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942 <_ Sachliche Mitteilungen finden kostenfreie Aufnahme Nr. 26 Buchdruck *** # # Steindruck Mitarbeiter und Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung Buchgewerbe Buchbinderei * • *** Buchhandel Berliner Typographische Gesellschaft Die gut besuchte Sitzung vom 22. März wurde von Herrn Könitzer geleitet. Derselbe gab folgende Eingänge bekannt: von der Firma Kast & Ehinger durch Herrn Oscar Jäger mehrere Exemplare eines farbigen Reklame-Plakats, von der Firma Gauger in Ulm zahlreiche Musterblätter von Farben proben, von der Buchdruckerei H. Brücker in Friedenau einige Akzidenzen, vom Deutschen Papier-Verein ein Programm zu der im Juni dieses Jahres zu veranstaltenden Jubiläums- Ausstellung und von dem Herausgeber der »Annales de l’imprimerie« in Brüssel einige Prospekte zu einem inter nationalen Wettbewerbe zur Erlangung von Entwürfen für ein Zirkular und einen Briefkopf. Ferner gab der Vorsitzende das Programm der Fachhlasse für Typographen an der ersten Handiverkerschule zu Berlin für das Sommersemester bekannt. Als Mitglied wurde aufgenommen Herr Akzidenzsetzer Georg Bruchholz, zur Mitgliedschaft angemeldet die Herren Otto Schulz, Gartenstraße 31, und Franz Schabitz, Akzidenz setzer in der Buchdruckerei W. Vobach & Co. Ausgestellt waren im Buchgewerbesaal außer einer Anzahl neuer Kalender zahlreiche Arbeiten des Buchkünstlers Herrn Bernhard, Drucksachen der Steglitzer Werkstatt und Skizzen unseres Mitgliedes Herrn Liebisch. Für die Bibliothek wurden der neue Band von Klimsch’s Jahrbuch, das Cohn-Rübenkamp’sche Buch: »Wie sollen Bücher und Zeitungen gedruckt werden«, und das vom Buch druckereibesitzer Pöschel in Leipzig verfaßte Werkchen: »Zeit gemäße Buchdruckerkunst« angeschafft. Hierauf hielt Herr Kunstschriftsteller Dr. Dresdner den an gekündigten Vortrag über das Thema: »Handwerker und Künstler« Der Redner bemerkte einleitend, daß er die Frage, wie der Handwerker künstlerisch arbeiten solle, nicht behandeln wolle, sondern lediglich die Beziehungen zwischen beiden, welche eine ganze Reihe von Problemen ergeben und führte dann u. a. folgendes aus: Für genügenden Erfolg der Führungen von Arbeitern und Handwerkern in Museen fehlt es vielfach an den notwendigen Voraussetzungen. Der Besucher muß sich bei der Betrachtung eines Kunstwerkes fragen, was will ich von dem'Kunstwerk, was suche ich in demselben, und was kann ich darin finden. Die Kunst ist nicht als ein Luxus an zusehen, welchen sich lediglich die wohlhabenden Volksklassen leisten können; wäre dies der Fall, dann wären die Auf wendungen des Staates für die Museen verschwendet und würden besser anderen Zwecken zugewendet. Die Kunst muß einen unmittelbaren praktischen Wert haben und zwar für jeden Stand, für jeden Beruf. Mit welchen Forderungen soll nun der Handwerker an die Kunst herantreten? Nehmen wir ein Rubens'sches Gemälde. Dasselbe entsteht wie jede andere Arbeit. Der Auftraggeber will sein Heim schmücken und gibt dem Künstler seinen Auftrag; der Künstler aber läßt sich den Wert seiner Arbeit bezahlen. Der Unterschied zwischen handwerksmäßiger Arbeit und der Tätigkeit des Künstlers liegt nun darin, daß der Künstler, der seine Kunst ebenfalls geschäftlich ausnutzt, nach der Uebernahme eines Auftrages nur noch von dem Gedanken beseelt wird, sein Bild so vollkommen wie möglich herzustellen, und dieses Streben nach höchster Vollendung gibt seiner Arbeit die höchste Würde. Die Arbeit wird ihm Selbstzweck, sie wird ihm etwas Heiliges. Hierfür hatten die Handwerker der alten Zeit das richtige Verständnis, und die Künstler wirkten als Lehrer der höchsten Vollendung auch der handwerksmäßigen Arbeit. Sehen wir uns ein Rubens’sches Madonnenbild an, so finden wir, daß der Künstler alles, was auf dem Bilde zu sehen, sei es die Architektur, seien es Möbel, Teppiche, Juwelen, Vasen oder was sonst immer, in einer solchen Vollendung wieder gibt, die über die Wirklichkeit hinausgeht. Der Handwerker