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„Jack Kirker, seine Tochter Alice . . ." Buckskin Dan liest aus einem Zettelchen vor, den ihm Fred Aubin mit gegeben hat, und nennt alle Namen. „Kennen Sie sie schon lange?" wendet sich der Ser geant wieder an Joe. „Seit etwa einem halben Jahr —!" „Wo sind Sie ihnen zuerst begegnet?" „In Vancouver!" „Wußten Sie vorher vom Gold?" „Nein, Sir!" „Wer entdeckte es?" „Eigentlich ich, aber John Bell fing einen Fisch, den ich als Touristenführer schon in der vorhergehenden Nacht anbeißen ließ — in seinem Magen lag ein Nugget." „Also in dem Magen eines von John Bell durch Ihre Mühe ins Netz gebrachten Fisches —" Der Sergeant notierte. „Geangelten Fisches, Sir!" „. . . eines geangelten Fisches war Gold, hm. Haben Die übrigens eine Führererlaubnis?" „Führererlaubnis? Reim Sir!" Der Sergeant pfeift durch die Zähne. „Sie sind Deutscher, eh?" „Yes, Sir!" „Sie sagen, John Bell sei an Listigen Vulkangasen gestorben . . .?" Joe hat bisher alle Fragen ruhig und ohne Erregung beantworten können. Jetzt aber reißt seine Geduld. Er schlägt mit der Faust auf den Fisch und schreit den Be amten wütend an. Er sei kein Mörder, das alles sei eine Lüge dieser Kerle, die sich nur das Gold aneignen wollten!" Der Sergeant hört eine Weile zu, steht auf, holt ein Paar Handschellen . . . „Ich muß Sie fesseln!" sagt er seelenruhig. Joe knirscht vor Wut. Er hat hier Recht erwartet und sich bisher ohne Murren in sein Schicksal ergeben, tms er lediglich für ein zwar böses, abZr kurzes Zwischenspiel hielt. Die Wucht des Beweismaterials erscheint ihm plötz lich erdrückend. Wenn der Vulkan nicht ausbrach und keine Giftgase mehr nachweisbar waren, dann mußte es einen harten Kampf ums Leben geben. John Bell ... Er hatte ihn schon einmal — aus Üner liefen Notwendigkeit heraus, was jetzt aber sicherlich nicht anerkannt wurde — hart be handelt, an einen Baum gebunden, drei Tage hungern lassen . . . Das konnte nur der verstehen, der sich in emer solchen verzweifelten Lage befand wie damals die Eden- expedition! Joe beruhigt sich gewaltsam. Er hofft auf seine Freunde, die eine innige Kameradschaft mit ihm zusam menschmiedet. Alice! Rach einigen Fragen wird Joe in eine enge Zelle ge sperrt, die eine Ecke des Raumes einnimmt. Er hat einen Eimer, ein Hängebett und einige ziemlich saubere Woll decken zur Verfügung — herzlich wenig für einen Mann, der jahrelang in einer-freien und unbegrenzten Wildnis umhergestreift ist, der ein schönes Mädchen liebt, der Sehn sucht nach der Heimat hat. . .! Joe hört den Gesprächen zu, die der Sergeant mit seinen beiden Besuchern führt. Man scheint felsenfest an den Mord zu glauben. Der Sergeant will in den nächsten Tagen die Zeugen an Ort und Stelle vernehmen. Dann soll Joe nach Vancour zur Aburteilung geschafft werden... „Ein ziemlich klarer Fall!" sagt der Beamte. „Die Beweggründe der Tat liegen auf der Hand — Gold! Ich bezweifle nur, ob die anderen Leute an der Sache beteiligt sind. Vorläufig kann ich sie jedenfalls nur als Zeugen feftnehmen-..." Buckskin Dan und der Pilot verabschieden sich be friedigt. „Auf Wiedersehen!" schreit der Alaskaner schadenfroh in die enge Zelle des Gefangenen. Der Sergeant telephoniert dahin und dorthin, fordert von irgendwo einen RCMP.