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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 26.01.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-01-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190201261
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19020126
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19020126
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-01
- Tag 1902-01-26
-
Monat
1902-01
-
Jahr
1902
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 26.01.1902
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chMEMM ÄOIlitl Amtsblatt. Nr. 21. - Sonntag, den 26. Januar 1902. 2. Vellage. Mn Glückskind. Skizze von Adrie Osterloh. (Nachdruck verboten.) Drei- oder viermal war der vornehme alte Herr im grauen Reiseanzuge schon am Gartengitter auf- und abgegangen, ehe er sich entschloß zu klingeln, und immer hatte er prüfend die Blicke bald über Haus und Garten, bald über die umliegenden Villen schwei fen lassen. Es hatte sich so viel verändert hier. Seit Jahrzehnten war er der Vaterstadt ferngeblieben, und eines besonderen Anlasses hatte es bedurft, den Viel beschäftigten dahin zu führen. Gestern nun war das Reiterstandbild des verewigten Fürsten, mit dessen Ausführung man ihn betrogt Hatte, enthüllt worden. Er war der Einladung, die man ihm dazu gesandt, gefolgt und hatte Reden, Festessen, Ordensverleihungen über sich ergehen lassen. Nun sehnte er sich hinaus in die Einsamkeit, nach der Stätte, die seine e rsten Ansänge, seine Lehr, und Hungerjahre, wie er sagte, gesehen hatte. Denn er war armer Leute Kind, und Reichthum, Titel und Adel halten sich erst im Gesolge seines Ruhmes eingestellt. Kopfschüttelnd betrachtete er die eleganten Villen verschiedenen Stils, die sich in endloser Folge anein ander reihten; damals hatte sein Heim das äußerste Ende der Stadt bezeichnet und Felder und Wiesen zu Nachbarn gehabt; jetzt lag es mitten in einer Boc- stadtstraße. Das Häuschen selbst hatte er freilich gleich wieder erkannt, und das nahm ihn beinahe Wunder. Hatte er dochimmer gefürchtet, Erinnerung, die Schmeichlerin, habe ihre Hand im Spiele und habe ihm mit bunten und lachenden F-rben gemalt, was ihm in Wirklichkeit nüchtern und grau erscheinen würde. Aber nein! gerade so traulich altmodisch und anhei melnd stand es da, wie er es immer vor sich gesehen, und ringsum duftete es aus tausend Blifthenkclchen und grünte und blühte und sproßte wie einst im Mai. Höher, viel höher waren die Sträucher emporgeschosscn. und über den schmalen, ungepflegten Gartenweg-n schlangen ihre Zweige sich ineinander wie di Arm zweier Liebenden,blüthendchangeneLaubengänge bildend, deren grünes Dämmer den Liebenden in Fleisch und Blut za gute kam. Der warme Frühlingsregen der vergangenen Tage hatte alle Blüthcn auf einmal hervorg lockt; die gelben Pfingströschen, die dicken grünlichen Schneeballen, die müßen Träubchen des Faüldaumes; selbst der Gold regen machte Anstalt, die grüne Knospcnhülle zu sprengen schon schimmerte es verheißungsvoll goldiggelb in den langen Trauben. Und erst der Flieder — so süß duftenden gab es auf der weiten Welt nicht wieder. Oder hatte der Professor nur nicht Zeit geiunden, darauf zu achten? Aul sein Läuten öffnete eine blasse Frau mit einem Kinde auf dem Arm. „Wer wohnt hier?" fragte de. Professor und deutete mit der graubehandschuhten Rechten auf das Atelier im Hintcrhause. „Herr —" die Frau stolperte über einen Ramen, „der Maler." Ein Maler alio. Der Professor ließ sich den Ramen noch einmal wiederholen, dann schritt er mu der Selbstverständlichkeit des großen Manne«, dessen Kommen von dem Besuchten jederzeit als