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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 07.08.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-08-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190208079
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19020807
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19020807
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-08
- Tag 1902-08-07
-
Monat
1902-08
-
Jahr
1902
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 07.08.1902
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Plaue» i. B., 5. August. Mit dem Bau der hiesigen neuen Gasanstalt geht eS trotz der nicht immer günstigen Witterung rüstig vorwärts. Die sämmtlichen Betriebsapparate von den Retortenösen an bis zu der GaSabgabestelle im Stationsmesserraum sind nahezu fertig montirt; in den nächsten Tagen beginnt bereits die Luftprüfung sämmtlicher Apparate. Auch der große Gasbehälter von 20,000 Kubikmeter Nutz inhalt geht seiner Vollendung entgegen und wird eS vielleicht möglich, das schmiedeeiserne Bassin, welches 10,000 Kubikmeter Wasser faßt, noch in diesem Mo nat zu süllen. Ebenso sind die beiden Schornsteine, von denen jeder 60 Meter hoch ist, fertig, so daß demnächst auch die Dampfkessel dem Betriebe übergeben werden können. —- LLcgen Lohnstreitigkeiten lst es gestern Nachmittag von Seiten der am Bau der Schießstände bei Schneckengrün beschäftigten Italiener zu groben Ausschreitungen gekommen. Die Leute schlugen einen zur Partei des Unternehmers gehören den Arbeiter mit Schaufeln derart auf den Kopf, daß er schwere Verletzungen erlitt und in ärztliche Behand lung genommen werden mußte. Ein zweiter Arbeiter erhielt Schläge an die Beine. Die Hauptthäter, zwei Mann, sind flüchtig geworden; ein dritter Betheiligter ist heute eingeliefcrt worden. — Auerbach i. V„ 5. August. Erhebliches Aus sehen macht die Thatsache, daß der Rath dieser Tage die Abschrift eines Beschlusses zugefertigt erhielt, in welchem der Kgl. Bezirksinspektor Herr Richter gegen die Wahl des Herrn Sladtraih Petzold in den Schul- ausschuß Stellung nimmt, überhaupt die Zusammen setzung des hiesigen Schulausschusses zum Gegenstände der Erörterung macht. Der aus der Kampfzeit mit dem ehemaligen Bürgermeister Kretzschmar bekannte Herr Stadtrath Petzold bezeichnete den Beschluß des Herrn Bezirksschulinspektors als den Ausdruck persön licher Antipathie und als wenig taktvoll und der Stadt rath sandle die Beschluß-Abschrift an Herrn Bezirks- schulinspekkor Richter zurück mit der Bitte, da§ Schrift stück zunächst mit eigner Unterschrift zu versehen. — Zittau, 5. August. Am Montag Vormittag wurde das 2jährige Söhnchen des Maurers Albrecht in der Nähe der Stiasny'schen Fabrik in Hainewalde todt aus dem dort vorbeifließenden Mühlgraben ge zogen. — In der Oberlausitzer Gewerbe, und Jn- dustrie-Ausstellung in Zittau wird nächsten Sonntag ein Trachtenfest veranstaltet werden. Zweck des Festes ist, zu zeigen, wie sich unsere Vorfahren kleideten. — Schmölln, 4. August. Die Auslieferung des in Chicago verhafteten Carl Gruenert alias Peter Berkhold an Deutschland ist dem „Herald" zufolge bewilligt worden. Gruenert wird beschuldigt in Schmölln Fälschungen im Betrage von 90000 Mark begangen zu haben. — Aus Thüringen, 5. August. In Zena machte das bei dem Sannätsrath Dr. Koch bedienstete Dienstmädchen Diesel Anzeige, daß ein Einbrecher in die Wohnung ihrer abwesenden