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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 22.04.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-04-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190204222
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19020422
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19020422
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-04
- Tag 1902-04-22
-
Monat
1902-04
-
Jahr
1902
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 22.04.1902
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Nachdruck verboten. I. Fortsetzung. der dem — nach dem Brühl in das große, altberühmte Chantant, wo wir einst als Studenten so oft „Theater mit Rein sam verweigern oder gar mit den Aufrührern gemeinsame .Sache machen könnte Während der sehr ernsten Revolte im Geheimen durchaus Recht gegeben. AVer alle diese, aus der Zrkenntuiß der prinzipiellen Gerechtigkeit der sozialistischen Forderungen hervorgegangcn Sym pathien wurden mit einem Male gründlich hinwegge fegt durch die Künde von den brutalen und schändlichen Ausschreitungen, die sich das aufgehetzte Volk resp. der Pöbel zu Schulden kommen ließ, ohne daß von den Anführern der ernste Versuch gemacht worden wäre, dem rasenden Treiben Einhalt zu gebieten. Dem An scheine nach wurden ja allerdings derartige Versuche gemacht, abrr wie es hiermit in Wirklichkeit gemeint war, das beweist z. B. der Fall des Genter Sozialisten- führers Ansecle, der, während er in den Versammlungen die Arbeiter zur Ruh ' ermahnte, es ruhig geschehen ließ, daß sein Organ „Vooruit" in spaltenlangen Ar tikeln Unterricht in l er Anfertigung von Dynamit er- Lheilte. Auch sah es im Uebrigen genau so aus, als seien derartige Ee Mahnungen zur Besonnenheit erst dann erfolgt, als von den Arbeitern hier und da sehr energisch der Wunsch auSgedrückt worden war, daß bei den Straßenmanifestationen sich die Herren Führer an die Spitze stellen sollten. Dieser Vorschlag fand jedoch ersichtlich nicht den Beifall der letzteren. Der Millionär Bandervelde, der Hauptsozialistensührer in Brüssel, erklärte auf eine diesbezügliche höchst deutliche Anspielung, sein Arzt hätte ihn verboten, sich auf der Srraße aüfzuhalten, und der Antwerpener Sozialisten. Pflicht erfüllt, und sie würden sicher auch heute nicht zau dern, die Dynamithklden, Brandstifter und die übrigen - Excedenten wiederum ebenso rücksichtslos zur Vernunft zu bringen. Sobalo aber das mißleitete Volk, dem man heute wiederum wie im Jahre 1886 den Glauben bei gebracht hat, daß das Militär und die Bürgerwehr höch stens in die Luft schießen würden, sehen wird, daß die Soldaten unter Umständen sehr energisch von der Waffe Gebrauch machen, dann wird auch der Muth zu weiteren Auflehnung gegen die Staatsgewalt sehr rasch erlahmen, die Ausständigen werden nach einander die Arbeit wieder ausnehmen und damit geordnete Zustände sich schnell wie der einstellen. So sind alle Reooltcn der letzten Jahrzehnte in Belgien verlauten und es ist nicht einzusehen, weshalb gerade der jetzige Aufruhr, von dessen Theilnehmem sicher ncch nicht der fünfzigste Theil weiß, um was es sich eigentlich handelt, mit mehr Muth und größerer Ausdauer fortgesetzt werden sollte. Das Endresultat der unseligen sozialistischen Hetzereien aber wird nach Beendigung bei Bewegung in nichts Anderem bestehen als darin, daß eine Anzahl von Menschen getödtet, zu Krüppeln gemacht oder zu Freiheitsstrafen verurtheilt wurden, ferner in einem kaum wieder gut zu machenden, der Industrie und damu auch den Arbeitern zugefügten Schaden und endlich in der Thatsache, daß man in Belgien allen Forderungen der Sozialisten oder Arbeiter noch feindlicher als bis da- ffn gegenüberstehen wird und diese also von der Verwirk- ichung der Reformen, die sie mit der offenen Empörung daß zum Nothfall der Zimmermann ein Loch in Wand gelaffen habe. Ernste, gereifte Männer, ogen wir jetzt ein, kleine Doktor war schon drin, während ich noch mit Lösen meines Billets beschäftigt war. SchollaertS HauS bewachten. Als ein Bürgersoldat >en Tornister abwarf mit dem Rufe: „Vorwärts, wir haben keine Patronen!