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John ; leuchtet unstet in seinen Augen. „Der Vulkan kann jeden Augenblick ausbrechen! I warnt Joe. „Deswegen ist der andere da droben geblieben, eh? „Er hat damals unsere Lebensmittel stehlen wollen — Joe, komm' zurück, ich fürchte mich!" „John? Wo er nur steckt ?" „Ach, Joe! Laß ihn — er würde das auch nicht für dich tun — dich über einem Vulkan suchen, der jeden Augenblick losbrechen kann — Joe, so komm doch „John — hei — John — I—o—h—n...!" ? „Du —-?!" sagt Joe überrascht. Er denkt an ihre , Worte von vorhin. „Du willst doch zum Friseur", fügt I er spöttisch hinzu. I „Ach Joe!" i ''Ich bleibe auch hier!" sagt Kirker fest entschlossen. „Dann auch ich!" erklärt Tom Burr. ! „Und ich!" fügt Doris hinzu. „Nein, Doris — du fliegst zurück!" befiehlt ihr Vater. Doris lacht ihm ins Gesicht. „Ich bleibe bei euch!" sagt sie noch einmal, und Tom I Burr schweigt betroffen. Buckskin Dan, der bis jetzt still im Hintergrund ge- I standen hat, tritt nach vorn. „Gold?" fragt er lauernd. Er ist heute gar nicht ; betrunken und sehr aufgeweckt. „Davon wollt ihr Buckskin i Dan zurückhalten — mit Ammenmärchen von diesem Vulkan?" Niemand gibt ihm Antwort. ' „Ich bin ein Prospektor in einem freien Land", i fährt er ziemlich schroff fort, „ich gehe hin und stecke i ab — stecke ab, so viel ich will und nach dem Gesetz ! darf...!" Der Tanz beginnt!, denkt Joe und faßt den Alaskaner i beim Arm. „Du bleibst bei uns!" sagt er ihm ins Gesicht. „Puh!" grinst Buckskin Dan verächtlich, und es ; grinst der Prospektor. „Ich habe mir gleich gedacht, daß ! etwas hinter der ganzen Sache steckt — dreitausend Böcke I gi.. man nicht umsonst für einen Führerdienst — Dan ! har Glück gehabt, und er ist schlau, er weiß sein Glück zu » halten...!" Joe gibt dem Alaskaner einen Rippenstoß. Buckskin I Dan ist nicht faul und erwidert den Schlag mit einem > kunstvollen Boxerhaken. Im nächsten Augenblick rollen die > beiden auf dem Fußboden, stoßen Kisten und Kasten um, ! zerren, schlagen und treten. Die Umstehenden feuern Joe I mit allerlei Zurufen an. Selbst die Mädchen beteiligen I sich an diesem rauhen Spiel. Joe siegt. Er hat seinen Gegner einfach „knockout" ! geschlagen. Aber ein blaues Auge trägt er davon, und I seine Nase blutet. Er schaut wild um sich, als wolle er I sagen: „Well, will noch einer was von mir?" Niemand ! meldet sich. Alice bemüht sich um Joes Beulen. Er stößt ! sie brummig zurück. Jetzt kann er keine „Weiber" ge- I brauchen! Er geht vor die Tür, stampft böse im Schnee I herum, kühlt das brennende Auge mit etwas Eis. Sein ! Zorn verraucht. Zweifel steigen in ihm auf... Tut er ! recht, wenn er diese Menschen derart gewaltätig be- I handelt, tyrannisiert...? War das mit dem Vulkan am I Ende nicht doch ein Ammenmärchen, eine überspannte ! Weibergefchichte...? Ging es ihn etwas an, wenn die ! Leute toll wurden über ein bißchen Gold...? Joe überlegte lange und gründlich. Er kommt zu einem Schluß: Ja, es ging ihn etwas ! an, denn er war der Entdecker jenes sonderbaren Para- : dieses, in dem es heiß kochte, das das menschliche Blut i hoch aufwallen ließ...! Er trägt die Verantwortung. Er I wird die Menschen, die er hierhergeführt hat, vor Unglück ! bewahren. Was hatte überhaupt dieser John Bell dort ' droben zurückzubleiben...? Er würde ihn zurückholen — I jawohl! Er wird den ganzen Ansturm der Goldsucher- I meute zurückhalten! Wenn schon der Vulkan das Paradies I Nicht zerstörte mit dem gewaltigen Recht der elementaren ' Natur, so sollten es diese Tollköpfe erst recht nicht tun ...! Joseph Wendel ist in der Einsamkeit ein ent- ! schlossener Mann geworden, der sich von tausend und I aber tausend kleinlichen Vernunftsgründen nicht die Hölle ? heißmachen läßt... Er geht zu den anderen im Blockhaus zurück. „Wer hält zu mir — ganz und gar —?" fragt er ; und blickt sie alle der Reihe nach scharf an. Alice