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Zur freien Aerztewahl In Nr. 14 vom. 18. Februar 1904 findet sich ein Aufsatz, betitelt: »Zur freien Aerztewahl«. Es kann der Aerztewelt nicht gleichgiltig sein, welche Stellung ein Fachorgan wie das Ihrige in dem Kampfe einnimmt, der jetzt zwischen den im Leipziger Verband organisierten Aerzten und einem Teil der Krankenkassen geführt wird. Ich leugne, daß die Forderungen der Aerzte materiell unerfüllbar und für die Krankenkassen unerschwingbar sind. Die freie Aerztewahl ist nicht nur »vom idealen Standpunkt aus betrachtet eine für die Arbeiterschaft durchaus nützliche Einrichtung«, sondern sie ist unter den jetzigen Verhältnissen möglich und ist der ■einzige Weg, um das Verhältnis zwischen Patient, Arzt und Kranken kassenleitung zu .bessern und zu einem dauernd guten zu machen. Gesetzt den Fall, daß es bisher manche Aerzte gegeben hat, die mit den einzelnen Patienten oberflächlich umgegangen sind — ich habe nie Klagen darüber gehört, aber ich gebe die Möglichkeit zu, es gibt in jedem Stande räudige Schafe —, so lag dies daran, daß die Be zahlung so gering war, daß kein Dienstmann auch nur die mechanische Arbeit: das Gehen, Treppensteigen usw. dafür geleistet hätte. Es wird aber niemand behaupten, daß geringer Lohn die Arbeitsfreudigkeit hebt. Ein zweiter Grund war die Ueberlastung einzelner Aerzte. Die Wartezimmer mancher vielbeschäftigter Kassenärzte gleichen kleinen Volksversammlungen. Wenn aber die freie Arztwahl eingeführt sein wird, dann werden die Aerzte im freien Spiel der Kräfte gezwungen sein, jedem einzelnen ihrer Patienten ihre ganze Kraft zu widmen, nicht wie bisher aus freiem Willen, sondern auch aus Zwang. Wenn die Kranken ihren Arzt wählen können, so gehen sie zu dem, der sich die meiste Mühe mit ihnen gibt, nicht zu dem, der oberflächlich mit ihnen umgeht. Der Konkurrenzkampf wird eine bessere Kontrolle für lässige Aerzte sein, als bisher die Möglichkeit der Entlassung, die ja von allem eher als von der Tüchtigkeit und dem Fleiß des Arztes abhing. Noch ein Grund: Ein Angestellter, ein Beamter, sie mögen gewissen hafte und fleißige Arbeiter sein, aber sie schaffen nicht für sich selbst. Es fehlt der Antrieb, den das Bewußtsein gibt, für den eigenen Herd zu arbeiten. In dem Moment, in welchem der Arzt beginnt, für sich selbst zu arbeiten, zieht bei ihm ein frischerer und arbeitsfroherer Geist ein; der durch die freie Arztwahl vom Angestellten zum selbst ständigen Gewerbetreibenden emporgestiegene "Arzt tut seine Pflicht freudiger als vordem. Deshalb wird die freie Arztwahl, die für die Aerzte auch aus anderen Gründen zur Lebensfrage geworden ist, für die Kassenangehörigen eine Wohltat bedeuten, die gar nicht hoch genug bewertet werden kann. Im Aufsatz in Nr. 14 heißt es: »Die freie Arztwahl bedeutet für größere Kassen den wirtschaftlichen Ruin.« Gegen diese Behauptung muß Front gemacht werden. Wir haben in Württemberg fast in allen Orten freie Arztwahl. In Stuttgart ist sie bis auf ganz unwesentliche Reste durchgeführt. Fragen Sie die Mitglieder der Allgemeinen Orts krankenkasse, die seit 1900 freie Arztwahl eingeführt hat, wie sie mit dem neuen Modus zufrieden sind; fragen Sie die Leiter derselben, die Rechner, die Beisitzer! Nicht einer ist da, welcher den alten Zustand wieder zurückwünscht. Die Beziehungen zwischen Patient und Arzt sind glänzend, vielfach gilt der Arzt als der Vertraute der ganzen Familie, und nicht