Volltext Seite (XML)
2684 PAPIER-ZEITUNG Nr. 72 Vertrauensspesen 5715. Frage: Zwischen dem Fabrikanten X. und dessen kauf männischem Disponenten Y. bestand ein Abkommen darüber, daß alle Auslagen für Reise, Beköstigung, Trinkgelder usw. als »Vertrauens spesen« nachträglich vergütet würden. X. stellte, nun im Jahre 1902 Y., der auch die sämtlichen Bureauarbeiten zu überwachen und zu er ledigen hatte, als Vertreter seiner Firma in die Maschinenhalle der Düsseldorfer Ausstellung 1902. X. kaufte für Y. eine »Vertreterkarte«. Y. hat sich während der 6 Monate bei den sehr hohen Ausstellungs preisen, abgesehen vom Mittagessen, dort beköstigen müssen. Trink wasser war nicht vorhanden. Auch für die Kundschaft, Lieferanten, Monteure des X. hatte Y. Auslagen aller Art. Infolge des ungeheuren Maschinenlärms, des Menschengewimmels, der verdorbenen Luft usw., ferner infolge der übermäßigen Anstrengungen wurde Y. schwer nervenkrank. Aerztliches Attest für Krankenurlaub während der Aus stellungszeit sowie Zeugen sind vorhanden. Y. verlor danach für seine eigenen Interessen das Gedächtnis; er übersah, seine Baraus lagen sofort zu verlangen. X. vergütete aus eigenem Antriebe keinen Pfennig. Erst kurz vor Austritt des Y. aus dem Geschäfte des X. fand Y. bei der Nachkontrolle der Bücher, daß X. seinen zwei Ausstellungs- Monteuren hinter dem Rücken des Y. als Ersatz für Trinkwasser lOpCt. Lohnaufschlag gegeben hatte. Da kam Y. in Erinnerung, daß er für X. Barauslagen gehabt hatte, und Y. machte sofort seine bezüglichen Ansprüche geltend. X. erkannte am 31. März 1904 diese Auslagen im Grundsatz an, nur sei es, meinte er, fraglich, ob Y. diese nachträglich gerichtlich geltend machen könne. X. wollte sich bei anderen Fabri kanten erkundigen und dementsprechend eine Abfindungssumme Vor schlägen. Y. erwähnte, daß ein Kollege 8 M. täglich erhalten habe. X. er widerte, soviel könne er nicht bezahlen. Der Richter würde seine Vermögenslage (1904) berücksichtigen und danach für Y. eine Tages vergütung festsetzen. Ohne Zweifel wußte X., daß Vertreter eine angemessene Ver gütung erhalten, und X. kann von Y. nicht verlangen, daß Y. aus seiner Privattasche Geschäftsauslagen bezahlt. X. weigert sich definitiv, etwas zu zahlen! W eiche Tagesvergütung kann Y. mit Er folg einklagen? Was erhielten andere in Düsseldorf ansäßige Ver treter? Kommt § 812 des BGB (ungerechtfertigte Bereicherung) ge gebenenfalls in Betracht? Die Forderung von Y. verjährt in 2 Jahren, Verjährung tritt also erst Ende 1904 ein. Ist ein Prozeß für Y. er folgreich? Wie ist der Rechtsstandpunkt im vorliegenden Falle? X sagte seinerzeit zu Y., er müsse sich Geld leihen, um Y. die Auslagen zu vergüten. Die Geldverhältnisse von X. sind schlecht. Kann Y. bei einer Klage Sicherheitsleistung verlangen? Kann Y. seine Forderung verkaufen? Antwort: Es ist fraglich, ob die allgemeine Abmachung über Vertrauensspesen bei Reisen usw. für die Vertretung auf der Ausstellung gilt. Hier handelt es sich um mehrmonatige regelmäßige Beschäftigung auf der Ausstellung statt im Kontor am gleichen Orte. Wenn keine besonderen Abmachungen für Spesen usw. getroffen würden, und Y. erst 11/2 Jahre nach Schluß der Ausstellung Vergütung fordert, so gewinnt man leicht den Eindruck, daß Vergütung weder beabsichtigt noch beansprucht wurde. Es ist unwahrscheinlich, daß jemand Ge dächtnis genug