* drang die Menge gegen die zweite Linie vor und überwältigte sie, nunmehr auch das dritte Glied bedrohend. Auf 20 Schritt Ent fernung gab nun das Militär eine Salve ab. Die Verluste werden jetzt auf 7 Tobte und 20 Verwun dete beziffert; unter den Verwundeten befindet sich ein Bürgersoldat. — Nach Darstellung von anderer Seite ist es außer diesem einen später noch zu einem zweiten Zusammenstoß vor dem katholischen Klub in der Rue Tirlemont gekommen, wobei eS ebenfalls Todte und Verwundete gab. Die Polizei beziffert die Zahl der Tobten aus inSgesammt fünf, die der Verwundeten auf zwölf. An Stelle der Bürgergarde hat jetzt daS Militär den Sicherheitsdienst übernommen, alle Straßen sind gesperrt. Chemnitzer Brief. Chemnitz, 20. April. In meinem letzten, in Nr. 83 abgedruckten Briefe konnte ich Ihnen bereits mittheilen, daß der Bewohner schaft unserer Stadt eine Ueberraschung bevorstehe, die auch auswärts Interesse erregen werde. Zwei Tage später habe ich angedeutet, ohne aus die erste Mit- theilung Bezug zu nehmen, worin die Ueberraschung bestehen werde. Dieses kleine Versteckenspielen war nothwendig, weil man nicht aus der Schule plaudern darf. Gewisse Dinge müssen diskret behandelt werden, wenn sie in ihrer Entwickelung nicht gestört werden sollen. Am vorletzten Donnerstag machte Oberbürgermeister Dr. Beck den Stadtverordneten die erste Mittheilung von einem in Aussicht stehenden Zuwachs für die Stadt und fand dazu freudige Zu stimmung. Heute Morgen verkündigt nun auch dar „CH. Tgbl." offiziell, daß für den Fall der späteren Neuaufstellung von Kavallerie-Truppentheilen unsere Stadt Chemnitz als Standort eines Kavallerie-Regi mentes in Aussicht genommen ist und daß unerwar tet dessen bereits am 1. Oktober dss. I. eine Eskadron Jäger zu Pferde hierher verlegt werden, sowie später, vielleicht schon im nächsten Jahre eine zweite Eskadron ihr folgen soll. Während ein künftiges Kavallerie- Regiment voraussichtlich auf einem von den städtischen Kollegien hierzu zur Verfügung gestellten Theile deS städtischen Areals nördlich der Planitzstraße kasernirt werden soll, werden die beiden Eskadrons zunächst auf den dem MilitärfiSkus bereits gehörigen Areale zwi- scheu der Kaserne des 181. Regiments und der Zeisig waldstraße provisorisch in Baracken untergebracht werden. Die Sozialdemokraten im Siadtverordnetensaal, das kann heute verrathen werden, stimmten gegen jedes Opfer, das wir für unsere Garnisonsvermehrung bringen müssen, eS ist eben ihr Prinzip, für mili tärische und kirchliche Angelegenheiten die Hand auf die Tasche zu halten. Eine besondere Anstrengung machten sie aber auch diesmal nicht, ihren Willen durchzusetzen, wohl weil sie von der Aussichtslosigkeit eines solchen Beginnens überzeugt waren. Im Allge meinen kann man sich ja nicht über das Verhalten der sozialdemokratischen Stadtverordneten beklagen und dasselbe würde ein noch besseres sein, wenn sie nicht einen zu großen Werth auf die Agitation legten. Daß man durch anständiges Betragen weiter kommt, wird leider zu wenig beachtet, obwohl einen Beweis dafür