minder erfreulich sind die vorzüglichen Beziehungen zwischen den Krankenkassen-Vorständen und der Leitung der ärzt lichen Vereine. Das finanzielle Ergebnis könnte nicht besser sein. Die Kassen konnten dieses Jahr die Leistungen ihren Mitgliedern gegenüber beträchtlich erhöhen. Warum wird dieses im Großen angestellte Experiment so be harrlich ignoriert? Den Leitern und den Mitgliedern der Kranken kassen ist doch durch das vorzügliche Gelingen desselben klar nach gewiesen worden, daß die Einführung der freien Arztwahl im ganzen Deutschen Reich möglich ist. Ich bitte die verehrliche Redaktion, sich bei der Leitung der Orts-Krankenkasse in Stuttgart oder irgend einer andern Kasse in hiesiger Stadt zu erkundigen, sie wird dann überall hören: es geht, und es geht gut. Dr. L. Weil Der Aufsatz in Nr. 14 gab nicht die Ansicht der Schrift leitung sondern eines Mitarbeiters wieder. Da der Gegenstand in der Tagespresse ausführlich erörtert wird, schließen wir die Aussprache. Buchbinderei-Fachschule in Schwiebus. Die Schwiebuser Buch binderei-Fachschule feierte vor einigen Tagen ihr lOjähriges Bestehen. Aus diesem Anlaß gab der Begründer und Leiter, Herr Buchbinder- Meister Gustav Bernhard, eine interessante und lehrreiche Festschrift heraus, die einen Rückblick auf die Tätigkeit der Anstalt und Er läuterungen über deren Zweck und Ziel enthält. Die Schule.ist die einzige derartige Fachschule im östlichen Teile des Deutschen Reiches. Auf der 1903 zu Küstrin veranstalteten Gewerbe- und Industrie-Aus stellung erwarb die Schule die silberne Medaille der Stadt Küstrin. K. Ausstellungs-Zeitung. In Breslau wird eine Ausstellung für Hand werk und Kunstgewerbe vorbereitet. Die Anfertigung des Kataloges dafür sowie einer Ausstellungs-Zeitung wurde der Firma August Scherl in Berlin übertragen. Die »Breslauer Bau-Zeitung« und im Anschluß daran die »Breslauer Morgen-Zeitung« bedauern, daß die Aus stellungs-Leitung diese Druckarbeiten nicht einer einheimischen Druck anstalt übertragen hat, da doch die Ausstellung zur Förderung des heimischen Gewerbes dienen soll. Mehrlieferung von Drucksachen Leipzig, 23. Februar 1904 Der in Nr. 13 Seite 454 Ihrer geschätzten Zeitung abgedruckte 218. Schiedspruch enthält die Bemerkung: »Wir kennen auch für Drucksachen keinen Handelsbrauch, wonach Mehrlieferung von lOpCt. und mehr zulässig wäre«. Gegenüber dieser Feststellung gestatten wir uns, Sie auf die in unserer ersten Hauptversammlung festgestellten Geschäftsgebräuche, die auch in Ihrem geschätzten Blatte mehrfach abgedruckt worden sind, zu verweisen, und in denen auch der im Steindruckgewerbe be stehende Handelsbrauch bezüglich der Mehr- oder Minderlieferung bei Drucksachen, die bis zu je 6 pOt. der Auflage betragen, festgelegt ist. Im Hinblick auf die Bedeutung, welche dieser Handelsbrauch für das Steindruckgewerbe hat, bitten wir, etwa an Sie herantretende Fragen bezüglich der Mehr- oder Minderlieferung den bestehenden Verhältnissen entsprechend zu beurteilen und zeichnen Hochachtungsvoll Der Vorstand des Vereins Deutscher Steindruckereibesitzer Julius F. Meissner, Vorsitzender Statistik der Buchhändler-Markthelfer. Aus einer im Jahre 1903 in Leipzig aufgenommenen statistischen Erhebung über - die Lohn-, Arbeits und sonstigen Berufs-Verhältnisse wird folgendes mitgeteilt: Für die Statistik verwendbares Material lag nur aus 25 größeren Buchhand lungsfirmen vor, in denen 301 Markthelfer beschäftigt waren. In 10 Geschäften mit 124 Markthelfern bestand eine tägliche Arbeitszeit von 12 Stunden, in 12 Firmen mit 174 Markthelfern wurde über 12 Stunden gearbeitet, in 3 Geschäften betrug die Arbeitszeit weniger als 12 Stunden. Ueberzeitarbeit kam sehr häufig vor, an einzelnen Tagen bis zu 8 Stunden. 