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.© Buchgewerbe Buchbinderei * * Buchdruck *** *** Buchhandel Eingesandte Werke finden Besprechung * * $ Steindruck - Nr. 78 Mitarbeiter und Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung 2782 Sachliche Mitteilungen finden kostenfreie Aufnahme Ludwig Richter zum hundertsten Geburtstag des Meisters Von Carl Matthies »Und die Sonne Homer’s, siehe sie scheinet auch uns«, so schrieb Richter über ein Blatt • Kunstregel - seinen Wahlspruch. Und sie lächelt hernieder auf die Landschaft, auf die Bäume, den Quell, die Menschen — auf den Malersmann, der sorglos sich des warmen Scheines erfreut. Er hat sie sich nicht ver düstern lassen, seine Sonne, und aus seiner Kindheit Schreckens tagen vermochten (he Schatten ihm nicht zu folgen. Erinnerung blieben sie ihm, aber sie legten sich nie auf seine Kunst. Er hat sie geschildert, die blutigen Ereignisse in Dresden während der Franzosentage, aber diese düsteren Bilder hinterließ er uns in seinen köstlichen » Lebens - Erinnerungen eines deutschen Malefs« als Erzähler, nicht als Zeichner. Im Jahre 1803, am 28. September, wurde er in Dresden geboren. Sein Vater, Karl August Richter, war Zeichner und Kupferstecher, ein Schüler Adrian Zinggs. Tm Elternhause war es sehr knapp, denn die Kriegsjahre hatten schlimme Zeiten im Gefolge. Trotzdem der Vater Professor an der Akademie war, reichte das geringe Gehalt nicht hin und her, und er mußte fleißig Kalenderbilder, Glückwunschkarten usw. radiren, um seine Familie ernähren zu können. Die Kinder arbeiteten täglich mit. Am meisten mußte der älteste Sohn, Adrian Ludwig, helfen, welcher im 12. Lebensjahre schon tüchtig radirte. Aber es waren nicht Radirungen, an denen das keimende Talent des jungen Richter einen fruchtbaren Boden finden, an denen es auch nur technisch ausreifen konnte. Ach, es war ja die Manier des achtzehnten Jahrhunderts, und die stand auf ziemlich niedriger Stufe. Und dann war alles so trocken, so schematisch. Es gab doch etwas besseres. Hatte er nicht Blätter von Dürer gesehen? Was war das für eine Welt? Wie heiß mag es manchmal im Herzen des bescheide nen Jünglings gebrannt haben. Und seiner Sehnsucht heim lichste Hoffnung, der Wunsch, Maler zu werden, wie oft mag er von Zweifeln erschüttert worden sein, wenn er seine Zeichnung mit denen des großen Meisters verglich. Er arbeitete wacker weiter und man wurde aufmerksam. Der russische Fürst Narischkin nahm ihn als Zeichner auf einer Reise durch Südfrankreieh mit, und er wird auch in dieser Stellung als »»Schnellzeichner« gar manches gelernt, sehr vieles aber gesehen haben. Sieben Monate dauerte die Reise. Nach Dresden zurückgekehrt, arbeitete er wieder beim Vater, aber nun doch schon selbständig. An den Radirungen Erhards, eines Zeitgenossen, hatte er sich gebildet, von ihm auch wohl die erste Anregung zu eigener Naturauffassung empfangen. Aber er konnte dennoch keine Befriedigung finden. Der Funken aus der Knabenzeit war zur Flamme geworden, der Wunsch, Maler zu werden, hatte eine andere Sehnsucht in ihm wach werden lassen. So ging er umher, und wachend und träumend gaukelte seine Fantasie ihm Bilder vor vom Lande der Maler, vom sonnigen Süden, von Italien. Ach, und da kamen die Zweifel wieder, aber die Sehnsucht ward immer größer. Italien! Jeder Maler mußte es doch kennen lernen. Die Kunstschätze und dann die italienische Landschaft. Und seine Sehnsucht sollte erfüllt werden. Der Verleger Christoph Arnold gab ihm die Mittel zu Bjährigem Aufenthalt in Italien. Nicht zuletzt mag ihn der Umstand bewogen haben, daß er mit den Zeichnungen des jungen Richter einen guten Erfolg gehabt hatte. Wie glücklich war der junge Ludwig! Als 21 jähriger Jüngling sah er Italien, sah er die Kunstreichtümer der großen Meister der Renaissance, sah er diejenigen des klassischen Altertums. Es wird ihm nicht leicht geworden sein, dies Leben in Schönheit mit der Zeichenlehrerstelle in Meißen zu vertauschen, und die ersten dieser 10 Jahre werden neben der tiefen Er innerung immer und immer wieder die Sehnsucht, wohl auch die Hoffnung