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Nr. 15 PAPIER-ZEITUNG 527 Was Johann Friedrich Unger mit dem Schnitt seiner zwei Frakturen beabsichtigte, gilt auch für den heutigen Fraktur- Neuschnitt. Unger wollte die Schrift »verbessern«, deutlicher und lesbarer machen: er wollte sie von unnötigen Schnörkeln befreien und so die Fraktur widerstandsfähiger machen für den Kampf gegen die andrängende Antiqua. Er schnitt eine nach heutigen Begriffen etwas trockene, dünne, aber offene und leserliche Brotschrift. Einige charakteristische Buchstaben drucken wir als vergrößerte Skizze ab (Beispiel 2). Man sieht aus der Form von u und n, wie sich Unger bestrebte, ein offenes Auge zu schaffen. Bei den Versalformen A C S N beobachtet man ferner das energische Bestreben, die Rundungen gerader zu machen, um flächigere Wirkung (im Sinne des Typenrechtecks) zu erzielen. Durch Fortlassung aller An- und Abstriche, durch Verkleinerung der Würfel bei den kleinen Grundstrichen, durch Abschwächung der Ecken bei u e r (am Fuße) wird der Unger’schen Schrift sogar ein gutes »modernes« Aussehen gegeben. Das gemeine g mutet ganz und gar wie eines aus unserer Zeit der Reformfrakturen an. Bei dem sonst sichtbaren Streben nach Vereinfachung dagegen wirkt der will kürliche Schnörkel am Mittelfuße des M um so sonderbarer. Es ist sehr lehrreich, die Urteile der Zeitgenossen über seinen ersten Versuch (1793) zu lesen, die Unger zusammen- stellt. «Einer findet die neuen Lettern den schon vorhanden gewesenen ähnlich, mit welchen die Großoktav-Bibel in Halle gedruckt ist. Ich verglich sie und fand, sowie mehrere Personen, nicht die geringste Aehnlichkeit. Ein anderer findet sie zu rund und zu kurz. Ein dritter behauptet, sie seien zu länglich und spitzig. Ein vierter glaubt, sie seien zu weitlaufend usw. — Was läßt sich nun aus diesen wider sprechenden Urteilen für ein belehrendes Resultat ziehen? Manchem Auge waren sie sehr deutlich und stärkend, da hingegen andere sie zu scharf und blendend fanden. Ein in der Stahlschneidekunst un erfahrener Mann behauptete öffentlich, in meinem ersten Versuch sei »keine geometrische Richtigkeit zugrunde gelegt«, und daher sei er »mißraten«. Wahrscheinlich bediente er sich nur eines Kunstausdrucks, um tadeln zu können. In den Augen praktischer Künstler hat er sich aber eine sehr merkliche Blöße gegeben, die mehr Leidenschaft als Kunsttalent verrät.« Mit denselben Gründen wie heute liebt Unger für die Bei behaltung der Fraktur; der von einigen Seiten (1794) geäußerten Meinung: »Man müsse schlechterdings keine deutsche Schrift mehr aufkommen und verbessern lassen, sondern die lateinische allmählich einführen,« setzt Unger allo Gründe eines Fraktur freundes entgegen. Unger schreibt hierzu auszugsweise: »Die wider die deutschen Schriftzüge Eingenommenen behaupteten: »Haas und Breitkopf hätten bereits alles mögliche zur Verbesserung deutscher Lettern getan und durch Wegnehmung der Schnörkel den selben die möglichste Simplizität gegeben.« Diese Behauptung wurde bei verschiedenen bloßer Modeausdruck. In Paris war Garamond der erste Künstler, welcher lateinische Lettern schnitt, vor ihm hatten aber schon im Jahre 1469 in Rom Conrad Schweinheim und Pannarts den Virgil, 1471 Georg Lever den Eutropius und andere Buchdrucker mehr mit ziemlich guten runden Buchstaben gedruckt, und Garamond fand nicht viel an der Buch stabenform zu ändern, nur daß er in seiner Gießerei genauere Instru mente hatte, wodurch die Buchstaben mehr in eine Linie kamen und sich dem Auge gefälliger darstellten. »Unsere jetzigen deutschen Lettern (so sagt Unger) bleiben doch auch Originalschrift und haben keine Aehnlichkeit weder mit den lateinischen noch mit den alten Mönchsbuchstaben. Seit der ersten Ausgabe des Theuerdanks von 1517, wozu die Schrift nach der da maligen schönsten deutschen Frakturschrift verfertigt wurde, haben sich unsere Lettern bis gegen die Mitte dieses Jahrhunderts immer mehr ausgebildet. Warum sollte man denn nicht Versuche anstellen, sie noch immer mehr zu verbessern? Es ist unbegreiflich, wie man die deutschen Buchstaben ganz verwerfen kann, da es doch eine wahre Unmöglichkeit seyn wird, sie auszurotten. Der Jugend wird es keine Erleichterung, diese muß sie kennen lernen, oder man müßte alle guten bisher mit unsern Lettern gedruckten Werke verbannen oder umdrucken lassen, welches sich nicht ausführen läßt.« So geschrieben im Januar 1794. Was hätte Unger aber erst gesagt, würde er unsere neudeutschen Schriften gesehen haben? Schon seine kleinen Veränderungen an der Fraktur regten seine Zeitgenossen, und zwar nicht bloß die Loute vom Bau, außerordentlich auf: solche umwälzenden Veränderungen aber, wie sie uns die Gegenwart gebracht, hat damals niemand geahnt. Um so höher wird die Arbeit unserer Zeit zu veran schlagen sein, und es bleibt nur zu hoffen, daß das Jahr 2003 ebenfalls ein paar freundliche Worte übrig habe für uns, die Leute von »vor hundert Jahren!