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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 07.02.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-02-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190602072
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19060207
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19060207
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-02
- Tag 1906-02-07
-
Monat
1906-02
-
Jahr
1906
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 07.02.1906
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Aus dem Anstande. AuS dem belgische« «ongogebiet. Der „Standard" meldet aus Brüssel, daß eine belgische Strafexpediton von eingeborenen Aufständischen im Kongo-Freistaat vollständig auf gerieben wurde. Die Eingeborenen beherrschen den Wald von Comani, wo viele europäische Han delskarawanen vorbelkommen. Zahlreiche Karawanen wurden bereits angegriffen und auSgeraubt. Es finden viele Kämpfe zwischen europäischen Händlern und den eingeborenen Aufständischen statt. Krankheit am dänische« KSnigshose. Der „Daily Telegr." meldet aus Kopenhagen, daß die älteste Tochter des Königs von Dänemark, Prinzessin Luise, Gemahlin des Prinzen Friedrich zu Schaumburg-Lippe, an Genickstarre schwer erkrankt ist. Die Prinzessin liegt in Oldenburg, wo sie zum Besuche des grobherzoglichen Paares eingetroffen war. Ihr Zustand ist höchst kritisch. — Die „Daily Mail" meldet aus Kopen hagen, daß in Roskilde, wo König Christian bei gesetzt werden wird, eine Typhus-Epidemie ausgebrochen sei. Die Zustände in Ungarn. Wir haben unsere Leser mit Meldungen aus Ungarn in letzter Zeit nicht mehr behelligt- brachten diese doch kaum etwas Neues. Die Herren Magyaren haben sich in eine Sackgasse verirrt, aus der sie gern mit Anstand heraus möchten, ohne den Weg hierzu zu finden. Da die Krone aber in Sachen der HeereSsprache und der Zölle unnach giebig ist, so scheinen die Machthaber in Buda pest die Dinge nunmehr auf die Spitze treiben zu wollen. Jetzt veröffentlichen die gegen die Regierung vereinigten Parteien die Botschaft des Kaisers an die Koalition und die Gegen vorschläge der Koalition, die der Kaiser am Sonn tag abgelehnt hat. Der Kaiser proponierte: Die Koalition möge die Regierung übernehmen und vor allem den Handelsvertrag mit Deutschland erledigen, weil in dieser Beziehung ein Versprechen des Kaisers vorliegt. Die mili tärischen Forderungen sollen auf Grund des Programms des Neunerkomitees bewilligt werden. Die Koalition unterbreitete durch den Grafen Andrassy folgende Gegenvorschläge: Sie erklärt sich zur Uebernahme der Regierung bereit. Die militärischen Fragen werden einer neuerlichen Ent scheidung der Nation bei den nächsten Wahlen an heimgegeben. (Das heißt also: Das Hoheitsrecht der Krone über die Armee wird beiseite geschoben!) Die Koalitionsregierung schließt den Handelsvertrag mit Deutschland, aber als selbständi - ger Staat auf Grund eines selständigen Zolltarifs und schließt einen freien Handels- vertrag mit Cisleithanien (womit die ökonomische Grundlage des 67er Ausgleiches beseitigt und eine neue Personalunion tatsächlich geschaffen worden wäre). Dies lehnte die Krone ab und die Koalition erklärt nun, sie werde den nationalenWider- stand organisieren. Ministerpräsident Fejervary, der neue Vollmachten erhielt, wird entweder das Parlament auflösen oder bis zum Dezember vertagen. Überfall eines englische« Missionshauses. „Reuters Bureau" meldet aus Hongkong: Eine bewaffnete Bande plünderte das Haus deS Missionars Dr. Beatti in Fati dicht bei Can ton. Die Insassen wurden gebunden, Kleider, Taschenuhren und Silbersachen im Werte von 1000 Dollars geraubt. Nach dem Überfall wurde ein