Volltext Seite (XML)
Nr. 6 PAPIER-ZEITUNG 189 hierzu gebotene Gelegenheit. Kann der Künstlerunterricht an eine bestehende Lehranstalt angeschlossen werden, so ist meistens auch die Honorarfrage glatt erledigt. Die Schüler oder der veranstaltende Verein bezahlen dann für jeden Teil nehmer halbjährlich vielleicht 3 M. Sollte in einer Stadt der Anschluß an eine bestehende Schule unmöglich sein, so versuche man wenigstens ein Klassen zimmer als Unterrichtsraum zu bekommen, sei es in einer Ge meindeschule oder in einem Gymnasium. Die Turnvereine vieler Städte, so z. B. auch in Berlin, halten vorzugsweise ihre Üebungen in Schul-Turnsälen ab und können in dieser Hinsicht als Vorbild dienen. Nur bei vollständigem Mangel eines ge eigneteren Raumes sollte der Unterricht etwa in ein Bierlokal verlegt werden. II. Ich habe nachzuweisen versucht, daß die künstlerischen Lehrkräfte auch in kleineren Städten zu beschaffen sein werden; schwieriger gestaltet sich dagegen das Finden eines zum Lehr amt befähigten und entsprechend künstlerisch vorgebildeten Fachmannes (Buchdruckers). Daß ein Unterricht ohne ihn nicht vollständig ist, habe ich ebenfalls schon dargelegt; so bleibt die Frage, wie solche Fachlehrer zu beschaffen oder heranzubilden sind. Die jetzt Fachunterricht erteilenden älteren Lehrer sind durchweg Autodidakten. Freilich sind z. B. aus den Fach klassen der Berliner Handwerkerschule nach siebenjährigem Bestehen auch schon Schüler soweit herangewachsen, daß sie Unterricht erteilen können und tatsächlich in Berlin und in anderen Städten bereits erteilen. Aber die meisten Orte sind doch bei der Wahl ihres Fachlehrers auf sich selbst und auf die am Orte wohnenden und dazu geeigneten Kollegen ange wiesen. Den meisten der letzteren aber fehlt cs bei aller fachlichen und künstlerischen Befähigung an der eigentlichen Fähigkeit zum Lehren. Der Lehrer von Beruf bezeichnet diese Fähigkeit mit den Fachausdrücken »Methodik« und »Lehr stoff-Auswahl« Der zum Lehrer ausersehene Fachmann weiß meist nicht recht, wo er anfangen soll. Dutzende von Briefen, die ich im Laufe der Jahre erhielt, beweisen das. Mir scheint also, daß es nötig ist, solche Fachleute in besonderen, sich auf etwa 14 Tage erstreckenden Lehrkursen auszubilden. Solche Lehrkurse könnten alljährlich einmal in den größeren Städten im Juli oder August stattfinden. Als Städte, die zu solchen Lehrkursen geeignet wären, nenne ich vorerst: Berlin, Düsseldorf oder Köln, Hamburg, München, Stuttgart. Ich denke hierbei an Unterrichtskurse, wie sie ähnlich für Zeichenlehrer und für Lehrer, die sich dem allgemeinen Fortbildungsschul- Unterricht Widmen wollen, in den Hauptstädten abgehalten werden und zu deren Besuch diese Lehrer einen Teil ihrer Sommer-Ferien verwenden. Die in Frage kommenden Buchdrucker sind allerdings nicht reich gesegnet mit Ferien. Aber wenn man monatelang beab sichtigt, an einem solchen Kursus teilzunehmen, wird sich ja wohl auf vierzehn Tage Rat schaffen lassen. Zu den Kosten der Reise müßten die sendenden Vereine selbstverständlich beitragen. Auf solchen Lehrerkursen sollen die Teilnehmer mit allen Einzelheiten des Unterrichtens vertraut gemacht werden, von einer Sprech- und Vortragsunterweisung