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11 OS 6 «d-,«ntl»t> s. d, Doch». SEand'1, Nichtamtlicher Teil. 224, 27, September 1910, kämpfung der Schleuderei schuf. Dann wurde tm Jahre 1907 der seit 1890 als Ratgeber wirkende Minimalpreistarif durch den neuen Druckpreistarif abgelöst und mit ihm wurde in amtlichen Kundgebungen und in feierlichster Form die Fehde angesagt nicht nur der Schleuderei, sondern jeder Unter bietung der Tarifsätze, Weiter schloß der Buchdruckerverein im Jahre 1908 einen förmlichen Vertrag mit den Schrift gießereien und den Fachgeschäften für Buchdruckutensilien und stellte damit den neuen Preistarif auch unter das Protektorat dieser Verbände. Jetzt erst erkannte der Verlag die drohende Gefahr in der sich vollziehenden Emkreisung, Der Verlegerverein tat seine Pflicht, als er den Sorgen und Beklemmungen seiner Mitglieder Ausdruck verleihend, rasch und eindrucksvoll durch das Mittel der Paschkeschen Denkschrift den neuen Druck- preistarif >m Zusammenhänge mit seinen Begleiterscheinungen einer Kritik unterzog, auf die der deutsche Buchdruckerverein mit seiner »Erwiderung» unverzüglich antwortete. Der nebenhergehende Notenaustausch der Vorstände beider Ver eine sühne zu einer mündlichen Aussprache zwischen den Delegierten beider Körperschaften, In dieser Aussprache mußte eine unzweideutige Klar stellung darüber geschaffen werden, ob der Buchdruckpreistaris nach dem Willen derer, die ihn geschaffen hatten, bindendes oder fakultatives Recht darstellen sollte. Im Einklang mit dem Vorwort des Tarifs bildeten alle amtlichen Maß nahmen und Erklärungen in Wort und Schrift eine einzige Belegkette für die Auffassung, daß der neue Tarif die unterste Grenzlinie sür die Preisberechnung im Buchdruck bilden müsse. Ohne Ansehen des Bestellers, der Größe und des Zeitpunktes und der Bestimmung des Auftrages, der Zahl- weise, der möglichen technischen Herstellungserleichterungen und aller anderen sonst im gewerblichen Leben die Preis stellung beeinflussenden Begleitumstände, Im Gegensatz hierzu hatte der Buchdruckerverein in feiner zuletzt erschienenen »Erwiderung« erklärt, daß diese Auffassung, die die wichtigsten Voraussetzungen der Denkschrift des Veriegervereins bildeten, unzutreffend seien, daß es sich bei der Herausgabe des Tariss keineswegs um eine grundsätzliche Änderung handle, usw. Die Vertreter des Verlages waren gezwungen, die Ver treter des Buchdrucks vor die Frage zu stellen: Bildet diese letzte Bekundung einen Widerruf oder einen Wider spruch? Und sie erbaten eine förmliche Erklärung darüber, daß der Tarif in keinem Sinne ein die Mitglieder des Deutschen Buchdruckervereius und der Tarifgemeinschaft ver pflichtendes und von den Einrichtungen der beiden Organi sationen geschütztes gewerbliches Sittengesetz darstelle. Die Abgabe einer solchen oder einer im Inhalte ähn lichen Erklärung wurde ohne Zögern verweigert, der Gesetzcs- charakter sür den neuen Buchdruckpreistans ausdrücklich in Anspruch genommen und damit aus der amtlichen »Er widerung« des Deutschen Buchdruckeroeins die Stellen verleugnet und getilgt, die das Vertrauen in eine freundliche Aufhellung und Lösung des Zwistes in den Reihen des Buchhandels wacherhalteN, den Deutschen Ver legerverein zur Teilnahme an der ihm vorgeschlagenen münd lichen Beratung wesentlich bestimmt halten. Die Verhandlungen blieben ergebnislos und sind nicht wieder ausgenommen worden. Überraschend kam dann im Frühjahr 1910 der Antrag des Buchdruckervereins auf Revision des Tariss, der in der Hauptversammlung (Mai 1910) auch einstimmig angenommen wurde. Unter den Ge sichtspunkten, die für die Revision maßgebend sein sollen, ist auch die »Erhaltung der guten Beziehungen zwischen dem Druckereigewerbe einerseits und seinen Auftraggebern im Verlage