Ehre cm- psundeu wird, auf die Thür zu und klopfte. Eine Klingel gab es noch immer nicht. Der junge Maler war etwas betroffen von der unerwarteten Ehre, die ferner bescheidenen Künstler- Werkstatt widerfuhr, umsomehr als der Bildhauer den Grund seines Kommens zunächst mit keinem Worte berührte, sondern mit cigeuthümlich bewegten Blicken das Atelier und dessen kärgliche Ausstattung musterte. Dann erst kam er mit seinem Anliegen vor, daß er ein Bild des Hauses zu besitzen wünsche Er fühlte sich in dem alten Raume so heimisch angemutbet, daß er meinte, es müsse ihm ein jeder arischen, daß dies seine Heimath sei, daß er hierher gehöre, und nicht jener junge fremde Mensch, der da halb mißmuthig an einem großen, kornblumenblauen Plakate pinselte. Tie derbe schmierige Ausführung entsprach feinem seinen künstlerischen Empfinden nicht; aber „Preis konkurrenz" murmelte er erklärend. Der Professor nickte verständnißvoll. Wieviel Heilige und gekrönte Häupter hatte er nicht aus ähn lichem Anlasse geformt, während der ganze Olymp Griechenlands und die gehcimnißvolle Romantik der deutschen Sagenwelt in scmcm jungen, heißen Kopfe spukte. Rings auf rohgczimmerten Brettern oder am Boden hatten sie gestanden, seine griechischen Göttincn, seine verführerischen Hexen und grotesken Kobolüe, da wo jetzt grobe Leiowandvierecke lehnten mit köstlichen stimmungsvollenLandschaftenbemalt: einschilfumrahmter Weiher mit glitzernden Sonnensunkcn auf der bräun lichen Wasserfläche, eine stille, sonnenbcstrahltc Wald lichtung, ein Eckchen Küchengarten in glühendem MittagSsonnenglanz; und dort ein niedliches Köpfchen, dessen leuchtende» rotheS Haar sich vom fonnendurch funkelten Blättergrün abhob. Sonne, überall Sonne! „Wo Sie nur die Sonne her haben hier unter unserm grauen nordischen Himmel?" murmelte der Professor halb zu sich selbst sprechend. Der andere lächelte still vor sich hin, als ob diese Sonne sein Geheimniß, sein selbsteigueS, verschwiegenes Besitzthum sei Er mußte sie wohl in sich haben, der unbeholfene, verlegen dreivschauende junge Mensch Wenn mau ihm's auch nicht ansah, — die Sonne, die Poesie und die Jugend Em Stück Garten n öge er ihm malen, bat der P oflssor; da hinten, wo der alte Echoceballenbufch stehe und der Helle abgebleichte Flieder, der ouSsche, als ob er graue Haare bekommen habe. Und als der andere ihn erstaunt anfah ob so genauer OllSkenntoiß, fügte der Professor erklärend hinzu, er habe früher hier gewohnt, darum heimelte ihn alles so an; und der junge Kollege müsse schon erlauben, daß er sich ein wenig umfchaue. Wie merkwürdig unverändert das alles war! Nur daß es jetzt k ästig nach Terpentin roch, nährend früher der fade Geruch des feuchten Thons den frostigen Raum noch f ostiger gemacht hatte. Groß, kahl, weiß getüncht war das Atelier, aber durch das breite Fenster, das hoch über dem Boden ganz nahe der D ckc ange bracht und dessen unterer Theil mit einer grauen Lein wand verhangen war, strahlte der blaue Himmel und nickten grüne Büsche, vom Winde bewegt. Fast an derselben Stelle wie ehedem stand der viereckige Mahagonitisch, der ihm a.s Schreibtisch, Eßtisch, Zeichentisch alles in einem gedient hatte. Ob es wohl noch der gleiche war? In der Ecke links hing die Garderobe des Künstlers, nicht reichhaltiger als die seinige gewesen war: ein Schlapphut, ein Rock, ein Havelock; ach, und der Havelock schillerte in demselben unbestimmten grünlichen Tov, in Sen nach langjähriger Abnutzung die schönsten und verschiedenartigsten Farben friedlich einzumünden pfl gen. Hinter einem Wandschirm stand das Bett und ein wackliger kleine: Tisch m t einer winzigen weißen Waschschüssel. Alles