107 Arbeiter wurden in 22 Geschäften im Jahre 1903 an 35 bis zu 200 Tagen in den einzelnen Geschäften und der einzelne Arbeiter im Durchschnitt 31/2 Stünden im Tag über die festgesetzte Arbeitszeit beschäftigt, g. Einbändeausstellun ] in der Hofbibliothek zu Wien. Die Leitung der Hofbibliothek bereitet aus ihren Beständen eine Einbändeausstellung vor. Schon in den nächsten Tagen wird mit der Aufstellung der Gegenstände begonnen. Die Ausstellung gibt ein Bild der Ent wicklungsgeschichte der äußeren Buchausstattung und bringt auch Titelblätter und Aehnliches. Neben schlichten Einbänden werden Prunkstücke zu sehen sein, die teils durch künstlerischen Bildschmuck hervorragen, teils infolge prächtiger Verzierung aus Edelmetall, Email und Steinen. Die Eröffnung der Ausstellung ist für den Monat April in Aussicht genommen. (Die Zeit, Wien) Der Deutsche Faktoren - Bund (E. V.) macht bekannt, daß seine IV. Ordentliche General-Versammlung während der Pfingstfeiertage (21.—23. Mai) in Braunschweig stattfindet. IL Statistik der Leipziger Notenstecher. Ende Dezember 1903 waren in Leipzig 286 Notenstecher beschäftigt, von denen 278 Material zur Statistik lieferten. Der Durchschnittsjahresverdienst betrug 1640 M. 35 Pf. gegen 1625 M. 20 Pf. im Vorjahre. 258 Gehilfen standen im Akkord-, 20 im Wochenlohn. Insgesamt wurden 2820, im Durchschnitt 10 Ueber- stunden von jedem Gehilfen gearbeitet. Das Durchschnittsalter be trug 833/4 Jahre, verheiratet waren 199. Der höchste Verdienst betrug 3226, der niedrigste 503 M g Büchertisch Materialien zur Reichsgesetzgebung. Reichstags - Session 1903/4. I. Heft. Verlag von Wilhelm Baensch in Berlin, Köthe nerstraße 33. Preis 1 M. 50 Pf. Die Zeitungen bringen reichliche Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, da aber die Zeitungen selten gesammelt werden, so ge rät man manchmal in Verlegenheit, wenn man sich über die Ent stehungsgeschichte eines Reichsgesetzes nachträglich unterrichten will. Auch bei der Anwendung der fertigen Gesetze ist es von großer Be deutung, die Absicht des Gesetzgebers auf Grund der an dem Ent wurf vorgenommenen Aenderungen und der abgelehnten Anträge kennen zu lernen. Für solche Zwecke soll vorliegendes Werk als Nachschlagebuch dienen. Es enthält erstens die aus der Initiative des Reichstages hervorgegangenen Entwürfe, Beschlüsse, Anträge und Gesetze, gegliedert nach den verschiedenen Gebieten des öffentlichen Lebens, zweitens die Regierungsvorlagen in gleicher Gliederung, drittens den Reichshaushalt der Jahre 1902—04. Kapital-Anlage. Anleitung zu zweckmäßiger und vorteil hafter Vermögens Verwaltung für alle Stände. Verlag von Paul Waetzel in Freiburg i. B. und Leipzig. 92 Oktav-Seiten. Preis 1 M. Der Verfasser dieses Werkes ist nicht genannt, scheint aber ein tüchtiger Bankfachmann zu sein und die Verhältnisse des Geldmarktes sowie die Bedürfnisse des Anlage suchendefi Publikums genau zu kennen. Seine Erläuterungen über die verschiedenen Arten der Wert papiere, über den Erwerb von Grundbesitz und Hypotheken sind lehr reich und dürften den Lesern nützlich sein. Ein alphabetisches Sach register erleichtert die Benutzung des Werkchens. Druck und Papier sind gut.