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2, .C Buchgewerbe Buchbinderei * * Buchdruck *** *** Buchhandel * * * Steindruck Eingesandte Werke finden Besprechung • Nr. 3 Mitarbeiter und Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung 74 ~ Sachliche Mitteilungen finden kostenfreie Aufnahme Berliner Typographische Gesellschaft Zu der am Dienstag, 12. Januar 1904, abends 9 Uhr, im Berliner Buchgewerbesaal, Friedrichstraße 231, stattfindenden ordentlichen Generalversammlung werden die geehrten Mitglieder mit der Bitte um pünktliches Erscheinen ergebenst eingeladen. Da es sich hierbei auch um wichtige Beschlüsse für die Feier des 25jährigen Bestehens der Gesellschaft handelt, ist es eine Ehrenpflicht für alle Mit glieder, in der Versammlung zu erscheinen. Der Vorstand TAGES-ORDNUNG: 1. Geschäftliches. Eingänge. 2. Erstattung des Jahresberichts seitens des Vorstandes. 3. Erstattung des Kassenberichts und Entlastung des Kassierers. 4. Wahl des Vorstandes. 5. Wahl einer technischen Kommission. 6. Erledigung der bereits vorliegenden und noch eingehenden Anträge: a) Beschlußfassung über die Begehung des 25. Stiftungsfestes. b) Erhebung einer vierteljährlichen Extrasteuer für diesen Zweck. c) Wahl eines Fest-Ausschusses. d) Wahl einer Ausstellungs-Kommission. Die neuesten Fachschriften sowie die Sammlung von 25 Bänden des Volckmar’schen Weihnachts-Kataloges liegen von 8 Uhr ab im Vereinslokale aus. Ganz besonders werden die geehrten Mitglieder noch auf die bei Gelegenheit der Generalversammlung im Buchgewerbe saal ausgestellte sehr zahlreiche und interessante Sammlung von Neujahrskarten und Kalendern aufmerksam gemacht. Der neue Stil Wie jede andere Kunst, ist auch die Buchkunst ein Produkt ihrer Zeit. Die Anschauungen und Gewohnheiten einer Epoche, das Bedürfnis nach Glanz und Wohlleben oder die Rückkehr zu Einfachheit und Strenge äußern sich in den Gegenständen, mit denen man sich umgibt, in der Wahl der Muster, der Farben, in Kleidung und allem, was nicht nur einem Nutz zweck entspricht, sondern vorwiegend auf die Sinne zu wirken bestimmt ist. Es gibt Stilarten, die aus ihrer Zeit heraus geboren wurden, wie die Gotik, Renaissance, Barock, Rokoko usw., in gewissem Sinne auch die noch zu keinem greifbaren Ganzen zusammen geschlossenen, aber von vielen bedeutenden Künstlern auf gegriffenen heutigen Linienmuster. Der Geschmack der Menge wendet sich nach kurzer Befriedigung immer wieder von solchen Kunststilen ab, die ihm innerlich fern stehen. Einen dauernden Stil, der sich den wechselnden geistigen Anschauungen anpassen könnte, wird es nur in sehr anspruchs losen Ländern geben, deren Bevölkerung im Nationalitäts gedanken aufgeht und ein abgeschlossenes Leben führt, wie z. B. Rußland, China, im gewissen Sinne auch Japan. Der Kulturmensch verlangt umso schnelleren Wechsel in den ihn umgebenden Formen, als diese ihn wohl augenblicklich reizten, ihm sonst aber fremd blieben. So sehen wir die Stilarten vergangener Jahrhunderte in derselben Folge wieder auftauchen, in der sie sich zu ihrer Zeit entwickelten und ablösten, und so haben wir heute nach dem freundlichen Rokoko den Stil Louis seize und den des ersten französischen Kaiserreichs — das Empire — in Möbeln und Geräten, etwa aus denselben Gründen wie damals, wo man sich am Reichtum des Rokoko übersättigt hatte und nach der lustigen Zeit der Schäferspiele in das andere Extrem fiel, zu streng und bigott zu werden. Das heutige Empire geht einträchtig neben den eigen artigen Formen her, die noch keinen Namen haben, sondern nur als moderne Linien bekannt sind. Beide Stilarten sind streng und einfach und geben jede in ihrer Art ungefähr das