antwortet rst: „Ich, Joe!" Dann sprechen Dons, Tom und Osborne, der unter I dem Druck der Dinge handelt; er hält die ganze Gesell- ; schäft für nicht mehr ganz normal, er kann noch nicht be- » greifen, daß so viele Monate Einsamkeit und Verlassen- j heit ein paar Menschen fest zusammenschließen. Dann stehen beide am Bach. Sie prallen erschrocken zurück... John Bell liegt am Ufer ausgestreckt... Die Beine hängen ins Wasser.., Seine rechte Hand krampft in ein Häuflein Gold... Seine Linke faßt nach der Kehle... „Schrecklich —!" stöhnt Alice. (Fortsetzung folgt,) Buckskin Dan schweigt erbittert und reibt sich die ge schundenen Knochen. Der Pilot hält sich neutral, obwohl auch ihn das sagenhafte Gold irgendwie reizt, er ist jedoch ein Flieger, nicht ein Mann der Wildnis, und er erkennt seine Unfähigkeit, allein etwas zu wagen... Somit hat Joe alle in der Hand. „Ich gehe und hole John Bell!" sagt er kurz. Man hat ihn fast vergessen — John Bell, den Wider spenstigen, den dicken und behäbigen Spießbürger, den Querkopf...! Joe macht sofort kehrt und geht. Draußen knirschen seine Schneeschuhe im leisen regelmäßigen Takt. Alice rennt ihm nach. „Ich komme mit, Joe!" ruft sie ihm zu. Er hält an und schaut sich um. Sie bleibt zögernd stehen, denn sie erwartet eine abweisende Antwort, Aber er sagt nur ein leises, beinahe froh klingendes „Gut!" Sie jauchzt fast vor Freude... Die beiden gehen hintereinander bergan, hinauf zum Paradies im Eis, hinein in den Krater oes Vulkans, der unter seiner harmlosen Decke brodelt und gischtet, der lauert und schürt... Die Zurückbleibenden sehen bald nur noch zwei winzig kleine Punkte, die im grellen Weiß der Landschaft verblassen und endlich ganz ver schwinden ... Der Tanz hat begonnen! Einundzwanzig st es Kapitel An der Scheidewand zwischen Paradies und Eis an gekommen, bleiben das Mädchen und der Mann stehen. Sie betrachten schweigend die Landschaft, die heute un heimlich auf sie wirkt. Das stumpfe, düstere Grün der Zedern, Tannen, Fichten, das Hervorstechen der bereits Junglaub anfetzenden Weiden, Pappeln, Espen, Erlen, Birken und anderen Laubbäume und -büsche — das alles hat etwas Ungeheuerliches, Unglaubhaftes inmitten des endlosen, mittwinterlichen Schnees. Wie ein duftiger Schleier lagert es über dem sonderbaren Bild, der letzte Schleier einer trügerischen Salome, dessen Enthüllung Tod und Grauen verspricht. Alice schmiegt sich an den Mann, und er läßt es gern geschehen. Er fühlt die Wärme ihres Körpers, die Nähr des anderen Menschen, die stärkt. Nach einer Weile gehen sie weiter — hinunter ins Paradies. Die Hütte steht unversehrt, aber John Bell ist nirgends zu finden. „Hst sicherlich beim Gold am Bach!" meint Joe. Sie wandern also zum Bach. Mitunter bleibt Joe stehen, höhlt seine Hände vor dem Mund und ruft laut nach John Bell. Die Wildnis bleibt still. Kein Vogel rührt sich. Kein Hirsch, kein Elch, kein Bär, kein Karibu streicht durch das Gebüsch. Es ist unheimlich still, und das Mädchen und der Mann reden laut miteinander, um ihre Furcht zu verjagen. „Ein seltsamer Geruch...!" „Ich rieche es auch...!" „Wie Schwefel?" „Vielleicht nur der Moder?" „Nein — wie ein giftiges Gas!" „Wenn es nur nicht so verdammt ruhig wäre um uns hier — wie auf einem Friedhof...!" „Kehren wir um — ich habe Angst — um dich, Joe!" „Umkehren — aber wo ist John Bell?" „Er fall von selbst zu uns kommen, er weiß, wo wir hingegangen sind, Joe!" „Wo John nur ist?" ab — — Meine Mutter hatte mich so traurig angesehen. Auf 1 Zehenspitzen schlich ich in die Diele zurück. Starrte lange . und ein wenig feindselig auf den bestaubten Hut, den ab- I genutzten Stock. Und mußte plötzlich denken: Wie unsag- > bar müde und vergrämt sie aussehen! Wie viele schwere i Wege sie wohl schon gegangen sein mögen — und mit . ihnen der arme Herr Raba? Tiefes Mitleiden stieg — i zum ersten Male — auch in mir aus. Ich zögerte noch I einen Herzschlag