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44 PAPIER-ZEITUNG Nr. 2 senkrechten zur Tischkante nur wenig abwich, wird hierdurch in ihrem Verhältnis zum Schreibbuche bedeutend schräger. Schulrat Grabow in Berlin ist durch eingehende theoretische und praktische Versuche zu dem Schluß gekommen, daß der Normalwinkel der Schrift, den auch die meisten Er wachsenen unbewußt innehalten, 58° betrage; die Schulvor schriften der Kinder sind um 13° schräger. Grabow hat auch statistisch festgestellt, daß Personen, die schräger schreiben, dem Uebel des Schreibkrampfes leichter ausgesetzt sind, als solche, deren Schrift unter dem Normal wink el liegt; steiler schreibende werden gleichfalls häufiger vom Schreibkrampfe befallen. Eine zweite Streitfrage ist noch immer in der Schwebe, die zwischen »deutscher« und »lateinischer« Schreibschrift. Diese muß ganz unabhängig von der gleichen Frage nach Antiqua und Fraktur entschieden werden. Beide Arten von Schreibschrift haben große Mängel. Der natürliche Zug der Hand bevorzugt die runde Schrift; aber nicht wie sie in den lateinischen Buchstaben vorgeschrieben wird, in der die Buchstaben teils oben, teils unten, teils oben und unten ge rundet sind, sondern so, daß man entweder alle m-Züge unten rund und oben spitz macht oder umgekehrt. Der Wechsel zwischen u und n ist, wenn er korrekt durchgeführt wird, im schnellen Schreiben äußerst unbequem. Dazu kommt noch die lästige Form der geschlossenen Buchstaben a, d, g, bei denen man immer eine Linie, sei es die erste oder zweite, doppelt ziehen muß, wenn man nicht absetzen will. Anderseits stehen der deutschen Schrift die größere Menge Taktzeichen, die komplizirteren Formen (a r s) und namentlich der Umstand im Wege, daß mehrere ihrer Buchstaben in ihrer Konstruktion allzusehr von den Druckformen abweichen; so a d e h, q r § - von den Versalien nicht zu reden. Eine Rückbildung ihrer Formen ist daher dringend notwendig. Der Vortragende geht hierauf zu den Formen der arabischen Zahlen über. Diese haben die römischen am Ende des Mittel alters abgelöst, ohne sie freilich ganz zu verdrängen. Sie stammen ursprünglich aus Indien, wie ein Vergleich mit den Zahlzeichen der Devanägari-Schrift noch heute erkennen läßt, und sind aus indischen Buchstaben entstanden. Sie wan derten zweimal nach dem Westen: zuerst, wie es scheint, im 1. Jahrhundert n.Chr. nach Alexandrien zu den Neupythagoräern, und zum zweitenmal in einer jüngeren Form um 800 nach Bagdad und weiter bis Afrika und Spanien. So erklärt sich das Vorhandensein einer östlichen und einer westlichen Form arabischer Zahlen. Diese drangen nun schon früh von Spanien aus in die christlich-europäische Kultur ein; Gerbert von Reims (f 1003 als Papst Sylvester II.) war der erste, der sie übernahm und zugleich das mit der arabischen Ziffer verbundene System des Stellenwertes einzuführen suchte, nach dem die Ziffer durch das Rücken in eine vordere Stelle den zehnfachen Wert be kommt. Seine Bemühungen hatten aber noch keinen rechten Erfolg. Erst zweihundert Jahre später hat der Pisaner Leo nardo Fibonacci das arabische System in seinem Werke »über abbaci« wissen schaftlich ausgearbeitet und in kauf männischen Kreisen eingeführt. Ihm verdanken wir auch die Bekanntschaft mit dem Zeichen der Null, das, von den Arabern wenig gebraucht, bis da hin unbekannt war; es heißt in ara bischer Sprache sifr, bei Leonardo zephirum, woraus die Worte zefiro und zero geworden sind; in Deutschland ist das lateinische cifra auf alle Zahl zeichen übertragen