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8194 Nichtamtlicher Teil. 22k, 28. September 1904. kurrenten zu bluffen, befürchtet, dann müßte man auch gleich die geheime Hinterlegung abschaffen. Wenn der Entwurf den Wünschen nach einem wirk samen Rechtsschutz der angewandten Kunst mit einem äußerst erfreulichen Verständnis für die Bedürfnisse unsres heutigen Kunstschaffens Rechnung getragen hat, so kann doch das Bedenken, daß die Rechtsprechung den Intentionen des Gesetzgebers nicht durchaus folgen wird, nicht von der Hand gewiesen werden. Nach der Begründung soll in dem neuen Gesetz das ganze Gebiet der angewandten Kunst in die Werke der bildenden Künste ausgenommen und unterschiedslos gleich diesen geschützt werden. Im Gesetz selbst kommt diese Neuerung nur dadurch zum Ausdruck, daß die Bestimmung des § 14 des geltenden Gesetzes in Fortfall kommt. Nun bezieht sich dieser Paragraph nur auf solche Werke, die an gewerblichen Erzeugnissen (Werke der Industrie, der Fabriken, Handwerke oder Manufakturen) angebracht sind. Es fehlt somit an einer ausdrücklichen positiven Bestimmung darüber, daß in Zukunft alle Werke angewandter Kunst als Werke der bildenden Künste geschützt werden sollen, d. h. auch solche, die schon in der Form eines Nutzgegenstandes konzipiert werden. Die Motive bemerken hierzu: -Einer ausdrücklichen Vorschrift, wie sie in einzelnen Gesetzen des Auslandes vorgesehen ist, daß das Kunstwerk ohne Rücksicht auf seine Bestimmung des Kunstschutzes teilhaftig ist, wird es nicht bedürfen. Im einzelnen Falle ist es Sache des Richters zu entscheiden, ob ein Jndustrieerzeugnis zugleich ein Werk der bildenden Künste verkörpert oder an sich trägt. Es versteht sich von selbst, daß nicht jede beliebige bildnerische Ausgestaltung oder Verzierung den Gegenstand in die Sphäre eines Werkes der bildenden Kunst erhebt. Vielmehr wird hier, wie allgemein, der Gesichtspunkt maßgebend sein, ob eine eigenartige und individu elle künstlerische Leistung vorliegt, welche, unabhängig von dem Gebrauchszwecke der Sache, aus die ästhetische Empfindung des Beschauers einzuwirken geeignet ist. - Es ist eine bekannte Tatsache, daß die Motive einer Gesetzesoorlage von dem Richter nicht unbedingt als maß gebend betrachtet werden. Sie legen Zeugnis ab von den Absichten der Regierung und der Volksvertretung. Es sind jedoch Fälle bekannt, daß das Reichsgericht ausdrücklich ent gegen dem klaren Wortlaut der Gesetzesmotive dem Gesetz eine abweichende Auslegung gegeben hat. Zudem ist noch zu bedenken, daß gerade die Gerichte erster Instanz mit den Urheberrechtsgesetzen in der Regel nur wenig vertraut sind, und daß nur ganz ausnahmsweise ein Richter in die Lage kommen wird, die Motivs selbst aus eigener Anschauung kennen zu lernen. Es würde daher eine dem Geist der Motive entsprechende Rechtsprechung wesentlich davon ab- hängen, daß die Verfasser der gangbarsten Kommentare ent weder die Begründung selbst abdrucken oder ihren Inhalt in eindringlicher Weise wiedergeben. Andernfalls wäre die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß Richter aus eigenem subjektiven Ermessen einem Erzeugnis den künstlerischen Charakter absprechen, daß ihrer eigenen Kunstauffasfung und ihrem Geschmack nicht entspricht. Um daher dem Gesetz eine volle Wirkung zu geben, wäre es notwendig, daß der Gesetz geber seine Absicht in klarer und unzweideutiger Weise in dem Wortlaut des Gesetzes selbst zum Ausdruck bringt. Hierfür bietet die neue Gesetzgebung Frankreichs ein be achtenswertes Vorbild. Es ist nämlich durch das Gesetz vom 11. März 1902 den grundlegenden französischen Bestim mungen der Zusatz beigefügt worden: »welches auch der Wert oder die Bestimmung des Werks sei.