wieder, was man in Kunstformen augenblicklich sehen möchte. Ein eigentümliches Gemisch von alten und neuen Formen bietet die gegenwärtige Buch-Ausstattung. Wir waren eben mit Gotik und Renaissance fertig geworden und hatten Rokoko hinter uns, um ein wenig Japanismus zu treiben, als es einigen Kunstfreunden einfiel, die Bücherdrucke des 15. und 16. Jahr hunderts als erstrebenswertes Ziel hinzustellen. Da gleich zeitig die neuen Formen auf kamen, verband man beides und glaubte, nun gütige Regeln für immer gefunden zu haben. Dies war ein Irrtum. Von einem bleibenden Stil sind wir heute soweit entfernt wie zu irgend einer Zeit, weil auch unsere Neigungen, Gewohnheiten und Ansichten wechseln. Und vom Rechteck als Flächenfüllung werden wir ebenso abtreiben, wie wir die architektonischen Rahmenformen und die unlogische Freimanier aufgaben, als wir ihrer satt waren. Es gibt viele Wege, das Rechteck zu dekoriren, und wer da sagte, daß die Japaner es am besten verstünden, der wird nicht weit von der Wahrheit entfernt sein. Gegen die japani schen Flächenkünstler sind die unsrigen Kinder. Wer aber meint, daß die Wiederbelebung der Formen und Manieren un serer Vorfahren in der Buchausstattung das Rechte sei, der vergißt, daß unser Denken und Empfinden anders geworden ist, daß wir Dampf und Elektrizität beherrschen, bei Glühlicht die Abendzeitung lesen usw. Die mittelalterliche Buch-Aus stattung setzt das Milieu voraus, dem die ersten Meister der damaligen Zeit ihre Anregungen verdankten. Das Versenken in die alte Druckkunst mag das Gute haben, uns wieder an reinere, strengere Auffassungen zu .gewöhnen. Jene Meisterwerke sollen uns ein Vorbild sein, nicht das Ziel. Wollten wir sie beleben, so müßten wir sie auf unsere Zeit übertragen — dann bliebe aber kaum mehr als das Prinzip übrig, einheitlich und zweckmäßig zu arbeiten. Ebenso falsch wie die mechanische Uebertragung alter Formen ist die Anschauung, daß die Fläche immer eine flächige Darstellung verlange, daß Illustrationen, Schriften, Dekorationsteile nicht plastisch wirken dürften. Hier muß zu nächst der Zweck entscheiden. Ist es für den Vorkauf eines Artikels oder um eine deut liche Anschauung z. B. einer Landschaft zu gewinnen, förder licher, die Abbildung plastisch zu halten, so ist dies das Zweck mäßige, also das Rechte. Von Maschinen, über deren Aussehen und Wirkungsweise sich der Interessent möglichst aus Bild und Beschreibung unterrichten will, soll man Fotografien oder die diesen am nächsten stehenden Autotypien geben, nicht aber in Schwarz-Weiß-Manier gehaltene Holzschnitte. Gute Dreifarbendrucke von Gemälden vermitteln uns eine bessere Kenntnis der Originale, als die dem Kunstfreunde mehr zu sagenden Kupferstiche. Schriften, die plastisch aus der Fläche hervorzutreten scheinen, wirken für Reklamezwecke besser als flächige Formen. Da Zweckmäßigkeit das erste Kunstgesetz ist, so bedarf es keines besonderen Beweises, daß diejenigen sieh irren, die eine rein flächige Darstellung für alle Drucke verlangen. Es scheint überhaupt, als ob die Nebenbeschäftigung mit Kunstfragen ein gefährliches Spiel für Leute sei, die als Historiker oder sonstwie mit allgemeiner Bildung versehen — zufällig auf das Gebiet der Druckkunst verschlagen werden. Und deren gibt es viele. Kein wirklicher Künstler wird sich so entschieden über Gut und Böse äußern, wie diese Herren. Der gesunde Menschenverstand der Drucker und Verleger korrigiert zwar vieles Falsche, aber da die Auslassungen einiger künstlich großgezogener Autoritäten durch die Fachpresse gehen, so entstehen doch manchmal Bewegungen, die einen gewissen Umfang annehmen und den Druckereien erhebliche Kosten machen.