besitzt, um Angestellter eines Geschäfts bleiben zu können, und gerade für seine eigenen Angelegenheiten das Gedächtnis verloren habe. Ein kaufmännischer Angestellter ist selten so gut gestellt, daß er nach 6 Monaten noch keine Lücke in seiner Tasche verspürte, wenn er täglich bedeutende Mehrauslagen fürs Geschäft machte. Etwaige Tagesspesen anderer Vertreter sind für den Fragesteller nicht maßgebend. Wir halten den Erfolg einer Klage für sehr zweifelhaft und raten ab. Der Kläger kann die Stellung von Sicherheit seitens des Verklagten nicht fordern, ist aber berechtigt, seine Forderung zu verkaufen. Kambrik-Papier 5716. Frage: Anbei sende ich Ihnen 2 Bogen gepreßt Kambrik. Nr. 1 ist Probe, Nr. 2 Ausfall, von welchem 5000 Bogen angefertigt wurden. Während 1 tief schwarz, zäh im Stoff ist und sich griffiger anfühlt, ist 2 lange nicht so schwarz und der Stoff ist spröde und hart. Die Hauptsache jedoch ist, daß jeder Bogen um 1 Gramm leichter als der Probebogen ist. Aus jedem der 10 Päcke zu 500 Bogen wurden 6—8 Bogen entnommen, gewogen und jeder zeigte dasselbe Minus. Ich bitte um Ihre Ansicht, ob das Papier mustergetreu geliefert wurde. Antwort: Bogen 2 ist zwar nicht ganz so tief schwarz wie die Vorlage und hat etwas weniger zähen Stoff, aber diese Unterschiede sind unbedeutend und liegen innerhalb des zu lässigen Spielraums. Bogen 2 wiegt 38, Bogen 1 fast 37 g. Der Unterschied von 4 g (nicht 1 g, wie Fragesteller schreibt) fällt schon ins Gewicht und berechtigt zur Rüge. Anscheinend wurde zu 2 leichteres Rohpapier genommen, Strich und Prägung sind auf beiden Mustern ziemlich gleich. Wir empfehlen Uebernahme gegen 5 pCt. Preisnachlaß. Buch über Druckverfahren 5717. Frage: Sie würden mich zu Dank verpflichten, wenn Sie mir ein Werk angeben könnten, welches über die angewandten Druck verfahren in kurzer fachmännischer Weise Aufschluß enthält. Der Auf satz von W. Heinicke in Nrn. 60, 62 und 64 ist so gehalten, daß er mich bezüglich der in Frage kommenden Verfahren zufrieden gestellt hat. Ein in dieser Weise gehaltenes Werk würde mir genügen. Ich benötige das Buch für einen auf dem Gebiete der Ohromopapier-Fabrikation tätigen jungen Mann, der Gelegenheit hat, sich in Druckereien ver schiedene Druckverfahren anzusehen, und ich möchte ihm vorher schon einen Begriff von der Sache beibringen. Antwort: Ueber die verschiedenen Druckverfahren (Buch druck, Steindruck, Lichtdruck, Kupferdruck usw., ferner Zink ätzung usw.), gibt das in zwei Bänden vorliegende Werk Th. Goebel’s »Die graphischen Künste« (Verlag Felix Krais, Stuttgart) erschöpfende Auskunft. Das Werk ist zwar umfang reich und nicht billig, aber für den vorliegenden Zweck sicher das beste und ein Nachschlagebuch für alle Zeiten und Gelegen heiten. Feuchter Lagerraum 5718. Frage: Ich habe seit zwei Jahren ein Geschäftslokal mit den erforderlichen Nebenräumen, vor allem Lagerräume mietweise im Besitz. Bei Abschluß der Mietung wurde der Vermieter durch mich und meine Frau ausdrücklich gefragt, »ist dieser Raum auch trocken«? Er bejahte, auch wurde seitens des Vermieters ein Quantum Lattengestelle zur Verfügung gestellt, welche zu Regalen verwandt werden könnten. Daß in diese Regale Papierwaren kommen sollten, war dem Vermieter bekannt. Es stellte sich im Laufe der Zeit heraus, daß die Räume feucht und zur Aufbewahrung mancher Waren unseres Faches