chinesisches Wachtschiff um Hilfe gebeten. Das Ge- such wurde jedoch abgelehnt. Der kommandierende Offizier erklärte, er sei nicht ermächtigt, zu inter venieren. Die Ausländer im Cantondistrikte sind wegen der unzureichenden Polizei um ihre Sicher heit besorgt. Es handelt sich bei dem Überfall ver mutlich nur um die Tat einer Räuberbande und nicht um einen fremdenfeindlichen Angriff. Die Lage in Rußland „Daily Telegraph" meldet aus Tokio, daß die Unruhen in Wladiwostok fortdauern. Ein englischer Dampfer, der in Moji aus Wladiwostok angekommen ist, berichtet, daß die Artillerie fort während im Kampfe gegen die Meuterer stehe. Die ausländischen Einwohner der Stadt flüchteten. Die jenigen, die in Wladiwostok blieben, hißten die Flagge des Roten Kreuzes auf ihren Häusern, um auf diese Weise Schonung seitens der Meuterer sowohl als auch seitens der Truppen zu erfahren. Der kommandierende Admiral deS Hafens wurde von den Meuterern ermordet. Eine Hungersnot droht die Lage noch schrecklicher zu gestalten. Das Panzerschiff „Tri Swiatitelia" und zwei Kreuzer sind nach Anapa im Kaukasusgebiet ab gegangen, da die Stadt in den Händen des revolu- tionärenKomitees ist. In Batum finden massenhaft Anschläge gegen Verwaltunzs- personen statt. Es ist der Belagerungszustand er klärt. Türkische Truppen bewachen die armenische Grenze. Ein Bericht aus NoworossiSk schildert die Konflikte, welche in Ssotschi zwischen den Revolutionären und der Garnison (23 Infanteristen und 50 Polizisten) ausgebrochen waren, wie folgt: Die Zahl der Aufrührer belief sich ans etwa 1000 Mann, Mingrelier, die mit Schweizer Flinten be waffnet waren, Grusinier und einige russische und estnische Ansiedler. Sie hielten die Garnison in der Kaserne belagert, wobei ein Polizist getötet, acht Polizisten und ein Soldat verwundet wurden. Aus einem alten Neunpfünder (vom Jahre 1705) wurden etwa 40 Kugeln abgeschossen, die aus einem alten gesunkenen Schiffe geholt waren. Von den Geschossen wurden dar Dach und die Wände der Kaserne an vielen Stellen durchschlagen. Während des Scharmützels plünderten die Revolutionäre die Villen in Ssotschi und nahmen den Bewohnern die Waffen fort, töteten den Direktor der Versuchsstation Ljachowezki und einen Schreiber der Bezirkskanzlei, worauf sie die Kanzlei akten verbrannten. Am Abend des 1. Januar mußte die erschöpfte Garnison kapitulieren Nach dem Eintreffen eines Torpedojägers und eines Militärtransportschiffes aus Batum flüchteten die Haupträdelsführsr, nachdem sie die Waffen der Garnisons-Soldaten und die Renteikasse mitgenommen hatten. Am 4. Januar wurde die Kaffe fast un versehrt zurückerstattet. Die von auswärts ge- kommenen Aufrührer flüchteten nach Süden. Die örtlichen Insurgenten sowie viele von den bewaff- neten Mingreliern verbergen sich in den Wäldern der Umgebung. Die Grusinier der Plastrum-Ort schaft weigern sich, die Rädelsführer und die Waffen auszuliefern. Sächsisches. Hohe«stei«-Ernstthal, 6. Februar 1906. Wettervoraussage des Kgl.Sächs.Meieorologischt Instituts zu Dresden. Kür Mittwoch r Trockenes, wenn auch mehr oder weniger starkbewölktes Wetter bei normaler Temperatur und nordöstlichen Winden. Baro meter: mittel. 