Herrschaft eingedrun- gen fei, dori alles durchwühlt und ihm, als es hinzu gekommen sei, in den Arm gestochen habe. Es sei daraus in die Bodenkammer geflüchtet, der Dieb habe aber 550 M. gestohlen und sei dann emflohen. Die ganze Erzählung war erfunden; die Diesel, die schon mit 4 Monaten Gesängniß bestraft ist, weil sie einer Verwandten von der Sparkasse heimlich 1000 Mark abgehoben hatte, hat den Diebstahl selbst ausgesührt und daL Gi ld auf dem Grabe eines Verwandten ver stecke, wo es gesunden wurde. — In der Nacht zum Sonnabend, gegen Mitternacht, wurde in Saalfeld ein hellleuchtendes Meteor in der Stärke eines Kinderkopfes beobachtet, das blau leuchtete und seine Flugbahn von Nordost nach Südwest nahm. — Aussig, 3. August. Im Laufe des zweiten Vierteljahres haben sich die Uebertritte zur evangelischen Kirche wiederum gesteigert. Die Zahl derselben betrug 511 in den deutschböhmischen Ortschaften. — Eger, 4. Aug. Vor einiger Zeit vergnügten sich in Tachau mehrere Knaben damit, daß sie eine auf einem Brettchen befestigte Messing-Patronenhülse mit Pulver stillten, und dann die so hergestellte Minia tur-Kanone losfeuerten. Hierbei riß sich die Hülse loS und drang dem 11jährigen Knaben eines Finanz, oderaussehers mit solcher Wucht in das rechte Auge, daß dieses sogleich auslief. Der Schwerverletzte wurde in das hiesige Krankenhaus gebracht. Das Geschoß stak so fest und tief, daß nicht nur größte Gefahr für Onkel Wilhelms Gäste. Roman von A. von der Elbe. 14. Forts. Nachdruck verboten. Gleich nach den Knaben war ein magerer, blonder Mann auf die Terrasse getreten. Er bewegte sich linkisch, trug einen Hellen Sommeranzug, eine Botanisir trommel an grünem Bande, aus der allerlei Kräuter heivorquollen, in die Brusttasche die Aetherflasche für Insekten und auf dem Strohhute ein paar festgesteckte Schmetterlinge. Sein schmales Gesicht hatte einen offenen und ehrlichen Ausdruck, und seine blauen Augen blickten mit Wohlgefallen auf die Geschwister. Der elfjährige Peter besann sich zuerst darauf, daß sein Lehrer unbeachtet dastehe, er sprang auf ihn zu. nahm seine Hand und rief: „Guck, Nella, dies ist Herr vr. Feldhaus, unser neuer Hauslehrer." Nella sah sich um und nickte dem jungen Manne zu; „Ach, ich habe Sie garnicht bemerkt," sagte sie entschuldigend, „ich sah nur meine l eben Jungks" da bei fuhr sie mit der Hand liebkosend über den Lockn- kops des zehnjährigen Paul, der nahe an sie geschmiegt stand. Steif den Hut lüftend, sagte FelohauS: „Lie Buben haben sich auch sehr auf die Rückkehr der Schwester gefreut." Fräulein Weiermann bot Kaffee an, den die Knaben, oie schon den Kuchen im Aug« hatten, freudig annahmen. Sie setzten sich dicht zu beiden Seiten der Langentbehrten, streichelten sie, ergriffen ihre Hand und versicherten einander, die Nella sei doch famos Nun erkundigte sich die Schwester nach ihrem Ler nen, und wie es mit ihrem Violinspiel stehe, Feldhaus äußerte sich wortkarg, gab aber dem musikalischen Talent der Beiden ein gutes Zcugniß. Sie müßten später einen besseren Lehrer haben, als er sei, da n würden sie cs doch zu etwas bringen. „Nun jo, wcnn sie zur Stadt kommen," meinte Nella. „Und was ist jetzt Eure liebste Stunde?" das andere Auge, sondern für das Leben deS Knaben überhaupt bestand. Herrn Augenarzt Dr. Merz-Weigand gelang eS, mittels einer äußerst schwierigen Operation die Patronenhülse zu entfernen und weitere Folgen abzuwenden. Am Sonnabend wurde