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Wohl der Arbeiterinnen angelegen sein, und für Einhaltung der Vorschriften für jugendliche Arbeiter sorgen die Organe der Polizei. Zum Schlüsse möchte ich auf eine wünschenswerte »Er gänzung« der Bundesrats-Vorschriften für solche Betriebe hin weisen, die Setzmaschinen aufgestellt haben. Von Gesetzes- wegen muß etwas geschehen, um der den Körper stark an greifenden Beschäftigung des Setzens an der Maschine in hygienischer Hinsicht entgegenzuwirken. Einige Beispiele mögen die Verhältnisse beschreiben. In der Setzmaschinen-Abteilung einer Leipziger Druckerei waren früher die Abstände der einzelnen Maschinen so bemessen, daß, wenn der Korb des Typograph nach hinten gehoben, also ab gelegt wurde, sich noch ein Raum von 40 cm von dem Setzer der nächststehenden Maschine befand. Ging nun ein Setzer von der ersten Reihe der Maschinen um Einhänger zu holen oder ein volles Schiff wegzustellen, so lief er Gefahr, von dem überkippenden Korbe der Maschine der vorderen Reihe fühlbar getroffen zu werden. Ferner standen die Maschinen in drei Gliedern mit einem Abstand (vom Schmelztiegel zum Korb gemessen) von 55 cm; auch dieser Raum war zu gering, um bequemen Durchgang des Arbeiters zu gestatten. Am em pfindlichsten zeigte sich die Beengung an heißen Sommer- Tagen, wo nicht selten 30 bis 34 Grad Reaumur im Setz- maschinen-Saale herrschte, eine Temperatur, die es dem Setzer unmöglich macht, sein Pensum zu leisten. Heute stehen die Maschinen in einem für Setzmaschinenbetriebe mustergiltigen Saale, wo große Abstände bequemes Hantieren gestatten und ein Exhaustor für Ventilation ausreichend sorgt. Die Haupt abzugsrohre münden dort, wo der Ventilator Aufstellung ge funden, der sich während der Arbeitszeit in Tätigkeit befindet. Bei einer andern Leipziger Druckerei, die mit 5 Linotype- Maschinen arbeitet, fehlen die Abzugsrohre am Schmelzkessel, durch den kürzlich erfolgten Besitzwechsel ist aber anzu nehmen, daß auch hier Besserung eintritt. In Pößneck steht eine Typograph-Maschine zwischen Druckpressen und Hilfs maschinen eingeklemmt. Das starke, durch Druckmaschinen und Motor hervorgerufene Geräusch macht das Arbeiten an derselben unerträglich. Nach meinen Erfahrungen im Setzmaschinen-Betriebe sind folgende Vorschriften nötig: 1. Die Setzmaschinen müssen in einem für sich abge schlossenen Raume stehen, welcher nur die zum Setzmaschinen- Betrieb gehörigen Maschinen umfaßt. 2. An jeder Maschine ist über dem Schmelzkessel ein Ab zugsrohr anzubringen, welches die Bleidünste abführt. 3. Die Arbeitsräume für Setzmaschinen müssen so be messen sein, daß auf jede Maschine mindestens 10 Kubikmeter Luft entfallen. 4. Die Abstände der Maschinen müssen mindestens einen Meter betragen. 5. In jedem derartigen Betriebe muß ein Ventilator an gebracht sein, der nach Bedarf, wenigstens aber während der Frühstücks-, Mittags- und Vesperpause arbeitet. 