wieder die letzte Wahl des Schulvorstandes lieferte. Wie gewöhnliL hatte der Wahlausschuß nne sozial demokratenreine Vorschlagsliste ausgearbeitet, vom Plenum dagegen wurde auf Wunsch der Linken sogar der 2. Schriftführer des Kollegiums von der Liste gestrichen und dafür der Genosse Berger gewählt. Die Aufsichtsbehörde hat diesen anstandslos als Schulvor- standsmitglied anerkannt, denn er befleißigt sich bei seinen Reden einer Sachlichkeit, die Anerkennung findet. Nach dieser Abschweifung noch einmal zurück zu unseren reitenden Jägern. Ist ein solcher Zuwachs wirklich ein Gewinn für eine Großstadt? Gewiß, auch wenn uns las Anschwellen der Großstädte sonst mit Sorge erfüllen muß. Schon in meinem letzten Briefe habe ich betont, daß zwischen Zuwachs und Zuwachs ein Unterschied zu machen ist. So lange Deutschland ein Kultur staat bleibt, müssen die deutschen Städte auch darnach streben, vorwärts zu kommen, gleichviel, ob sie groß oder klein sind. Das WachS- rhum darf aber nur ein natürliches sein, es soll nicht zu rapid geschehen. Es ist doch bei den Menschen ebenso, daß ein zu schnelles Wachsen genau so gefähr lich werden kann, als ein langsames Dahinsicchen. Bor einigen Wochen laS ich im „Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt" ein sehr interessantes Verzeichniß der säch sischen Städte, oberflächlich betrachtet schien eS ein trockenes Zahlenwerk zu sein, wenn man sich aber etwas mehr in das Zifferngewirr vertiefte, so fing eS an, Leben zu gewinnen. ES waren nur wenig Städte, die ihre Bevölkerungszahl vom Jahre 1834 nicht mehr besaßen, aber relativ zurückgegangen, das sagten die Zahlen deutlich, waren recht viele Städte. Daß dies in denselben fort und fort als ein Uebelstand empfunden wird, beweisen die Anstrengungen, frisches Leben in das Gemeinwesen zu bringen. DaS darf auch eine Stadt von der Größe wie Chemnitz nicht aus dem Auge verlieren. Jeder Körper verlangt zu seinem Gedeihen frisches Blut, neue Lebenssäfte, gleichviel, ob der Körper groß oder klein ist. Darum werden wir unsere reitenden Jäger mit Jubel empfangen! chef Dr. Terwagne zieht eS mit eiserner Consequenz noch immer vor, die Berichte über die allabendlichen Skandale am Centralbahnhofe in seinem prächtigen Hause in der Rue Ommegank einfach zu lefen, anstatt bei diesen gegenwärtig zu sein und hierbei feinen 180 Kilo schweren Leib eventuell in Gefahr zu bringen. Und doch kann darüber kein Zweifel bestehen, daß diese Leute durch ihre Anwesenheit und bei einigem guten Willen gar manche Ausschreitung und manches Blutvergießen hätten verhindern können. Aber freilich, etwas derartiges fällt nicht in ihr Programm, sie Hetzen nur auf, während sie die mit dem Befolgen ihrer Rathschläge verbundenen Gefahren für Leben und Freiheit der unwissenden, bethörten Menge über lassen. ES ist ein mehr wie naives Ansinnen, daß sich die Regierung durch die Drohungen dieser Per- sönlichkeiten und die durch sie hervorgerusenen oder noch zu inscenirenden Straßentumulte bestimmen lassen solle, nun ohne weiteres die Forderungen der Minorität im Lande zu erfüllen. DaS wäre nicht mehr und nicht weniger als das Zugeständniß, daß die eigentlichen Herren in Belgien diejenigen wären, die jeden ihrer Forderungen mit der Drohung der allgemeinen Ar beitererhebung einen unwiderstehlichen Nachdruck zu geben vermöchten, es wäre ein Zeichen von Schwäche, das die Dreistigkeit der Sozialistenführer geradezu herausfordern müßte und schwerlich dazu dienen könnte, dem hartgeprüften Lande endlich eine längere Zeit der Ruhe zu verschaffen. Man mutz vielmehr der Regier ung und der Regierungspartei