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^2 Mittwoch, den 21. Mai 1902. 52. Jahrgang. 114 Kirchberg, Pleißa, Reichenbach, Callenberg, Tirschheim, Kuhschnappel, Grumbach, St. Egydien, Hüttengrund u. s. w für das Königliche Amtsgericht und den Stadtrath zu Hohenstein-Ernstthal. Gregan aller Geineinöe-Verwcrltrrngen der irrrr lieg er rdei r Ortschaften. WeOm-EiWckl TUM «rschrtat Inserate grd«, Wochentag abends für den folgenden Tag und WWW MM M M^ nehmen außer der Expedition auch die Austräger «es kostet durch die Austräger pro Quartal Mk. 1^8 MM 7M W W MU MV dem Lande entgegen, auch befördern die Annoncen» durch die Post Mk 1,82 frei in's HauS. l W W MM Expeditionen solche zu Originalpreisen, für Hohenstein-Ernstthal, Oberlungwitz, Gersdorf, Lugau, Hermsdorf, Hernsdorf, Langenberg, Falken, Langenchursdorf, Meinsdorf, Rußdorf, Wüstenbrand, Grüna, Mittelbach, Ursprung, Erlbach Einkommensteuer. Der am 3V. April dss. I. fällig gewesene l. Termin Sinkommensteuer ist ungeachtet envaiger Reklamationen spätestens bis zum 25. Mai I. bei Vermeidung oer zwangsweisen Beitreibung abzuführen. Hohenstein-Ernstthal, den 13. Mai 1902. Der Stadtrath. vr. Polster. Stephan. Gemeinde - Anlagen. Die Gemeindeanlagen aus den l. Termin lsd. I , sind, ungeachtet etwaiger Reklamationen unter Aufhebung des de» Steuerzetteln aufgedruckten I. Termins längstens bis 25. Mai d. I. m unsere Stadtsteuereinnahme abzusühren. Hohenstein-Ernstthal, den 13. Mai 1902. Der Stadtrath. vr. Polster. Stephan. Offene Kasstererstelle. Bei dem unterzeichneren Gemeinderath ist die Stelle des Gemeiudekassiererü und Expedienten vis 1. Juli d. I. zu besetzen und wird für die Stelle vorläufig ein Gehalt von 900 Mark jährlich be zahlt, auch ist selbige mit Pensionsberechtigung verbunden. Tüchtige, zuverlässige, schon in Gemeindeämtern, hauptsächlich mit dem Kastenwesen vertraute, nicht unter 25 Jahre alte, oder militärsreie Bewerber wollen ihre Gesuche nebst Zeugnissen bis l. Juni d. I. bei Unterzeichnetem einreichen. Auch ist eine Kaution von 1500 Mark zu hinterlegen. Wüstenbrand, am 15. Mai 1902. Der Gemeinderath. Schubert. Mittwoch, den 21. Mai 1902, Vormittags 8 Uhr wird im Rathhause das Fleisch eines wegen Tuberculose beanstandeten Rindes in rohem Zustande, ä Pfuud 35 Pfge., öffentlich verpfundet. Kny. Bom Landtage. Dresden, 16. Mai. Erste Kammer. Der erste Berathungsgegen- stand, Kapitel 42, Ministerium des Innern nebst Kanzlei, veranlaßte, wie unlängst in der Zweiten Kammer, auch gestern eine ausgedehnte Schutzzoll- debatle. Präsident Graf von Könneritz eröffnete die selbe, indem er bat, daß, wenn im Wege der Kom promißverhandlungen sich sür die Landwirthschaft noch etwas erreichen lassen sollte, die sächsische Regierung in diesem Sinne thätig sein möchte. Zr bedauern wäre, daß sür die Landwirthjchast nicht genügend ge- chan worden fei, namentlich auch im Gartenbau, der mit dem Süden nicht konkurriren könne, und auch in der Fischerei. Bei letzterer genüge der Zollsatz gegen Oesterreich, nicht aber gegen Rumänien, das das Pfund Karpfen fchon mit 25 Pfennige erzeugen könne, während sich sür den deutschen Landwtrth die Kosten auf mindestens 45 Pfennige stellten. Der rumänische Karpfen möchte mit 25 Mk. pro Doppelzentner belegt werden, vielleicht könne man auch die Schleien mit Zoll belegen. Wegen der Saisonarbeiter bitte er, be züglich der Bersicherungspflicht zur Jnvalidenkasse die selben Bestimmungen wie in Preußen zu treffen. Redner schloß dann: Er verwahre sich öffentlich gegen den Vorwurf, daß er kein Freund der Industrie fei. Landwirthschaft und Industrie seien Kinder desselben Haufes und jedenfalls habe die Kammer bewiesen, daß sie die Industrie im gleichen Maße berücksichtige wie die Landwirthschaft. Um so mehr thue es ihm leid, wenn in öffentlichen Versammlungen