wie damals! Wie ost hatte er sich nvstgcfchüttclt schon abends um acht Uhr ins Bett geworfen, well er kein Holz be saß, um zu Heizen und w.il fein Lichtstümp'chsn hecab- gcbrannt war. Mit geballten Fäusten hatte er sich in ine Lünne Decke srostllappernd gchüllt und dabei den kühnsten Entwürfen nachgehangen. Die Ideen flog-n ihm nur so zu, und er war zu acm, sie auch nur in Gips und Thon ststzuhalten. Immer kamen solche erbärmliche, handwerksmäßige Ai beiten dazwischen, wie er sie auSführcn mußte, um nickt zu verhungern, dank bar, daß sie ihm überhaupt roch zu Ih il wurden Währenddem trockneten seine Skizzen ein; unabiäfstg mußte er die feuchten Lappm, in Lie er sie gehüllt hatte, wechseln, damit sie nicht abbrach.m; und schloß tich zerfielen sie doch Roch fitzt vermochte er d;c nam-nlose, nagende Bitterkeit seiner Jünelinqsjahre nachzufühlen ; andere durften chre Gedanken in Marmor und Erz verewigen — auch w nn si keme yatren und er! Dazwischen wieder Tage höchsten Glückes, wenn ihm etwas gelungen war, so recht aus einem Wurf, wenn keine Kluft blieb zwischen Wollen und Können — eignem Können, eignem Wollen! Jetzt mußte er sich meist nach dem Wollen seiner Auftrag- geber richten, und das GlückSaesühl blieb aus. Ja, damals war er ein Künstler gewesen, ob er auch hun gern mußte. Besonders der Winter war schwer. Ar beiten in der Voraussicht, das Vollendete nicht an- bringen zu können, arbeiten in der beständigen Augst, an die Lust gesetzt zu werden. Ein Tag stand ihm noch besonders deutlich in der Erinnerung. Er hatte feine Miethe fchon lange nicht mehr zahlen können; am Abend war die Frist verstrichen, die seine Wirthin ihm noch gntmüthig gewährt hatte. Sie hatte selbst zu würgen mit ihren sünf Kindern. Er konnte na türlich nicht zahlen, und nun war also alles zu Ende — In stumpfer Verzweiflung brütete er vor sich hin. Ins Wasser gehen er sah die beeiste Elbe, dir unweit seiner Wohnung halb zugefroren durch die bräunliche Dämmerung leuchtete — hu — oder er frieren — verhungern da draußen aus der Landstraße, wo sie sich ruhig mit ihrer dichten Schneedecke zwischen den beschneiten Feldern hindurchwand, in der großen unheimlichen Stille — Fester hüllte er sich in den dünnen grünlichen Mantel, den er auch im Zimmer nicht auszog. Da pochte es an seine Thür. Jetzt! sagte er sich un^ rührte sich nicht, wie der Verurtheilte, der das Fall beil über seinem Haupte schwirren hört. Es pochte noch einmal. Dann öffnete sich leise die Thür. Er wandte den Kopf nicht und sah ganz starr vor sich hin. Schritte! aber nicht die derben, dröhnenden der Wirthin, leichte, jugendliche Schritte. Endlich bückte er auf. Anna! Sie schien von einem längeren Gang im Freien zurückgekommen zu sein. Ihr ganzer junger Körper hauchte Kälte aus, und das braune Haar, das unter dem wollenen Kopftuche hervor quoll, war beeist. Was sie nur wollte? Sie hatten bisher kaum miteinander gesprochen, er und das Wirthstöchterchen. Sie war meist außerhalb deS Hauses beschäftigt, und er — nun, er war immer ein etwas steifer und zu geknöpfter Patron gewesen. Wie sie so neben ihm am Tische stand, ein Packetchen in den rothgefrorenen Händen, waren sie einer so verlegen wie der andere. Endlich kam's heraus. Sie bringe ihm Geld. Und dabei drückte sie ihm das Packelchen in die Hand. Er sah sie erst ganz vcrständnißlos an ohne zuzu- grcifen. — Er möge es nur nehmen, aber sie nicht verrathen; sie habe daS Geld dem Sparkassenbuchs entnommen, daS ihre Patin ihr geschenkt Härte. Sie drängte es ihm förmlich auf; und er — nun, nach dem er's einmal gefaßt hatte das Unfaßbare, Unmög liche, dachte er garnicht mehr daran, sich zu