7. Februar: Tagesmittel —0,60, Maximum -i-1,30, Minimum —3,70. — Die am 3. Februar im Gewerbehause ab gehaltene Versammlung deS i Hoheustetn Ernstthaler BezirkSlehrervereins war von etwa 50 Mitgliedern besucht. Der Vorsitzende, Herr Dir. Dietze gab bei Eröffnung dem Wunsche Ausdruck, daß die Arbeit des Vereins auch im neuen Jahre reichen Segen für unsere Volksschule bringen möchte. Hierauf gedachte er in ehrenden Worten des in der Weihnachtszeit dahingeschiedenen Berliner Lehrers Leopold Claußnitzer, der sich als Mitbe gründer und langjähriger Leiter des Deutschen Lehreroereins große Verdienste um die vaterländisch' Lehrerschaft erworben hat. Ferner würdigte er die Verdienste des leide: erkrankten und demnächst in den Ruhestand tretenden Kultusministers Dr. von Seydewitz in gebührender dankbarer Weise. Nach Erledigung der Eingänge hielt Herr Lehrer Beyer- Hohenstein-Ernstthal einen sehr anregenden und mit Beifall aufgenommenen Vortrag über das Thema: „Inwieweit ist dem phystolog. und biologischen Momente im naturkundlichen Unterrichte der Volks- schule Raum zu gewähren?" Alsdann referierte Herr Lehrer Schubert-Hohenstein-Ernstthal über die praktische Gestaltung der Schulfibel. Die aus reicher Erfahrung geschöpften Ausführungen deS Referenten veranlaßten eine sehr lebhafte Aussprache, > deren Ergebnis war, daß man sich zur Zeit für einen Fibelwechsel in unseren Schulen nicht ent schließen konnte. Nach einem orientierenden Referat deS Herrn Dir. Dietze wurde Herr Oberlehrer Sebastian als Mitglied in die Kommission für Abfassung eines heimatkundlichen Lesebuchs gewählt. Das geplante Vereinsvergnügen soll Sonn abend, den 3. März von abends Vr7 Uhr an im Hotel „Drei Schwanen" stattfinden. Für die nächste ordentliche Versammlung, die erst nach Ostern statt finden wird, will man von einem Vortragsangebot des Herrn Lehrers Johannes Reichelt aus Dresden Gebrauch machen. — Wie bereits an dieser Stelle bekannt ge geben, findet das Winterfest der Altstädter Schützenkompagnie nächsten Donnerstag, den 8. Februar im Schlltzenhause statt. Das große Kon zert der städtischen Kapelle zu Chemnitz, unter persönlicher Leitung des Herrn Kapellmeisters Pohle, bildet den Glanzpunkt der festlichen Veranstaltung und dürfte eine große Anziehungskraft auf die ge faulte Mitgliedschaft, wie auch der geladenen Gäste ausüben. Der hervorragende musikalische Genuß dieses Abends wird der Altstädter Schützenkompagnie ihren zahlreichen alten auch neue Freunde hinzu führen. — Der hiesige „Sängerverein" hielt gestern abend im Saale des Neustädter Schützenhauses einen sehr gut besuchten Familtenabe«-, bestehend in Konzert und Ball, ab. Der instrumentale Teil lag in Händen der hiesigen Stadtkapelle, welche sämt liche Nummern zur vollen Zufriedenheit spielte. Außer einigen Liedern für Männerchor trug ein gutgeschultes Quartett zwei Lieder vor, denen sich ein Liederspiel „Die wilde Toni" anreihte. Vieler Beifall belohnte die Darsteller am Schlüsse. Dem sich anschließenden Balle huldigte Jung wie Alt bis zu recht vorgerückter Stunde. — Die eingeschriebene Hilfskasse „Brüder schaft" hielt gestern abend im Restaurant „Stadt haus" ihre diesjährige Generalversammlung ab. Der Besuch war im Hinblick auf die hohe Mit gliederzahl nur ein mäßiger. Den Jahresbericht erstattete Herr Vorsteher Karl Baumgärtel, während den Kassenbericht Herr Kassierer Gotthilf Kretschmar jun. gab. Derselbe ist ein befriedigender und wurde dem Kassierer Entlastung erteilt. Die Neuwahl der Verwaltung ergab die Wiederwahl derselben und wurden gewählt Herr Webermeister Karl Baumgärtel als 1. Vorsitzender, Herr Geschäftsführer Wilhelm Nestler als 2. Vorsitzend.r, Herr Kaufmann Gotthilf Kretschmar jun. als Kaisierer und Herr Expedient Emil Hauck als Schriftführer. Als Kassenarzt wurde Herr Or. weck. Reinige wieder bestimmt. — Ein -kahru«gSmi1tel - Dieb, der es namentlich auf die in Hausfluren stehenden sog. Speiseschränke abgesehen hat, ist in letzter Zeit in hiesiger Stadt wahrgeuomme« worden. Bei einer in der Limbacherstraße wohnhaften Webersfamilie entwendete er erst gestern wieder mehrere Stückchen Butter, Brod und sonst dergleichen mehr. Leider hat der Dieb ein leichtes Manövrieren, da in den meisten Fällen die Schlüssel am