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2876 PAPIER-ZEITUNG Nr. 78 Lohnbewegung Berliner Luxuspapier-Arbeiter. (Vergl. Nr. 77 Seite 2838.) Eine öffentliche Versammlung der in Luxus papierfabriken beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen, die von mehr als 2000 Personen besucht war, tagte laut Bericht der »Volks-Zeitung« am 22. September, abends, in Keller’s Festsälen. Herr Brückner sagte u. a., das Einigungsamt des Gewerbegerichts habe versucht, vermittelnd einzugreifen, diese Vermittlung sei aber von den Prinzipalen abgelehnt worden. Auf die Arbeitsniederlegung von über 400 Personen bei sieben Firmen erhielten die bei Prinzipalen der »Vereinigung Berliner chromolithographischen Anstalten« Ausständigen eine Einladung dieser Vereinigung zu einer am 23. September statt findenden Versammlung der Streikenden mit dieser Vereinigung, um gütliche Verständigung zu versuchen. Da jedoch die Ver tretung der Arbeitnehmer, der Deutsche Buchbinder-Verband, zu dieser Versammlung nicht eingeladen wurde, lehnten die Ausständigen diese Aufforderung einstimmig ab. Die öffentliche Versammlung hieß diesen Beschluß der Streikenden gut und erklärte in einer Resolution, daß die Aus ständigen zu jeder Verhandlung bereit sind, da jedoch die Fabrikanten die Angelegenheit ihrer Vereinigung, der Ver einigung Berliner chromolithographischen Anstalten, über tragen haben, nur- unter Hinzuziehung von Vertretern des Deutschen Buchbinder-Verbandes. Des weiteren verpflichteten sich die Versammelten, jedwede Streikarbeit zu verweigern. Wie wir erfahren, haben in einer Fabrik, in der bisher nicht gestreikt wurde, die Präger am 26. September ihrem Chef gegenüber erklärt, daß sie das Vorgehen der Lohnkommission nicht billigen und sich zum Streik nicht entschließen sondern mit der Vereinigung Berliner chromolithographischer Anstalten verhandeln wollen. Roh* und Dachpappe im Rheinland Der Bedarf an rohen Dachpappen ist in den letzten Jahren sehr gestiegen. Dachpappe erfreut sich fortgesetzt größerer Beliebtheit und findet zu den verschiedensten Bauzwecken mehr und mehr An wendung. Während die Meinungen über die Dauerhaftigkeit der Dachpappen - Dächer früher, als fast ausschließlich die sogenannte Glattdeckung und für bessere Zwecke die sogenannte Leistendeckung angewendet wurden, auseinandergingen, weil an den unerläßlichen Nagelungen im Laufe der Zeit, hervorgerufen durch das bekannte »Gehen« der Dachschalung, Undichtigkeiten vorkommen konnten, anerkennt man heute die Vorteile der Pappenbedachung allgemein, da der vorgedachte Uebelstand bei den in den letzten Jahrzehnten allerwärts eingeführten Doppel-Pappdächern vermieden ist. Beim Doppel-Pappdach kommt keine Nagelung vor, nur die untere Lage wird lose und verdeckt geheftet. Die Außenluft wird von der an und für sich schon dichten, durch die Klebemasse dauerhaft gemachten unteren Lage durch die obere Dachpappenlage abgehalten. Dachpappe findet in letzter Zeit auch anstelle von Deckpapier zu Holzzement dächern große Verwendung. Außerdem haben sich die sogenannten Kiespappdächer vorzüglich bewährt. Alle diese Umstände haben be deutenden Mehrbedarf an Rohpappe hervorgerufen. Die Rohpappen- Erzeugung, insbesondere im Rheinland, ist nicht in gleichem Maße gestiegen, die rheinischen Rohpappen-Fabriken können den Aufträgen nur bei langen Lieferungsfristen gerecht werden, die Dachpappen fabriken aber können keine langen Lieferfristen