der Knabe aus dem Krankenhause entlassen; eS ist geglückt, ihn soweit wieder herzustellen, daß er außer dem Verlust des AugeS keinen weiteren bleibenden Nachtheil von seiner schwerer, Verletzung davontragen wird. Erwähnt sei noch, daß eS solcher Kraftanstrengung bedurfte, das mindestens 2 cm lange Metallstück aus dem Auge herauLzuziehen, daß eine Eisenzange in Verwendung genommen, und zur Unterstützung ein weiterer Arzt herbeigeholt werden mußte. Tagesgeschichte. Deutsche« Keich. Die Kaiserin übersandte durch Vermittelung deS vaterländischen Fmuenhilssoereins in Hamburg dem Generalkonsul Kucck 600 Mk. für die Hinterbliebenen der „Primus"-Katastrophe. Die Gesammtsummc der Sammlungen beträgt jetzt 160000 Mark. Ueber das Schießen der Linienschiffe in der Strander Bucht bei Kiel wird noch berichtet: Der Kaiser betrachtete das Schauspiel von der oberen Kommandobrücke des „Kaiser Friedrich Ilk." aus. Dieses Schiff eröffnete das Schießen und feuerte zu- nächst mit den 15 Centimeter-Thurmschnellladekanonen. Als Ziel diente eine Schwimmscheibe, die vom Kreuzer „Hela" geschleppt wurde. Bisher galten als gute Leistungen 5 oder 6 Schüsse mit 4 oder 5 Treffern in der Minute. „Kaiser Friedrich III." gab gestern 8 Schüsse in der Minute ab, die sämmtlich Treffer waren. Dabei fuhren das Linienschiff und die „Helu" mit äußerster Kraft in entgegengesetzter Richtung. Dann setzte man die 24 Centimeter-, die 8,8 Centimeter- Schnellfeuer- und die Maschinen-Geschütze in Thätigkeit. Die Ergebnisse waren annähernd die gleichen, es fielen nur vereinzelte Fehlschüsse. Die Schwimmscheibe war bald bis auf den letzten Splitter fortgeschossen; eine neue trat an ihre Stelle. Die Schüsse vernichteten in kurzer Zeit auch diese. Mittags trafen aus Kiel die übrigen Linienschiffe ein; es fehlte nur „Kaiser Wilhelm II.", der zur Ausbesserung des Hauptdampf- rohreS im Dock liegt. Neben den Leistungen des Geschwaderflaggschiffes waren namentlich die des „Kaisers Barbarossa" hervorragend. Der Kaiser zeich nete den Artillerie-Offizier und mehrere Geschützführer auf „Kaifer Friedrich III." durch Ordensverleihungen aus. Vor dem Verlassen des Schießseldes ließ er signalisiren: „Ich bin mit den Leistungen sehr zufrieden." „Kaiser Wilhelm II." wird am 19. August die Schieß übungen beginnen. Der Kaiserpreis für die beste Schießleistung gelangt erst nach der Beendigung der Flottenübungen zur Vertheilung. Die Zolltarifkommission des Reichstags hat, wie gemeldet, die Berathung der Eisenzölle zu Ende geführt. Bei der Berathung der Zölle für Bohrer, Scheeren, Messer polemisirte der Sozialdemokrat Molken buhr gegen seinen Parteigenossen Schippel, dessen Gliederung der Interessenten am Taris in Produzenten und Konsumenreu an Heine's System erinnere, der alle Wesen im Weltall einlheile m solche, die essen, und solche die gegesfin werden. Bei der Berathung über die Zölle sür Spindeln und Webschäfte erklärte der Sozialdemokrat Geyer, der Konsumentenstandpunkc der Sozialdemokratie entspreche auch dem Standpunkte der Produzenten, denen als Konsumenten ihre Werk zeuge nicht vertheuert werden dürsten. Als Geyer der Mehrheit den Borwurf machte, daß sie wider besseres Wissen die Interessen der Nation schädige, wurde er vom Vorsitzenden zur Ordnung gerufen. Dr. Müller- Sagan polemisirte sodann gegen die sozialdemo kratischen Schablonenanträge aus Zollfreiheit. Die Ankunft der Bnrenführer in Europa wird fast von der gefammlen englischen