6. Gelten die Vorschriften des Bundesrats vorn 31. Juli 1897 betr. die Einrichtung und Betrieb der Buchdruckereien und Schriftgießereien. Tarifbewegung der Lithographen und Steindrucker Zu Nr. 9, Seite 299 Wenn ich den Tarif, der vom Verein der Lithographen, Stein- •drucker und Berufsgenossen aufgestellt worden ist, und der ausführlich in Nr. 4 des Organs für die Interessen genannten Vereins veröffentlicht wird, vergleiche mit den Ausführungen des Einsenders in Nr. 9 der Papier-Zeitung, so erscheint dieser seinen Worten nach als scharfer Gegner des Tarifes. Es berühren sich da zwei Extreme. Dort wird zu viel verlangt, hier will einer nichts bewilligen, es soll »gekämpft« werden. Meiner Ansicht nach kann die Sache so ernst und der »Kampf« so hart nicht werden. Ein Tarif ist immer ein Schutz gegen die Ausschreitungen, die auf beiden Seiten, auf Seiten der Arbeitgeber und Arbeitnehmer vorkommen, deshalb ist eine solche Tarifvorlage zu begrüßen und — zu prüfen. Aber die Prüfung darf nicht voreilig sein. Ich stand früher jahrelang zwischen beiden Parteien gleichsam als Prellbock und hatte als Betriebsleiter kein Mittel, um schlechte, unwillige Arbeiter wenigstens so lange zu halten, als der Arbeitsver trag sie eigentlich zwingt, und es im Interesse des Geschäfts geboten war. Manche Anlegerin ließ plötzlich die Maschine stehen, kam zu mir ins Kontor und verlangte entweder mehr Lohn oder die Papiere. Auf die in anständiger Form ergangene Aufforderung, erst wieder an die Maschine zu gehen und während einer Pause um Gehaltszulage anzufragen, ging sie zur Polizei und erschien in fünf Minuten mit einem Schutzmann, der mir erklärte, daß ich der Arbeiterin auf Wunsch die Invalidenkarte sofort aushändigen müsse. Was war daraufhin zu tun? Verklagen beim Gewerbegericht, Zeit verlaufen, sich Aerger und Verdruß bereiten und, wenn auch Recht zu meinen Gunsten ge sprochen würde, dennoch dem Geschäft Schaden zufügen? Nein, diese Leute ließ ich laufen und suchte einen Stab anständiger, tüchtiger Leute zu halten. Wo solche Leute beschäftigt sind und eine rechtliche, wenn auch strenge Leitung finden, kommen Mißhelligkeiten nur selten vor, und da sind eigentlich Tarife überflüssig. Wo fortwährend solche Mißhelligkeiten vorkommen, liegt es an der Betriebsleitung, die aus falscher Sparsamkeit mittelmäßiges Personal beschäftigt, um geringe Löhne zu zahlen. Der Tarif ist nicht so gestellt, daß darauf die Arbeitgeber nur ein schroffes Nein entgegnen könnten. Die Forderungen oder Wünsche sind teilweise so gestellt, wie sie den Verhältnissen in einigen guten Betrieben bereits entsprechen. Sehen wir uns die Bedingungen an, die der Einsender aus Nr. 9 beanstandet. Man vergleiche folgende Ausführungen mit Nr. 9 Seite 300 dieser Zeitung. I. 1/4 Stunde Pause vor der Ueberarbeitszeit kann bewilligt und be zahlt werden. Das Aussetzen infolge Arbeitsmangels auf alle Beschäftigte des Betriebes auszudehnen, ist etwas umständlich und macht in einem großen Betriebe Schwierigkeiten. Einigung ist aber möglich: das Aus setzen läßt sich verteilen. II. Die Mindestlöhne sind nicht zu hoch. Man soll aber dafür sorgen, daß die Lehrlingsausbildung besser wird. Mancher ausgelernte »Stift« leistet heute kaum für 18—20 M. Arbeit. Die Lohnzahlung kann Freitags einige Minuten vor Ge schäftsschluß stattfinden, indem jedem Arbeiter das'Geld an seinem Arbeitsplätze durch Angestellte des Kontors verabfolgt wird. Mir war es nicht angenehm, wenn die Angestellten mein Kontor belagerten und vor der Tür warteten, ich änderte auch