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Aus alledem geht schon hervor, daß dieLage des Ver - lags als eine günstige zurzeit nicht angesehen werden kann. Eingeschüchtert durch eine im Frühling und Sommer 1921 ein- tretende Absatzstockung, verwirrt durch einen vorübergehenden Rückgang der Materialpreise, u. a. des Papiers, wagte er seine Preise der wahren Wirtschaftslage nicht anzugleichen, um nun. mehr feststellen zu müssen, daß es aussichtslos geworden ist, das Versäumte heute noch in vollem Umfange nachzuholen. Dazu treten Schwierigkeiten in der Herstellung, an deren Wiederkehr nach Kriegsende niemand hätte glauben wollen: die Papterb«. schaffung stockte vorübergehend völlig; die Papierpreise steigen rapide; Abschlüsse mit bestimmter Lieferfrist und zu festen Preisen sind nicht unterzubringen; die Buchbinderkosten und dle Klischeepreise, die Vertriebs, und die allgemeinen Geschäfts»», kosten — alle diese preisbildenden Faktoren erhöhen sich von Monat zu Monat. Die starke Anspannung der Betriebsmittel macht sich naturgemäß in einem Berufszweige besonders fühl bar, der einen großen Teil seiner Erzeugnisse nur langsam nm- setzl und bei der rückläufigen Bewegung des Markwerles infolge dessen immer minderwertigeres Geld einnimmt, als er aufge wandt hat. Die kapitalfeindliche Steuergesetzgebung des Reiches trägt zur weiteren Schwächung der Betriebsmittel erheblich bei, und so sieht sich der Verlag schon gezwungen, mit seinen Prei- sen und Zuschlägen bis an die äußerste Grenze des noch Er träglichen zu gehen. Eine ungleich größere Rolle als bei den übrigen Verlags, zweigen spielt die Bewertung der älteren Bestände beim wis. senschaftlichen Verlage. Nur der lebhafte Absatz wis senschaftlicher Literatur nach dem llbervalutigen Auslande hat cs dem wissenschaftlichen Verlage ermöglicht, im Inlands noch mit Zuschlägen auszukommen, die bisher nur in wenigen Fällen SVO bis 60» v. H. überschritten haben. Zögernder noch als der schönwissenschaftliche Verlag ist der wissenschaftliche der Geld- entwertung gefolgt; hätte er in den letzten Jahren nicht in so großem Umfange zu den jeweiligen Verhältnissen angepaßten Preisen neu und fortlaufend produziert, so wäre ihm bereits deutlicher geworden, wie unzulänglich die Höhe seiner Zu- schlage auf die ältere Produktion geworden ist. Der schön wissenschaftliche Verlag hat das System der prozentualen Zuschläge schon längst verlassen und die Ladenpreise der älteren Bestände den neuen Herstellungs- kosten angenähert. Er darf im ganzen auf ein Jahr zufrieden- stellenden Absatzes zurllckblicken. Nicht ohne lebhafte Besorgnis aber beobachtet er die unaufhaltsame Erhöhung der Herstel- lungskosten; ihm wird cs zuerst fühlbar werden, wenn der Bü> cherpreis in ein ungesundes Verhältnis zur Kaufkraft des Publi kums getreten ist. Unter der Unsicherheit der Verhältnisse und unter den sich überstürzenden Steigerungen der Herstellungs-, Versendungs- und Werbungskosten leidet am empfindlichsten der Zeitschrif- ten Verlag, der, von wenigen Ausnahmen abgesehen, seine Bezugs- und Anzeigenpreise jeweils für einen bestimmten Zeit raum vorher festsetzen und dann innehalten mutz. Ähnlich der Tagespresse liegt er in stetem Kampfe mit der Übermacht der wirtschaftlichen Verhältnisse, die seine Existenz bedroht. Die Zahl der Zeitschriften, die zum Eingehen verurteilt ist, nimmt ständig zu; die drohende Erhöhung der Postüberweisungsge- bühren wird diesen Verkllmmerungsprozetz noch fördern. Die wirtschaftliche Lage des Sortiments wird sehr verschieden beurteilt. Einerseits steht außer Frage, datz allein die rechtzeitige Einführung des Sortimenter-Teue- rungszuschlages das Sortiment nicht nur lebensfähig erhalten, sondern darüber hinaus noch seine wirtschaftliche Gesundung bewirkt hat. Das zeigt sich mit erfreulicher Deutlichkeit darin, daß der spekulative Bareinkauf in großem Umfange an die Stelle des früheren Konditionsverkehrs getreten ist, und daß das gut- geleitcte Sortiment somit mehr Bewegungsfreiheit bekommen hat, während es früher nur zu sehr von den Krediten der Kom missionäre und Verleger abhängig war. Andererseits wird diese erfreuliche Tatsache in ihrer vollen Auswirkung leider durch eine unverhältnismäßig starke Zunahme der Zahl der bücherver treibenden Betriebe gehemmt. ^Rur