Presse aus das lebhafteste kcmmeatirt, und zwar im allgemeinen rn sehr freundlicher Weise. Eine Ausnahme wird nur in dem Fille des Ex-Präsidenten Stcijn gemacht, dem man viel Mißtrauen entgegenzubringen scheint. Aus der Thatsache, daß Steijn, der von jeher nächst dem Präsidenten Krüger als einer der Unversöhnlichsten unter den Burenführern galt, es vermeidet, die eng lische Küste zu betreten, glaubt man schließen zu dürfen, daß feine Reife nach Europa nicht nur aus Gesund heitsrücksichten unternommen wurde, sondern daß die „Oh, Botanik !" riesen beide wie aus einem Munde, „wenn wir mit dem Herrn Doktor ausgehen!" „Du mußt auch mitkommen, das wäre schön!" „Recht gern," sagte sie zerstreut, da sie mit ihren Gedanken bei Vater und Bruder weilte, „aber das Auf- spießen der Schmetterlinge —" wobei sie einen Blick auf den Strohhut warf, der neben Feldhaus auf ,dem Stuhle lag, „finde ich abscheulich." „Die Thierchcn werden natürlich erst ätherisirt, mein gnädiges Fräulein, dann fühlen sie nichts." „Das Durchstechen mag weniger schrecklich sein. Aber machen sie auf, dann Herr Gott, Kurt, wie siehst Du aus?" Nella flog empor und auf den Bruder zu, der in der Thür des Gartenzimmcrs fahl und mit zchmerzverzerrtem Ausdruck erschien. Er halte den Vater, der in einen Schlummer der Erschöpfung gesunken war, au? das Sopha gebettet und folgte nun, ohne daran zu denken, daß er an den aus der Terrasse Sitzenden vorübergehen müsse, seinem Drange, sich in der frischen Luft zu erholen und in der Einsamkeit aus sich selbst zu besinnen. Mit möglichster Beherrschung seiner Erregung be- grüßte er die Anwesenden, wehrte den Brüdern, die sich unter Freudcngeschrei an ihn hängten, und sagte, er sei nicht ganz wohl und wünsche allein zu sein. Besorgt blickte Nella dem Davonschreitenden nach Welch ein Gespenst ging im Elternhause um? Was hing drohend über ihrem Haupte? Der Vater war ja nach dem Tode ihrer Mutter ost bedrückt gewesen aber so, wie sie ihn eben gefunden, nie — es mußte etwas ganz Furchtbares geschehen sein. Nella yrelt es im reise der Andern nicht mehr aus. Sie wagte nicht, Kurl sogleich zu folgen, aber sie wollte sich in die Einsamkeit ihres Zimmers flüchten, lehnte der Weiermann Mitkommen ab und eilte in ihr Mädchenstübchcn, das sie mit heimischem Behagen empfing. Hier sank sie am Fenster auf einen Stuhl und verbarg nachsinnend daS Gesicht in dm Händen. Was war die Veranlassung zu ihrer plötzlichen Unversöhnlichen in Holland irgend eine neue politische Bewegung planen, deren Spiritus rector natürlich Dr. LeydS ist, und bei der man den greisen Ex-Präfi- deuten als Trumpf ausspielen will. Gründe für diese Theorie vermag jedoch keinS der Blätter herbeizubringen. Im Gegensätze hierzu sieht man der Ankunft der Generäle Botha, Delorey und Dewet mit großem In teresse entgegen und es ist zu erwarten, daß sie in England einen nicht minder freundlichen Empfang finden, als der vor ihnen gekommene General Lucas Meyer. König Eduard hat bereits den Wunsch aus- gesprochen, die Burensührer sofort nach ihrer Ankunft in diesem Lande bei sich zu sehen und es ist geplant, daß auch Lord Kitch ner und Lord Roberts bei dieser Audienz zugegen sein sollen. Oesterreich-Ungarn. Wien, 4. August. Einer Meldung der „Nar. Llsty" zufolge gedenkt der Landeshauptmann von Mähren, Felix Graf Vetter von der Lilie, wegen seines hohen Alters von seinem Posten zurückzutreten und dürste nach den Neuwahlen für den