gegen die Erste Kammer Vorwürfe gerichtet würden, die Industrie nicht genügend vertreten zu haben. ?,uum euigue, Jedem das Seine, sei der Wahrspruch eines großen Fürstenhauses, und so sehr er die Angriffe gegen die Erste Kammer bedauere, so erkläre er doch, daß die Kammer beide Theile, Industrie wie Landwirthschaft, gleich berücksichtige. (Allseitiger, lebhafter Beifall.) — Rittergutsbesitzer Dr. Hübel tritt ebenfalls warm für die Landwirthschaft ein und kommt dabei auf die Be strebungen zu sprechen, durch extensive Wirthschast dem hohen Druck des ausländischen Getreides auszuweichen. Jndeß würde die extensive Bewirthschaftung sür unser Volk schwere Schäden bringen; wir würden zu eng lischen Zuständen gelangen und vom Auslande völlig abhängig fein. Er glaube, daß der Zeitpunkt noch nicht gekommen fei, da für die Landwirthschaft keine günstigere Position mehr zu erreichen fei. — Ober bürgermeister Dr. Beck-Chemnitz: Landwirthschaft und Industrie dürften nicht in Gegensatz gebracht werden. Die Industrie erkenne jederzeit die Nolhmendigkeit des Schutzes der Landwirthschaft an, andererseits dürfe sie aber auch das Zutrauen zur älteren Schwester haben, daß sie die Bedürfnisse der Industrie anerkenne. Diese stehe durchaus nicht auf dem Standpunkte, in niedrigen Getreidepreisen ein Föcderungsmiitel der Industrie zu erblicken. Wenn es nicht gelinge, die Zolltansoorlage durchzubringen, so stünden uns noch schwere Kämpfe bevor. Man müsse Schulter an schuster gegen das Ausland kämpfen. (Bravo!) — Kammerherr v. Schönberg: Wenn die Frachtindustrie im Stande fei, durch niedrige Frachten den Getreide zoll zu annulliren, fo zweifle er, ob wir schon an der oberen Grenze des Getreidezolles angelongt seien. Die Frage der Exiensiv-Wirthschast sei ein akademischer Streit. Der intensive Betrieb bringe die Gefahr er höhter Produktionskosten und des Arbeitermangels. Schon jetzt seien kleine und mittlere L-andwinhe vor die Frage gestellt, ob sie ihr Besitzthum aufgeben soll ten. Sobald ein Landwirth in die Jahre komme und keine Familie habe, fühle er sich genöthigt, sein Eigen thum zu veräußern, aber abkaufen könnten es ihm lediglich die großen Besitzer. Mit Herrn v. Hübel bitte er die Regierung, zu erwägen, ob nicht die Zoll grenze nach oben verschoben werden könne. — Dom herr von Trützschler-Dorsstadt; Man habe in Zoll fragen sich immer auf den deutschen Bauernstand berufen, der gehe jetzt aber ganz und gar in die Brüche, ebenso die Theorie, daß die Zollsätze nur dem landwirthschaftlichen Großbetriebe nützten. Im Vogt lande könnte man jetzt in seiner Gegend die ganzen kleineren und mittleren Landwirthschaften auskausen. — Präsident Graf v. Könneritz: Bezeichnend fei eS, daß sich jüngere Kräfte mehr und mehr von der Land- wirthschast ab- und anderen Erwerbszweigen zuneigten, auch verzichteten zahlreiche Bauernsöhne auf die Erb» folge. — StaatSminister v. Metzsch: Die Kammer werde kaum erwarten, daß von der Regierung heute eine anderweite Darlegung der Gesichtspunkte erfolge, welche sür sie maßgebend gewesen, um zu der Zoll tarifvorlage, wie geschehen, Stellung zu nehmen. Er habe anderweit die leitenden Gesichtspunkte hierfür entwickelt, aber auch diejenigen Gründe, um eine ge» wisse Grenze zu ziehen. Der Herr Minister legte hierauf des Näheren den Standpunkt dar, der von ihm schon wiederholt im Laufe dieser Session als für die sächsische Regierung maßgebend bezeichnet worden ist und erwähnte, daß daS, was die Regierungen böten, genüge. Wenn eS auch nicht eine Sanirung bedeute, so werde doch immerhin für die landwirth. schaftlichen Interessen in einer Weise gesorgt, daß für sie eine bessere Lebensfähigkeit in Aussicht gestellt werden könne. Es sei dies nicht blos die Ansicht der Regierungen, sondern auch in landwirthschaftlichen Kreisen werde