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2, .C Buchgewerbe Buchbinderei * * Buchdruck *** * * * Buchhandel *** Steindruck Eingesandte Werke finden Besprechung • Nr. 15 Mitarbeiter und Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung 526 ~ Sachliche Mitteilungen finden kostenfreie Aufnahme Berliner Typographische Gesellschaft Die nächste Sitzung findet im Berliner Buchgewerbesaal, Friedrichstraße 231, am Dienstag, 23. Februar 1904, abends 9 Uhr, pünktlich statt. Zu recht zahlreichem Besuch werden die geehrten Mitglieder hiermit ganz besonders eingeladen. Gäste sind sehr willkommen. Der Vorstand Tages-Ordnung: 1. Geschäftliches. Eingänge. Aufnahmen. 2. Neue Schriftgießerei-Erzeugnisse. 3. Die Universal-Schriftlinie. Referent: Herr Albin Weber. 4. Neujahrskarten und Kalender. 5. Technische Neuheiten (Maschinen und Apparate). 6. Etwaige Anfragen. zum Licht, und’so entstanden diese Lettern. Da diese dem Auge weit weniger fremd seyn müssen, als meine ersten Versuche, so glaube ich, daß sie mehr Eingang finden werden.« Die erwähnte Schrift Breitkopfs vom Jahre 1739, welche .Unger besonders lobt, drucken wir in einigen Zeilen hier bei Beispiel 1 Buc- und Kunstdruckerei von Breitfopf und Partei - Leipzig Von 8 Uhr ab liegen die neuesten Fachzeitschriften zur Benutzung aus. Der Buchgewerbesaal ist nach wie vor täglich von 11—2 Uhr geöffnet, den Besuchern stehen die Sammlungen der Typo graphischen Gesellschaft zur Benutzung offen. Vor hundert Jahren Man spricht von einem »hundertjährigen Kalender«, nach welchem die Wetterprophezeihungen in Bauernkalendern bis in die neueste Zeit geschahen. Erst Falb, der moderne Wetter macher, hat mit seinen kritischen Tagen jenen hundertjährigen Kalender verdrängt. Nach dem hundertjährigen Kalender war alle hundert Jahre dasselbe Wetter. Mir kam ein Schriftchen in die Hände, das im Jahre 1794 erschienen ist. Dasselbe Wetter am Fachhimmel damals wie heute! Damals Kampf um Fraktur und Antiqua, damals aber auch schon emsige Ver suche, die Frakturschrift zu verbessern. Johann Friedrich Unger in Berlin war es, der Sohn des be kannten Holzschneiders und selbst Holzschneider, welcher im Jahre 1794 in einem Oktavheft eine »zweite Probe neu ver änderter deutscher Druckschrift« seinen Zeitgenossen vorlegte. Es war schon ein zweiter Versuch, den er in »seiner Schrift gießerei« 1793 machte; über den ersten und seine Aufnahme im Publikum berichtet er in einem Vorwort zu der zweiten Probe. Wenn man diese Erörterungen liest, findet man die selben Gründe wie heute. Welche Erwägungen Unger leiteten, geht zum Teil aus folgenden Sätzen hervor: »Ich untersuchte die jetzigere- (1793!) deutschen Schriftproben; ver glich sie mit denen, welche laut Gesners Buch: »die so nötige als nützliche Buchdruckerkunst als Schriftgießerei, S. 145 (Erster Teil), von Bernhard Christoph Breitkopf«, im Jahr 1739, in dessen Gießerei zu haben waren und fand, daß diese letzten Lettern die vorzüglichsten und die nemlichen sind, deren sich noch die Erben jener Schriftgießerei bis auf den heutigen Tag bedienen, welche also seit einem langen Zeitraum unverbessert und unverändert beibehalten wurden. Die nachher veränderten, musierten, großen Titelbuchstaben können keinen Anspruch auf geschmackvolle Verbesserung machen. Ueber den neusten Versuch, welcher mit dem Druck eines kleinen Buchs unter dem Titel: »Einige deutsche Lieder für Lebensfreuden«, an