und zu »Ziffer« ge worden. Adam Riese (1522) zieht noch das Wort »Figur« vor. Das Wort »nulla« findet sich zuerst 1524 bei Johann Albrecht, ein ganz logischer Ausdruck, da man noch im 16. Jahr hundert das entsprechende Zeichen vielfach wegließ und nur durch einen leeren Platz andeutete. Wirklich ver breitet wurden nämlich die arabischen Zahlzeichen erst durch die Buchdrucker kunst; das erste paginirte Buch ist Johannes de Spiras Tacitus, gedruckt zu Venedig in den siebziger Jahren des fünfzehnten Jahrhunderts. Die Ziffern hatten damals schon ganz die heutige Gestalt: nur die Sieben pflegt man zu schreiben, und -die Vier hat die Nebenform VDas Monogramm endlich geht als ein deko ratives und symbolisches Zeichen mit Verwendung einzelner Buchstaben in die früheste christliche Q Zeit zurück. Das Christusmonogramm mit aufrecht stehendem Kreuz, an dessen Spitze sich der Halbkreis des griechischen Rho befindet (Bild 22), geht augenscheinlich auf das egyptische Henkelkreuz -Q- zurück, das schon zur Zeit Christi auf asiatischen | Münzen zu finden ist, man weiß nicht, mit welcher Bedeutung. Eine jüngere Nebenform des aufrechtstehenden D Christusmonogramms ist das gleiche Rho mit liegendem X: I , dem oft auf den Seiten die Buchstaben A und 2 beigefügt werden: in ihm kommt das Buch stabenhafte deutlich zum Ausdrucke: XP — lat. Ohr., Christus. Dieses Monogramm wird zur Zeit Con stantins allgemein, während sieh das ältere zu der schlichten Form des Kreuzes verein facht. Es ist erst in der zweiten Hälfte des Mittelalters durch das Jesusmonogramm ver drängt worden, das die ersten drei Buchstaben dieses Namens enthält: J H C oder J H S = Jes., und aus dem später das sogenannte Jesuitenwappen wurde, in dem auf dem Quer balken des H ein Dop pelkreuz steht. Das Kreuz bildete nun auch die Grund form für die Abkürzung weltlicherNamenszüge; die byzantinischen Kaiser sowohl wie auch Karl der Große und Bild 28 Schwer lesbare, verschnörkelte Monogramme seine Nachfolger be dienten sich verwik- kelter Monogramme als Unterschrift. Erst im 15. Jahrhundert kam diese Sitte ab, dafür aber bürgerte sich das Monogramm, immer sachlichere und nüch ternere Gestalt an Büd: 24 Monogramme von Joseph Sattler nehmend, bei Künstlern und Handwerkern als Geschäfts marke ein; die von Dürer beliebte Form des _ mit ein gefügtem D wurde für eine ganze Reihe von 7 T Nach ahmern bestimmend. Die symmetrische Ge- J L stalt ist beliebt, aber nicht vorherrschend. Dies wird anders in der Zeit des Barock. Der Namenszug Ludwigs XIV., zuerst in der Mitte des 17. Jahrhunderts auftauchend, der in streng symmetrischer Anordnung das schwungvoll geschriebene lateinische L und sein Spiegelbild über einander zeigt, bleibt in seiner Grundgestalt unverändert bis zum Ende des französischen Königtums. Auch außer halb Frankreichs wird das geschriebene Monogramm be liebt, und das FR — Fridericus Rex — Schlüters hält sich gleichfalls fast ein Jahrhundert lang. Die Zeit des Kaiser reichs, wo in Frankreich das bloße Kapital-N als kaiserliches Monogramm genügen mußte, hat die Herrschaft der Barock buchstaben nicht gebrochen, und bis auf den heutigen Tag hält sich der aus lateinischen Schreibversalien gebildete ver schlungene Namenszug, immer mehr der Schreibschrift ge ähnelt (Bild 23) und zu tödlicher Oede versimpelt. Dieser überlebten Form gegenüber zeigen zum Schlüsse Proben von Sattler (Bild 24), Auriol, Eckmann und den Künstlern der Steglitzer Werkstatt das Aufleben eines neuen dekorativen Bewußtseins auch auf diesem Gebiet.