mährischen Landtag nicht mehr zum Landeshauptmann ernannt werden. Italic«. Zum Prozeß Palizzolo wird noch berichtet: Für den Tag des Urtheilsspruches waren umfassende poli zeiliche und militärische Vorkehrungen zur Verhütung von Kundgebungen in und vor dem Gerichtsgebäude getroffen worden, wo eine große Menschenmenge in Erregung auf den Schluß des gerichtlichen Dramas wartete. In Palermo, der Heimath des Angeklagten, war die durch die Nachrichten vom bevorstehenden Ende deS Prozesses neu hervorgerufene Aufregung noch größer. Die Redaktionen der Zeitungen, die politischen Klubs und das Telegraphenamt waren von Schaaren von Personen aus den verschiedensten Stän den belagert, und die Telegraphenboten mußten durch Polizeibeamte geleitet werden, um sie vor gewaltsamer Aufhaltung zu schützen. Der Hauptangeklagte war der durch die öffentliche Stimme schon seit Jahren bezichtigte ehemalige Abgeordnete für Palermo, der Grundbesitzer Raffaele Palizzolo, der notorisch zu der Maffia in Glacehandschuhen gehörte und mit den beiden Ermordeten verseindet, mit dem vermutheten S'cariern in nahen Beziehungen war. In seinem Auftrage sollten ein gewisser Guiseppe Fontana, eben- salls berüchtigtes Mitglied der Maffia, und ein Zug- jührer Garufi die Ermordung Notarbartolos verübt, ein Gutsangestellter Trapani und drei Spießgesellen den Mord an Miceli begangen bezw. begünstigt haben. Die Geschworenen haben Palizzolo. Fontana und Trapani schuldig gesprochen, die die übrigen betreffen den Schuldfragen verneint, so daß diese nach mehr jähriger Untersuchungshaft freigelassen worden sind. Das Publikum, welches den Gerichtssaal füllte, gab seiner Zustimmung zu dem Wahrspruche der Ge schworenen lauten Ausdruck. Ein bis auf die Straße vernehmbares Beifallsrufen erscholl, als aus dem Munde des Obmannes der Geschworenen das „Ja" auf die Palizzolo betreffenden Schuldfragen erfolgte. Die Verurtheilten erschienen, obwohl sie sich anstrengten, zuversichtlich auszutreten, durch den Wahrspruch nieder- geschmettect. Trapani sank auf die von Carabinieri mit aufgepflanztem Bajonett umstandene Bank in dem Angeklagtenraum nieder und schluchzte. Palizzolo er hob, todtenbleicheu Antlitzes die Hand gegen die Ge schworenen und rief: „Nur ein Wort, meine Herren, nur ein Wort! Ich schwöre, daß ich unschuldig bin, ich bin es!" Mit dem Lone der Verzweiflung fiel Fomana ein: „Auch ich bin unschuldig. Ich schwöre eS beim Grabe meiner Gattin!" Pali^plo fügte mit erstickter Stimme, die Augen gen Himmel wendend, hinzu : „Es giebt einen Gott — er wird mich rächen." Das Urtheil lautete, wie berichtet, gegen alle Drei auf die höchste zulässige Strafe: dreißig Jahre Zucht haus, zehnjährige Polizeiaufsicht, Unfähigkeit zur Be kleidung öffentlicher Aemter usw. Amerika. Die Amerikaner hat eS mit Stolz erfüllt, daß Präsident Roosevelt seine Gäste, die Burensührer Snymann und Reitz, im Wettschießen besiegte. Der Präsident traf mit einem Revolver, der ein Geschenk eines Freundes aus Deutschland ist, bei einer Ent- fernung von 50 Aards fünf Mal nacheinander den selben Punkt im Centrum. Auch im Büchsenschießen bei 100 Irrds Entfernung blieb er Sieger. Er tröstete jedocb, unter Hinweis aus seine Abstammung, Heimkehr? Weshalb des Vaters und nun auch Kuri verändertes Wesen? Der Bruder mußte jetzt cingeweiht sein. Ihr stand noch eine schreckliche Enthüllung bevor, WaS konnte cs anders sein, als ein hoffnungsloses Leiden des geliebten Vaters? Ob