unbedingt darin bei- pflichten, wenn sie erklären, wir wollen im Parlamente absolut frei und unabhängig und nicht unter dem Einflüsse der von der Straße her ertönenden Droh ungen verhandeln. Eine Verhandlung über das allgemeine Stimmrecht könnte eventuell erst dann stattfinden, nachdem der unsere freie Entschließung bedrohende Aufruhr niedergeschlagen und die öffentliche Ordnung wiederhergestellt wäre, daß das letztere aber der Regierung gelingen wird, und zwar wahrscheinlich schon sehr bald, daran ist im Ernste wohl kaum zu zweifeln. Außer der Polizei, der Gendarmerie, der Bürgerwehr und den Pompiers (Feuerwehrleuten) die zusammen völlig genügen, um mit den Ruhestörern in den größeren Städten fertig zu werden, hat sie jetzt 34,000 Soldaten, zu denen demnächst noch einige weitere Tausende treten werden, zur Verfügung, und hiergegen könnten die höchstens 150,000 Mann starken Ausständigen in den Bezirken von Charleroi, im Borinage und im , Centrum unter keinen Umständen etwas ausrichten. Daß die Armee im entscheidenden Momente ernstlich versagen könnte, davon kann keine Rede sein Disziplinlosigkeiten und Ausschreitungen der einberufenen Reservisten sind ja allerdings in der letzten Zeit mehrfach vorgekommen, aber derartige vereinzelte Vorkommnisse, die meistens auf den Genever zurllckzusühren sind, berechtigen doch noch lange nicht zu dem Schluffe, daß ein großer Theil der Soldaten vielleicht oder wahrscheinlich ihren Vorgesetzten den Gehör legalen Wege bedeutet. Auch in diesem Falle wären des Jahres 1886, deren einzelne Phasen der Schreiber ihnen z. B. die unbedingten Sympathien der Liberalen (dieses in Charleroi, Mons rc. aus allernächster Nähe ge- zweifellos erhalten geblieben und sicherlich hätten ihnen Inau verfolgt hat, haben die orher als sehr unzuverlässig auch die meisten der in Belgien ansässigen Fremdens geschilderten belgischen Soldaten in vollem Maaße ihre redens" gespielt hatten, bis man uns ernstlich bedeutete, der Die Hochwald-Lene. Eine Geschichte von den Lausitzer Bergen von Hau» Hagen. „Gewiß, gewiß, Mutter," sagte ich, „behaltet sie ja scharf im Auge, denn dies FleckchiN Erde hier, wo so viel seine Welt verkehrt, das ist ein heißer Boden für so ein hübsches Mädchen." „Ach, mein- Lene is a rechtschaffen Madel, doas kmn Se mer schun gleeben, und driben uffm Huhwarlde Hutt se 's oh ne goar ze leichte. Manchmal mußt se no an spaten Obend nunger aS Durf, doaß uns ollen ganz- bange im's Madel wurde. Un srih zeitlich pucht se oo schun widder a meine Tire: „Mutter, ich muß ag wider nuff uffn Hahwarld " Wir wurden gestört, da die Musikanten daher kamen und zwischen uns vorbei gingen. Ich verab schiedete mich von der Alten und wandelte durch die Ruine nach dem Jungsernsprung, um auf dem Weg um den Berg wieder nach dem Gesellschaftsplatze zu gelangen Ich war fast herum, noch der letzte, mächtige Fels, block trennte mich von der schmalen Schlippe, die nach dem Platze hinüberführt, da om Ausgang, durch die Felsen vor den Menschen gedeckt, stand Karl v. Rüger in traulichem Gespräch mit der Hochwald Lene l Der junge Maler sprach eifrig auf sie ein. „Komm mit mir, Lene," sagte er, indem er ihr die Hände drückte und sie glühend mit seinen feurigen Blicken durchbohrte, „komm mit mir in die große, glänzende Welt, Du sollst eine berühmte Sängerin wer- den, und ich, ich werde Dich, Dich Engel, malen und dann ein berühmter Maler werden. Und glücklich wollen wir sein, Du und Deine Mutter und ich und wir alle. Lene, willst Du — ?" 