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Nr. 13 PAPIER-ZEITUNG 449 Der oben genannte Einkaufsverein errichtet eine Auskunftei, die jedem Anfragenden gegen Erstattung der Auslagen gewissenhafte Auskunft über Hallische Verhältnisse geben wird. Da im Einkaufs verein alle Geschäftsarten (große, mittlere, kleine) vertreten und alle Mitglieder altansässige Bürger sind, welche die Hallischen Verhältnisse gründlich kennen, so dürfte diese Einrichtung zum Segen der Liefe ranten und Detaillisten ausschlagen. Die Auskunftei verspricht auch über die Mitglieder des Einkaufsvereins unparteiische ausführliche Auskunft zu geben. Zeichenwarenhandel der Schuldiener. Der in Nr. 4 Seite HO abgedruckten Eingabe des »Schutzvereins Hallescher Papier händler« gegen den Verkauf von Schulwaren durch den Haus mann der Handwerkerschule in Halle a. 8., schloß sich dieser Tage die BuMinder-Innung in Halle a. S. an. Sie richtete eine Eingabe an die städtischen Behörden, worin sie den Stand- punkt der Werkstellen-Inhaber des Papierfaches zu dieser An gelegenheit darlegt. Arbeitsweise und Verdienst der Laden- Inhaber greifen so sehr in die Arbeitsweise und den Verdienst der Werkstellen-Inhaber ohne Ladengeschäft über (und um gekehrt), daß beide nur dann ihren Pflichten gegen Angestellte, Familie und Staat nachkommen können, wenn sie sieh völlig solidarisch fühlen. Die Lage der Buchbinder sei ohnehin so schwer bedrückt, daß sie von einem Hallischen National ökonomen schon zu den verschwindenden Gewerben gezählt wurden. Da sei es wohl angebracht, daß der Magistrat nicht die Hand dazu biete, die Buchbinder noch tiefer ins Elend zu drücken, sondern ihnen dazu helfe, ihr Gut zu bessern und zu behüten. Die Innung bitte deshalb, der Petition der Hallischen Papierhändler Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und ihr stattzugeben. Die Handwerkerschule solle ein Institut zur Hebung des Handwerks, aber nicht zur Unterdrückung des selben sein. Unsere zukünftigen Kollegen Nur kurze Zeit noch, und für manchen Lehrling heißt es, auf eigenen Füßen stehen und zeigen, daß er etwas gelernt hat. Für viele ist leider dieser erste Schritt ins Leben zugleich der erste Schritt ins Verderben. Mancher Vater und Mutter mögen sich in den ersten Monaten nach Ostern die bange Frage vorlegen: »Wird er auch im Stande sein, auf eigenen Füßen zu stehen?« Nicht selten berechtigte ein Lehrling zu den besten Hoffnungen und erlitt doch in seiner ersten Stellung, sei es in moralischer Beziehung, sei es wegen Mangels an An passungsvermögen, jämmerlich Schiffbruch. Wehe ihm, wenn er in eins der sogenannten »Taubenhäuser« kommt! Mit der Saison geht dann gewöhnlich auch seine Stellung zu Ende. Wer aber seine erste Stellung nach 2 oder 3 Monaten aufgibt oder aufgeben muß, für den ist es schwer, eine neue Stellung zu finden, denn das erste Zeugnis als Gehilfe ist gewissermaßen der Befähigungsnachweis. Um im Geschäftsleben bestehen zu können, muß man jeden geringsten Vorteil wahrnehmen und sein ganzes Wissen und Können aufbieten. Tüchtige Fach kenntnisse genügen nicht allein, um im Leben vorwärts zu kommen, es gibt da noch sehr viele »Kleinigkeiten«, an die man aber gewöhnlich erst nach der Kündigung denkt. Kommt so ein neugebackener Kollege in ein größeres Geschäft, so lassen die älteren Kollegen den »Neuen« gern einmal ihre Ueberlegenheit fühlen, und mancher Scherz wird mit ihm ge trieben. Ganz verkehrt ist es dann, den Beleidigten zu spielen, denn dadurch schadet er sich nur selbst am meisten. Beim Eintritt in ein neues Geschäft versäume man nie, sich jedem Einzelnen vorzustellen. Dies ist eine Pflicht der Höflichkeit. Das erste, was ein junger Anfänger tun muß, ist, das Lager, den Laden oder die Bücher anzusehen. Schon aus der Art und Weise, wie er das tut, kann man mit ziemlicher Bestimmtheit erkennen, weß Geistes Kind der junge Mann ist. Als Lagerist muß man sich schnell einen Ueberblick über das ganze Lager aneignen. Die Hauptsache ist, zu wissen, wo die einzelnen Warengattungen liegen, und die unbekannten Waren kennen zu lernen. Ordnung ist im Lager unbedingt notwendig! Wo ein Paket unordentlich liegt, rückt man es gerade. Ueber Bindfaden und Papier, das am Fußboden liegt, darf man nicht Weggehen, das muß aufgehoben und ver braucht werden. Man spart dadurch Geld, und im Geschäft sparen fördert das Geschäftsinteresse. Zusammenstehen und erzählen liebt kein Chef, dazu ist Zeit nach Geschäftsschluß. Hat ein Kollege beim Zusammentragen der verschiedenen Waren