gestellt wurde, will ich lieber mein Urteil zurückhalten, da er mit dem meinigen zugleich erscheint. — Herr Haas, ein geschickter Stahl schneider, hat eine Schrift, Nonpareille genannt, verfertigt, die bis jetzt die schönste unter allen ist. Er hat aber damit keine andere Ver besserung vorgenommen, als daß er sie reiner und regelmäßiger schnitt. Uebrigens sind die alten Züge sämtlich beibehalten, welche Zingk, Lobinger, Müller und Schmid in ihren Lettern haben, als die besten deutschen Schriftarten, deren man sic]) in den meisten Buch druckereien Deutschlands bedient. Eben weil ich bemerkte, daß sich noch kein deutscher Buchdrucker oder Schriftschneidei’ an die Ver besserung deutscher Schriftzüge wagte, unternahm ich diese Arbeit; und während ich die Urteile über meinen ersten Versuch abwartete, verfertigte ich, nach einer anderen Idee, gegenwärtige zwei Schriften, eine kleinere und eine etwas größere (Petit und Corpus. Red.), womit ich dieses kleine Buch druckte, das ich nun dem Publikum übergebe. Ich legte dabei die gewöhnliche deutsche Schrift zu Grunde, tat alle entbehrlichen Züge davon, gab sämtlichen Buchstaben mehr Verhältnis (Beispiel 1), sie wurde uns von der Firma Breitkopf & Härtel in Leipzig zur Verfügung gestellt. Es kennzeichnet unsern heutigen Geschmack, daß gerade jetzt wieder die Breitkopfsche Schrift »modern« ist und von dem Stammhause selbst zu vor trefflichen Drucksachen verwendet wird. Man denkt auch da unwillkürlich an den hundertjährigen Kalender mit seinen Wiederholungen! Aber unsere gegenwärtige kunstgewerbliche Biedermeierei (jene Fraktur gilt auch als eine Biedermeier schrift) hat trotzdem eine gesunde Unterlage und ist keines wegs als willkürliche Modelaune oder gar als eine gefährliche Stilverwirrung zu bezeichnen. Sie ist aus der zweekgemäßen Material Verwendung im künstlerischen Sinne hervorgegangen, die jedem Material seine ihm technisch znkommende Be arbeitungsweise angedeihen läßtund keinSurrogat in echter Maske bietet. Diese Grundsätze waren der Biedermeierzeit ebenso eigen wie unserer Zeit. Aber damals wie heute wurde ein Schriftneuschnitt nicht ohne weiteres anerkannt. Unger klagt: »Ich muß freimütig bekennen, daß bloß die große Vorliebe für meine Kunst mich bei vielen oft undankbaren Arbeiten tätig erhält. Aufmunterung durch meine Landsleute, besonders durch meine Kunst genossen, tut es wahrlich nicht, deren oft niederschlagende Urteile viel eher allen Antrieb zu diesen Versuchen in mir zu ersticken ver- mögten. Besonders ist es traurig, wenn in die Augen leuchtet, daß bloß eigennützige Besorgnisse, so oft etwas neues in der Buchdrucker kunst oder Schriftgießerkunst erscheint, welches dem alten Schlendrian nachteilig seyn könnte, sich erlaubter und unerlaubter, geheimer und offenbarer Wege bedienen, die neue Erscheinung im Keim zu er sticken. Indes sollen mich häufige, schon erfahrene Widerwärtigkeiten nicht abhalten, alle meine Kräfte zur Vervollkommnung der Buch druckerkunst anzuwenden. An meinem guten Willen und Fleiß soll es nicht fehlen, und ich wiederhole, daß ich mit der größten Dankbar keit, Belehrungen und gründlich verbessernde Vorschläge annehmen und benutzen werde.« Beispiel 2 Drucschrift, neue,daö e 116363 s ngmu So spricht unser Künstler Unger! Könnten diese Zeilen nicht ohne weiteres auch Schriftschneider oder Zeichner von 1900 auf sich anwenden? Es ist kaum möglich, sich zutreffender zu verteidigen.