an bis zur zu übenden Methodik im Unterricht selbst, bis zu Hebungen in der Auf gabenstellung (Stoffauswahl) und bis zu technischen Unter weisungen über die Benutzung von Vorlagen, Wandtafelzeich nungen, von Zeichenpapier, Blei, Feder und Farbenkasten. Ich glaube, daß sich diese Unterweisung bei täglich mindestens sechsstündigem Unterricht wohl leisten lassen wird. Freilich — Lust und Liebe muß der Teilnehmer von Hause schon mitbringen. Es kann sich bei dem Ferienkursus nur darum handeln, zu zeigen, wie gelehrt wird und was gelehrt werden soll. Die Fähigkeit zum Lehren ist freilich nicht in jeden ge legt, aber bei entsprechender Unterweisung zeigt sich ge nügende Fähigkeit in der Regel auch da, wo der Betreffende zunächst selbst wenig Hoffnung hatte. Die Kursus-Teilnehmer würden von einem Pädagogen be lehrt über das Wesen des Unterrichts, über Förderung und Wachhaltung des Arbeitsinteresses bei den Schülern usw.; weiter würde ein Künstler über ästhetische Methodik im Unterricht sprechen und über die allgemeinen Ziele eines Skizzierunterrichts von seinem Standpunkte aus. Drittens kämen einige Fachleute zum Wort, um an Hand von Schülerarbeiten den Lehrstoff und seine zweckmäßige Ver teilung und Steigerung festzulegen. Viertens würden einige Üebungen und Unterweisungen im Aquarellieren, im Wand tafelzeichnen und in der kompilatorischen Klebemanier für Skizzen vorzusehen und fünftens Hospitieren in ver schiedenen geeigneten Unterrichtsklassen angebracht sein. Das alles läft sich in vierzehn Tagen bei' Fleiß und Ausdauer machen, da es sich nicht um die Erwerbung von Fertigkeiten handelt, sondern vielmehr nur um programmatisches Sammeln und Aufnehmen von Ratschlägen und Vorschriften. Es wäre sehr erwünscht, wenn schon im Sommer 1904 der Anfang mit einem solchen Lehrer-Kursus in irgend einer Stadt gemacht würde. Gelingen wird es; freilich haben die Lehrenden die meiste Arbeit, nicht etwa die Lernenden. Man könnte solche Lehrkurse natürlich auch auf die Methodik des Tonplatten-Unterrichts, des Zurichtens von Illustrationen, der theoretischen und praktischen Farbenlehre, sowie der Material kunde, der Zinkätzung und Photographie ausdehnen. Vielleicht geht vorstehender Vorschlag im Augenblick noch zu weit. Dann sollten aber die Fachlehrer und solche, die es werden sollen, im kommenden Sommer mindestens zu einem »Unterrichtstage« zusammenkommen, auf welchem durch verteilte Vorträge und Aussprache manche Erfahrungen aus getauscht und Kenntnisse verbreitet werden könnten. Braunschweiger Brief Mitte Januar Die günstige Geschäftsperiode im hiesigen graphischen Gewerbe hat in den Buchdruckereien schon wieder etwas nachgelassen. Die Neuherausgabe des Adreßbuches ist beendet, und etwa 10 Konditions lose müssen wieder die Unterstützungskasse in Anspruch nehmen. Das soeben in der 90. Ausgabe erschienene Adreßbwh nebst Hof- und Staatshandbuch für das Herzogtum Braunschweig zeichnet sich durch seinen schönen wirkungsvollen, modernen Einband aus. Die Bogenzahl, etwa 70,'ist ungefähr dieselbe wie im Vorjahre. Der Inhalt zählt u. a. 68 Papierhandlungen, 4 Papierwarenfabriken, 1 Tapeten fabrik, 88 Buchdruckereien, 15 Steindruckereien, 1 Lichtdruckanstalt, 1 