ihre treue Pflege nicht doch noch helfen konnte? Es mußte alles geschehen, alles! Sie sah Kurts Gestalt ganz hinten im Park auf tauchen. Sie wollte nun doch zu ihm, um das schreck liche Geheimniß zu erfahren. Kurt versuchte sich zu sammeln. Als er in einer fernen Allee war, ging er mechanisch auf und ab. Das Leben nahm plötzlich für ihn und die Seinen eine andere Gestalt an. Er wurde sich bewußt, daß er bis jetzt zu den Bevorzugten, zu den Drohnen, den Ge nießenden gehört habe, und daß alle daran denken müßten, sich durch ihre Arbeit zu ernähren. Erkanm hatte er endlich, daß ihnen an Vermögen und Besitz bei den harten, vom Recht unterstützten Forderungen der Gegners so gut wie nichts bleibe. Ja, er mußte irgend etwas ergreifen! Er war ein junger Mann in bester Lebenskraft. Ihm würde es noch möglich sein, etwas anderes zu werden. Vorbei war die schöne, fröhliche Lieutenantszeit, er konnte nicht Offizier bleiben. Ein Kavallerist ohne einen Pfennig Zuschuß war ein Unding. Er smn nach, ob er Schulden habe. Es waren nicht viele Der Vater ihn immer reichlich mit Geld versorgt Ja, er würde sich schon irgendwie durchschlagen, aber die anderen? Der halb wirre, gebrochene Mann, die liebe, zarte Schwester und die beiden noch unerzogenen Knaben. Was sollte aus allen denen werden? Ein jammervoller — ein verzeiselter Ausblick in die Zukunft! Ihres Bleibens würde hier nicht mehr lange sein Aber wohin dann — woh'n? Er sank auf eine Bank und verhüllte das Gesicht die Gäste damit, daß eS nicht schlimm sei, wenn sie als Buren von einem Holländer geschlagen würden; Tra««vaal. Bei der Vereidigung von Baren, die ameri kanische Bürger werden wollen, hat sich eine merk würdige formelle Schwierigkeit ergeben. Der erste Bürgerkandidat, der sich aus den Reihen der kürzlich aus Bermuda entlassenen Gefangenen in Newyork bei einem Bundesrichter meldete, war ein junger Bur, Namens Joubert Reitz. DaS Gesetz verlangt, daß jeder, dem seine Erklärung, amerikanischer Bürger werden zu wollen, bescheinigt wird, erst seine frühere Unter- thanenschaft und Landeszugehörigkeit abschwören muß. Der junge Bur ist aber kein englischer Unterthan, sondern bleibt vielmehr gerade darum in Amerika, weil er dem König Eduard den Unterthaneneid nicht leisten will. Er kann aber auch seine Landeszugehörigkeit zur Transvaalrepublik nicht abfchwören, w il letztere nicht mehr besteht. Der Richter wußte keinen anderen Aus weg, als die Burenrepubliken für den Zweck der Los- fchwörung von ihnen als doch noch bestehend zu be trachten. Vermischtes. * Berlin, 4. August. Bei einer Bootsfahrt auf der Spree ertrunken ist gestern ein junges Mäd chen, die Tochter eines Gastwirths in Treptow. Sie befand sich mit ihrem Bräutigam in einem MiethSboot zwischen Treptow und dem Eier häuschen. Tas Boot rannte den stromaufwärts fahrenden Dampfer „Lydia" seitwärts an. Das leichte Fahrzeug ging bei dem heftigen Anprall in Stücke und seine Insassen fielen ins Wasser. Während es gelang, den jungen Mann den Fluthen zu ent reißen, ging die Dame sofort unter. * Die größte Druckerpreffe der Wett hat nun der „Newyork Herald" im Betriebe. Sie ist sechsstöckig, und es bedarf 96 Stereotyp-Platten, um die Maschine auszusüllen. Ihre Leistungsfähigkeit in dec Stunde ist 300,000 bei vier Seiten, 150,000 bei acht Seiten und 75,000 bei sechSzehn Seiten, alle fertig gefalzt und in Packele von 50 abgezählt. Neueste Nachrichten. . Leipzig, 6. August. Der hiesige