« C. K. Umdruck photolithographischer Kopien Von Rich. Seidel Einen wesentlichen Vorteil beim Uebertragen photolitho graphischer Kopien bietet eine gute Umdruckfarbe, welche man mit Nußöl verdünnt. Um die Kopie klebfähig zu machen, muß man sie in feuchte Makulatur legen. Die Feuchtung soll recht gleichmäßig sein. Meist genügt; ‘/ Stunde, man feuchte jedoch nicht zu wenig, da sonst die Kopien schlechten Um druck geben. Etwas stärkere Feuchtung ist nicht von Nach teil. Man kann die Kopie vor dem Umdruck auch in einer schwachen Alaunlösung baden, jedoeh nicht zu lange, um nicht etwa die Klebfähigkeit zu beeinträchtigen. Vor dem Ueberziehen schleife man den Stein nochmals gut nach, gebe beim Durchziehen der Kopie nicht zu starke Spannung, um Quetschen der Zeichnung zu verhüten. Hauptbedingung ist, daß der Reiber gut nach dem Stein abgerichtet ist. Es kommt besonders bei alten Kopien vor, daß die Farbe nicht gut am Stein haftet, ich empfehle, solche Kopien auf einen an gewärmten Stein zu übertragen. Photolithographien kann man auch mit jedem anderen Umdruckpapier zusammen übertragen. Ist die Kopie übertragen, so trockne man, gummiere leicht und verstärke die Zeichnung mit dem Anreibeschwamm. Einfachere Zeichnungen walze man besser an. Wenig Farbe beim Ver stärken ist Bedingung, da man andernfalls die Zeichnung über ladet. Nun stäube man mit Kolophonium und Talkum ein, wasche sauber ab und übergehe die Zeichnung mit der Brenn lampe. Kolophonium und Farbe bilden durch, die Wärme eine Schutzdecke, daher ist die Uebertragung bedeutend widerstands fälliger gegen Aetze. Das nun folgende Aetzen erfolgt wie üblich. Es ist von Vorteil mit Gummiätze zu arbeiten, da Aetze, welche nur mit Wasser und Salpetersäure angerichtet ist, den Stein zu rauh und schlecht druckfähig macht. Mangelhafte Buchbinderarbeit Von F. K. Zu Nr. 99 von 1903, S. 3570 Daß sich der Buchdrucker oft die größte Mühe gibt, ein tadelloses Buch herzustellen, um mit seiner Arbeit auf der Höhe der Zeit zu stehen, wird seitens der Buchbinder nicht bestritten werden können. Der Verfasser des Artikels hat auch darin recht, daß manche Buch bindereien Werke, die im Druck oft tadellos ausgeführt sind, schon beim Falzen mit solcher Leichtfertigkeit behandeln, daß das fertige Buch als verpfuscht angesehen werden kann. Bedauerlicherweise werden die Verlagsarbeiten im Großen und Ganzen im Preise äußerst gedrückt. Natürlich wird dem Buchbinder von vornherein bedeutet, den Preis allerbilligst zu stellen, und um die Arbeit zu erhalten, tut er sein möglichstes. Kaum ist nun der letzte Bogen aus der Presse, so soll der Buch binder auch beinahe schon mit der Auflage fertig sein, denn meistens sind die Liefertermine schon überschritten, ehe der Satz in die Ma schine eingehoben wurde. Nun treibt man den Buchbinder, der jeden Augenblick telephonisch über den Stand der Dinge befragt wird. Schließlich hilft er sich, indem er mit seinen Leuten täglich die halbe Nacht zur Hilfe nimmt und noch einige Leute zur Aushilfe anstellt. Dadurch wird sein Voranschlag wesentlich überschritten, denn die Ueberstundenkosten hatte er nicht vorgesehen, aber er hatte auch nicht in Betracht gezogen, daß er mit Aushilfskräften nicht recht auf seine Kosten kommt, denn Spezial-Arbeiter sind nicht in jedem Augen blick zu haben. Unter den Falzerinnen, welche zum größten Teil im Akkord ar beiten, sind hur wenige, die gute Bogen falzen, alle . anderen bilden vorzügliche Arbeitskräfte für Schauerromane. Das Verpfuschen der Bogen wird hier natürlich im Großen betrieben. Inzwischen erhält der Verleger einen großen Posten fertiger Werke und macht verschiedene unliebsame Entdeckungen. Um solchen Zuständen abzuhelfen, wäre den Buchdruckereien zu empfehlen, einen der Buchbinderarbeit entsprechenden Liefertermin festzusetzen, denn es ist nicht einerlei, ob ständig gute Arbeiten ge macht werden, oder ob solche nur ausnahmsweise vorkommen. Nach Erhalt sämtlicher Bogen sollte man vom Buchbinder zwei Probebroschüren oder -Einbände verlangen, welche ihm natürlich vergütet werden. Diese Probebände werden vom Verleger oder vom Buchdrucker auf ihre Ausführung in allen Einzelheiten geprüft, Mängel und Fehler werden beanstandet, und ein Probeband geht an die Buch binderei zurück. Mit diesen Probebänden muß die Kalkulation ein gesandt werden; an Hand dieser wird man der Buchbinderei etwaige Wünsche nachträglich mitteilen und wenn nötig, nochmals Probebände fordern. Der Buchbinder wird den ersten Kostenanschlag entsprechend erhöhen müssen, verpflichtet sich dann aber auch, die Auflage wie Probeband zu liefern. Trotz scheinbarer Umständlichkeit dürfte doch auf solche Weise Zeit gewonnen werden, wenn man bedenkt, daß die Arbeiten oft unterbrochen werden müssen, wenn sich Meinungsverschiedenheiten