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Nr. 76 PAPIER-ZEITUNG 2707 Druckplatte bildet. Diese übt durch einen schnellen und elastisch ausgeführten Schlag auf das auf einer Kartonunterlage ruhende Papier, Seide oder sonstigen zu bedruckenden Stoff den Druck aus. Die Bewegung geschieht ganz selbsttätig und mit staunenswerter Geschwindigkeit, sie läßt dennoch Zeit zum Hin- und Auslegen und sichert zugleich einen reinen und scharfen Abdruck ohne Rücksicht auf die Beschaffenheit und Stärke des zu bedruckenden Papiers. Papiere jeder Art, auch Löschpapiere, Kartons, Seiden- und Umschlagpapiere usw., ebenso wie Seiden-, Leinen-, Baumwoll- und andere Gewebe können mit scharfen und klaren Abdrücken versehen werden; Fließen der Farbe und Verschwimmen der Konturen ist gänzlich ausgeschlossen. Der Druckvorgang ist einfach. Die befestigte Platte wendet sieh nach rechts, um die Farbe anzunehmen, beschreibt dann einen Halbkreis nach links, gleitet über das dort auf einer Platte angebrachte Papier, gibt auf diesem die' überflüssige Farbe ab, polirt sich selbst und wandert dann nach vorn in die Mitte, worauf sie sich durch den elastischen Schlag auf das zu bedruckende und unterlegte Material senkt, dann wieder hebt und diesen Kreislauf bei jedem Drucke wiederholt, bis die Ab stellung der Maschine erfolgt. Das zu bedruckende Papier liegt auf einer Kartonplatte, diese empfängt den Probe druck, worauf in ihr alle jenen Stellen, die nicht mitdrucken sollen, mit dem Schabmesser ausgestanzt werden. Darauf be ruht auch der Mehrfarbendruck von einer Platte auf dieser Presse, für welchen mehrere mit Probedrucken versehene Kartonplatten herzustellen sind. Durch Herausschneiden ein zelner Teile aus der Kartonplatte ist es ermöglicht, verschiedene in der Stahlplatte enthaltene Partien auch einzeln zu drucken. Das Ausschneiden nimmt nur geringe Zeit in Anspruch. Wenn man einzelne Stellen der Platte tiefer ätzt, erhält man ein Relief, das durch die größere Menge Farbe, die an dieser Stelle aufgenommen und abgedruekt wird, eine kräftigere, ab wechslungsreichere Wirkung erzielt. Beim Mehrfarbendruck können die Farben und Platten in kürzester Zeit gewechselt werden, wird aber weißer, d. h. farbloser Reliefdruck bean sprucht, so kann das Farbwerk in kurzer Zeit ohne Schwierig keit ganz beseitigt werden, und die Leistungsfähigkeit ist dann noch bedeutend höher. Die Abwischvorrichtung hat solche Form, daß die über flüssige Farbe von dem Papier aufgenommen wird, an ihm hinabläuft, dann von einem selbstätig bewegten Messer abge streift in ein Gefäß hinabrinnt, wo sie gebrauchsfähig bleibt. Hierdurch ist die größte Sparsamkeit im Verbrauch der Druck farbe ermöglicht, und dem Farbwerk wurde bei Konstruktion ganz besondere Beachtung geschenkt. Die Johnston-Presse ist leicht zu handhaben, kann augen blicklich zum” Stillstand gebracht werden und hält sehr genaues Register, wodurch sie sich auch gut zu Drei- und Mehr farbendruck eignet, sie regelt sich vollkommen selbsttätig und ist so einfach angeordnet, daß Störungen fast ausgeschlossen sind. Während früher die Stahlplatten für die Johnston-Presse nur in London angefertigt wurden, also ein großer Zeitraum verging, ehe man in ihren Besitz gelangte, hat man jetzt in vielen grösseren Städten Einrichtungen zur Anfertigung der Platten getroffen, sodaß man sie bei genauer Angabe zu mäßigen Preisen in wenig Zeit beziehen kann. Es kann aber nicht nur nach jeder Zeichnung, Fotografie, Illustration, sondern