so läßt es sich schließlich KS4 erklären, daß das Sortiment, wie aus den Mitteilungen einer ganzen Anzahl großer Firmen übereinstimmend hervorgeht, einen wesentlichen Rückgang des Stllckumsatzes fest stem, während andererseits doch sowohl die Zahl der Neuerschei nungen wie die Auflagehöhe vieler, insbesondere schönwissen schaftlicher Bücher sich durchschnittlich wesentlich gesteigert hat. An dem demnach an sich Wohl kaum zurückgegangenen, vielleicht im ganzen eher gestiegenen Stiickumsatz nehmen allzuviele Ver triebsstellen teil; haben doch allein nach den Mitteilungen de Börsenvereins im Jahre 1921 679 neue Sortiments- betriebe um Aufnahme in das Adreßbuch nachgesucht. Die Ablehnung wird nur wenige veranlaßt haben, vom Buchver- Iriebe endgültig Abstand zu nehmen; es werden sich fast stets licferungswillige Grosso- und Zwischenbuchhändler gefunden haben. In dieser wachsenden Konkurrenz liegt die größte Ge fahr für das Sortiment — eine Gefahr, die durch Erhöhung seines Bruttonutzcns um so mehr zunimmt, als gerade die neu^ hinzutretenden, mit geringen Spesen arbeitenden Kleinbetriebe* hoffen können, einen unverhältnismäßig großen Teil des hohen Bruttonutzens als Reingewinn herouszuwirischaften. In den Großstädten hat sich der Wettbewerb der Warenhäu ser insofern unliebsamer als in den vorhergegangenen Jahren fühlbar gemacht, als diese den Beschluß faßten, von der Erhe bung des Teuerungszuschlags künftig abzusehen. In Berlin hat dieser Beschluß der Warenhäuser die Wirkung ausgelöst, daß eine Anzahl bedeutender Firmen sich außerstande erklärte, unter diesen Umständen auch ihrerseits den Zuschlag noch aus- rechterhalten zu können. Das Warenhaus Oberpollinger in München hat neuerdings seine Buchhandels-Abteilung aufge geben; es wäre wertvoll, feststellen zu können, ob dies aus der Erkenntnis heraus geschehen ist, datz der Buchvertrieb ohne Teuerungszuschlag im Vergleich zu den anderen Warengruppen des Warenhauses nicht mehr wirtschaftlich ist. Die ständig wachsenden allgemeinen Geschäfts- und besonde ren Vertriebsunkosten und die infolge der steigenden Bllcher- Preise zunehmende Kapitalanspannung erfüllt das Sortiment mit nicht weniger Sorge als den Verlag. Es ist unter diesen Umständen nur erklärlich und mit Freude zu begrüßen, daß der Gedanke des genossenschaftlichen Zusammen schlusses zu gemeinsamem Einkauf im Berichtsjahre weitere Fortschritte gemacht hat. Gelegentlich der Heidelberger Tagung machte Herr Friedrich Schott, Augsburg, interessante Mitteilun gen über die Tätigkeit der -Augsburger Buchhändler-Bestellan- statt-, bei der sich diese genossenschaftliche Zusammenarbeit zum großen Nutzen aller Beteiligten gut bewährt zu haben scheint. Es sei auf den Abdruck dieses Berichts im Bbl. Nr. 246 vom 20. Oktober 1921 ausdrücklich nochmals hingewiesen. Neuer, dings haben auch andere Städte, in denen ein reges Vereins- leben herrscht, z. B. Hamburg und Dresden, diesen Gedanken auf gegriffen. Da unter den gegenwärtigen Verhältnissen die Zahl und die Bedeutung der Ortsvererne, die allein als Träger dieser Entwicklung in Frage kommen, ständig zunimmt, so darf daraus noch manches Gute für das Sortiment erhofft werden. Über die Arbeitsgemeinschaften, die sich zwecks gemeinsamer Regelung der Verkaufsbestimmungen gebildet haben, wird an anderer Stelle zu sprechen sein. Der Verbandsvorstand gab schon wiederholt, zuletzt wieder in Heidelberg, dem lebhaften Wunsche Ausdruck, daß es den buch händlerischen Organisationen nach Jahren innerer Kämpfe doch nun endlich einmal beschicken sein möchte, sich zu gemeinsamer Arbeit nach außen hin, zu Buch-Propagandamatznahmen großen Stils zusammenzufinden. Ein erfreulicher und wohlgelungener Ansatz dazu wurde mit der Ausstellung »Buch und Bild gemacht, die mit ideellem und materiellem Erfolge im Herbst 1921 in Berlin mit Unterstützung des Börsenvereins und des Verlegervereins stattfand und gelegentlich derer sich eine große Anzahl von Vertretern der Ortsvercine zusammenfand, um die Organisation einer solchen Veranstaltung an Ort und Stelle zu studieren und ihre Vorzüge und Fehler kennen zu lernen. Der Gedanke propagandistischer Zusammenarbeit darf nicht wieder von den Nöten des Tages in den Hintergrund gedrängt werden. Es wird Aufgabe der führenden Organisationen sein, zu prüfen.