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Nr. 65 Mitarbeiter und Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung 2398 Sachliche Mitteilungen finden kostenfreie Aufnahme Buchdruck *** *** Steindruck Bestechung der Angestellten In der Hauptversammlung des Vereins Deutscher Zeitungs- Verleger, Dresden, 17. Mai, hielt Herr Kloß, »Fränkischer Kurier«, Nürnberg, einen im »Zeitungs-Verlag« abgedruckten Vortrag, der allgemeine Aufmerksamkeit verdient. Nach einigen einleitenden Sätzen sagt er: Die Bestechungsfrage ist so brennend geworden, daß auch der D. B.-V. sich veranlaßt gesehen hat, sich mit derselben eingehend zu beschäftigen, dessen Vorstand geht sogar mit der Absicht um, beim Reichsjustizamt um entsprechende Abänderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb zu petitionieren. Die Bestechung hat sich nicht nur in unserem, sondern in vielen anderen Berufsarten eingebürgert, und wir befinden uns in dieser Hin sicht in sehr großer und guter Gesellschaft. Das niederdeutsche Sprichwort: »Wer gut schmeert, der gut fährt!« hat in allen Zweigen des Handels, der Industrie wie auch des Gewerbes leider eine un angenehme Bedeutung erlangt: Bestochen, oder wie der bezeich nendere Ausdruck lautet: »Geschmiert«, wurde zu allen Zeiten und in vielen Berufsarten, nur geschah dies im Buchdruckgewerbe noch vor etwa 20 Jahren in etwas anständigerer Form als heutzutage. War es damals mit wenig Ausnahmen Gebrauch, einen Angestellten, dem man verpflichtet zu sein glaubte, und dem man es bieten durfte, zu einer Flasche Wein einzuladen, so gibt man sich heute mit derartigen Kleinigkeiten nicht mehr ab, sondern gewährt und verlangt bares Geld, bemißt die Höhe des Schmierbetrages in Prozenten der Auf tragssumme und nennt diese Schmiergelder, damit es doch besser klingt, Provision! Der Unfug ist so sehr eingerissen, daß oft hochachtbare Firmen der Schriftgießerei, des Farben-, des Papierfachs mit demselben zu rechnen gezwungen sind, wenn sie einen Kunden nicht verlieren wollen. Wo z. B. ein bestechlicher Maschinenmeister Einfluß auf die Farbenbestellungen hat, da kann keine anständige Fabrik, und wenn sie noch so gute und dabei billige Farbe liefert, die schmierende Firma hinausbringen. Gelingt es ihr aber doch einmal, eine Probe- Lieferung zu erhalten, dann ist 100 gegen 1 zu wetten, daß die Sendung durch eine der vielen zu Gebote stehenden Manipulationen minderwertig oder unbrauchbar gemacht und der Erfolg vereitelt wird. Anstatt des erhofften Abschlusses bekommt dann die Firma ablehnen den Bescheid und ist so für unabsehbare Zeit bei dieser Offizin kalt gestellt. Wie bei der Farbe, so ist es bei den Schriften, dem Papier und nicht zuletzt bei dem Schmieröl! Hunderte von Beispielen ließen sich dafür anführen! Der eine oder andere Chef ahnt ja wohl, daß bei den Be stellungen nicht alles mit rechten Dingen zugeht, aber er ist entweder machtlos dagegen, da er keine Beweise für seine Vermutungen hat, oder er glaubt in dem Angestellten eine tüchtige Kraft zu besitzen, bei der man durch die Finger schauen und das Uebel mit in Kauf nehmen müsse. Als ob ein Angestellter, der das Geschäfts-Interesse gleichsam mit Füßen tritt, ein guter, schwer zu ersetzender Arbeiter wäre! Aber nicht nur die Buchdruckereibesitzer, auch der Fabrikant, der das Bestechen nur notgedrungen mitmacht, leidet unter diesem Mißstände. Er muß unter Umständen einen Geschäftsfreund, an dessen Kundschaft ihm viel gelegen ist, man möchte wohl fast sägen hintergehen, nur um im Geschäft zu bleiben. Geht ihm die Sache aber endlich zu weit, und kündigt er dem Provision beanspruchenden Angestellten die Freundschaft, dann verliert er auch den Kunden sicherlich binnen kurzer Zeit, und ein weniger skrupulöser Kon kurrent rückt an seine Stelle. Daß unter diesen Umständen dem an ständigen Lieferanten das legale Geschäft sehr erschwert wird, ist begreiflich. Legen wir uns die Frage vor, wem denn eigentlich die Schuld an dem bestehenden Schmiersystem beizumessen sei, so kann die Antwort nur lauten: Unseren Lieferanten selbst, d. h. einem großen Teil derselben; alle sind ja nicht dafür verantwortlich zu machen. Die das Bestechungsunwesen kultivierenden Lieferanten gehen selbst oder senden ihre Reisenden wie alle anderen bekanntlich hinaus, um mög lichst viele und umfangreiche Aufträge hereinzubringen. Wird ihnen das nun bei der einen oder anderen Firma aus irgend einem Grunde auf direktem Wege erschwert, so versuchen sie es auf indirektem. Sie pürschen sich dann an die maßgebenden Angestellten heran, machen ihnen entsprechende Anerbietungen und erreichen leider in vielen Fällen ihren Zweck, bei Neulingen schwerer, bei den in der Sache Erfahrenen leichter. Es ist zweifellos, daß die auf diese Weise Verführten in 99 und 100 Fällen, ehe der