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.aba. 2, C Buchgewerbe Buchbinderei * * Buchdruck *** * * * Buchhandel *** Steindruck Eingesandte Werke finden Besprechung _ Nr. 12 Mitarbeiter und Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung 414 ~ Sachliche Mitteilungen finden kostenfreie Aufnahme Normal - Schriftlinie Als ich 1872 mit der Schriftgießerei J. G. Francke nach Danzig übersiedelte, machte die Mitnahme des Schriftenlagers keine Mühe, denn Francke hatte so gut wie kein Lager: die großen Verschiedenheiten in Kegel und Höhe und der verhält nismäßig kleine Kundenkreis waren der Rentabilität eines Schriftenlagers hinderlich. Daher mußte denn auch zu der ersten, von ihm 1871 nach französischem System gelieferten Buchdruckerei-Einrichtung alles extra gegossen werden. Die mit dem 1. Januar 1873 erfolgte allgemeine Einführung des Didotsystems in Kegel und Höhe zwang aber auch J. G. Francke Nachfolger zur Etablierung eines Lagers, um einmal in der schnellen Lieferung nicht hinter der Konkurrenz zurück zu bleiben, und um zweitens nicht jedes Minimum Schrift einzeln gießen zu müssen, unter welchem Uebelstande diese Gießerei bis dahin sehr gelitten hatte. Das gehobene Gefühl, mit dem ich von nun an auf die Reise ging, wurde jedoch bald wesentlich herabgedrückt, als ich wahrnehmen mußte, daß es mit dem Normalkegel und der Normalhöhe allein doch nicht abgemacht war. Wurden bei mir nämlich Brot- oder Auszeichnungsschriften bestellt, so frug ich prinzipiell bei jedem Auftrage nach den Wünschen betreffs Kegel, Höhe, Linie und Signatur. Da stellte sich denn bei der Ausführung vieler Aufträge heraus, daß sie wegen Kegel und Höhe ganz gut hätten vom Lager genommen werden können, daß aber entweder die Lagerlinie oder die Signatur oder beides nicht mit den Schriften der Besteller übereinstimmte, und daß also trotzdem nach wie vor eine Menge Aufträge extra gegossen oder doch einer nochmaligen Nacharbeit unterzogen werden mußten. Das war für diese kleine Gießerei, die in diesem entlegenen Teile Deutschlands nicht so leicht Gehilfen einstellen konnte wie andere Gießereien in zentraler Lage, eine sehr üble Sache, und ich pflog mit dem Faktor Rat, wie man Abhilfe schaffen könnte. In erster Linie handelte es sich um das Liniehalten der Brot- und Auszeichnungsschriften bis einschließlich Cicero, so daß also z. B. Korpus Fraktur, Antiqua und Cursiv unter sich und gleichzeitig mit den halbfetten und fetten Fraktur-, Antiqua- und Cursivschriften in Linie ständen. Leider war aber auch das Inliniestellen dieser Schriften nicht durchzu führen; die betreffenden Schriften eines Grades, ursprünglich für verschiedene Schriftsysteme geschnitten, waren so ungleich in der Größe, daß eine Normal-Schriftlinie nur durch Ueberhängen der Schriften zu erreichen gewesen wäre, man hätte also den Teufel mit Beelzebub ausgetrieben. Schließlich ließ auch noch ein anderer Umstand davon absehen. Was hätte es nämlich der Francke’schen Gießerei genützt, eine Normallinie einzu führen, wenn die andern Gießereien nicht ein Gleiches taten? Obgleich damals noch wenig erfahren in der Gießerei, war ich mir darüber doch schon klar, daß derartige Reformen nur durch Hand in Hand gehen aller Gießereien möglich wären, und daß die kleine Francke'sche Gießerei nicht darauf rechnen durfte, die andern Gießereien zur Nachfolge zu veranlassen, und zwar um so weniger, als ja die Kosten dieser Reform für die großen Gießereien viel erheblicher sein mußten. So mußte denn dieses Projekt fallen. Wohl aber nahm ich mir vor, diesen und noch einige andere Uebelstände, welche ich im Verkehr zwischen Buchdrucker und Schrift gießer wahrgenommen, öffentlich zu erörtern. Das geschah in meinem Handbuche, welches im Mai 1874 in erster Auflage erschien. Ich war überzeugt, daß es den andern Gießereien ebenso schwer sein würde, ihre alten Schriften in eine Normal linie zu bringen, hielt daher nur eine allmähliche Einführung für möglich, und auch wieder nur dadurch, daß man schon beim Schnitt neuer Schriften auf sie Rücksicht nahm. Ich stellte mir vor, daß die Kegelfläche z. B. in 8 gleiche Teile zu zer legen und die 6 oberen Teile den Oberlängen: Versalien, b d k usw., die 4 Mittelteile