auf einstiges Wiedersehen, in ihm haben er ¬ glühen lassen. Vielleicht ist es gut, daß er, statt nach Italien, nur nach Böhmen kam, weil die Mittel ihm fehlten, denn nun lernte er die deutsche Landschaft lieben, nun lernte er sie sehen. Italien hat keinen Einfluß auf sein Deutschtum gehabt, auf sein deutsches Empfinden, aber er wußte die Quelle vor her nicht, aus der er schöpfen sollte, er hatte das Land noch nicht, in das er Körner streuen konnte. Wie öffneten sich jetzt seine Augen. Sein deutsches Vaterland, die Menschen seiner Zeit — wie reich war alles um ihn her. Wie tausend fältig lagen die Dinge vor ihm, wie schön und heiter, wie tief war der Born und wie geheimnisvoll blinkte es an seinem Grunde. Nun wußte er, wo er zu suchen hatte, wußte er, wo seine Kunst wurzelte. Wenig hat er gemalt, aber es gehört zum besten. Für seinen »Brautzug« erhielt er in Paris die goldene Medaille. Im Jahre 1886 wurde er als Professor der Landschaftsmalerei an die Akademie seiner Vaterstadt Dresden berufen, welches Amt er bis 1876 bekleidete. Dieses Lehramt war leider schlecht besoldet, und aus den engen Verhältnissen ist er wohl während der ganzen Zeit seines Lebens nicht her ausgekommen. Vor gänzlicher Verarmung rettete ihn noch ein Ehrensold, den ihm Wilhelm I. aussetzte. Und wie hat er gesehen und gearbeitet! Ungefähr 3400 Zeichnungen hat er dem deutschen Volke geschenkt in Blättern und Büchern. Zu den schönsten Märchen hat er seine Bilder gedichtet, denn er war kein Sklave des Textes, sondern ein freier Erzähler. Und wer kannte ihn damals, wer kennt ihn heute? Er ist volkstümlich, er ist ein Hausfreund, er hat fast unzählige Bücher illustrirt und doch war er arm? Wer hat hier die Schuld, seine Verleger? Nein. Denn mit ihnen war er befreundet, und sie haben ihn auch sicherlich nach Vermögen honorirt. Das Volk? Fast möchte es so scheinen. Und doch sage ich: dem ist nicht so. Das Volk in-seiner Mehrzahl kauft Bücher, kauft sogar eine stattliehe Anzahl Bücher, aber es kauft in der Regel ohne Verständnis für das Gute, ohne Auswahl und Geschmack. Ach, und das Gute liegt gewöhnlich in den Tiefen. Das Volk aber sieht nur die bunte Oberfläche und greift danach wie das Kind nach den giftigen Beeren und den bunten schillernden Pilzen. Die guten billigen Bücher sind also auch nur für die Gebildeten, die in den Tiefen zu sehen verstehen. Und ich behaupte, die Schuld tragen die sozialen Verhältnisse. Weshalb wird in den Volks schulen nicht der Geschmack der Kinder geläutert, weshalb nimmt die Kunst in den Volksschulen den allerkleinsten Teil des Kindeslebens ein. Und darum werden die schlechten Bücher gekauft, und die echten Dichter und Zeichner der Deutschen müssen hungern. Sie müssen erst ein Jubiläum haben, nach ihrem Tode meistens, ehe sie recht gekannt und ihre Werke gekauft werden. Richter starb am 19. Juni des •Jahres 1884 und nun, zu seinem hundertsten Geburtstag, wird man vielleicht durch die Zeitschriften auf ihn so aufmerksam werden, wie er es durch sein Wesen und seine köstlichen Zeichnungen verdient hat. Wenn wir es doch dahin brächten, daß auch in jeder der ärmeren Familien eins seiner schönen Märchenbücher auf den Weihnachtstisch käme. Ludwig Richter war Realist, aber er sah in der Wirklich keit das Beseligende, die Innigkeit, sein heiteres Gemüt empfand jedes Sonnenscheinchen so tief und innerlich, daß es ihm in Zeiten der Trübsal den Humor und die Freude am Leben nicht im geringsten verkümmern konnte. So kames auch, daßdie fröhlichen Stunden, die er beim Großvater Müller im Kram laden oder auch in dessen Garten verlebte, viel eindringlicher und bleibender auf sein Gemüt einwirkten, als die schreckliche Napoleonzeit in Dresden. Man lese seine »Erinnerungen-, in denen er alles so schlicht und doch so meisterhaft schildert, daß man ihn lieb gewinnen muß. Wie er als Kind die Dinge in Großvaters Laden alle betrachtete, die Kramereien, die ein kaufenden Kinder, den Großvater selbst mit der gestickten Zipfelmütze, wenn er Syrup verkaufte, und endlich 'die bunten Bilderbogen, die er immer undzimmer wiedeUstudirte, wie er