diese Anschauung getheilt. Aus die Wünsche des HauseS eingehend, konstatirte der Herr Minister zunächst, daß es sür die Regierung einen besonders angenehmen Eindruck mache, wenn die Ver treter der verschiedensten Jnteressenrichtungcn sür eine einseitige Politik in keiner Weise sich erklärt hätten. Wenn für die Cerealien nvch weitergehende Bortheile zu erlangen sich die Möglichkeit biete, so werde die sächsische Regierung diesen Vortheil wahrnehmen. Zur Zeit könne aber an eine weitere Vergünstigung kaum zedacht werden. In der Frage des Schutzzolles sür )en Gartenbau hätten sich die Regierungen hauptsäch- lich aus politischen Gründen leiten lassen, aus welche zurückzukommen er keine Veranlassung habe. Ec möchte aber gerade bei dieser Position darauf Hin weisen, daß bei den allermeisten Gebieten die wider- streitendsten Interessen sich bemerkbar machten. Bei spielsweise verlange der züchtende Gärtner einen hohen Zoll, während der Gärtner, der sich mit Binderei u. s. w. besasse, das Bestreben habe, die Blumen vom Auslande fo billig wie möglich, namentlich während des Winters, zu beziehen; auch in den Grenzbezirken wüafche man möglichste Zollfreiheit. Für den Karpfen sei jetzt ein Zollsatz von 15 Mk. erreicht, da bisher hier Zollfreiheit bestanden habe, fo sei der Landwirth- schast doch immerhin ein großer Dienst erwiesen. Die Frage der Differentialzölle mit Oesterreich und Ru mänien werde bei Abschluß der Handelsverträge in Betracht gezogen werden, während wegen der Befrei- ung dec Saisonarbeiter von der B itragßpflicht die Regierung bestrebt sein werde, diese Angelegenheit im Landeskulturrathe zu erledigen. In Preußen sei den ausländischen Arbeitern der Aufenthalt nur auf bestimmte Fristen gestattet, dies sei jedoch für Sachsen in Rücksicht auf den hier herrschenden Acbeitermangel bisher nicht thanlich gewesen. Die Ausführungen der Herren Dr. Hübel und von Schönberg könne er als durchaus zutreffend bezeichnen, doch würde er in eine ge wisse Verlegenheit kommen, wenn man von ihm Mittel und Wege zur Abhilfe verlangte. Er fei aber auch der Ueberzeugung, daß, mit Zöllen allein der Landwirthschaft nie geholfen werden könne; gründliche Abhilfe zu schaffen werde die Regierung nie in der Lage sein, auch wenn man die landwirthschaftlichen Zölle noch so hoch spanne Er habe aus den Ausführungen Dr. Hübel's entnommen, daß, wenn die Regierungen mehr zu bieten nicht in der Lage seien, er auch das Erreichte mit Dank annehmen wolle. Aus dem ganzen Verlause der Debatte habe er nur mit Freuden vernommen, daß das Vorgehen der vor- kündeten Negierungen zunächst nicht abfällig kritisirt wor den sei, und daß es im Interesse beider Probuklivstände liege, das hinzunehmen, was nach Maßgabe der gegen wärtigen Verhältnisse geboten werden könne, als durch allzu straffes Anziehen des Bogens Gefahr zu lausen das Erreichte wieder zu verlieren Hierauf berichtete Domherr von Trützschler über die einzelnen apitel, bete, das De partement des Innern, und über verschiedene hierzu ein gegangene Petitionen, die sämmtlich fast ohne Debatte und in Uebereinstimmung mit den Beschlüßen der Zweiten Kammer erledigt wurden. Beide Kammern haben sich heute bis zum 26. d. M. vertagt. Die Vereidigung Alfons Xlll. Der junge König von Spanien hat am Sonn- abend den VersassungSeld geleistet. Nus diesem An ¬ laß waren in Madrid, wie man von dort meldet, die zum Parlamentsgebäude führenden Straßen von einer ungeheuren Menschenmenge besetzt. In 24 Staats- wagen bewegte sich der feierliche Zug zum Gebäude der Cortes. Im letzten faßen der König, die Königin und die Infantin Terefa. Die Ankunft erfolgte gegen i/j>3 Uhr. Im Saale hatten die fremden Fürstlich keiten, daS diplomatische Corps und die außerordent lichen Gesandtschaften die Tribünen besetzt, während unten im Parterre die Senatoren