierung 30 Mann unter dem Komman- >o eines Hauptmannes — zu machen hatte, waren o schlimmer Art, daß ich nur zu bald die Inanspruch nahme der Leute auf das Beziehen der Wachen be- chränkte und bis zur Auswechselung dieser Waffen- ;attung gegen Dragoner mich ausschließlich auf den Selbschutz bei meinen Exkursionen stützte. Ein Arrestant mußte 30 Kilometer bis zur nächsten Eisenbahnstation transportiert werden und von da nach Riga. Zu diesem Zwecke verlangte ich von dem Hauptmann, je nach seinem Gutdünken, vier oder mehr Mann zur Bedeckung und stellte ihm die nötige Equipage zur Verfügung. Her Herr er klärte mir, daß er strikte Order habe, seinen Zug unter keinen Umständen zu teilen. Er gäbe daher alle seine Leute oder keinen Mann. Ich quittierte dem Manne mit einer telegraphischen Beschwerde an die kompetente Stelle. * * * AlS zur Verfolgung einer Bande, welche von ?ofzu Hof zog, dem (im vollen Bestände) anrücken- den Militär die nötigen Gefährte zur Verfügung ge- tellt wurden, um die Aufwiegler, welche einen Vor- prung von nur einer starken halben Stunde hatten, einzuholen und ihnen das Handwerk zu legen, ver- weigcrte der Offizier die Benutzung der Vehikel, weil er — korribile cliotu — Fußvolk kommandiere. So «oltete das Fußvolk denn sachte weiter und langte elbstverständlich überall post lestvm an. * * * Ich hatte durch meinen Agenten in Erfahrung ebracht, daß eine Bande von 35 - 37 Mann in einem zwischen Taurup und Fistehlen belegenen Walde kampiere Die Stelle, woselbst ein größere- Laffenlager vergraben gehalten wurde, war mir genügend genau bezeichnet worden. Zu Beginn w"* das Waldstück etwa '/^ Kilometer breit und verengt? sich bis kurz vor dem Hofe Fistehlen auf die Hälfte- Die Länge maß zwei Kilometer. Ich fuhr nach Fistchlen, instruierte meine 14 Kosaken, in welcher Weise sie unter Führung zweier Herren vom Selbst schutz. von unten, nach Taurup zu, rücken sollten, fixierte die Stunde des Beginns und wollte selbst mit den 30 Mann aus Taurup gleichzeitig in ent gegengesetzter Richtung vorgehen. Der Herr Haupt- mann verweigerte mir seinen Zug mit der Motivie rung, sein Auftrag laute auf Schutz, was ich beab- sichtige, invo!viere aber einen Angriff, und zur Attacke halte er sich ohne besondere Order nicht für befugt. Eine zweite telegraphische Beschwerde hatte zwar den Effekt, daß auf demselben Wege nach Verlauf einiger Tage dem mutigen Draufgänger von Hauptmann der Befehl zuging, sich den Anord nungen der Polizei unbedingt zu fügen; mittlerweile waren die Kosaken auS Fistehlen aber abberufen worden, und der Versuch, mit der Infanterie allein etwas auszurichten, endete zwar recht kläglich, konnte aber wenigstens für mich tragisch werden. Ich ver langte die Aufstellung der 30 Mann in lang auS- gezogener Kelte über die ganze Breite deS Waldes. Der sachkundige Stratege verstand sich — unter dem Vorgeben, er bringe seine Leute durch solche Isolie rung in eine zu große Gefahr — nur dazu, über den dritten Teil Aufstellung zu nehmen. Nach Durchwanderung einer bestimmten Strecke sollte das Militär an einem genau bezeichneten Punkt „Halt" machen und mich erwarten, da ich weit auSzuholen gedachte; im Falle aber geschossen wurde, der Schuß richtung im Laufschritt zueilen. Im Hofe Fistehlen lallte die Exkursion ihr Ende finden. Das von vornherein eingeschlagene Tempo war beängstigend hurtig. Als ich den RendezvouS-Platz erreichte, war von meinen Soldaten nichts zu erspähen. In der Annahme, daß sie nach kurzer Rast weiter gegangen, setzte ich meinen Weg fort. Als ich aber die Mitte deS Waldes erreicht