Schranke sich be fanden. Trotz angestrengter polizeilicher Wachsam keit hat man über die Person deS Täters noch keinerlei Anhaltspunkte ermitteln können. — Ein bedauerlicher Unfall trug sich gestern nachmittag gegen 4 Uhr auf der hiesigen DreSdner- stratze, »or dem Peschel'schen Hause zu. Der 5jährige Knabe der im genannten Hause wohnenden HauSmannsfamilie B. war aus dem Hause heraus auf die Straße getreten, als er von einem aus wärtigen Schlittengeschirr, das unvorschriftsmäßig gefahren sein soll, überfahren wurde. Das Kind war glücklicherweise zwischen den Schlitten zu liegen gekommen, sodaß eS von diesem weniger, wohl aber von den Huftritten des Pferdes schwer verletzt wurde. Von dem Führer des Geschirres, daS einem Guts besitzer aus Grumbach gehörte, wurde der bedauerns werte Kleine, der namentlich am Kopfe schwer ver- letzt worden ist, sofort mittelst desselben Geschirres einem hiesigen Arzt zugeführt. Der Zustand deS Knaben soll besorgniserregend sein. — Die Gesamtsumme der Stiftungen, die im vierte« Viertel des Jahres 1905 in Sachfe« bekannt geworden sind, beträgt nach den Auf zeichnungen deS „Sächsischen Kirchen- und Schul- blatteS" 2 018 500 Mk. Davon sind bestimmt 76 825 Mk. für die Kirche und kirchliche Zwecke, 129179 Mk für Schulzwecke, 70 500 Mk. für die christlichen Liebeswerke, namentlich für die Förderung der Gemeindediakonie, 1344 292 Mk. für Zwecke des VolkSmohlS und Arbeitersürsorge, endlich 297 700 Mk. für sonstige Zwecke. Im ganzen Jahr 1905 beträgt die Gesamtsumme der Stiftungen 5 440 000 Mk. — )( Oberlungwitz, 5. Februar. In der am Sonnabend abend, den 3. d. M. im Gasthof zum Lamm hier veranstalteten Hauptversammlung des hiesigen Zweigvereins des Evangelischen Bundes erfolgte vor Eintritt in die Tagesordnung die ein stimmige Aufnahme des Herrn Ortspfarrers von Dosky in den Vereinsvorstand an Stelle seines AmtSvorgängers Herrn Pfarrer Werner. Sodann berichtete der Vorsitzende Herr Pastor Zeißig über die ersprießliche Vereinstätigkeit im verflossenen Jahre und ferner über die in größerer Anzahl ein gegangenen Einladungen, Werbeschriften und Mit teilungen vom Bund und Sächs. Landesverein. Be sonders erfreulich war der Bericht über die Zunahme der Mitgliederzahl und über den günstigen Kassen abschluß. 215 Mitglieder, darunter 8 von aus wärts und 70 Angehörige des korperativen Mitgliedes „Eo. Arbeiterverein" hier, hatte der Zweigverein nach erst ein und dreivierteljährigem Bestehen zu verzeichnen. Deren Beiträge beliefen sich im ver flossenen Jahr auf 264,58 M., einschließlich 72,18 M. freiwillige Spenden. Die Gesamteinnahme deS Vereins betrug 288,83 M., die Ausgabe (Bundes- und Landeskassenbeiträge, Druckkosten, Zeitschriften) 157,81 M., folglich der Kassenbestand 131,02 M. Nachdem dem Vereinskassierer Herrn Lehrer Diettrich für seine Mühewaltung Dank und Anerkennung gezollt, Herrn Willy Müller die Rechnungsprüfung übertragen worden war, überwies man satzungsgemäß den Kassenbestand in Höhe von 115 M. der LandeS- vereinSkasse zur Unterstützung der LoS von Rom-Be wegung in Oesterreich. Zu den LandesoereinShaupt- oersammlungen wurde b. a. w. der Herr Vorsitzende abgeordnet und zu der vom Bund und Landes verein angeregten bezirksweisen Vereinigung der Zweigvereine will man erst nach weiteren Wahr nehmungen Stellung nehmen. Warm empfahl man sodann allen Vereinsangehörigen den Besuch des am Donnerstag abend, den 8. d. M. in Stollberg — „Bürgergarten" — stattfindenden eintrittsfreien Familienabendes, zu dem Herr Kirchenrat Sup. O. Meyer-Zwickau die Rede übernommen hat. Der Erledigung einiger weiteren Anträge folgte am Schluffe der Versammlung die Vorstandswahl. Sie ergab die Wiederwahl der ausgelosten Mitglieder, sodaß