Versucher zum ersten Mal an sie herantrat, treue rechtschaffene Mitarbeiter waren und es auch ohne diese Versuchung geblieben wären! Die Fälle, in denen bisher treue Angestellte aus eigenem Antriebe um Provision an die Lieferanten herantreten, dürften mit der Laterne zu suchen sein! Fast immer, ich betone das nochmals, ist der Lieferant der Verführer. Und mit welcher Kühnheit gehen manche dieser Leute vor! Ich kenne Fälle, in denen durchaus zuverlässige Angestellte wiederholt von Schrift-, Farben- oder Papierlieferanten, welchen die Rechtschaffenheit dieser Leute bekannt sein mußte, in ihrer Wohnung belästigt wurden. Der eine führte sich mit einem Zigarrenetui, der andere mit einigen Tafeln Schokolade für die Kinder ein, wieder andere sicherten ohne weiteres Provision für ver mittelte Aufträge zu. In einem weiteren Falle wurde sogar auch dem als unantastbar bekannten Leiter einer angesehenen Offizin von einer Fabrik, ohne daß die geringste Veranlassung dazu vorlag, zu Weihnachten ein dreiviertel Meter langer Stollen gesandt. Der Direktor einer großen Firma mußte sich von einem Fabrikanten, der ihn auf der Heimreise aus dem Bade besuchte, sagen lassen, er möge von den Fakturenbeträgen nur immer 5 pCt. für sich abziehen! Demselben Herrn passierte es beim Handel wegen einer größeren Lieferung, daß der Lieferant, als er seinen Preis nennen sollte, zögernd sagte, er wisse noch nicht, was der Besteller daran ver dienen wolle! Diese wenigen tatsächlichen Vorkommnisse zeigen, wie es ge macht wird, und daß selbst leitende Personen nicht mehr vor den Zu dringlichkeiten mancher Lieferanten sicher sind. Wir dürfen uns darum auch nicht wundern, wenn das Bestechungswesen in den unteren Klassen der Angestellten immer mehr an Boden gewinnt. Viele widerstehen anfangs, erst die sich immer wiederholenden An erbietungen machen sie schließlich nachgiebig. Haben sie aber ein mal für erwiesene Gefälligkeiten den klingenden Lohn empfangen, dann schwinden auch in der Regel die letzten Bedenken, und die Begehrlichkeit geht dann so weit, daß sie die Lieferanten bei jeder Gelegenheit brandschatzen und sie sogar für die diversen Geburtstage der Familienmitglieder sowie auch für sonstige in der Familie vor kommende Festlichkeiten in nicht mißzuverstehender Weise zu inter essieren wissen. Es gehört nicht zu den Seltenheiten, daß Lieferanten selbst zu Taufpaten von Kindern der von ihnen bestochenen An gestellten gepreßt worden sind. Trotzdem nun diese Art Lieferanten unter dem von ihnen groß gezogenen Schmiersystem, dieser Schraube ohne Ende, selbst empfind lich zu leiden haben, trotzdem — und das ist das Verwerfliche an der Sache — sind sie oder ihre Vertreter fortgesetzt an der Arbeit, die Zahl unserer rechtschaffenen Angestellten durch ihre Verführungs künste zu vermindern. Daß der Buchdruckereibesitzer den größten Teil der Bestechungs gelder selbst bezahlen muß, liegt auf der Hand. Der arglose oder nicht fachmännisch erfahrene Chef wird von ungetreuen Angestellten zu allen möglichen Anschaffungen von Schriften, oft in größeren als benötigten Quantitäten, überredet, bei Farbe wird eine bessere Qualität gewünscht, die wohl teurer, aber nicht immer auch besser ist oder, was ich selbst schon in meinen jungen Jahren gesehen habe, der Kessel wird mit Farbe angeheizt und so für erhöhten Verbrauch und größeres Provisionseinkommen gesorgt. Daß, wo es sich um Rotationspapier handelt, ein ungetreuer Maschinenmeister, wenn man ihn nicht von der Maschine wegkommandiert, sich selbst an diese stellt und das Papier bremst, es leicht fertig bringt, das beste Papier wie auf Kommando reißen zu lassen, wird Ihnen ja auch bekannt sein! Wo solch ein unzuverlässiger Mann im Betriebe ist, muß der Papierfabrikant, wenn er den Kunden nicht verlieren will, tribut- pflichtig sein! Ich habe einmal einen Maschinenmeister, von dem ich wußte, daß er bestechlich war, nach jahrelangen Bemühungen mit Hilfe einer Papierfabrik eingefangen. Ich bekam von dieser Firma, der ich es heute noch danke, einen ihr von dem Maschinenmeister geschriebenen, Brief, in welchem sich u. a. der Passus befand: »Wenn Sie mir nicht 3 M. pro Rolle zahlen, vertrete ich Ihre Interessen nicht!« Das war zu der Zeit, als man das Rotationspapier noch nach der Bogenzahl, die der an der Rotationsmaschine angebrachte Zähler ergab, berechnete. Wie nützlich konnte sich da ein so ungetreuer Knecht der Papier fabrik erweisen, wie konnte er sie aber auch schikanieren, wenn sie ihn nicht bei guter Laune erhielt! Ein vor etwa 10 Jahren ge führter Strafprozeß gegen einen bekannten Chefredakteur deckte ja übrigens auch dessen intime Beziehungen zu dem Papier- Lieferanten auf. Um hier Wandel zu schaffen, ist es notwendig, daß jeder Chef den Lieferanten den Zutritt zu den Arbeitsräumen und den Verkehr