hatte, stieß ich auf die Lager stätte, und bald darauf begegneten mir neun Mann. Ich griff zur Kriegslist und gab laute Kommandos in den Wald hinein. Die Leute stutzten, sahen sich scheu nach allen Richtungen um und schlugen sich seitwärts in die Büsche. So gelangte ich schließlich allein in den Hof Fistehlen. Hier hatte niemand einen Zweituchner erblickt. Nachdem ich vergeblich eine Stunde gewartet, ließ ich anspannen und fuhr zurück. Beim Passieren unseres AugSgangspunktes fand ich die ganze Gesellschaft am Waldesrande, muntere Soldatenlieder singend. Dar nannte die Negierung militärischen Schutz. Mn Gespenst. Line Episode auS dem Eheleben von Arthur Zapp. (Nachdruck verboten.) Leutnant von Sterneck kam müde, hungrig und durstig nach Hause. Seine Gemütsstimmung war nicht die beste. Seit nachmittags drei Uhr war er im Dienst gewesen — Felddienstübung. Sechs Stunden im Gelände manövr ert, marschiert, getrabt — „marsch, marsch, hurrah!" — auf den Erdboden niedergeworfen, aufgesprungen, wieder gerannt, daß der Schweiß auS allen Poren strömre und die Zunge am Gaumen klebte. Dazu der Staub, der furcht bare, gräßliche Staub! Und nicht genug damit, zu allen Strapazen noch die schlechte Laune des Haupt manns, dem nichts recht zu machen war und der nicht nur die Geineinen und Unteroffiziere, sondern auch seine Kompagnie-Leutnants ganz gehörig herunterputzte. Seine Gattin kam ihm im Korridor entgegen. „Armer Bernd!" Er begnügte sich, ihr zuzunicken. Seine düstere Stirn entwölkte sich ein wenig. Sie wollte sich ihm nähern. Aber er wehrte sie ab und deutete auf seine Uniform, die über und über mit Staub bedeckt war. „Erst will ich mein Bad nehmen", sagte er. „ES ist doch alles bereit?" über ihr frisches liebliches Gesichtchen lief ein Zucken der Verlegenheit; ihre Mienen nahmen einen Ausdruck von Kleinmut und Bestürzung an, der ihr etwa« allerliebstes, kindliches verlieh. „Sei nicht büf^ Bernds bat sie. Er schnalfte eben den Säbel ab und hing ihn an den Garderobenhaken. Jetzt fuhr er ärgerlich herum. „WaS denn?" Seine Stirne legte sich wieder in drohende Falten. „Nur nicht gleich heftig werden!" rief sie ängstlich, dabei griff sie mit sanfter, überredender Miene nach seiner Hand. Er machte sich unwirsch lo«. „Goll das etwa heißen —" ? „Daß ich'S vergessen habe — ja!" Er stampfte zornig mit dem Fuß auf; seine Augen sprühten sie wütend an. „Verwünschte Lotterei! Nicht mal daS — nicht mal soviel kann man von seiner Frau er- watten. Da soll doch gleich der Teufel drein schlagen I" Er wollte an ihr vorüber. Aber sie hing sich an feinen Arm. „Bernd, lieber guter Bernd so sei doch nicht gleich so furchtbar aufgeregt! Wie kannst Du nur gegen Dein armes Weibchen, daS Dich so lieb hat" — Er unterbrach sie durch ein gellendes, höhnischer Auflachen. „Lieb? Nette Liebel Man quält sich und strapaziert sich und macht sich in seinem Beruf müde und matt, die Frau Gemahlin rekelt sich indeß auf der Chaiselongue oder im Schaukelstuhl und vertreibt sich mit irgend einem blöden Roman die Zeit, an statt ihre Pflicht als Hausfrau zu erfüllen. Und das nennt sich eine Frau, eine liebevolle Frau! Lächerlich!" Er riß sich von ihr, die wieder beschwichtigend nach seinem Arm griff, heftig los. „Du mit Deiner Liebe kannst mir gestohlen bleiben — weißt Du das!" Tief verletzt zog sie sich zur Tür, die in ihr Zimmer führte, zurück. Die Tränen schossen ihr in die Augen. „Schön! Also ich gehe," schluchzte sie. „Deine lieblose Heftigkeit ertrage ich nicht länger. Ich kehre zu meinen Eltern zurück, damit Du Dich nicht mehr über mich zu