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Nr. 20 PAPIER-ZEITUNG 219 schlechtes Plakat, aber welcher Vergleich mit einer reich farbigen Lithographie! Aehnliehe Fälle wiederholen sich alle Tage. Bei den sogen. Submissionen wird die Entscheidung hinter geschlossenen Türen getroffen, die Beurteilung der ein gegangenen Entwürfe unterliegt nicht Fachleuten oder Künst lern, nicht einmal unter Beratung solcher, sie erfolgt lediglich nach dem Geschmacke des Bestellers. Oft wird von vielen Entwürfen der unkünstlerischste bestellt, meist zugleich der billigste. Das Plakat-Geschäft wird somit zum Glücksspiel. Die Firmen aber, welche einen Sachverständigen besitzen, sei er Reklamechef oder Kunstverständiger oder einer, der früher im lithographischen Fach tätig war, möchten am liebsten selbst den Preis nach der Farbenzahl usw. vorrechnen und hören, wie man zu sagen pflegt, das Gras wachsen. Die Re klamechefs haben das Bestreben, ihre Kunst durch billigen Einkauf zu beweisen und machen sich dabei all die kleinen Vorteile zunutze, die sonst der lithographischen Anstalt zu Gebote standen, um bei schlechtem Preise noch einigermaßen auf die Kosten zu kommen. Vor einiger Zeit versandte eine Schokoladenfabrik eine Aufforderung zum Einreichen von Offerten für Reklamekarten. Es sollten 2 Millionen bestellt werden, sortiert in 3 Serien zu 12 Dessins. Die Entwürfe sollten durchaus neu sein. Um recht niedrigen Preis und möglichst große Anzahl von Dessins (möglichst mehr als angeführt) zu erhalten, schlug die Firma vor, ihr die Karten mit dem Alleinrecht für Deutschland auf 2 Jahre zu liefern, im Ausland durfte sie der Urheber nach Belieben verkaufen. Danach mußte sich die Kunstanstalt im Auslande um den Verkauf bemühen, um der deutschen Schoko ladenfabrik dadurch billiger zu liefern. Was würde die Schokoladenfabrik sagen, wenn man ihr ein ähnliches An sinnen stellte? Die künstlerische Entwicklung des Plakates hat neuerdings so gut wie keine Fortschritte gemacht, eher lassen sich Rück schritte nachweisen. Ein Zweig des Plakates liegt in künst lerischer Beziehung besonders im Argen, das ist das sogenannte Ansichts-Plakat. Da finden wir statt eines Landschaftsbildes fast nur Architekten-Zeichnungen mit frisch gestrichenen und geputzten Häusern, bei denen man jeden Fenster-Riegel und Mauerstein auf das deutlichste sieht, obwohl das Bild in einer Entfernung von einigen hundert Metern gesehen gedacht ist. Leider lassen sieh die Fabrikanten und Besteller nicht eines Bessern überzeugen, und doch wäre es leicht, hier besseres zu schaffen. Weg und Mittel dazu sind vorhanden, man denke z. B. an die Künstler-Stein-Zeichnungen, welche als Wand schmuck so viel Beifall gefunden und nicht nur für das An sichtsplakat, sondern für das Plakat überhaupt vorbildlich wirken sollten. Man bringe auch im lithographischen Gewerbe Echtes anstelle der vielen Imitationen, deren wir zur Genüge haben. er. Der Negativ-Umdruck Von Rich. Seidel Um eine positive Zeichnung, Schrift, Buchdruck und an deres in ein Negativ zu verwandeln, kann man auf folgende Weise verfahren: Die Zeichnung wird auf Stein umgedruckt, sauber korrigiert und nach und nach hochgeätzt. Dann ent- säure man die Zeichnung mit Holzessig oder Alaun, lasse die Säure