-Polizisten an, der dM Trans port seines Gefangenen nach Vancouver übernehmen soll. Dann läßt der Polizist ein Koffergrammophon aufspielen. Jge hat das Vergnügen, sich die neuesten und ältesten Jazzschlager anzuhören. Er wird nervös. Er rüttelt an seiner Gefängnistür. Der Sergeant kommt angebraust. Ein kleines Rededuell ist die Folge. Joe muß sich der Flut nordamerikanischer Schimpstvörter ergeben. „Warten Sie mal, bis Sie erst die schöne Henkers krawatte um den Hals haben!" schließt d«r freundliche Mann, der mit Mördern von Joes Kaliber nicht viel Um- stände macht. * Joe sitzt drei Tage in seinem engen Käfig. Das Essen ist nicht schlecht; der Rotrock gibt ihm von seinem Tisch und spart nicht- Er ist kein schlechter Mensch, sondern ein feiner Kerl, aber kraft seines Amtes darf er dennoch keinen Spatz mit Mördern verstehen. Von Alice und seinen Freunden hört Joe nichts. Der Sergeant ist zwei Tage weggeblieben, und ein junger Polizist übernahm die Gefangenenwacke. Jazzplatten wimmern von morgens bis abends. Ern paar Mäuse huschen unter den Balken des Blockhauses, kratzen und sckarren des Nachts. Es ist zermürbend. Der Sergeant kehrt endlich zurück, läßt jedoch kein Sterbenswörtchen von den Ergebnissen seiner Untersuchungen verlauten. Das ist btter! Joe möchte ihn gern nach Alice fragen, überwindet aber das begreifliche Verlangen wie eine Art von Schwäche, die einen Burschen in solcher Lage nicht übermannen darf. Eins fragt er Loch: „Ist der Vulkan hochgegangen?" Der Sergeant lacht. Der junge Polizist lacht mtt, als habe jemand einen faulen Witz gemacht. „Welcher Vulkan?" Joe schweigt. Er weiß, daß er mit all dem nichts ausrichten kann. Er grühelt angestrengt über viele Dinge nach Sollte er einen Fluchtversuch unternehmen . . .? Aber der wäre gewissermaßen ein Zugeständnis gewesen. Joe fühlt sich vollkommen schuldlos und möchte seinen Richtern in die Augen sehen . . . Wenn es nur den anderen gut geht. Jetzt fragt er den Sergeanten doch nach Alice; in solchen Lagen muß ein Mann seine Entschlüsse oft revidieren. „Wie geht es Alice Kirker und den anderen?" „Sie sind inzwischen nach Vancouver geflogen!" ant wortet er kurz und bündig, fonst gibt er reine Auskunft. Joe rennt in seinem engen Gefängnis auf und ab .. . Zwei Schritte auf-, zwei Schritte abwärts ... zwei auf.. . zwei ab . . . zwei aus. . . zwei ab . . .! Er wird ganz toll im Kopf. Die Stahlwünde drehen sich vor seinen Augen, nicht nur im Kreise, sondern drunter und drüber. Joe ver wünscht das ganze Land, dessen Berge und Wälder er einmal so sehr geliebt hat. Er verflucht das Gold, die Triebfeder alles Unheils unter den Menschen ... Der Tag des Abtransports nach Vancouver ist ge kommen. Der Sergeant fährt entgegen feinen ersten Aus führungen zusammen mit seinem Polizisten als Wache mit. Scheinbar hat man die Gefährlichkeit des Gefangenen Höher eingeschätzt. Mit der kanadifch-alaskanischen Yukoneisenbahn geht die Reise von White Horse nach Skagway. Menschen gaffen, Weiber kichern. Aber man ist trotzdem zurück haltend in diesem Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Die Bahn fährt über den gleichen Paß, den die achtund neunzig Goldsucher von Kfondhke zu Fuß genommen haben. Zwei Maschinen pusten hinter einem gewaltigen Schneepflug. Joe hat nicht viel von der herrlichen Dampferfahrt zwischen Skagway und Vancouver. Man hält ihn in einem engen Raum gefangen, damit er nicht etwa in einem der vielen Zwischenhäfen entspringt. Durch das Bullauge sieht er wenig von seinen geliebten Bergen, von den «in famen, endlosen Nordwäldern, von den Fjorden und Zedern der Nordwestküste. Dann kommt Vancouver. Ganz anders als damals be tritt er den Kai. Zwischen zwei Polizisten wird er zum Polizeidepartement gefahren, einem kurzen Verhör unter zogen und in ein schmutziges Gefängnis eingeliefert, das von üblen Elementen nur so strotzt. Straßenränder, Taschendiebe, Fälscher, Gangster aller Sorten Grade bemühen sich um seine Bekanntschaft. (Fortsetzung folgt.» § «KZ -8 »»L2Z- LS ttKDS'QN ZZ 2 «MAZ ZUS Hein Hansens Gang in die Irre Von Erich Trebor (Nachdruck verboten!) Hein Hansen war Krabbenfischer in Büsum. Jeder