sträuben. Er nahm es mit gierigen Händen und vergaß fast, sich zu bedanken. Seitdem waren sie gute Freunde, er und die Anna. WaS wohl aus ihr geworden sein mochte? Er konnte sich r icht einmal mehr besinnen, ob er ihr das Geld zurückgegeben hatte. — „Wenn der Herr Professor vielleicht dies Bild —« Der Professor sah betroffen auf. Er hatte die Anwesenheit des Malers, der seine Mappen nach Skizzen durchkramte, ganz vergessen. Langsam strich er sich über die Stirn, als wolle er den Bann der Erinnerung lösen. Dann bat er den jungen Mann, er möge ihm, was er an Skizzen finde, morgen srüh ins Hotel bringen. Er, der Pro fessor, wolle nun noch einmal in den Garten gehen. Ueber den Garten hatte sich Feierabendruhe ge finkt — ringsum noch Leben und Bewegung, aber nicht laut und hastend mehr wie am Tage, sondern sanft und gedämpft. Im Hose rauchte ein Arbeiter seine Pfeife, ein paar Frauen lehnten am Treppen- g länder, die Kinder spielten auf der Straße mit Mur meln. Im Garten war niemand. Der rmkmisch: ruft des FOeders schwebte durch die Luft, vermischt mit dem erquickenden Atem des irischen Grüns und vielen a-dcren bescheideneren Wohl- zeriichen aus tausend gelben und weißen Blütenkelchen. — Dort h utcn in Ser Holzlaube zwischen den Jelänger jelieberbüschen hette er gar oft fein kärgliches Abend mahl eingenommen, schwarzes Brot und Dreierläse Wie trefflich das mundete und wie cs nie genügen wollte, den kräftigen zwanzigjährigen Hunger zu stillen, der sich so gevutcersch bemerkbar macht, wenn man nichts hat. ihn zu befriedigen; und undankbarer Ge selle, dec er ist, wcqdlcibr w nn man imstande ist, ihm die schönsten L cknb.sscn vorzusitzeu Rie im Leben hatte cs ihm so gut geschm ckr wb: damals Durch die dünnbelaubten Weidenzweige schimmerte Ler Brunnen im Hofe, und wo die blass. Frau fitzt iiand, hatte er oft mit Anna gestanden. Die Unter haltung war nicht so lebhaft gewesen, aber süß war Z doch das b rcdte Spiel der Augen, dec vielsagende Hä-bedruck — und gar erst die heimlich geraubten Küss: — die Zukunft war ihre Göttin, aber verschieden mnug spiegelte sie sich in ihren Köpfen. Annas Phamasie v rstieg sich in ihren Träumen kaum höher, als bis zu einem gemeinsamen Sonntazsspaziergang od-r etwr, wenn sie ganz hoch hioauSwollte, zur Vor stellung eines grnz kleinen gemeinsamen Haushalts, wo sie ihm alle. Tage seine L'cblingsgerichte kochen würde. Die zein: aber war cm kühner Renner, der all: Gräben nahm, über alle Hindernisse hinwegfegte urw lriumphirmd den goldenen Becher des Ruhmes errang. Dort au? dn Steinbank unter den Hollunder büschcn, in denen Sie Bögel so fröhlich zwitscherten, hatte er oft gesessen, allein mit seinen Hoffnungen und Wünschen, wie nur die Jugend sie avszusinnen vermag aber nein! Wenn er sich's recht über legte. ias Sonderbarste war, daß sie ihm schließlich alle er'üllt worden waren, bald eher, bard später; alle Wünsche er'üllt, alle Träume zur Wahrheit geworden, wenn er sie auch manchmal in der Erfüllung kaum wiedererkannt halte, seine goldenen Traumkindcr. Die Menschen hatten recht: er war in Glücks kind; fein ganzes Leben eine Kette von Erfolgen, eine Reihe erfüllter Wünfche. Mit dem Gelbe der kleinen Anna hatte es av- zefangen. Auf eine folche Hilfe hätte doch kein ver nünftiger Mensch rechnen dürfen und ihm war sie geworden Dann kam der erste Preis in einer Kon kurrenz, dec Verkauf feiner rexe, bald darauf die Be rufung an eine auswärtige Akademie — alles Schlag auf Schlag, als ob das Glück ihn gar nicht loslassen könnte, Nachdem es einmal den Weg zu ihm gefunden. In den Zeiten seiner Bedrängniß hatte ec einmal den Versuch gemacht, Unterricht zu