ärgern brauchst." Sie klinkte auf und verschwand. Er sah ihr einen Augenblick bestürzt nach. Dann kam wieder der Zorn über ihn. „Geh!" schrie er ihr nach. „Geh nur — meinetwegen!" Er stürmte in die Küche. Sein Bursche, der dis Felddienstübung hatte mitmachen müssen, hatte eben die feldmarschmäßige Ausrüstung abgelegt. Er hieß ihn Feuer machen und das Bad bereiten. In einem Schlafzimmer entledigte er sich darauf der laubigen Uniform, wusch sich einstweilen Gesicht und Hände und zog den bequemen Schlafrock an. Ein paarmal fuhr ihm dabei der Gedanke an rrna durch den Kopf. Ob sie wirklich ernst machen würde? Unsinn! Das war nur so ein Schreck- chuß. DaS kannte er schon. Schon wiederholt, wenn sie sich gezankt hatten, war ihr diese Drohung entschlüpft. Damit ließ er sich nicht mehr graulich machen. Und wenn selbst, wenn sie wirklich ihre Drohung ausführte, gut — mochte sie. Er würde sie gewiß nicht zurückhalten. Konnte er denn noch eine Frau lieb haben, die so herzlos und nachlässig war, daß sie nicht im geringsten für sein Wohlbe hagen sorgte? Nach einer Viertelstunde rief ihn der Bursche. Zwei Minuten später saß er im Bade; ein wohliges Behagen überkam ihn. Nach den Stra pazen, dem fürchterlichen Staub und dem gräßlichen Transpirieren war solch ein laues Bad eine wahre Wohltat. Seine ärgerliche Aufregung hatte sich ganz gelegt und Bedauern und Reue kehrten in seine Brust ein. Wie hatte er sich nur wieder von seiner unglücklichen Heftigkeir so hinreißen lassen können l Wie viele trübe Stunden hatte d.ese verwünschte Eigenschaft ihm und Eva schon in ihrer jungen Ehe bereitet! Und dabei hatte er sie von Herzen lieb, denn sie war ebenso schön wie gut und sanft und liebenswert in ihrer zärtlichen Hingabe. Das Herz wurde ihm warm und weich. Die Arme! Er fühlte es schmerzlich, daS er ihr Unrecht getan, daß er rücksichtslos, brutal gegen sie gewesen. Als ob er nicht auch schon einmal etwas vergessen hätte! Und alS ob eS auf Erden nichts Wichtigere- gab als — sein Bad. Er mußte nun unwillkürlich lachen über sich selbst. Zu dumm! Wegen einer solchen Kleinigkeit sich aufzuregen und sein armes süßes Weibchen in Schmerz und Trauer zu versetzen. Wenn er nur erst wieder versöhnt hätte! Er machte eine unwillkürliche Bewegung, al- wollte er aufspringen. Aber lächelnd ließ er sich wieder in die Wanne zurücksinken. Nein, zunächst mußte er sein Bad beenden. Plötzlich machte er doch wieder eine auffahrende Bewegung und beugte sich mit dem Oberkörper weit über den Rand der Badewanne hinaus, um nach der Tür zu lauschen. Was war das? Evas Schritte! Er erkannte ihren leichten, schwebenden Gang sofort. Jetzt ging sie den Korridor hinunter, an der Tür vorbei. Es durchschauerte ihn h iß vor Reue und Schmerz. Ganz deutlich hatte er eS vernommen, wie ein schweres, halb unterdrückte- Aufschluchzen laut wurde, gerade als ihre Tritte an dem Badezimmer oorüberhuschten. Und jetzt hörte er, wie sie die Tür der Küche ausklinkte und mit dem Mädchen ein paar Worte wechselte. Und dann wurde die Küchentür wieder geschlossen, Eoa'S Schritte aber bewegten sich weiter hinunter der Korridortür zu. Ein furchtbarer Schrecken packte ihn jäh. Mein Gott, am Ende machte sie wirklich ernst und kehrte in daS HauS ihrer Eltern zurück. Entsetzlich! . . . Nein, nein, da- durfte auf keinen Fall geschehen! Er liebte sie ja heiß, er liebte sie unendlich! Mehr al- je empfand er da« in dieser Sekunde. Wahrhaftig, da schloß sie schon die Türe auf. Seine Aufregung, seine Furcht, sie zu verlieren, er-
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