3» ir NW. Antwerpen, 19. April. Bon unserm Korrespondenten. Die gewaltige Bewegung, unter der gegenwärtig daS belgische Königreich erzittert, wird in der Regel ganz allgemein auf daS Verlangen deS Volkes nach dem allgemeinen Wahlrechte zurückgeführt, und daS ist ja auch an und für sich durchaus richtig. Nur wird dabei fast regelmäßig der Zusatz vergessen, daß dieses allgemeine Wahlrecht vor allem ein Mittel zu dem Zwecke sein soll, um die Einführung von zwei andern höchst wichtigen Reformen in Belgien zu ermöglichen: allgemeine Wehrpflicht und obligatorischer Schulunter richt. Wie eS hiermit bis auf den heutigen Tag hier zu Lande auSfieht, ist ja ziemlich allgemein bekannt. Nur die ärmsten aus dem Volke, die nicht so viel Geld besitzen, um einen Ersatzmann stellen zu können, sind zum Dienste in der Armee verpflichtet, und irgend ein Schulzwang besteht hier überhaupt nicht. Den Eltern steht eS völlig frei, ob sie ihre Kinder nach der Schule schicken oder sie in totaler Unwissenheit und Zuchtlosigkeit aufwachsen lassen wollen, und die erstaunlich große Zahl von Analphabeten hier zu Lande sowie von völlig verwahrlosten Kindern ist denn auch die natürliche Folge jener beklagenswerthen Ein richtung. Wenn die sozialistische Partei mit aller Energie eine Aenderung derartige Zustände anstrebt, wenn sie die Behauptung ausstellt, daß auch das Kind des ärmsten Arbeiters einen Anspruch daraus habe, wenigstens lesen und schreiben zu lernen, und wenn sie ferner verlangt, daß der reiche Mann ebenso gut wie der arme verpflichtet sein soll, in Zeiten der Ge fahr daS Vaterland zu Vertheidigen, so wird man dieseu Forderungen als durchaus billigen und gerechten nur beipflichten können. Und man wird auch schwerlich dagegen etwas Ernstliches einzuwenden vermögen, daß von den Sozialisten gleiches Stimmrecht sür Alle ge fordert wird anstatt des jetzigen, allerdings erst 1893 eingesührten Wahlsystems, wonach auf eine Person, die freilich unter keinen Umständen zum Arbeiter- siande gehören darf, drei Stimmen entfallen können. Was die Leiter der gegenwärtigen Bewegung im Grunde genommen wollen, ist also sehr klar und ein fach, nämlich die Beseitigung gewisser, durch Nichts motivirter Vorrechte der besitzenden Klassen, und diesem Bestreben könnte man nur seine volle Sympathie zu wenden, wenn die Erstgenannten es sich zur Aufgabe gestellt hätten, jenes Ziel auf gesetzlichem Wege und mit gesetzlichen Mitteln zu erreichen. Zu diesen ge setzlichen Mitteln zählen die Propaganda durch Wort und Schrift, Versammlungen und Manifestationen, und selbst die Herbeiführung des allgemeinen Ausstandes, um durch die Bedrohung der Industrie mit dem völligen Ruin die besitzenden resp. regierenden Klaffen zum Nachgeben zu zwingen, hätte sür die Sozialisten noch keineswegs an und sür sich das Abweichen vom „Komm doch, komm doch, Ur," ries er mich bej meinem einstigen Kneipnamen, „sie singt gerade, die ent« zückende, die bezaubernde Signora Helena, kommt doch nur, Ihr verpaßt was!" Mühsam drängten wir uns so schnell wie möglich durch die „Stehplätze" hinten im Saale hindurch, und als wir endlich in dem übervollen, von Zigmrenqualm, Wein- und Bierdunst erfüllten Saale bis zu den vor- deren Plätzen gelangt waren, hatte zu des Doktors größtem Bedauern die schöne, schlanke, überreich geputzte Chansonette ihr Lied beendet, verbeugte sich graziös und rauschte von dannen. Der kleine Doktor klatschte wie wahnsinnig, und ringsum durchtobte ein begeisterter Beifall den Saal Endlich ging der Vorhang wieder auf, Signora Helena rauschte nochmals hervor, verneigte sich, lächelte mit ihrem bezauberndsten Lächeln in das Publikum hinein und verschwand. Was war das? Die beiden elektrischen Bogen lampen