erthcilen. Wie glücklich wäre er gewesen, Schüler zu finden; und tüchtig würden sie bei ihm gelernt haben. Aber der einzige, der sich einstellte, war ein Kollege von der Palette gewesen, der für kunstgewerbliche Zwecke Ein blick in die Technik der Bildhauerei zu gewinnen wünschte und sich für seine Mühwaltung mit einem lelbstgenalten Bildchen abfand. Jetzt hatte er Schüler, soviel er wollte unr sagen konnte. Er war selbst so ein Bouze, wie die, welche er früher beneidet hatte, weil ihnen jeder Griff mit dem Modcllholz, jedes obeni e oder tadelnde Wort, ja jeder flüchtige, prüfende öl ck mit Gold ausgewogen wird. Auch so gemessen und unnahbar war er, wie er «s an anderen früher mm-r verdammt hatte, mit Liebenswürdigkeit verbrämt, aber doch unnahbar Es war ja gar nicht anders möglich in seiner Ltellung, wo sich so viele ar ihn hcrandrängtcn mir Ansprüchen an seine Thcilnahme, sein Urtheil, s ine Zeit. Und aufrichtig gestanden, eine Last war cs doch, fremdes Schaffen zu überwachen, w nn man selbst schaffen wollte ui d mußte. Die Aufträge, nach denen r sich einst so glühend gesehnt, strömten ihm nur jetzt so zu; u d große mo umcntale Aufgaben waren cs. an denen er so recht seine Kraft erproben konnte. Kaum daß er Z it hatte ei en Auftrag herbeizuwünscheu so war er schon da. Wunsch und Erfüllung in einem Die Zeit hatte nicht einmal nöthig, ein Blatt in seinem LebcnSbuche umzuschlagen. In feinem p. achtvollen großen Atelier, daS an sich schon für eine Sehenswürdigkeit galt, standen sie alle, die Modelle der vielen Feldherrn und Fürsteo, die regierenden zu Pferde, die anderer zu Fuß, auch ein paar Gelehrte und Dichterbüsten waren darunter. Mit der Zeit hatte er die behelmtea Parade figuren recht satt rekommen. Er wäre gern wieder einmal zu den sonnigen Märcheogestalten seiner Jugend zurückgekchrt. Damals konnte er die Modelle und daS Material nicht bezahlen; jetzt fehlte ihm die Ruhe und Maße, Dingen nachzuhäageo, deren Ausführung nicht drängte. Dre großen Aufgaben nahmen alle seine Kräfte in Anspruch. Wohl oder übel mußte er die tollen Fabelwesen in die Rumpelkammer packeu, und mit den Jahren hatten sie gelernt, sich dort ganz ruhig zu verhalten und aus Respekt vor den vielen hohen Würdenträgern nicht mehr zu mucksen. Allmählich mochten sie wohl eingeschlafen oder gestorben sein, denn jetzt kamen sie nicht einmal mehr, wenn er sie rief. Er mußte lächeln, wenn er daran dachte, wie er ehemals gescu'zt h'tte, weil ihm die Zeit fehle, die» und jenes zu thuo! Du lieber Himmel! als er arm war, ließ ihm die Brodarbeit zuweilen wenig Muße, aber seitdem er reich und berühmt war, war kam da nicht alles und fraß gierig an feiner kostbaren, durch kein Vermögen zu erlaufenden Zeit. Was der aufsprosscnde Ruhm so allmählich alles nach sich gezogen hatte! Zunächst die Anschaffung eines Fracks. E« war ein recht eroälmttcheS Exemplar seiner Gattung ge wesen, über der Brust zu eng und in der Taille zu weit, wie ihn eben ein VorstsdtschneiLer, vier Treppen hock im Hinterhaus? zustande bringt. Aber er war sich doch wie ein ganz andrer Mensch vocgekommen, als er zum ersten Male seinen Frack anzog; ein wichtiges, ein unendlich wichtiges Ercigniß war's ihm erschienen; und doch — wie er sich heute mit einem kleinen bitteren Lächeln sagte, noch lange nicht wichtig genug. Heute wollte es ihm scheinen, als habe dieser Frack seinem ganzen Leben eine andere Richtung ge geben Vorher hatte sich kein Mensch um ihn gekümmert. Jetzt regneten plötzlich eine Menge Einladungen aus .hu herab, und da er einen Frack besaß, nahm er sie an. Das s-i ihm nützlich, hieße»; ein junger Künstler müsse mit der guten, d. h. der