lang. Aber dann legte ich schnell meine > Blumen in den tiefen Knick des Hutes. Da schnappte die Türklinke, und es trat der alte Mann I heraus, stutzte und stand wie verzaubert. Lange hielt er I den Strauß mit gestrecktem Arm von sich. Ein Leuchten ! glomm in dem trüben Blick, die harten Falten um Mund > und Kinn milderten sich; weich, beinahe zärtlich umschlossen I die kantigen Finger meinen Strauß. „Blumen!" stam- i melte er mit einem verwirrten Glückslächeln. „Blumen — I für mich?" „Ja, ja!" sagte meine Mutter. „Es wird Wohl das I Kind gewesen sein." Der arme Herr Raba drückte die Blumen schweigend ! an sich und stakte davon. Er vergaß ganz, sich zu ver- . abschieden. — - ü Gewiß, es war nur eine geringe Guttat, nicht des I Rühmens wert, zu der ich mich da überwunden hatte. Und j doch hoffe ich insgeheim, es möchte dafür auch mir, wenn > ich dereinst alt und einsam Hause, irgendein mitleidiges ! Kind seinen Blumenstrauß neben meinen abgenützten > Wanderstecken legen. — ! Ein Blumenstrauß I Bon Margarete Graf. (Nachdruck verboten.) Meine Eltern pflegten von ihm nur als vom „armen > Herrn Raba" zu reden. .Sie meinten damit keineswegs ! eine irdische Armut — erst nach seinem Tode ward ja I offenbar, daß er tatsächlich in bitterster Entbehrung dahin- I gegangen war —, sondern vielmehr seine unsägliche Ver- ! lassenheit. Er war Maler und hauste in der kalten Stille ' eines nordseitigen Gelasses, das ihn wie eine arktische I Insel vom Leben abschloß. Dort hockte er, solange das I Licht es gestatten wollte und pinselte, die schwelende Pfeife ü mühsam im zahnlosen Munde festhaftend, immer an den ' gleichen Bildern herum, obwohl an den Wänden zahllose I angefangene Skizzen lehnten. Das eine stellte ein hoch- ' mütiges, steifgekleidetes Mädchen mit dem wunderlichen I Namen „Synnöve" dar, das zweite eine englische Hafen- : landschast. Rie sah ich eine andere Leinwand auf seiner I Staffelei; trotzdem schienen selbst diese beiden von Mal zu I Mal mehr zu verblassen, als kratze ein böser Geist des ü Nachts alle Farbe wieder ab, die der alte Mann tagsüber ' mühselig aufgetragen hatte. Mich wunderte es nicht son- I derlich, daß er niemals etwas Ordentliches zustande brin- I gen konnte, glich er doch selbst einem Schemen ohne Fleisch ; mrd Blut. Wie oft überlief mich, wenn ich ihn an regen- ' grauen Tagen hager und grämlich wie eine alte Nebel- I krähe durch die Gassen stelzen sah, ein unvernünftiges I Grauen, daß ich nichts anderes vermeinte, als das Ge- ! heimnis feines Lebens müßte sich mir eines Tages auf " furchtbarste Art enträtseln. Nicht wenig trugen dazu die I abscheulichen Molche und Schlangen bei, die in seiner I Stube hinter gläsernen Wänden hausten und von ihm mit I aller Sorgfalt betreut, von mir aber auf das tiefste verab- » scheut wurden. Dieser innere Widerstand übertrug sich I auch auf den alten Mann, den ich bald als einen Alp auf I jeder meiner Kinderfreuden empfand. Dabei war er ganz ; gewiß kein böser Mensch. Aber kleinlich und kärglich war » er, und dies wog vielleicht schwerer, weil es unheilbar I war. Manchmal wanderte er mit uns zusammen. Aber er ; zerredete ungeschickt jede zarte Stimmung und verfolgte - mit schülerhafter Aufmerksamkeit die Windungen eines z Verlassenen Schneckenhauses, anstatt in schöpferischem l Üebsrschwang die Schönheit des blühenden Tales zu er- ! obern. Auch unser Klavier mißhandelte er zuweilen. Ich ' merkte es wohl, es bockte und stockte geradezu, wenn diese > kalten, feuchten Hände es berührten! Aber meine Eltern ! duldeten es ruhig, daß der krumme Alte ihm Gewalt an- ; tat. Er verfuhr auch da gewissenhaft, o ja! Mit selbst- » quälerischem Ehrgeiz quälte er so lange an jedem schönen I Klang herum, bis nur noch ein Haufen glanzloser Späne I davon übrig war. Dann sahen sich meine Eltern wohl ; an, und meine Mutter, die das alte Instrument wunder- » sam zu beleben wußte, seufzte leise: „der arme Herr Raba!" Warum nur dachte sie niemals: „das arme Kind", da ; mir doch so viele schöne Stunden verdarben wurden durch » die Gegenwart des alten Mannes? Ach, ich ahnte ja I nicht, wie reich ich, mit ihm verglichen, war! Das ganze I Leben mit seinen Möglichkeiten und Zufälligkeiten lag noch I vor mir, ich war jung! Er aber war steinalt und hatte - längst alle Hoffnungen begraben. Einmal, an einem lichten Sommertag, hatte ich aus l der bunten Uebersülle blühender Wiesenkräuter einen ; Strauß gebunden. Mit heißen Backen kam ich ins Haus - zurück. In der Vordiele verhärte ich jedoch zögernd — I da lag auf einer bunten Truhe der dicke Spazierstock und I der zerbäulte Schlapphut des unlieben Gastes. ; Meine Mutter erschien unter der Tür, sah mich an und » den Strauß und flüsterte mir zu: „Möchtest du deine ! Blumen nicht dem armen Herrn Raba geben? Er würde I sich ganz gewiß sehr darüber freuen! Das Bücken fällt ; ihm nachgerade recht sauer." » „Rein!" antwortete ich schroff und enteilte rasch mit I meiner Blütenpracht. Wie? Diese zartleuchtenden Wasser- I Vergißmeinnicht, die strahlenden Margueriten, die tief- ; blauen Teufelskrallen und putzigen Wiesenknöpfe sollte ich > dem harten Zugriff jener frostigen harten Hände aus- > liefern? Nein, o nein! Und doch ließ es mir keine Ruhe. Die Kastanien fallen... Von KurtKnaak. Als der Vollmond fein blankes Gesicht durch die Wol- ! ken steckte, fiel sein Blick gerade auf die Dorfstraße. Voller ! Neugierde hätte er zu gern gewußt, ob auch alles beim I Rechten drunten sei. So sehr er sich aber anstrengte, Licht » hinter die Angelegenheit zu bringen, es gelang ihm nicht: I Die großen, weitastigen Kastanienbäume hinderten ihn ! daran. Dem Heidbauern, der mit seinem Mädchen im Schat- > ten lustwandelte, war es recht, daß er ungesehen unter den ! dichten Blätterschirmen verweilen konnte. Die jungen Her- ! zen erfreuten sich ihrer ersten Liebe, und der Mond verzog ! sein Antlitz darob. I Ein milchiger Schleier zog sich um sein Licht. La l wurde es kalt auf der Erde. Vom Dorfteich wallten Nebel ! "auf. Eisgekriesel fiel von dem Himmel. Als wknn Zucker I oder Salz durch das Laubwerk sickert, so hörte es sich unter I den Bäumen an. Da führte der Bauer feine Braut heim. ! Reglos standen die Bäume in ihrem vergilbten Laub. ! Ein Knistern ging durch ihr Geäst. Hoch oben in den I Wipfeln, wo der Nachtwind ritt, löste sich aus graugrüner I Schale eine Frucht. Klackerack, klack, klack, kollerte sie über ! das Geäst, hüpfte nach links, sprang nach rechts und knallte ' dumpf auf den Fahrdamm nieder. Plauz, schlug auf dem I Fußsteig eine zweite auf und platzte wie ein Geschoß aus I der zerborstenen Schale. Bumm, bumm, donnerte es im ü prasselnden Wirbel eine Viertelstunde spr er über das Dach ' des Schilderhäuschen, daß die Iltisse, die in der Nähe ! spielten, unter dem Ufer des Dorfteiches Zuflucht suchten. ! Als der Morgenwind dir Dorfstraße fegte, fiel es aus ! den Kastanienkronen derart, daß Jürgen Christoph, der ' Nachtwächter, es vorzog, noch ein Weilchen im Schilder- I Hause zu bleiben. > Die Buben, die eine Stunde später zur Schule »nutz- I ten, machten sich aber nichts daraus. Schnell rafften sie ' die Taschen voll, warfen mit den Kastanien und bewun- l derten die schöne, lackbraune Farbe der Samen. In der I Schule schnitten sie unter Aufsicht des Lehrers Körbchen, ; flochten Ketten und versuchten-sich zuletzt darin, Wunder- » same, hutzlige Holzweiblein und erschröckliche Mannsbilder I daraus zusammenzusetzen. Am klarsten jedoch hatten Gustav und Emil den ; Reichtum unter den Kastanienbäumen erfaßt. Schnell lis- » fen sie heim, holten einige Säcke und füllten sie bis oben I an. Als der Vater am nächsten Markttage ihren Schatz I eingehandelt hatte, brachte er jedem von ihnen einen blan- ; ken Fünfziger mit. Das Geld liegt zuweilen auf der » Straße. Man muß es nur zu sehen wissen...! j