diese Zahlungsweise. Es muß gestattet sein, Lohnabzug für Versäumnisse in bestimmten Fällen zu machen. Es wäre gut, die §§ 616 und 629 BGB abzudrucken und bekannt zu geben. Das Einhalten von Kaution muß gestattet sein. Ein Geschäft muß die Möglichkeit haben, sich in Fällen, wie die von mir oben an geführten, schadlos zu halten. IV. Diese Bestimmung ist überflüssig, denn ein Geschäft, das ein gearbeitete Leute hat, kann ohnehin nicht zu kurzer Aushilfe jemand einstellen, der sich erst an die technische Einrichtung des Betriebes gewöhnen muß. Es gibt aber Betriebe, in denen schlechtbezahlte Ueberstunden chronisch sind. Diese Betriebe werden durch die Höhe des Zuschlags gezwungen, mehr Leute einzustellen, und lassen die Ueberstunden von selbst fallen. V. Die Bestimmung, vom Arbeitgeber angeordnete Feiertage sowie sonstige Zeitversäumnisse, »die sich durch gesetzliche Bestimmungen nötig machen«, zu bezahlen, ist dehnbar wie eine Ziehharmonika. Ich nehme an, daß militärische Uebungen nicht dazu gehören. Daß aber die üblichen Feiertage heute noch irgendwo in Druckereien nicht be zahlt werden, ist mir nicht bekannt. Bezahlung dieser Feiertage ist selbstverständlich. VI. Alle diese, den Lehrling betreffenden Bedingungen sollten an erkannt werden. Obligatorischer Fachunterricht innerhalb der Arbeitszeit kann dem Prinzipale nur Nutzen bringen. Was werden heute noch für Leute als Lithographenlehrlinge eingestellt, besonders in den Betrieben von Papierwarenfabriken, deren Inhaber meist nur Kaufleute sind, von der Lithographie so gut wie nichts verstehen und jeden beliebigen Knaben aufnehmen. Nur selten wird geprüft, ob die Lehrlinge Talent im Zeichnen besitzen, höchstens prüft sie irgend ein Angestellter der lithographischen Abteilung auf Fingerfertigkeit, aber nicht auf Talent. Der Besuch der Fachschule nach Feierabend ist eine Plage für .— die Lehrer. Nur wenige befähigte Schüler sind willens, abends noch zu lernen. Man soll dem Lehrlinge den freien Abend nicht nehmen, er soll sich ausruhen. Am Tage wird er in gut eingerichteten Fachschulen eifrig lernen, besonders, wenn durch die Prüfungen gänzlich Untaugliche ausgeschlossen werden. Wie viele Lithographenlehrlinge, die bei Privatlithographen lernen, haben keine Ahnung vom Steindruck! Auch viele Druckerlehrlinge lernen ihren Beruf heute nur ganz mechanisch. Unbedingt müßten sie einige Kenntnis von Chemie haben, um die chemischen Vorgänge zu be greifen, die beim Aetzen der Steine und Präparieren der Zinkplatten vor sich gehen. Die Zusammensetzung und das Mischen der Farben, das Unterscheiden der Erdfarben und Teerfarben, deren Lichtempfind lichkeit, das alles lernt der Druckerlehrling nicht, wenn er nur dem Gehilfen, dem er zugeteilt ist, die Handgriffe abguckt. In den meisten Anstalten wissen darüber höchstens die Oberdrucker Bescheid und be wahren »ihre Wissenschaft« als Geheimnis. Etwas Papierkenntnis muß der Steindrucker- und Lithographenlehrling auch haben. Er wird dann begreifen, daß es Papiere gibt, die Einfluß auf gewisse Farben haben, und daß farbige Drucksachen deshalb nicht in jede Makulatur gelegt werden dürfen. Wie viele Mißgriffe könnten vermieden werden, wenn wir in dieser Hinsicht die Lehrlinge besser bildeten!