den Mittellängen: in a c e usw., und die 6 unteren Teile den Unterlängen: g p q usw. zuzuweisen wären. Die Größe der Mittellängen sollte dem Ermessen des Schriftzeich ners resp. des Stempelschneiders überlassen bleiben, aber grund sätzlich sollte daran festgehalten werden, daß alle Ober- und Mittel- längen der Kegelfläche vom unteren Kegelrande entfernt bleiben müßten. Diese Norm, von allen Gießereien angenommen, hätte zum Liniehalten aller Schriften eines Grades geführt, ganz gleich, aus welcher Gießerei sie stammten, und jeder Extraguß wegen Liniehaltens der Buch- und Auszeichnungs schriften wäre aus der Welt geschafft worden. Diese Zerlegung des Kegels in 8 Teile war natürlich nur ein Vorschlag. Wie diese Normallinie herbeigeführt werden könne, darüber sollte eine Vereinigung von deutschen Buch druckern, Schriftgießern und Stempelschneidern entscheiden unter Berücksichtigung der einschlägigen Verhältnisse. Die Fachpresse nahm diesen Vorschlag wohlwollend auf. Die »Annalen der Typographie«, 1874, Nr. 261, sagten darüber: »Wichtiger noch als die Richtigkeit der Weite ist die Genauigkeit der Linie, welcher Herr S. die gebührende Aufmerksamkeit schenkt. Durch praktische Schriftillustrationen macht er den gräulichen Misch masch klar, welcher durch die Vermischung solcher nach verschiedenen Systemen geschnittenen Schriften ein und desselben Schriftgrades hervorgebracht wird. Die einzige Abhilfe würde in einem allerdings äußerst schwierigen Uebereinkommen aller Beteiligten über gewisse Normen liegen.« Das »Journal für Buchdruckerkunst« 1874, Nr. 23, äußerte sich in folgender Weise: »Dasselbe läßt sich von der Linie sagen, d. h. vom Liniehalten der Schriften, mit dem es, Gott sei’s geklagt, in Deutschland oft noch recht schlecht bestellt ist, wovon man sich selbst durch den ober flächlichsten Vergleich vieler unserer Antiquadrucke mit den englischen und amerikanischen überzeugen kann. Vereintem Streben muß es leicht gelingen, diesem offenkundigen Mangel abzuhelfen; doch würde man eher zu einem Ziele gelangen, wenn auch hier, wie bei der Ein führung des französischen Kegels, die Gießereien die Initiative er greifen und die Normen feststellen wollten, welche maßgebend sein sollen zur Erlangung größerer Ebenmäßigkeit in der Linie. Wären zu solchem Ende und zur Erzielung noch mancher anderer nützlicher und gemeinsamer Einrichtungen nicht gelegentliche Versammlungen von Schriftgießern, zu denen auch wohl erfahrene und gebildete Buch drucker herangezogen würden, sehr angezeigt?« Eine Gelegenheit zu einer derartigen Erörterung boten die 1878 gepflogenen Verhandlungen der Schriftgießereien zwecks Festlegung des Didotsystems auf dem Metermaß. Im selben Jahre erschien auch die zweite Auflage meines Handbuches, in der ich empfahl, neue Schriften so zu schneiden, daß die Ober- und Mittellängen einen bestimmten, also systematischen Teil der Kegelfläche vom unteren Kegelrande abstehend ge gossen werden können. Indes die vielen Sorgen und Kosten, welche die damalige Einführung eines einheitlichen Didot systems den Gießereien verursachte, ließen es begreiflich er scheinen, daß sie sich darauf beschränkten, diesen einen Hasen zu erlegen, und daß sie die Jagd auf den andern einer späteren Zeit überließen. So blieben denn die obigen Anregungen so lange un berücksichtigt, bis aus Nordamerika die Kunde kam, daß die ganz neu errichtete Inland Type Foundry, die weder mit einer alten Kundschaft noch mit vorhandenen Stempeln und Matrizen zu rechnen brauchte, die Normallinie eingeführt habe. Ihr folgten dann die andern allmählich und konnten es auch ver hältnismäßig rasch, da die dort fast ausschließlich verwendete Antiqua mit ihren wenigen Unterlängen eine Verrückung der bisherigen verschiedenen Schriftlinicn in eine normale leichter gestattete. So leicht wie in Nordamerika und England ist die Ein führung der Normallinie in Deutschland aber nicht, schon der vorherrschenden Fraktur mit ihren vielen Unterlängen wegen. Man hatte sie zwar, wie schon gesagt, aufgeschoben, aber zu umgehen war sie auf die Dauer nicht. Wenn man zur Ein führung des Didotsystems geschritten war, um die gangbarsten Schriften stets sofort vom Lager erhalten zu können, dann