Schriftgiesserei, 11 xylographische und 2 chemigraphische Anstalten, 4 Stereotypengießereien, 8 galvanoplastische Anstalten, 21 Zeitungen, 6 Annoncen-Expeditionen, 1 literarisches Bureau, 48 Buchbindereien (vereint in einer Zwangs-Innung), 9 Kartonnagenfabriken, 8 Etuis fabriken, 2 Liniieranstalten, 1 Lichtpausanstalt, 6 Graveure, 17 Verlags-, 22 Sortiments-, 6 Antiquariats- und 19 Kolportage-Buchhandlungen und 18 Kunsthandlungen. Die Buchhandlungen vereinen allerdings öfter verschiedene Zweige in sich, desgleichen sind unter den Papierhandlungen mehrere Buchbindereien mitvertreten. Außer dem bestehen im Herzogtum Braunschweig noch folgende handels gerichtlich eingetragenen Gewerbe: 6 Papier- und Schreibwaren- Handlungen, 4 Papierfabriken, 2 Holzstoff-, 1 Lederpappen- und 1 Patentpappenfabrik, 13 Buchdruckereien, 7 Buchbindereien, 2 Verlags- und 9 Buch- und Kunsthandlungen. Die neugegründete »Vereinigung der Buch- und Steindruckereibesitzer im Herzogtum Braunschweig«, welcher alle größeren Firmen angehören, hielt am 9. Januar ihre monatliche Versammlung ab, in welcher aber nur innere Angelegenheiten behandelt wurden. Mehrere namentlich für das Zeitungsgewerbe hochinteressante Prozesse spielen sich hier zur Zeit ab: Wie schon in Nr. 29 von 1903 gemeldet, wurde der Verleger des »Braunschweiger Stadtanzeigers« infolge Klage der hiesigen »Neuesten Nachrichten« dahin verurteilt, seine unwahren Behauptungen zu unterlassen, daß der »Stadtanzeiger« das hierselbst gelesenste und verbreitetste Organ sei, da diese Behauptung infolge Beweisführung der »Neuesten Nachrbhten« nicht zutrifft. Das Klageobjekt war nach der kostenpflichtigen Verurteilung des »Stadt- Anzeigers« seitens des hiesigen Oberlandesgerichts auf 10 000 M. fest gesetzt und jeder Fall der Zuwiderhandlung auf 500 M. Gegen dieses Urteil legte noch der »Stadtanzeiger« letzte Revision beim Reichs gericht in Leipzig ein, doch ist derselbe auch dort vor kurzem mit seiner Klage abgewiesen worden. Hiermit hat jetzt ein langjähriger Zeitungskrieg seine endgiltige Erledigung gefunden, wenn nicht noch Schadenersatzansprüche von Inserenten erfolgen werden. Einen solchen Schadenersatz-Prozeß gegen genannten verurteilten Verleger hatte ein hiesiger Kaufmann angestrengt. Diesem war beim Abschluß eines größeren Anzeigenauftrages seitens des Verlags eine um die Hälfte höhere Verbreitung des Blattes angegeben worden, als tatsächlich der Fall war. Wohl infolge des endgiltigen Reichsgerichts-Urteils wurde auch hier der Verleger verurteilt und ihm auch die Kosten dieses Rechtsstreites auferlegt. Hiernach ist wahrscheinlich, daß noch ein ganzer Rattenkönig von Prozessen gegen ihn angestrengt werden wird. Eine Klage wegen unlauteren Wettbewerbs strengt zur Zeit eine hiesige Innung gegen eine hiesige Zeitung an. Es handelt sich in diesem Fall um die Aufnahme einer angeblich schwindelhaften Anzeige einer ausländischen Firma, durch welche das kaufende Publikum irre- geführt wird. Die Zeitung soll gezwungen werden, die Aufnahme solcher Anzeigen zu verweigern. Die Anzeige hatte in Hunderten anderer deutscher Zeitungen gestanden. Der Prozeß gewinnt nament lich dadurch Interesse, als es sich hier um die Frage handelt, ob die