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870 PAPIER-ZEITUNG Nr. 24 Wasser- und Bahnversand 228. Schiedspruch Aw Oesterreich Wir haben mit dem Ausfuhrhaus X. vereinbart, Ihr Urteil in nachstehender Streitsache einzuholen und uns demselben bedingungs los zu fügen. Wir haben mit der Firma X. einen Jahresschluß auf Papier, und davon sollten 10 000 kg am 21. November 1908 und 10 000 » » 28. » 1903 abgehen. Mit Schreiben vom 13. November 1903 bestätigte X.: »Eventuelle Bahnfrachtdifferenz bis f. o. b. zu meinen Lasten«. Infolge Force majeure konnten wir jedoch erst am 10. und 16. De zember 1903 liefern. Den ersten Waggon, der noch zu Wasser hätte verladen werden können, haben wir, um den Waggon raschest abzu liefern, ohne erst ein Wort darüber zu verlieren, mit der Bahn ver sandt und die Kosten auf uns genommen. Am 15. Dezember 1903 wurde die Schiffahrt offiziell geschlossen, und die Speditionsfirma Sch. teilte uns mit, daß Verladung über unseren Umschlagplatz in Sch. absolut unmöglich sei. Wir haben daher diesen zweiten Waggon am 16. Dezember 1903 mit der Bahn versandt und der Firma X. die Bahnfrachtdifferenz aufgerechnet. X. will jedoch diese nicht zahlen und meint, die Verladung zu Wasser wäre möglich gewesen, da auch später noch Verfrachtungen per Wasser vorgekommen seien. Wir bemerken dazu: Wasser-Verfrachtung von einzelnen größeren Umschlagplätzen ab kommt den ganzen Winter hindurch ab und zu vor, doch ist das keine verläßliche Beförderungsart. Auch kommt hier nur unser Umscblagplatz Sch. in Betracht, über welchen eine Ver ladung ausgeschlossen war. Der Firma X. haben wir eine amtliche Bescheinigung erbracht, daß die Verzögerung der Lieferung durch force majeure verursacht wurde; ferner haben wir der Firma X. Berichte der Frachtenbörse in A. und eine Erklärung der Speditionsfirma Sch. zugesandt, woraus ersichtlich war, daß eine Verladung am 16. Dezember 1903 zu Wasser unmöglich war. . Papierfabrik Y. in B. * * * Deutsche Hafenstadt Am 10. November 1903 war unser Prokurist, um eine wichtige Order, über die schon 14 tägige Korrespondenz schwebte, zum Ab schluß zu bringen, nach B. gereist. Die Order (150 000 kg Papier, wovon 20 000 kg in 2 Raten abgerufen und spezifiziert waren) wurde perfekt, unter der Bedingung, daß 10000 kg bis zum 21. November, die andern 10 000 kg am 28. November zur Abladung kommen sollten. Von unserer Seite wurde zugegeben, daß der zweite Waggon per Bahn auf unsere Kosten geschickt werden könne, falls zu diesem Termin die Schiffahrt bereits geschlossen sei. Unter dem 18. November telegraphierte die Papierfabrik Y. an ihre hiesigen Vertreter: »die erste Rate der Lieferung kann erst Ende nächster Woche abgehen, da wir infolge eines Walzenbruches an unserer Maschine I an der Ausführung der Aufträge gehindert sind«. Den Nachweis des Walzenbruches hat uns die Fabrik erbracht. Der zum 20. November zuerst festgelegte Termin wurde hierdurch auf den 28. verlegt und für den zweiten Waggon auf den 5. Dezember. Wir haben unter außergewöhnlichen Schwierigkeiten trotz dieser Ver zögerung eine für uns noch verlustfreie Einigung mit unserem Kunden erzielt. Die Firma Y. hat jedoch diese Termine nicht eingehalten und schrieb uns am 28. November: »Zu Ihrer Beruhigung teilen wir Ihnen mit, daß die 20 000 kg Zellstoff bereits auf der Maschine sind, und daß voraussichtlich 10 000 kg Mitte und 10 000 kg Ende nächster Woche an Sie abgehen.« Diese Termine wären der 2. und 5. Dezember gewesen. Unter dem 1. Dezember antworteten wir hierauf: »Wegen der Ablieferung unseres Auftrages bedauern wir, daß sich dieselbe nochmals verzögert hat, und bemerken, daß wir für eventl. Bahnfracht-Differenz nicht aufkommen können.« Hiermit war die Firma Y. stillschweigend einverstanden. Sie hat auch die schon zum zweiten Male verlängerten Termine vom 2. und 5. Dezember wiederum nicht eingehalten, sondern die ersten 10 000 kg am 8. Dezember zu Wasser, die zweiten 10 000 kg am 16. auf der Bahn verladen, weil angeblich die Schiffahrt schon geschlossen war. Dafür sind 115 M. Extrakosten entstanden, um deren Tragung die Differenz entstanden ist. Die Fabrik ist unter allen Umständen also mit ihrer Lieferung im Verzug gewesen, und hätten wir sie schon aus diesem Grunde für die schweren Anstände verantwortlich machen müssen, die wir wegen dieser verzögerten Lieferung mit unserem Kunden gehabt haben, und die uns nicht allein einen schweren Schaden, dadurch, daß der Kunde einen weiteren Kontrakt dieser schlechten Bedienung wegen nicht wieder mit uns getätigt hat, verursacht hat, sondern wir haben auch einen momentanen direkten Verlust erlitten, indem unser Kunde uns einfach unsere diesbezügliche Zahlung für längere Zeit hinaus vorbehalten hat. Wir behaupten nun, daß die Fabrik Y. unter allen Umständen die Bahnfracht bezahlen muß: 1. Weil sie im LiefernngsVerzug war (den Lieferungsverzug, der durch den Walzenbruch als Force majeure entstanden ist, rechnen wir hierbei nicht mit, sondern halten uns einfach an deren eigene, schon vorstehend erwähnten Zusicherungen vom 18. und 28. November). 