gewähren, da ihnen von den Bauherren kurze Fertigstellungstermine auferlegt werden. Diesem Umstande zufolge soll, wie ich von zuverlässiger Seite erfahre, demnächst eine große Rohpappenfabrik im Rheinland erbaut werden. X. Wellpappe Aus Sachsen Sie geben in Nr. 76 die Absicht kund, die Wellpapier- und Well- pappen-Fabrikanten nochmals zu einer Versammlung nach Berlin ein zuladen, welche die abermalige Gründung eines Schutzverbandes gegen die Preisschleuderei bezwecken soll. Ich als Verbraucher und Verarbeiter bedeutender Mengen Well pappe halte die gemeinschaftliche Festsetzung von Mindestpreisen der Rollen- und Tafel-Wellpappe für zwecklos, solange nicht auch für die Schachteln aus Wellpappe, Kisteneinsätze und dergleichen ein Mindest preis festgestellt wird, welcher bei der Berechnung dieser Erzeugnisse zugrunde gelegt werden muß. Der Bedarf von Waren aus Wellpappe ist ja weit größer als der von unverarbeiteter Wellpappe, und ein seitige Festsetzung der Wellpappenpreise wäre demnach von geringem Nutzen. Bei aller Anerkennung der Bestrebungen, die Preise und somit den Nutzen zu erhöhen, erscheint es mir sehr unldug, die Preise wie beim ersten Anlaufe gleich um etwa 25—50 pCt. zu steigern, denn dadurch verliert die Wellpappe ihren Vorzug gegenüber andern Pappen und Holz. Eine solche enorme Preissteigerung würde nur zur Folge haben, daß die größeren Wellpappenverarbeiter entweder die Her stellung ihrer meistens gesetzlich geschützten Sondererzeugnisse ein stellen oder, was wahrscheinlicher ist, die Wellpappe selber fertigen. Den Schaden haben dann in jedem Falle die jetzigen Wellpappen fabrikanten zu tragen. E., Kartonnagen-Fabrikant Eine westdeutsche Wellpappenfabrik knüpfte an ihre Mit teilung, daß sie sich an der geplanten Versammlung beteiligen wolle, längere Klagen über die Preisschleuderei und Aus führungen über die Notwendigkeit des Zusammenschlusses. Ferner schreibt sie unter anderm: Die im April stattgefundenen Verhandlungen brachten wenigstens einigen — wenn auch leider nur wenigen — Fabrikanten Nutzen. Wir haben bei mindestens 75 pCt. unserer Kundschaft die sogenannten revidierten Berliner Preise durchgesetzt, wodurch uns wenigstens ein bescheidener Nutzen geblieben ist! Freilich haben wir denjenigen Teil unserer Kundschaft eingebüßt, der mit Schleuderangeboten über schüttet zu werden pflegt. Nur bei einem geringen Prozentsatz mußten wir der Not gehorchend unter den Berliner Preisen verkaufen, weil wir diesen Teil unserer Abnehmer aus bestimmten Gründen nicht verlieren wollten, aber auch in diesem Falle liefern wir nur solange, wie uns ein wenn auch manchmal nur ganz minimaler Kutzen verbleibt. Wenn sich nur alle Fabrikanten dazu verstehen wollten, ihre Er zeugung etwas einzuschränken und die Maschinen lieber etwas weniger stark laufen zu lassen, als infolge der enormen Uebererzeugung weit unter Herstellungspreis zu verkaufen! Verständen alle Fabrikanten zu kalkulieren, so wären Angebote, wie man sie täglich trifft, unmöglich. Gelingt es nicht, gleich alle Fabrikanten unter einen Hut zu bringen, so genügt es, wenn sich die verständigen Elemente zusammenschließen, denen das Wohl des Faches am Herzen liegt. Das Weitere kommt nach! Uebernahme von Buchdruckarbeiten durch österreichische Papierhändler. Der Papierhändler Emil Schricker in Komotau wurde wegen unbe rechtigter Uebernahme von Buchdruckarbeiten zu 50 K. Geldstrafe verurteilt, wogegen er Berufung anmeldete. Diese