über der Bühne blendeten mich, daß mir's flimmerte vor den Augen. Der Lärm, der Dunst, alles nahm mir den Kopf so ein, daher mochte es wohl kommen, daß ich mir in dem Moment eingebildet hatte, die — Hochwald-Lene vor mir zu sehen! Mich umtoste noch immer rauschender Beifall. Fortsetzung folgt. Die arme Hochwald-Lene wußte nicht, wie ihr ge schah. Sie lachte und weinte in einem fort und ließ es willenlos geschehen, als ihr feuriger Verehrer sie an seine Brust zog und mit Küssen überschüttete. Leise, auf den Zehen schlich ich zurück. Ich wollte nichts wissen davon. Was ging's mich an. Vielleicht hatte er ja auch ehrliche Absichten auf das Mädchen, wer könnt'- wissen! So kam ich raschen Schrittes wieder zurück durch die Ruine nach dem Friedhöfe. Da mit einem Male setzte ein mächtiger Posaunenchor ein: „Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre, der Schall pflanzt seinen Namen fort!" Mit dröhnendem Brausen antwortete daS Echo von den umliegenden Bergen, und es war, als ob die ganze Natur mit einstimme in den gewaltigen Hymnus auf ihren Schöpfer. Alles in tiefer, weihevoller Andacht ringsum! Da auf einem bemoosten Grabsteine auf dem Fried- Hofe saß Hochwald-Lenes alte Mutier! Sie hatte die Hände gefaltet und betete leise vor sich hin. Friede und Einfalt lag auf dem guten, arglosen Gesicht. Aime Hochwald Lere, wer soll dich schützen ? IN. Endlich einmal wiedrr in Leipzig. Endlich einmal wieder auf jenen Plätzrn, aus jenen Orten, die mir so »raut und lieb waren von meiner fröhlichen, sorglosen Student-, Hotz Das Hoteltelephon hatte bald einige alte Kon- burschen zusammengerufen, und kurz nach Tisch ging's fort! Zunächst nach Eutritzsch in die altberühmte Gosenschenke, dann mit der Pferdebahn zurück und ins alte Stammzimmer im „Thüringer Hof" und dann, — der kleine, lustige Doktor, mein einstiger Leibsuchs, srug einmal bei jedem Vergnügen: „oü est Ig s«mm6 ?" hatten erzwingen wollen, weiter entfernt seit werden als je zuvor. H H ! Brüssel, 20. April. Telegraphisch ist den hie- sigen Ausständigen eine weitere Unterstützung in Höhe von 50,000 Mark von dem Parteivorstand der deut schen Sozialdemokraten zugesagt worden. Aus Leipzig sind 1000 Mark hierher geschickt worden. Stockholm, 21. April. Im ganzen Lande fanden gestern Kundgebungen zu Gunsten des allgemeinen Stimm rechts statt. Hier kam es im Laufe des Nachmittags zu Zusammenstößen zwischen der Polizei und der Volksmenge, welche unter dem Rufe „Nach dem Schloß!" den Polizei kordon zu sprengen versuchte. Die Polizei machte von der blanken Waffe Gebrauch. Mehrere Personen wurden durch Säbelhiebe verwundet, 5 der Demonstranten ver haftet. Eine Abtheilung Militär HUt mit aufgepflanztem Seitengewehr die zum Schlöffe führende Brücke besetzt Der Führer der Sozialisten, Branting, hielt mehrere An sprachen an die Volksmenge, in welchen er sie zur Ruhe ermahnte. In Malmö betheiligten sich 15,000 Personen an der Kundgebung. Die belgische Ausstandsbewegung scheint noch schneller jede besondere Bedeutung verlieren zu sollen, als selbst diejenigen annahmen, die von vornherein den sozialdemokratischen Ausstandsdrohungen sehr skep tisch gegenüberstanden. Das Brüsseler Arbeitersyndikat hat bereits die Flinte ins Korn geworfen. Der Brüsseler Vorstand der Arbeiiersyndikate hat beschlossen, am Montag die Arbeit wieder aufzunehmen; bereits Sonnabend Vormittag wurde in kleinen Werkstätten der Streik beendigt. Voraussichtlich wird dies Beispiel bald im ganzen Lande befolgt, vielleicht sogar Diens tag mit Ausnahme der streiklustigen Arbeiter im Be zirke Charleroi und Mittelbeken. Aus der