2. Weil zu jener Zeit eine Verschiffung zu Wasser vollkommen gut möglich gewesen wäre. Die Fabrik Y. bestreitet dies, indem sie sich in erster Linie auf Aussagen der Speditionsfirma Sch. stützt, die wir jedoch nicht als richtig anerkennen, sondern deren Unrichtigkeit sich aus nachstehenden Ausführungen ergibt. Aus Zeitungs- und den Berichten verschiedener Schiffahrts-Gesell schaften geht deutlich hervor, daß die Schiffahrt am 16. Dezember noch unbehindert war. (Folgen Abschriften und Auszüge aus zahl reichen dies bestätigenden Berichten.) 3. Falls, was nach vorstehenden Berichten zu bestreiten ist, trotz dem am 16. Dezember eine Verladungsgelegenheit in dem Hafen der Fabrik Y. nicht vorlag, so hätte diese auf Grund unseres Briefes vom 1. Dezember, mit dem wir sagten, wir würden eine durch eine Bahn verladung entstehende Differenz nicht tragen, telegraphisch bei uns anfragen müssen, um eine Verständigung herbeizuführen, ob sie die Sendung nicht nach einem etwas weiter stromabwärts liegenden Hafen mit der Bahn dirigieren solle, um dort eine leichtere Wasserverladung zu ermöglichen. Dieses haben die Herren jedoch nicht getan. Wir bitten Sie daher, die Firma Y. zur Zahlung der Bahnfracht- Differenz von 115 M. zu verurteilen. Ausfuhrhaus X. Für die ersten zwei Teilsendungen von je 10000 kg war ein Fixgeschäft zustande gekommen, der Maschinenbruch hatte es aber der Papierfabrik Y. unmöglich gemacht, zu dem ver einbarten Termin zu liefern, demzufolge war sie von der Liefer pflicht an den festgesetzten Tagen entbunden. Das Ausfuhr haus X. nahm den von der Fabrik Y. am 18. November an gebotenen neuen Liefertermin an. Dieser lautete »Ende nächster Woche«. Der auf diese Weise zustande gekommene Vertrag war kein Fixgeschäft, dazu ist der Termin »Ende nächster Woche« ohne »kassatorische Klausel« unseres Erachtens zu unbestimmt. Auch konnte der Fabrikant am 18. November noch nicht bestimmt wissen, wann die beschädigte Maschine wieder arbeitsfähig sein werde. Das Ausfuhrhaus X. war dem nach nicht berechtigt, auf Lieferung genau zum 28. November und 5. Dezember zu bestehen. X. tat dies auch nicht und beanstandete ebensowenig die Mitteilung der Fabrik Y. vom 28. November, wonach die Ware voraussichtlich Mitte und Ende nächster Woche, d. h. etwa am 2. und 5. Dezember, ab gehen werde. Die Bemerkung des Ausfuhrhauses X. vom 1. De zember, daß es für etwaige Bahnfracht-Differenzen nicht auf kommen könne, ist eine einseitige Erklärung, die den Ver käufer nur dann binden konnte, wenn er in Verzug geraten wäre, was aber nach obigem nicht der Fall war. Grund 1 in den Ausführungen des Hauses X. erkennen wir demnach nicht als stichhaltig an. Die Angabe der Papierfabrik Y., daß die Schiffahrt am 15. Dezember amtlich geschlossen wurde, ist durch die uns yorgelegten Zuschriften und Berichte verschiedener Elb- schiffahrt-Gesellschaften widerlegt. Diese besagen einstimmig, daß die Elbschiffahrt erst am 24. Dezember amtlich als ge schlossen erklärt wurde. Die Papierfabrik Y. war nicht be rechtigt, die Mitteilung ihres Spediteurs, wonach die Schiff fahrt geschlossen sei, als maßgebend zu betrachten. Sie hätte sich überzeugen müssen, ob die Schiffahrt tatsächlich ge schlossen war, denn nur dann durfte sie die zweite Ladung auf Kosten des Ausfuhrhauses mit der Bahn senden. Ander seits gehf aus einem Bericht hervor, daß in den ersten Tagen des Dezembers die Schiffahrt infolge Kälte und Eis vorüber gehend stockte, auch mußte die Papierfabrik infolge der bereits eingetretenen Verzögerung des Versandes bemüht sein, die Ware möglichst rasch und sicher nach dem Ausfuhrhafen zu befördern, und sie handelte mit der Sorgfalt eines ordent lichen Kaufmannes, als sie statt des um diese Jahreszeit un sicheren Wasserweges den Bahnversand wählte. Obwohl die Papierfabrik Y. nicht in Verzug geraten war, ist sie doch für die lange Dauer der Maschinenreparatur und für die dem Ausfuhrhaus dadurch entstandenen Verlegenheiten bis zu einem gewissen Grade moralisch haftbar. Unter Ab wägung aller dieser Umstände entscheiden wir, daß das Ausfuhr haus und die Papierfabrik die Bahnfracht-Differenz zu gleichen Teilen tragen sollen. Die Papierfabrik Y. darf also dem Aus fuhrhaus X. nur die halbe Bahnfracht-Differenz, nämlich 57 M. 50 Pf., aufrechnen. • •00• • 2 f 4 ■ • beste Besufro- 2 : Fausieinen qurkaurer-: : HEIMBRUCK & BRANDES, Braunschweig 3 e vveeeocceceeosoe• ••