wurde mit nach stehendem Bescheide erledigt: »Die k. k. Statthalterei in Böhmen hat mit dem Erlasse vom 13. September 1904, Z. 101690, Ihrem Rekurse gegen das hieramtliche Erkenntnis vom 12. April 1904, Z. 13025, mit welchem Sie wegen unbefugter Geschäftsvermittlung von Akzidenz druckarbeiten zu einer Geldstrafe von 50 K. verurteilt wurden, bei sichergestelltem Tatbestände der Ihnen zur Last gelegten Uebertretung und in der weiteren Erwägung keine Folge zu geben, gefunden, daß sich diese Tätigkeit als selbständige Handelsagentie im Sinne des § 59 c GO. und daher als selbständiges freies Gewerbe darstellt, welches abgesondert vom Papierhandel anzumelden ist. Ueber Ihr gleichzeitiges Gesuch wurde jedoch die Strafe auf den Betrag von 20 K. gemildert. Gegen diese Entscheidung ist ein weiterer Rekurs nach § 150 GO. nicht zulässig.«. — In der Wiener »Papier- und Schreibwaren-Zeitung« bemerkt Herr Schricker zu diesem Erlasse unter Anderem nun folgendes: »Die Auffassung dieser Sachlage ist seitens der Behörde eine ganz andere als die der Buchdrucker, die behaupten wollen, daß der Papierhändler überhaupt keine Druckarbeiten über nehmen dürfe. Der Behörde ist es somit nur um eine neue Be steuerung zu tun, und die Papierhändler müssen nun eben ihrem Ge werbe gleichzeitig ein Agenturgewerbe für Akzidenzdruckarbeiten-Ver mittlung anmelden. Da kein Papierhändler Oesterreichs diese Vorsichtsmaßregel gebraucht haben dürfte, so empfiehlt es sich, diese Entscheidung zur allgemeinen Kenntnis zu bringen.« Breslauer Papierhandlungen Die stillen Sommermonate sind zu Ende, in den Hauptstraßen sieht man eine Menge Menschen vorüberhasten, und der Kreuzungs punkt Schweidnitzer- und Ohlauer-Straße am Ring bietet ein Bild groß städtischen Verkehrs. Der Uneingeweihte mag glauben, daß die Ge schäftsinhaber in diesen Straßen vorzügliche Geschäfte machen. Für die Papiergeschäfte trifft dies nicht ganz zu, man sieht in ihnen zu wenig Käufer. Viele Geschäftshäuser im Zentrum der Stadt haben sich zeitgemäß umgestaltet, neue prunkvolle Gebäude sind entstanden oder im Entstehen begriffen. So erregen jetzt zwei großartige Neu bauten am Ring Aufsehen. Eine dieser Neubauten wird ein groß artiges Warenhaus der Firma Gebr. Barrasch, es nimmt fast ein ganzes Straßenviertel, die ganze Naschmarktseite bis zur Schuhbrücke, ein. In den drei Stockwerken dieses Neubaues wird in der allernächsten Zeit ein Betrieb eröffnet, wie ihn vielleicht das Warenhaus Tietz in Berlin besitzt. Das Warenhauswesen hat sich hier überhaupt ungemein entwickelt. In allen Stadtteilen befinden sich Warenhäuser; die oben erwähnte Firma besitzt deren vier, eine andere zwei. Der andere große Neubau an der Ecke Ohlauer-Straße am Ring ist noch im Ent stehen begriffen und wird wahrscheinlich an zahlreiche Firmen ver schiedener Geschäftszweige vermietet werden. Wie sehr der Warenhausbetrieb die kleineren Papiergeschäfte be einflußt, kann man daraus ersehen, daß viele dieser Geschäfte ihn hinsichtlich der Preisschleuderei nachahmen. So kann man beispiels weise die beliebten Röllchen mit 100 Blatt Frühstückspapier für 18, 20 und 22 Pf. das Stück kaufen, 4 Bogen starke Schreibhefte für 60 bis 65 Pf. das Dutzend, 100 Stück starke Löschblätter für 22 oder 24 Pf., 100 Bogen satin. blau Hefteinschlagpapier für 24 Pf. usw. Viele Bedarfsartikel zu so niedrigen Preisen sollen als Zugartikel dienen, man kann in den Zeitungen oft genug halbseitige Anzeigen