und Deputaten saßen. Nach der Eidesleistung deS Königs fand in der Kirche St. Francisco el Grande ein Tedeum statt. Der König betrat die Kirche unter einem Baldachin, der von 6 Priestern getragen wurde, und begab sich so zu dem Thronsessel, gefolgt von 2 Kardinälen und ungefähr 30 Bischöfen. Dem Tedeum wohnten die fremden Fürstlichkeiten und Gesandtschaften, sowie die Senatoren und Deputaten bei. Dem Publikum war der Eintritt in die Kirche nicht gestattet worden. Die „Gaceta'de Madrid" veröffentlicht eine Prok- lamation deS Königs, in welcher es heißt, der König begrüße, nachdem er aus den Händen der Mutter die Macht erhalten habe, daS spanische Volk auf das herzlichste. Der König fügt hinzu, er sehe in vollem Maße ein, wie groß seine übernommenen Pflichten seien, und daß es ihm an Erfahrung mangele. Er werde jedoch alle seine Bemühungen darauf richten, das Gedeihen zu fördern. — Eine weitere, an die Armee und die Marine gerichtete Proklamation ver öffentlicht das Amtsblatt: „In dem Augenblicke, wo ich selbst das Commando über Armee und Marine übernehme, ersülle ich eine Pflicht, die meinem Herzen Hohe Befriedigung gewährt. Als König, als General, als Spanier und als Soldat begrüße ich Euch. Tapfer- keil, Muth, Energie, Ausdauer, Disziplin, Patriotis mus, alles das besitzt Ihr zum Wohle und Gedeihen des Vaterlandes. Ich werde Euch stets nahe sein und werde in den Augenblicken der Gefahr stets bei Euch sein. Die Geschichte wird von mir sprechen, wenn sie von Euch handelt. Erfüllt immer Eure Pflicht zur Erhöhung des Glanzes der Nation und Ihr könnt auf die Liebe Eures Königs rechnen." — Nach anderen vorliegenden Berichten haben die Madrider Festlichkeiten einen glänzenden Verlaus ge nommen, aber so ganz unbeschattet ist der Horizont der Festessreude doch nicht geblieben. Da demon- stciren zunächst die Carlisten, indem sie in ihrem Organ „Correo de Espana" das Bild des Don Carlos bringen und den Treueid für den Prätendenten Me oerholen. Und dann melden Madrider Blätter, daß man einer anarchistischen Verschwörung auf die Sour g.kommen sei. Sie schreiben weiter: Bei den oer- hafteten Personen, unter denen sich ein Liudeni der Medizin, ein Setzer, ein Tischler und ein Maurer be finden, wurden 9 Dynamitpatronen vorgefnnden. Der Untersuchungsrichter, welcher mit der Angelegenheit betraut ist, bewahrt vollkommenes Slillschweigen. In dem Laboratorium der Genietruppen ist eine Analvse 0er Explosivstoffe vorgenommen worden. — lieber die in Madrid entdeckte anarchistische Verschwörung gegen dm König erfährt noch die .Ägence HavaS": Es wurden 6 Anarchisten verhaftet, darunter ein ge wisser Gabriel Lopez, D.ener in dem Bureau eiaer Versicherungsanstall in der Siraße San Geronimo, wo er auch scstgenommen wurde. Die Polizei fand bei ihm ein Dnuamitpatronen enthaltendes Packet; Lopez behaupte, dasselbe von einem anderen Anar chisten erhalten zu haben, mit dem Auftrage, beim Vorüberfahren des königlichen Wagens eine Patrone zu schleudern. Tie Verhafteten leugnen sämmtlich nicht, anarchistische Ideen zu haben. Ihre langen Er klärungen werden nicht mitgetheill. Ein anscheinend harmloser Vorgang trägt nun noch dazu bei, die Furcht vor anarchistischen An- chlägen während der Festtage zu verallgemeinern: AlS der König heute Nachmittag sich nach dem Par lament beg'b, näherte sich ein Mann dem Wagen deS Königs, indem er seinen Hut in die Lust warf. Der Mann wurde sofort verhaftet; man sand bei ihm keine Waffe, sondern nur ein an die Infantin Maria Teresa gerichtetes Liebesgedicht. Aus dem Verhör er- gab sich, daß der Mann irrsinnig ist; er heißt Jose Puig, ist 23 Jahre alt und in Creviüente (Provinz Alicante) geboren; er gab an, er hätte die Absicht g> habt, um die Hand der Infantin zu bitten. Ehe Puig verhaftet werden konnte, stürzten sich die Um-