den Vereinsvorstand für dieses Jahr folgende Herren bilden: Pastor Zeißig, 1. Vorsitzender; Friedensrichter Albert Vogel, 2. Vorsitzender; Lehrer Diettrich, Kassierer; Kassenb. Willy Müller, 1. Schrift führer und neun Beisitzer. — :/: Gersdorf, 6. Februar. Ende voriger Woche wurde von einem Flurwächter im oberen Ort ein harmlos herumstreichender Hund als toll wutverdächtig erschossen. Die veranlaßte Unter- suchung hat jedoch ergeben, daß nicht die geringsten Anzeichen von Tollwut bei dem Tiere vorhanden waren. — Als geheilt konnte jetzt vom Königlichen Kreitkrankenstift Zwickau der Knabe Poch seiner Mutter zugeführt werden. Der Knabe war be kanntlich im Oktober v. I. bei dem Giebeleinsturz getroffen worden und die niedergehenden Massen hatten einen komplizierten Beinbruch herbeigeführt. — Gersdorf, 6. Februar. Auf dem Stein- Verfilmst. Roman von Fr. Leva«ti. (Schluß.) (Nachdruck verboten.) Er begleitete sie auf den Bahnhof. Vor Ab gang des Zuges stand er einige Minuten auf dem Trittbrett des KoupeeS und schaute mit sehnsüchtigem Blick in seiner jungen Frau Gesicht. „Elfriede, wie sehr wünschte ich, ich könnte mit Dir reisen!" „Das wäre auch mein Wunsch," entgegnete sie mit offenem, lieblichen Lächeln, „doch das geht nicht an, Du mußt die Probe bestehen. Du wirst mich holen und daS Jahr wird schnell vergehen." Seufzend schaute er sie «n. „Ich fürchte, ich werde eS machen wie der un- folgsame Knabe im Kinderbuche und meiner Strafe entgegen arbeiten. Wenn mir nun aber etwas zu stoßen sollte, bevor das Jahr zu Ende ist?" „Ich verspreche Dir, augenblicklich zurückzu- >ommen, sobald Du krank oder in Sorge bist," ent gegnete sie ernst. „Mein Liebling, gib mir einen Kuß!" rief er plötzlich. Doch die Gräfin zog den Schleier herab und sagte: „Nein, daS würde unS die Trennung noch schwerer machen. Lebe wohl, Erich, der Himmel segne Dich!" „Lebe wohl, mein geliebtes Weib!" Und seine Augen füllten sich mit Tränen, als er dem Zuge nachschaute, wie er brausend die Halle verließ. XXXIV. Nie ging ein Mensch mit mehr Eifer an sein Werk, als Graf Erich. Er ging sogleich nach Frankenstein zurück, um sofort die gestellte Aufgabe zu beginnen. Bequemlichkeit, Zerstreuung, Selbstbe friedigung dmften nicht mehr für ihn existieren. Ec hatte sich vorgenommen, alle Pläne, welche seine Frau zur Verbesserung seiner Güter entworfen und begonnen halte, zu Ende zu führen, ebe sie heim kehrte. Er vernachlässigte nicht das Geringste, was sie vorgeschlagen oder woran sie gedacht hotte. Mochte es kosten, was eS wollte, Alles sollte geschehen. Den Oberst zog er ins Vertrauen und sie erkannten, daß, wenn gcnug Hände sich l ührten, Alles zur Zeit fertig sein konnte. Graf Erich verlor keine Stunde. Wer ihn jetzt sah, hätte nie gcgiaubt, was für ein indolenter Mensch er früher gewesen war. Es kamen Tage, an denen er mit der Sonne aufstand und ununter brochen arbeitete, bis sie niederging — Tage, an denen er zu nichts weiter Zeit fand, als herumzu- reiten und die verschiedenen Arbeiter zu ihrer Tätig keit zu ermutigen. Jeder wußte zuletzt welchen Zweck der Graf verfolgte — Alles sollte fertig sein, bis seine Frau heimkehrte. Als das bekannt.war, wurden die Arbeiter noch eifriger, seine Zufriedenheit zu erlangen, denn auf der ganzen Herrschaft gab es weder Mann noch Frau, noch Kind, welche nicht mit Freuden Alles getan hätten, um der jungen Gräfin einen Gefallen zu erweisen. Graf Frankenstein vergaß über seinen Arbeiten und Mühen nicht, einen unausgesetzten Briefwechsel mit feiner Frau zu unterhalten. Er schrieb ihr jede Woche, ohne ihr von seinem Tun zu erzählen, aber verweilte immer bei seiner leidenschaftlichen Liebe und dem einzigen Wunsche, st« wiederzusehen. „DaS sind