einige Minuten stehen und wasche mit reinem Wasser ab. Es ist praktisch, vorher die Zeichnung leicht einzuwalzen, damit die Säure die höherstehenden Stellen nicht mit angreift. Man wasche also mit Terpentin und Wasser ab und überstreiche die ganze Fläche mit syrischem Asphalt. Hat man Asphalt nicht zur Hand, so nehme man lithographische Tusche, lasse dieselbe trocknen, wasche wieder mit Terpentin und Wasser ab und walze mit Federfarbe ein, bis der ganze Stein gleich mäßig gedeckt ist; schließlich wird die Fläche mit Talkum ein gerieben. Nun schleife man mit Bimsstein oder Korrektur schiefer vorsichtig über die hochgeätzte Zeichnung, bis sie rein und sauber erscheint und ätze vorerst leicht mit Gummi ätze, feinere Partien mit dem Pinsel. Asphalt ist bedeutend vorteilhafter, da er der Aetze gegenüber widerstandsfähiger ist und sich leichter schleift. Soll ein Negativ-Umdruck von einer einfachen Gravur ge macht werden, so wasche man den Gravurstein sauber aus, walze mit wenig Umdruckfarbe die ganze Fläche ein und mache auf Umdruckpapier einen Abzug. Die tief gravierten Stollen nehmen keine Farbe an und erscheinen somit rein weiß, dieses Mittel ist sehr einfach und billig, eignet sich aber nur für einfache Gravurarbeiten. Stuttgarter Brief Ende Februar Die wirtschaftliche Krise, welche seit fast drei Jahren auf dem Druckgewerbe lastet, scheint wenigstens für Württemberg glücklich überwunden zu sein. Alle Zweige des Buchgewerbes mit Ausnahme ■ der Buchbinderei haben zur Zeit volle Beschäftigung, und die Buch druckerei hat so sehr an Mehrarbeit zugenommen, daß fast alle be schäftigungslosen Setzerhände untergebracht werden konnten, nur etwa 12 Maschinenmeister sind noch überschüssig. Der Gauvorstand weist in seinem Bericht für das abgelaufene Jahr darauf hin, daß in 1903 die Arbeitsverhältnisse besser waren als in den Vorjahren, tatsächlich wurde auch 1903 vom Verband im Gau Württemberg an Arbeitslose weniger Unterstützung gezahlt als 1901, bedeutend weniger aber' als 1902. In Württemberg wurden 1903 vom Verband 11373 M. 89 Pf. an Reisende, 3b 553 M. 30 Pf. an Arbeitslose am Orte, 36 827 M. 25 Pf. an Kranke, 2015 M. 50 Pf. an Sterbegelder, 16 713 M. 50 Pf. an dauernd Erwerbsunfähige und 11214 M. 95 Pf. an Witwen-Unter- Stützung, Aerztekosten und Beerdigungsbeiträgen für Mitglieder, Frauen und Kindei’ aus dem Unterstützungsverein für Buchdrucker Schriftgießer in Württemberg gezahlt. Während die vom Stuttgarter Maschinenmeister-Verein im August und September 1903 aufgenommene Statistik sich nur auf 115 Druk- kereien Württembergs erstreckte, umfaßt eine vom Gauvorstand auf genommene 171 Druckereien (darunter 3 Schriftgießereien und eine galvanoplastische Anstalt in Stuttgart) in 55 Orten.)! Um die Arbeit nicht doppelt zu machen, erstreckte sich die letztere Statistik nur auf die Setzersäle. In den 171 Druckereien wurden beschäftigt 104 Faktoren, 61 Korrektoren, 1358 Handsetzer, 57 Maschinensetzer, 92 Schriftgießer, 58 Stereotypeure und Galvanoplastiker und 356 Lehr linge. Von den Faktoren, Korrektoren, Setzern und Gießern sind 1378 Verbandsmitglieder. Etwa 22 pCt. der Handsetzer arbeiten im Berechnen, von allen übrigen nach Wochenlohn arbeitenden Gehilfen werden nur 42 unter dem tariflichen Minimum entlohnt. 