ungeeignet sind, hiervon wurde Vermieter wiederholt in Kenntnis gesetzt ohne jeden Erfolg. Soweit es der Raum in der Privatwohnung zuließ, hatte ich gefährdete Sachen darin untergebracht, alles war nicht möglich, zudem waren die bis dahin belassenen Artikel unversehrt geblieben, manches von beschädigten Sachen habe ich des lieben Friedens willen mit Schaden verkauft oder selbst verbraucht. Am 1. Juli wurde mir die im gleichen Hause gemietete Privatwohnung gekündigt. Da sagte ich mir: Jetzt siehst du dein Lager gründlich nach und ziehst den Schaden, d. h. Einkaufswert der beschädigten Waren, von der Miete ab. Dieses ist geschehen auf Grund des oder der zutreffenden Paragraphen des Bürger!. Gesetzbuchs. Der Vermieter hat mich verklagt mit der Begründung, die Räume seien mir nicht zu Lagerräumen vermietet, und ich habe, wenngleich ich die Feuchtigkeit gerügt hätte, bis dahin die volle Miete gezahlt. Ja, einmal kann man doch nur den Anfang mit einer Sache machen! Es ist meiner Ansicht nach gleich, ob ich am 1. Januar oder 1. Juli zum ersten Mal Abzug machte. Es steht allerdings nicht im Kontrakt, welche Räume zum Lager benutzt werden sollten, geht aber aus anderen Beweisen hervor, daß es dem Vermieter bekannt war, welche Räume Lager wurden, zumal andere nicht vorhanden sind. Ich bitte um Ihren Rechtsrat. Antwort: Der Vermieter muß laut § 536 BGB die ver mietete Sache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand überlassen und während der Mietzeit in diesem Zustand erhalten. Wir nehmen an, daß der Nebenraum nicht feucht sein durfte, auch wenn er im Vertrag nicht ausdrücklich als Lagerraum bezeichnet war, da seine Verwendung zum Lagern trockener Waren aus dem Geschäfts betrieb des Fragestellers hervorging. Da jedoch Fragesteller während zweijähriger Benutzung des Raumes den Mangel zwar rügte, aber, als keine Abhilfe erfolgte, keine Ansprüche an den Vermieter stellte, so kann er unter Umständen nicht Schaden ersatz verlangen (§§ 539 und 464 BGB), denn er kann »die mangelhafte Sache unter Kenntnis des Mangels angenommen« haben. Man könnte den Fall nur nach Anhören des Ver mieters, Besichtigung der Lagerräume und der beschädigten Waren genau beurteilen. Wenn dies von Gerichtswegen ge schieht, entstehen erhebliche Kosten, und es empfiehlt sich daher, die Sache ohne Prozeß zu ordnen. Das Gericht wird dem Mieter vielleicht, wenn er es beantragt, Aufhebung des Miets-Vertrags bewilligen, schwerlich aber die verlangten Ent schädigungen, und dasselbe kann er vielleicht auch ohne Prozeß erreichen. Mehrlieferung von Buntpapier 5719. Frage: Zu welcher Prozentage von Ueberproduktion hat eine Papierfabrik das Recht volgends das Gesetz oder Handels- oder Fabrikations-Brauch, bei Fabrikation von Chagrinpapier, bei Bestellung 2800 Bogen. Antwort: Wir kennen keinen Handelsbrauch, welcher den Käufer zwingt, mehr Buntpapier anzunehmen, als er gekauft hat. Wenn der holländische Fragesteller jedoch eine besondere Anfertigung bestellte, entspricht es der Billigkeit, daß er ein et waiges mäßiges Mehrergebnis, welches für den Fabrikanten wenig Wert hat, annimmt. Verantwortlicher Schriftleiter Siegmund Ferenczi, Friedenau. Zicschriften nur an Papier-Zeitung, Berlin W 9, erbeten. Druck von A. W. Hayn’s Erben, Berlin SW, Zimmer-Straße 29 Hierzu eine Beilage von W. Busch & Co., Maschinen-Fabrik, Oberursel b. Frankfurt a. M.