sozialdemokratischen Versammlung, die unmittelbar nach der Kammersitzung, in der die Ver- fassungs-Revision abgelehnt wurde, stattfand, ist folgendes zu erwähnen. Der sozialdemokratische Führer Bander- vrlde fragte: Was bleibt uns zu thun übrig? Eine Stimme antwortete: Wir müssen nun in der Straße kämpfen und siegen! Vandervelde: Wägen Sie gut das Wort, das Sie eben gesprochen haben: Können Sie denn annehmen, daß Sie in der Straße siegen werden? Ein Gewaltstreich ist heute nicht mehr oder vielmehr noch nicht möglich. Mit schlechten billigen Revolvern gegen verbesserte weittragende Gewehre kämpfen, wäre Tollheit. Das Losungswort der Sozialisten soll das sein, das die Christen aufgegeben haben, seit dem sie katholisch geworden sind, nämlich: Du sollst nicht töten. Tie Revolution wird erst möglich sein, wenn unsere Propaganda bis in alle Gehirne der Soldaten eingedrungen ist. Schon heute ist die Re gierung ihrer 60000 Soldaten nicht mehr sicher. Es giebt deren viele, die auf die Arbeiter nicht schießen würden, aber es wäre eine Tollheit, gegen die Soldaten kämpfen zu wollen. Wir wollen keine blutigen Tage, keine Schreckenstage, wie die Pariser Commune oder 1848. Wie dem Brüsseler Correspondenten der „Franks. Ztg.". von glaubwürdiger Seite versichert wird, hatte die Regierung vorige Woche die Absicht gehabt, die , sozialistischen Abgeordneten verhasten zu lassen. Der Brüsseler Oberstaatsanwalt hätte aber seine Mithülfe . entschieden abgelehnt. Die sozialistische Fraktion er- wog gestern, ob sie einen offiziellen Schritt beim , König thun solle. Die Mehrheit war aber dagegen. Aus dem Bürgerstande fließen reichliche Mittel. Die Genter Jndustrieellcn haben unter sich eine Streik kollekte eröffnet. Die Nachrichten, daß Fabriken den ! streikenden Arbeitern den halben Lohn zahlen, sind nicht mehr vereinzelt. Tragische Ereignisse spielten sich, wie schon kurz gemeldet, in der katholischen Universitätsstadt Löwen ab. Trotz des Verbotes von Ansammlungen drängte eine große Menge, meistens Sozialisten, vor die Woh nung des Kammerpräsidenten, srüheren Ministers des Innern, Schollaert. Das Haus wurde infolge der Vorgänge der letzten Tage von Rekruten der Bürger garde bewacht. Als der bewaffnete Haufen schreiend und drohend vordrang, erfolgten nach einander die vier gesetzlichen Aufforderungen, sich zurückzuziehen. Da dies nichts fruchtete, wurde Feuer kommandirt, mit dem Erfolge, daß sieben Personen getödtet und viele verwundet wurden. Die Gefallenen wurden in daS VolkShauS geschafft. Eine weitere Nachricht besagt: Die Manifestanten hatten vor dem Zusammenstoß mit der Bürgergarde rie vor dieser stehende Polizeilinie überrannt und Ge schosse aller Art auf die Bürgersoldaren geworfen, die Sächsisches. Hohenstein-Ernstthal, 21. April 1902. Mtttheilungen von allgemeinem Interesse werden dankbar ent gegengenommen und evrntl. honorirt. — Hohenstein W., 21. April. Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem Sekretär beim hiesigen Königlichen Amtsgerichte Herrn Loui- Robert Hertel das AtbrechtSkreuz zu verleihen. Diese Dekoration ist ihm heute von dem Gerichtsvorstande )errn AmtSgerichtSrath Käßberg vor dem gesammten personale der Behörde überreicht worden. — Beim Suchen nach Blumen gerieth gestern Nachmittag das 3 jährige Mädchen eine- hier wohnen« )en Handarbeiters im nahen Hüttengrunde unterhalb )eS Restaurants „ClauSmühle" in eines der dort sehr zahlreichen Sumpflöcher. Das Kind war bloS noch mit dem halben Kopfe sichtbar. Durch das Schreien eines mitanwesenden größeren Kindes wurde man erst
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