unsere Liebesbriefe, Elfriede," schrieb er einmal. „Der Tag, an dem wir uns Wieder sehen, wird unser wahrer Hochzeitstag werden." Sie lächelte selig, als sie «S las. Endlich hatte sie ihn gewonnen, und Niemand ahnte, wie glücklich sie darüber war. So verging das Jahr. Die Ärzte hielten es für geraten, daß Frau Großberg nach Deutschland zurückkehrte, bevor der Winter begann, und so wurde ihr wie der Gräfin Rückreise auf Anfang September festgesetzt. Der Graf bat seine Frau, ihm zu ge statten, nach Nizza zu kommen und sie abzuholen, wie eS anfangs bestimmt gewesen. Doch sie ant wortete: „Nein, ihr Vater würde es tun. Sie wollte ihn nicht früher, als zu Hause Wiedersehen. Ihr Vater würde sie bis zur Eisenbahnstation vor Frankenstein bringen, und dort solle er sie erwarten und nach Hause nehmen". „Sie hat recht," sagte der Oberst, „auch mir scheint eS besser. Sie hat recht wie immer." So rückte der Tag heran, ein heiterer Sep tembertag, an welchem dem Grafen die ganze Welt verändert schien. Der Zug kam Nachmittag drei Uhr in der Station an und der Graf erwartete ihn. Graf Erich stand auf dem Perron, als der Zug hielt. Da war nicht lange Zeit zum Begrüßen. Er nahm die Hände seiner Frau in die seinen, zögerte einen Moment und küßte sie auf den Mund. „Mein Weib — mein Liebling — willkommen zu Hause!" Dann half er ihr in den Wagen und setzte sich an ihre Seite. Er sah, wie ihr Gesicht vor Er regung erbleichte, als das laute Freudengeschrei der Männer, Frauen und Kinder ihr Ohr traf, und während der Wagen langsam dahinrollte, mehr als eine rauhe Stimme rief: „Der Himmel segne Sie, gnädige Frau! Willkommen in der Heimat!" Nur langsam fuhren sie dem Schlosse zu, denn rer Andrang war groß. Alle freuten sich, sie wieder in ihrer Mitte zu sehen. Der Graf hatte eS nicht unterlassen, ihnen Allen zu sagen, waS sie ihr ver dankten, und Alle hatten sich versammelt, sie will- kommen zu heißen. Die Menge wuchs, als sie durch den Park fuhren, und als der Wagen vor dem großen Eingangstore hielt, var es rührend, die er regte Menge zu sehen. Der Graf erhob sich, um chnen für ihre freundlich?, herzliche Begrüßung zu danken. Dann ergriff er seines Weibes Hand und ein süßes Lächeln verklärte ihr Gesicht, als sie rings um schaute — unter der großen versammelten Meng« befand sich kaum Einer, der nicht irgend welche Freundlichkeit oder Wohltat aus ihrer Hand em pfangen hatte. Dann traten sie in daS HauS, ge folgt von den Wünschen Aller, die sie kannten. Im Schlöffe wurde daS Diner im engsten Fa milienkreise eingenommen. Er bestand aus dem Grafen, der Gräfin, dem Obersten, dem Rechtsanwalt und Frau Großberg. Nach Tisch nahm der Graf den Arm seiner Frau in den seinen und sagte. „Heute ist unser wirklicher Hochzeitstag, El- riede", da brauche ich nicht um Entschuldigung zu bitten, wenn ich Dich unseren Gästen entführe." Sie schritten durch das lange Wohnzimmer nach dem Balkon, wo die letzten Rosen blühten und die Schlinggewächse eine förmliche Laube bildeten. „ES ist nicht kalt", sagte er. „Wollen wir hinauStreten?" Sie gingen zusammen hinaus und beobachteten, wie die Sonne hinter den Bäumen deS Park« unterging. „Elfriede", begann der Graf, „ich möchte Dir etwas sagen." Sie schwieg und blickte ihn tiefbewegt an. „Ei« Wort möchte ich Dir sagen, mein Lieb ling", fuhr er fort, seinen Arm um sie schlingend und sie zärtlich küssend, während sie sich selig an ihn schmiegte. „Laß mich Dir danken für Alles, waS Du an mir getan hast, und Dir sagen, was ich denke. Ich denke, der größte Segen, den der Himmel über einen Mann ausschütten kann, ist ein geduldiges, selbstloses, hingebendes Weib — wie er eS mir geschenkt hat."
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