Rauchwaaren- händler Buslich ist mit Hinterlassung einer Schulden last von 25 000 Mack flüchtig geworden. Ries«, 5. August. Ein schwerer Unglücksfall hat sich am Freitag Nachmittag in Prausitz ereignet. Der bei Herrn Gutsbesitzer C. Eitner dortselbst be dienstete 15jährige Richard Büttner stürzte, als er aus einem mit Pferden bespannten leeren Erntewagen aus das Feld suhr, vorn von dem Wagen herab und so unglücklich vor denselben, daß ihm ein Rad über den Kopf ging. Der bedauernswerthe junge Mensch erlitt dadurch eine so schwere Verletzung, daß nach kurzer Zeit der Tod eintrat. Gera, 5 Aug. Durch Spielen mit Streichhölzern verursachten di allein im Hause zurückgebliebcuen Kin der des M.-urers Körner in Soldorf ein Feuer, dem ein Wohnhaus und eine Scheune zum Opfer fiel. — In Forstwolfersdorf brannte das Blmnentritt'sche Bauern- gut vollständig nieder. Dessau, 6. Aug. In der Gegend von Heck lingen ward; eine Falschmünzerwerkstätte entdeckt. Eine Person wurde verhaftet, weitere Verhaftungen stehen bevor. Nordhausen, 6. Äug. Im Walde bei Dörenthe sand man ein durch Messerstiche ermordetes Mädchen. Der Thäter ist unbekannt. Die Untersuchung wurde sofort eingeleitet. Hamburg, 5. Aug. Gras Waldersee, Ham- burgL Ehrenbürger, sandte anläßlich der „Primus"- Katastrophe dem Senat ein in warmen Worten ge haltenes Beileidstelegramm und wies zugleich dem Hilfskomitee einen namhaften Betrag zur Unterstützung für die Hinterbliebenen dec Verunglückten an. Berttu, 5 August. Wie den: „L.-A." aus Paderborn gemeldet wird, hat sich der Lutnant von Schuckmann vom Husalen-Reginunt Nr. 8 erschossen; er hinterläßt seine Frau und zw i Kil der. Bertt«, 5. August. Das Blumenmedium Anna Rothe wurde von der Charitä, wo eS au? seinen mit den Händen. Schluchzen hob seine Brust und er schütterte den jungen Körper. Kurt hatte noch kaum ein Leid erfahren. Er war bis jetzt ein verwöhntem Kind des Glücks gewesen, mit glä zenden Aussichten, schöner Ausstattung der Natur und fröhlichem Sinn. Jetzt kam der erste Kummer, d-r fürchterliche Ernst des Lebens kam über ihn. Und wie sollte er Nella mit der entsetzlichen Sach lage bekannt machen? Würde sie olles begnifen und sich in die völlig veränderte Lage zu finccn vermögen? Der Vater hatte gewünscht, daß er mit der Schwester sprechen möge, und dem schwer leidenden Manne wollte er die neue Aufregung sparen. So mußte cs sein! Kaum hatte er sich zu diesem Entschluß zusammenge rafft, als cr Nella die Allee herauf und auf ihn zu eilen sah. Jetzt soß sie neben ihm und schlang die Arme um seinen Hals: „Kurt — Herzensbruder, was ist Dir? WaS ist geschehen? Ist Papa hoffnungslos krank?" „Nein Kind — daS nicht." „O, dann ists ja nicht schlimm!" „Doch ernst und schlimm genug." Er nahm ihre Hand in die seine und begann die Sachlage und die große Veränderung, die ihnen bevor- stche, zu schildern Dies Aussprechen und der AuS- oruck von Verstehen und von besonnener Auffassung in Nellas Gesicht erleichterte sein Gemüth. Was sie aber ebensowenig wie er anfänglich fasten und verwinden konnte war die Berechtig, ng Wendel steins, ihr V rmögen als Entschädigung zu nehmen, und die Ausplünderung, die sie voraussichtlich zu erleiden haben würden. „Sage mir, ist es möglich Kurt," rief sie empört, „daß ein anständiger Mann, wie Wendelstein, der daS ganze Majorat bekommt, unten m armen Vater das an- thun kann? Fortsetzung folgt.
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