« Durch diese Fassung wird in der Tat der richtige Ge danke in treffender Fassung zum Ausdruck gebracht. Die Voraussetzungen eines Werks der bildenden Künste, d. h. das Vorhandensein einer durch die formbildenden Mittel ausgedrückten individuellen Schöpfung, sind bei jedem Werk angewandter Kunst ebenso vorhanden, wie bei dem Werk der hohen Kunst. Indessen ging der Standpunkt des geltenden Gesetzes dahin, daß die vorwiegend gewerbliche Bestimmung dem Werk seinen künstlerischen Charakter entziehe und es zu einem gewerblichen Muster degradiere. Will man nun die durch den Entwurf geplante Änderung in klarer Weise zum Ausdruck bringen, dann kann dieses am besten dadurch erfolgen, daß man ausspricht, daß in Zukunft die Bestimmung oder die Art der Anwendung oder Anbringung des Werks für den Schutz unerheblich sein sollen. Denn auch in dieser Beziehung beabsichtigt der Ent wurf eine Neuerung, die aber im Gesetztext selbst gar nicht zum Ausdruck kommt. Daß der Wert des Werks für seinen Urheberschutz ohne jede Bedeutung ist, ist ein in der Theorie längst anerkannter Satz. Indessen deckt sich auch hier die Theorie nicht immer mit der Praxis. Der Staatsanwalt und der Richter, die darüber zu befinden haben, ob eine Tasse oder ein Bronze gefäß unter Urheberschutz steht, werden unter Umständen daran Anstoß nehmen, daß der künstlerische Wert des Er zeugnisses gering ist. Indessen sollen unsre Gerichte sich nicht zu Kunstlichtern aufwerfen. Und gerade in einer Zeit des Ringens und Gärens, wo die Kunstanschauungen sich so schroff gegenüberstehen, müßte alles vermieden werden, was die Gerichte dahin bringen könnte, statt der allgemein gültigen Merkmale des »Werkes der bildenden Kunst« sub jektive ästhetische Anschauungen zum Maßstabe der Schutz- sähigkeit eines Werks zu machen. Es kommt noch hinzu, daß deutsche Interessenten im Ausland die Erfahrung gemacht haben, daß die Gerichte ihren Erzeugnissen Sen Schutz versagten wegen eines angeb lichen Mangels künstlerischen Wertst) Es würde daher die Wirksamkeit des Gesetzes verstärken und jedenfalls von weiten Kreisen der deutschen Interessenten mit Freude begrüßt werden,^ wenn der Gesetzgeber auch diesen Gedanken klar zum Ausdruck bringen wollte. Ich schlage daher vor, dem § 1 des Entwurfs folgenden Zusatz zu geben: »Hierbei kommt es weder auf den Wert, noch auf die Bestimmung oder die Art der Anwendung oder der Anbringung des Werkes an.« (Fortsetzung folgt.) Kleine Mitteilungen. -Lotharingia- Verein jüngerer Buchhändler, Metz. — Am Mittwoch den 28. September hält der Vorsitzende Herr M. Will einen Vortrag über das Thema: Das Gesetz betreffend die Kaufmanns-Gerichte vom 6. Juli 1904. Nach dem Vortrag findet freie Aussprache statt. Im Anschluß hieran eine Abschieds feier für zwei scheidende Kollegen. Personalnachrichten. Niels Ryberg Finsen, der erfolgreiche Entdecker der seinen Namen tragenden Licht-Therapie (Heilung von Hautkrank heiten leichter und schwerster Art durch elektrische Licht- «) Vgl. die im Anhang abgedruckte Eingabe der Vereinigung des deutschen graphischen Kunstgewerbes.