wohlhabenden Gesell schaft Fühlung suchen; das br.ngc auch Aufträge ein. Davon merkt- er zunächst freilich noch nichts; und als sie cinttafen, hätte er sie entbehren können. Anfangs spielte cr eine recht unglückliche Rolle in de: Gesellschaft. Man nahte sich ihm halb neu gierig, halb von ob.n herab; und er emprand eine lstcte B-sorgniß, ob er sich auch richtig benehme, ob Iman ihm seine Kinderstube, die gar keine gewesen war, Isondern ein kleiner schwärzlicher Hch. nicht anmerke. Seine gesellschaftliche Unsicherheit hatte ihm die Tage f mer ersten Erfolge doch recht vergällt. Sich mit solcher leichten Sicherheit bewegen zu können, mit einem Winke des Hauptes Befehl zu er- theilen, mit einem Lächeln zu beglücken, wie be neidenswert, wie un-rlernbar ihm das schien! Jetzt hatte er es längst erlernt und in guter Schule. Seine heißeste Bewunderung hatte nicht den Männern gegolten, sondern den vornehmen Frauen. Da war besonders eine! Es überlief ihn immer bald heiß bald kalt, wenn sie in den Salon trat. Eine junge Gräfin, der Typus der norddeutschen Aristokratin, groß, schlank, kräftig, rosig und blond, die vollendetste B:rschmclzung von A"mut und Würde: aber die Würde war vorherrschend. Er drängte sich heimlich in ihre Rähe, nur um ihre Stimme zu hören; Stimme und Augen paßten zu- ammcn, beide klar, hell, rein, kühl. Selbst mit ihr zu sprechen, so meinte er, würde er niemals wagen Da kam fein großer Erfolg, der ganze große, dec den Grund legte zu allem künftigen Ruhm, das Kaiservenkmel Alles umdrängte ihn q ückwünfchend, auch sie kam und redete ihn an, denn si: war kunstsinnig. Und wieder verrann die Zeit und wieder ward zur Wirklichkeit, wrs ihm zu groß, zu unmöglich erschauen wäre, um Wunsch zu fein. Di° groß: blonde Ariftokcatin w rr seine Frau. „Dem berühmten Manne" standen alle Thüren offen; er hatte d e Wahl unter den Töcktern deS Landes, er braucht- nur die Hand auszustrecken, und er streckte sie etwas hoch Sie lebten auch recht glück lich mfteiaandcr. Zunächst war cS von seiner Seite cine anbete. de, verehrende, bewundernde Liebe, die mehr angenommen als erwidert wurde. DaS Gefühl, daS ihm seine schöne vornehme Frau und seine schöne vornehme Häuslichkeit einflößt-n, ähnelte ein klein wenig demjenigen, das er beim ersten Eintritt in die Gesellschaft empfunden, eine ganze M nge Glücksge fühle der verschiedensten Art, verbunden mit einem kleinen Mangel an Behaglichkeit. Er war gcw'sser- maßen von früh bis abends im Frack, auch zu Hause. Seine Gemahlin hatte nach dem Codex der guten Sitte .elcrnt nicht nur was man thut und lagt, so d-rn auch, was man denkt und fühlt, und wenn diese wohlerzogenen Gefühle auch einmal mit kühnem Schwünge über die Schranken hinweggefcgt waren, äls die fomtessc sich entschloß, den bürgerlichen Künstler zu heirathen, so waren sie doch nachher ganz artig wieder in die vorgcschriebene Bahn eingeleokt und erlaubten sich keine zu heftigen Brwegungen mehr. Die Gräfin hatte sich durch ihre Heirath keineswegs in seine Sphäre herabgelassen, sondern sie ließ cS sich angelegen sein, ihn in die ihre za er heben. Anfangs fühlte er sich trotz seiner Künstler krone unter den Grafcnkronen ihrer Umgebung freilich nicht recht heimisch, und besonders die Vettern von der Garde ließen ihn die Ueberlegenheit ihres Standes von Königs Gnaden ziemlich dmtlich merken. Mit der Zeit bess:rte sich da», besonders al» er selbst geadelt wurde und Titel und Orden bekam. Man merkte ihm im gewöhnlichen Leben den Künstler kaum roch an; er war vielmehr der Geheimrath Professor von — Jetzt war sein Sohn Leibst Leutnant bei de
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