Fischer der Nordseeküste kannte seinen „Pellworm", der mit seinem starken Motor alle anderen Boote schlug, wenn es morgens zu den Fangplätzen und abends zum Hei mathafen ging. Alle Büsumer hatten ihn gern, denn Hein Hansen war ein lustiger, frischer Gesell, der, wenn auch die Krabbenfischerei keine Reichtümer einbrachte, immer zufrieden war. Und wenn nicht alles trügte, würde bald eine kleine Frau Hanfen seinen Weg durchs Leben teilen, denn es galt als ausgemacht, daß Stine Boyens die Aus erwählte war. Wenn man den Hein fragte, wann er denn nun heiraten würde, meinte er lachend: „Wartet bis der Nordwest bis zur Deichkrone schlägt!" Daß hieß wohl: Wartet bis zum Herbst. Und so lange wollten die Büsumer gerne ausharren. Das Leben des Fischers Hansen ging weiter seinen geruhsamen Gang. Er fuhr mit dem „Pellworm" dreimal in der Woche hinaus auf die See und kam ebensooft mit mehr oder weniger großer Beute wieder heim. Am Sonntagabend sah man ihn dann eifrig mit der ranken Stine das Tanzbein schwingen. Das blieb so, bis an einem Vorsommertag Ilse Kesten am Hafen erschien. Im Sommer, wenn den Büsumer Strand die Badegäste bevölkerten, nahmen die Krabben fischer ost Kurgäste mit, die einmal einen Krabbenfang „erleben" wollten, und die Fischer sahen die Einnahme ganz gerne. Der „Pellworm" lag fahrfertig im Hafen, da stand Ilse Kesten, die verwöhnte Tochter eines Fabrik- direftors, neben ihm. „Hallo, Fischer!" Hein Hansen, der Len Schwerölmotor nachgesehen hatte, lugte aus dem Ma schinenraum. „Sie wünschen, (nein Fräulein?" „Ich möchte mit Ihnen zum Fang hinausfahren." Hein Hän fen sah zum Himmel, dann schüttelte er bedauernd den Kopf: „Heute nicht, es gibt Sturm!" Ilse Kesten stampfte ärgerlich mit dem Fuß auf: „Gerade darum möchte ich mit!" „Dann nehme ich Sie auf Ihre eigene Verantwortung mit!" Hein Hansen kam aus dem Maschinenraum und half Ilse Kesten an Bord. Ilse stellte mit Genugtuung fest, daß dieser Fischer durch aus gut aussah und sehr höflich sein konnte. Die Fahrt wurde bald sehr ungemütlich, und Hein Hansen bereute, einen Fahrgast mitgenommen zu haben. Ilse saß blaß neben dem Steuer und kämpfte tapfer gegen das nahende Unheil. Der Wind wurde immer gröber, die Fischer drehten ab und beschlossen, nach Büsum zu rückzufahren. In diesem Augenblick setzte der Motor des „Pellworm" aus. Das fehlte gerade noch! Mit einem dicken Seemannsfluch übergab Hein Hansen das Ruder dem Bootsmann und stieg in den Motorraum. Er unter suchte die Maschine, fand aber zunächst den Fehler nicht, da tauchte ein blasses Mädchengesicht an der Luke auf. „Kanu ich Ihnen helfen? Ich verstehe etwas von Moto ren." „Ich auch!" kam es wenig freundlich von unten. Ilse Kesten sah, wie Hein sachverständig den Motor prüfte und staunte über seine Fachkenntnisse. Nach fünf Minuten sprang der Motor an. Es war aber auch höchste Zeit, denn der Bootsmann konnte das Schiff kaum noch gegen den Sturm halten. In einer Stunde war der Hafen erreicht. Tag für Tag besuchte Ilse Kesten den „Pellworm", fast an jeder Fangfahrt nahm sie teil. Hein freute sich, wenn das frische Mädchengesicht auftauchte, und auch Ilse gefiel der lustige Krabbensischer, der immer ein Scherzwort auf den Lippen hatte. An einem warmen Abend saßen sie beide an Deck. Ein leichter Westwind kam über das Wasser und belebte den Windstander am Mast zu lustigem Flattern. „Sagen Sie mal, Hein, Sie haben doch Motor- kenntnisse, haben Sie schon in Werken gearbeitet?" — „Ich war einige Jahre auf der Eiderwerft, dann übernahm ich das Boot meines Vaters!" — „Hätten Sie nicht Lust, in einem großen Werk zu arbeiten. Sie sind tüchtig, haben Kenntnisse im Motorenfach. Solche Männer werden ge- fucht. Vielleicht haben Sie