38 Gehilfen erhalten außer ihrem Wochenlohn noch Kost und Wohnung ‘beim Prinzipal. Die Arbeitszeit beträgt außer in einigen Druckereien 8 Stunden und bei den Zeitungs-Maschinensetzern meistens 8 Stunden, in den meisten Druckereien neun Stunden, in der Provinz vielfach 91/2 Stunden; doch kommen auch 10 und 11 Stunden noch einzeln vor, und in 2 Druk- kereien wird die Arbeitszeit sogar auf 12—15 Stunden angegeben. Die größte Druckerei in Stuttgart, die »Union«, beschäftigt außer ihren 76 Maschinenmeistern 5 Fakoren, 13 Korrektoren, 100 Setzer, 4 Maschinensetzer, 2 Gießer und 7 Galvanoplastiker und Stereotypeure. Der Erlaß des Ministers des Innern betreffs Vergebung der Druck arbeiten an tariftreue Druckereien ist allgemein günstig beurteilt worden und jetzt schon haben eine ganze Anzahl [von Provinz druckereien den Tarif anerkannt, was für die tariftreuen Prinzipale eine große Erleichterung bedeutet. Die Ausbreitung der Setzmaschine macht unaufhaltsame Fort schritte. 47 Maschinen wurden in kurzer Zeit in Württemberg auf gestellt, davon 12 in Stuttgart und 35 in der Provinz. Vertreten sind die verschiedensten Systeme, und zwar in der Provinz 12 Linotype und 23 Typograph, in Stuttgart 6 Linotype, 3 Typograph, 1 Monoline und 2 Thorne. Zwischen dem Stuttgarter Gewerbeverein und dem Niederöster reichischen Gewerbeverein in Wien wurde ein Abkommen getroffen, nach welchem eine gemeinsame Studienreise der beiden Gewerbe vereine nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika und Kanada in der Zeit vom 16. August[bis 10. Oktober d. J. stattfinden soll, falls sich 30 Teilnehmer melden. Außer dem Besuch der Weltausstellung in St. Louis sollen die hervorragendsten Industrie- und Handelsplätze besucht werden. Genannt werden die Städte: New York, Philadelphia, Washington, Pittsburg, St. Louis, Chicago, Milwaukee, Niagara, Toronto, Montreal und Boston. Bedingung zur Teilnahme ist die Mitgliedschaft bei einem württenbergischen Gewerbeverein. In einer Vorhalle der Gewerbehalle stellt die lithographische Kunstanstalt und Kunstverlag von Max Seeger in Stuttgart ein Vor lagenwerk für den Zeichenunterricht aus. Es sind auf große Tafeln gedruckte prächtige Mehrfarbendrucke, Gräser, Blätter und Blumen darstellend; in den Räumen des Kunstgewerbevereins befindet sich eine AusstellungZdes Malers Hugo Steiner, Prag-München, aus Zeich nungen, Original-Lithographien und Buchdruckarbeiten, vom kleinen Exlibris bis zur prächtigen Märchen - Illustration bestehend. Auch verschiedene andere Künstler sind mit Zeichnungen und Illustrationen vertreten. Der Württembergische Journalisten- und Schriftsteller-Verein hat seine konstituierende Versammlung abgehalten, und die Walden haben stattgefunden. S. Fortbildung der Lithographen in Preußen. Fortbildungsschulpflichtige junge Leute der kunstgewerblichen Berufe, für welche das Zeichnen von besonderer Bedeutung ist, also auch junge Lithographen, können, nach einem Entscheid des Handelsministers, von dem Zeichenunter richt der gewerblichen Fortbildungsschule befreit und zu diesem Unterricht in einer Handwerker- oder Kunstgewerbeschule zugelassen werden, sofern sie an der letzteren Schule mindestens vier Stunden Zeichenunterricht wöchentlich nehmen. —t.