ist mit seiner Arbeit an das Material gebunden, und die Schwierigkeit seiner Bearbeitung steckt ihm bestimmte Grenzen. Die Phantasie des Künstlers kennt solche nicht, sie führt die Gegenstände in einer vielleicht garnicht erreichbaren idealen Form vor, und hierdurch wird der Künstler zum Lehrer der höchsten Schönheit. Alle Kunst aber steht in enger Beziehung zum menschlischen Leben. Jede Arbeit, jedes künstlerische Schaffen hat nur Wert in Beziehung auf den Menschen, für den es bestimmt ist, und je höher die Vorstellung von dieser Person oder dieser Menschenklasse ist, desto vollendeter wird die Arbeit sein. Da aber vieles nicht für den einzelnen Menschen, sondern für größere Gruppen, für Klassen von Menschen oder für die gesamte Menschheit geschaffen wird, so bedarf es der Vorstellung eines Ideals. Jede Zeit aber, jede Nation, jede Kulturstufe hat ein anderes Ideal, hat eine andere Möglichkeit der höchsten Vollendung, welche die Menschheit als ihr Ideal betrachtet. Jede große Zeit im Leben eines Volkes entwickelt einen Ueberschuß an Kraft, der nach neuen Idealen drängt, und der Künstler ist es, welcher dieses Ideal sichtbar machen muß. Er muß aus der Gesamtheit seiner Mitmenschen das herausfühlen, sammeln und zum Ausdruck bringen, wonach der Zeitgeist drängt. Jeder großen Ent wicklungsperiode geht eine Zeit der Unruhe und des Un behagens voraus. Das zeigte sich z. B. bei der Entwicklung der Renaissance. Die Italiener standen den Kunstwerken des byzantinischen Stils, den Madonnen- und Heiligenbildern kalt gegenüber. Erst der Künstler Giotto und seine Nachfolger schufen ihnen ein neues Ideal, indem sie die Menschen ihrer Zeit in idealer Gestalt, ihre Architektur, ihre Möbel, ihre Ge wänder in idealer Form verkörperten und eine nationale Kunst schufen. In einem ähnlichen Zustande der Entwicklung be finden wir uns gegenwärtig. Auch hier macht sich eine über schießende Kraft geltend, die in der Bewegung der Sozial demokratie, in den kolonialen Bestrebungen und auf vielen anderen Gebieten zum Ausdruck kommt. Noch aber fehlt das Ideal; es fehlen die großen Künstler zur Sichtbarmachung des von der Nation geahnten Idealzustandes. Alle großen Künstler früherer Zeit haben eine schwere Lehre durchmachen müssen und sich derselben nicht geschämt; sie haben mit großer Verehrung zu ihren Meistern aufgeblickt, aber dennoch wollte keiner der Sklave der Tradition werden, und seine Werke zeigten immer mehr oder weniger stark seine Individualität. Dies lehrt uns, daß alle menschliche Arbeit aus der Uebernahme und Vervollständigung der Tradition besteht. Eine weitere wichtige Frage der Gegenwart ist das Verhältnis des Handswerks zur Maschinenarbeit. Ohne Zweifel überrennt die Maschine in unserem Zeitalter alles, was sie erreichen kann. Der Handwerker hat deshalb Gebiete aufzusuchen, auf denen er persönlich werden und die individuelle Arbeit zur Geltung bringen kann. Wir stehen in einer Renaissance-Zeit, in welcher das Persönliche die Hauptsache wird. Fehlt es auch vielleicht noch an Absatzgebieten für die persönliche Arbeit mit ihren der Maschinenarbeit gegenüber teureren Er zeugnissen, so kann dieser Zustand nur vorübergehend sein. Die Existenz des Handwerks hängt davon ab, ob der Hand werker imstande ist, nach dem Vorbild des Künstlers in der individuellen Arbeit sich zu betätigen. Das praktische Leben soll nicht ehrfurchtsvoll die Kunst bewundern, es soll For derungen an dieselbe stellen. Jeder Beruf, jeder Stand kann fordern, daß die Kunstwerte, die er mit Verständnis des Gegen standes betrachtet, auch die Wahrscheinlichkeit für sich haben. Sie müssen ihm etwas für sein praktisches Leben verwertbares sagen und dürfen ihm nicht Dinge zeigen, die nach seiner Lebenserfahrung unmöglich sind. Das Volk aber muß die Künstler dahin drängen, nur so gelangen wir aus der Zeit der Unruhe zu neuen, dem Zeitgeist entsprechenden Idealen. An den mit lebhaftem Beifall aufgenommenen Vortrag schloß sich ein Meinungsaustausch, an welchem sich außer