schwer zu tragen, so muß man schnell mit zufassen und kann sich dadurch manchen Freund erwerben. Ist das neue Geschäft nicht so gut eingerichtet oder kleiner als das, in dem man gelernt hat, so behält man das hübsch für sich, ein anständiger Handlungsgehilfe läßt das Geschäft, in welchem er angestellt ist, nicht heruntermächen oder kritisieren. Der junge Verkäufer tut gut, das Staubtuch fleißig zu be nutzen, wenn keine Kunden im Laden sind. Mehr noch, als im Lager, ist im Laden Ordnung und Sauberkeit die Haupt sache. Dem älteren Verkäufer muß man durch Zureichen der Waren behilflich sein, vermeide aber möglichst ihm beim Be dienen der Kundschaft dazwischen zu reden. Ladentisch und Stühle müssen sauber und immer frei von Paketen sein. Zug und Saison-Artikel müssen stets zur Hand liegen. Das Bedienen der Kundschaft muß gewandt, höflich, ohne viel Geräusch und mit freundlichem Gesicht (auch bei Kindern und Dienstboten, das sind ebenfalls Kunden) geschehen. Allzu süßes Benehmen ist jedoch meistens nur bei alten Jungfern angebracht. Sauber keit des Anzuges und der Hände ist für jeden Verkäufer Be dingung. Beschädigte Waren darf kein Kunde sehen, darunter leidet der Ruf der Firma. Pakete sind sauber und fest einzu packen, der Kunde darf unterwegs nichts verlieren. Im Kontor sieht man zuerst nach den Namen und Wohn orten der Kundschaft, indem man das Register durchsieht, und sucht die Hauptabnehmer sowie die Lieferanten kennen zu lernen. Vieles Fragen stört und ist zu vermeiden, hauptsäch lich dem Chef gegenüber. Wer ein Buch gebraucht hat, lege es wieder auf den dafür bestimmten Platz. Zum Nachräumen ist selten jemand angestellt, und die Lehrlinge sollen lernen, aber nicht als Kontordiener benutzt werden. Auch ist es un angenehm und bringt Zeitverlust, wenn man erst lange nach einem Buche suchen soll. Der Platz, an dem man arbeitet, muß, ebenso das Tintenzeug, sauber sein und darf nicht als Ablagerungsstelle für Bücher, Briefe, Rechnungen usw. dienen. Beim Schluß der Arbeit schließe man möglichst alles weg, mindestens aber räume man auf. Wird eine Arbeit nicht so fort ausgeführt, so merkt man sie sich vor. Wer schreibt — der bleibt! Für jeden Handlungsgehilfen ist Pünktlichkeit eine der vor nehmsten Eigenschaften. Beim Antritt einer neuen Stellung ist es angebracht, sich möglichst am Tage vorher seinem Ohef vorzustellen und sich über die Geschäftszeit zu erkundigen. Verkehrt ist es, beim Stellenwechsel ein paar Tage zum Bummeln herauszuschinden. Wer pünktlich kommt, hat auch Anspruch darauf, pünktlich zu gehen. Als Neuer tut man wohl gut, beim Geschäftsschluß nicht der erste zu sein, vermeide aber auch, so lange zu arbeiten, daß die andern warten .müssen, und denke an das Sprüchwort: »Wenn die Sonne geht nach Westen — arbeiten die Faulen am besten.« Die Teilnahme an Vergnügungen ist in der ersten Zeit zu vermeiden, man ge braucht seine Gedanken da zu ernsteren Sachen, geht lieber nicht zu spät zu Bett, nimmt im Geiste die Arbeit des ver gangenen Tages noch einmal durch und überlegt sieh, was für den kommenden Tag zu tun ist. Dadurch kann man zuweilen Fehler vielleicht noch rechtzeitig gut machen, jedenfalls aber sich die Arbeit für den kommenden Tag einteilen. Besser ist es, beim Chef für einen soliden, nüchternen Menschen zu gelten, als sich bei den Kollegen des zweifelhaften Rufes eines »Sumpfhuhnes« zu erfreuen und' vielleicht noch am Anfang des Monats eine Anleihe machen zu müssen. Hat man aber ein Vergnügen mitgemacht, und ist es etwas spät oder viel mehr früh geworden, so prahle man damit nicht, denn dann wird ein etwa vorkommender Fehler auf Konto des Vergnügens gesetzt. Ist die erste Stellung nicht angenehm, so beachte man, daß es leichter ist, nach einjähriger Tätigkeit eine neue Stellung zu finden, als nach vierteljähriger. Aber auch allzulanges Bleiben bei einer Firma hat seine Nachteile, und man wird ein seitig und kann sich beim Stellenwechsel schwerer einarbeiten. Auch ist es, wenn man älter, verheiratet oder selbständig ist, schwieriger oder gar unmöglich, andere Gegenden unseres Vaterlandes oder des Auslandes kennen zu lernen und Er fahrungen zu sammeln. Das Heer der stellenlosen Handlungsgehilfen ist sehr groß, wer aber Freude an der Arbeit und Lust und Liebe zu seinem Stande hat und danach arbeitet, der braucht um seine Zukunft nicht bange zu sein, für den gilt das Leitwort jenes angesehenen Leipziger Handelshauses: Jeder für das Geschäft und das Geschäft für jeden. Halle a. S. R. Mühlpfordt, Buchhalter