andererseits, zu finden. Dagegen hat man die eigentliche Kernfrage, ob der Preistarif in Zukunft Gesetz oder Regel, starres oder bewegliches Recht sein solle, in ein vorsichtiges Dunkel gerückt und sich gleichzeitig in geschickter Weise die Neutralität des in seiner Stellungnahme bisher gespaltenen Zeitungsverlegervereins durch einen besonderen Vertrag gesichert. Wuchtig und grundlegend für seine Kritik und seine Schlußfolgerungen ist das Urteil des Verfassers über die bisher sowohl von Verlegern als auch von Druckern (aller dings in der Hauptsache wohl nur aus taktischen Gründen) vertretene Meinung, man solle lediglich den Buchdruckpreis tarif selbst zum Gegenstände der klärenden Auseinander setzung machen. Organisation und Tarifgemeinschaft, ihre Einrichtungen und Verträge, der Lohntaris und die Satzungen des Buchdruckervereins seien innere Angelegenheiten und der Miterörterung eines Außenstehenden entzogen. Der Verfasser sagt: Diese Anschauung ist grundfalsch. Denn in den Bestimmungen, die der Buchdruckpreistaris regelt, erschöpfen sich durchaus nicht die Sorgen und Be schwerden, dis Anklagen und Wünsche des Buchverlages; sie greifen vielmehr, nachdem durch den Buchdruckpreistarif das Gelände erhellt ist, vielerorten auf jene tieferliegenden Schichten zurück, und der Buchdruckpreistarif ist mit der Ver fassung und dem inneren Ausbau, die sich das Druckerei gewerbe gegeben hat, überall so eng verwachsen und verstrebt, daß eine Erörterung, die sich auf den sichtbaren Buchstaben des Buchdruckpreistarifs beschränken wollte, ebenso unvoll ständig wie unfruchtbar sein müßte. Die innere Verfassung der Buchdruckertarifgemeinschaft vereinigt in sich zahlreiche Probleme der Sozialwissenschaft und sie wird deshalb auch von der Wissenschaft selbst be sonders gewertet. Der in den Jahren 1906—1907 in ihrer Entwicklung sich vollziehende Umschwung kann aber nicht stark genug betont werden. Bis etwa zu der Schwelle des Jahres 1906 entstammt alles, was Prinzipalität und Ge hilfenschaft miteinander unternahmen und planten, dem wechselseitigen Wunsche und Bedürfnis, des natürlichen Gegensatzes zwischen diesen beiden Trägern des Gewerbes auf dem Wege der Verträge und der durch gemeinsame Einrichtungen lebendig erhaltenen Verständigung Herr zu werden. Die Fronten der beiden Parteien waren bei dieser Aktion, man mag sie nun mehr unter dem Gesichtswinkel des Kampfes oder des Euchens nach Frieden betrachten, voll einander zugewandt; und wenn der Deutsche Buch druckerverein, gewiß nicht ohne ursächliche Wechselwirkung mit den Konzessionen, zu denen er dort gezwungen war, gleichzeitig einer Ausbesserung seiner Absatzbedingungen durch das Mittel der kollegialen Abrede und belehrenden Ein wirkung zustrebte, so vollzogen sich doch diese Bemühungen in einer mit jener anderen nicht zusammenhängenden strategischen Ausmarschlinie, Der Umschwung trat erst ein im Beginn des Jahres 1906. Der sogenannte »Organisations vertrag» war nicht mehr das Dokument eines Waffenstill standes, sondern eines zehnjährigen Bündnisses; und der Buchdruckpreistaris des Jahres 1907 zeigte bei der sich nun offen und frei vollziehenden wirtschaftlichen Offensive Arbeit geber und Arbeitnehmer Seite an Seite, Derartige »Allianzpolitik« ist keine neue Erscheinung; sie ist in England und in Deutschland in verschiedenen Ge werben bereits zum Ausdruck gekommen. Sie birgt aber die Gefahr der Überspannung in sich, und ein solches Gebilde kann in seiner Doppelnatur leicht zur Tyrannei ausarten. Die Arbeitnehmer werden ihre Forderungen um bessere Arbeitsbedingungen und Löhne um so leichter und öfter und nachdrücklicher anzumelden bereit sein, als sie, ohne unmittel bare Verantwortung gegenüber der Allgemeinheit, die Arbeit geber auf die mit ihrer Hilfe durchzusetzende Erlangung ge-