Aussichten, einmal vor wärts zu kommen, bekannt zu werden." — „Ich soll in die Stadt? Fort von meiner See?" — „Auch bet uns gibt es Seen, wenn sie auch nicht so groß sind. Denken Sie an Ihre Zukunft. Ich werde mit Papa sprechen, er wird Sie unterbringen." — „Ich glaube nicht, daß ich in die Groß stadt passe!" Wie unabsichtlich legte Ilse Kesten ihre Hand auf die wettergebräunte Rechte Hein Hansens: „Wir wür den uns hin und wieder sehen können, um von dem Krabbenfang bei Büsum zu plaudern." Noch lange saß Hein Hansen auf dem „Pellworm", als Ilse gegangen war, und starrte in das Dunkel der Nacht. Ob das Mädel recht hatte? Wochen vergingen. An einein Sonntag übergab Hein den „Pellworm" seinem Bruder Klaus: „Lege deinen alten Kasten an Land und fahre mit dem .Pellworm', und dann gib" — Hein machte eine Pause — „diesen Brief der Stine, ich kann nicht mit ihr sprechen, sie würde mich auch nicht verstehen." Hein Hansen lebte in der Großstadt. Die Arbeit fiel ihm leicht, die Vorgesetzten waren mit ihm zufrieden, und doch fehlte ihm etwas: Die See und nochmals die See. Ilse Kesten sah er mehrmals auf dem Hof, sie begrüßte ihn freundlich, aber es war doch nicht so wie in Büsum. Es fiel kein per sönlicheres Wort. An einem Sonnabend stand sie plötzlich in der Werkstatt neben ihm: „Hein Hansen, haben Sie morgen Zeit, ich habe eine Segeljacht, würden Sie sie steuern?" — „Gerne!" Hein Hansen strahlte. Endlich wieder einmal Schiffsplanken unter den Füßen, und wenn es auch nur auf einem dieser „Seen" des Binnenlandes war! Der Sonntag kam. Die „Elfe" war ein herrliches Boot. Hein war ganz in feinem Element. Er hatte Ilse herzlich begrüßt und wollte eben die Leinen loswerfen. „Warten Sie bitte noch einen Augenblick, es kommt noch jemand!" bat Ilse Kesten. Hein Hansen sah erstaunt auf. Ein Sport wagen kam dicht ans Ufer heran, ein junger Mann sprang mit einem Satz heraus. „Guten Tag, Ilse!" Ilse Kesten stellte vor: „Hein Hansen, der beste Seemann von Büsum» ich erzählte dir ja schon, wie er uns aus dem Sturm gerettet hat, Doktor Neumann, mein Verlobter!" Hein Hansen gab dem anderen die Hand. Verlobter? Er galt hier als Lebensretter, und er hatte sich eingebildet Hein Hansen warf die Leinen los und ging ans Ruder. Er war nur noch Seemann. Es wurde eine wundervolle Fahrt. Der Büsumer zog alle Register seiner Fahrkunst. Am Abend saß man noch bei einer Flasche Wein zusammen, als man sich verabschiedete, hatte Dr. Neumann einen Mann kennengelernt, der ihm viel Achtung eingeflößt hatte. Vierzehn Tage später klopfte es in Büsum an der Tür eines Fischerhauses. Klaus Hansen öffnete: „Du, Hein?" Hein Hansen winkte ab: „Bitte keine Aufregung. Ich bleibe hier!" — „Und deine Stellung?" — „Aufge geben!" Hein setzte sich an den großen Eichentisch. „Klaus, ein Seemann paßt nicht in die Steinwüste, er soll auf seinem Wasser bleiben!" Am nächsten Morgen ging Hein Hansen wieder an Bord des „Pellworm". Die Fischer grüßten ihn freudig wie einen wiedergefundenen Sohn. Auf Erklärungen ließ sich Hein nicht ein, und es ist auch nicht die Art der Fischer, viel zu fragen. Hein Hansen war eben "wieder da, und das war gut so. An einem füllen Abend faß Hein mit Stine am Hafen. „Stine, ein Fischer soll da bleiben, wo seine Heimat ist, auf seinem Boot, auf seinem Meer, auf diesem herrlichen, weiten Meer. Hier kann ich atmen, hier fühle ich mich freil" Sterne leuchteten auf, weit weit im Westen verfchwand ein Dampfer, dort wo der Himmel das Wasser küßte. Hein zog die Stine an sich: „Ich gehe nie, nie wieder fort von hier! Stine, willst du bei mir bleiben, trotz allen:, waS vorgefaüen ist?" Stine Boyens sah Hein Hansen o i, uÄ> in ibrem strahlenden Blick las er die bejahende Antwort.