auch nach jedem alten Kupfer- und Stahlstich, jedem Steindruck, jeder Foto- oder Heliogravüre in wenigen Tagen eine mecha nisch gearbeitete Stahlplatte von großer Dauerhaftigkeit her gestellt werden, welche gegenüber den Steingravuren der Litho grafen billig erscheint. Die Herstellung dieser Klischees erfolgt auf mechanischem Wege, und der für die Platten verwendete Stahl hat besondere Härte, wodurch sie sehr dauerhaft her gestellt werden. Die Güte des zu bedruckenden Stoffes, Papier usw., beeinträchtigt weder Reinheit noch Schärfe des Druckes. Es kann hierzu jedes beliebige Papier, Seide, Wolle usw. ohne Rücksicht auf die Dicke dieser Stoffe verwendet werden. Der Druck in schwarzer Farbe gleicht immer voll kommen dem Stahlstich und verliert auch bei Anwendung mehrerer Farben nicht an Zartheit und Reinheit. Wenngleich die Widerstandsfähigkeit der billigeren Kupfer druckplatten durch Stahl- und Nickelniederschlag erhöht werden kann, so bleibt doch das Graviren in Stahl die beste und billigste Methode, denn auch die Gravur in ganz weichem Stahl, der erst nach Fertigstellung der Zeichnung gehärtet werdenmuß, kostet 'nichOmehr als die Hn Kupfer. »Solche Firmen, welche ihre Stahlplatten selbst herzustellen wünschen, können Vereinbarungen über Lieferung der nötigen Einrich tungen mit der Erbauerin der Presse treffen. Ein weiterer nicht zu unterschätzender Vorteil liegt in der Schnelligkeit der Maschine. Die Johnston-Presse Type A und B liefert 1200—1500, Type C etwa 1000 Abdrücke in der Stunde, und zur Bedienung ist nur eine weibliche oder männliche Person nötig. Diese Leistungsfähigkeit ist ganz besonders im Hinblick auf die Güte der Arbeit zu würdigen. Die Johnston-Pressen werden von der Maschinenfabrik Oerlikon in Oerlikon (Schweiz) in drei Größen geliefert. Die Auf stellung kann ohne besondere Fundamentirung auf Holz oder Zement, Beton oder Steinboden erfolgen. Für den Antrieb der Johnston-Presse kann neben Elektrizität auch jede andere Kraftquelle verwendet werden. Alle Teile der Johnston-Presse sind genau gearbeitet und mit Nummern versehen, sodaß Ersatzstücke, welche stets sofort naehgeliefert werden, mit leichter Mühe in der Maschine aus zuwechseln sind. Störungen im Betrieb gehören infolgedessen zu den Seltenheiten. Was diese Stahlplattenpresse in ihrem Anfangsstadium leistet, wird durch die Praxis stetig verbessert werden, wie auch das Gravirverfahren mit jeder neuen Platte sich vervollkommnen wird. Dir. C. Schl. Stuttgarter Brief Mitte September 1908 Am Freitag, 11. September, wurde im Lokal des Württembergischen Kunstgewerbevereins im Landesgewerbemuseum und den anschließenden Vorhallen die vom Kunstgewerbeverein veranstaltete Ausstellung »Die Pflanze in der Kunst« eröffnet. Das reichhaltige Ausstellungsmaterial dieser für das Kunstgewerbe und die grafischen Künste berechneten Ausstellung hat besonders die natürliche Pflanze in künstlerischen Darstellungen aller Art zur Anschauung gebracht, sowie Pflanzen- Ornamente in Entwürfen, Studien und ausgeführten Arbeiten der Flächenkunst vorgeführt. Darunter sind Arbeiten aus kunstgewerblichen Fachschulen und Zeichenkursen. Für Besucher aus den grafischen Berufen bieten die ausgestellten Arbeiten der Kgl. Akademie für grafische Künste und Buchgewerbe in Leipzig besonderes Interesse, da sie zeigen, daß Kunst und Gewerbe Hand in Hand gehen müssen. Einen Gegensatz hierzu bilden zwei im Maschinensaal des gleichen Gebäudes ausgestellte Maschinenriemen aus der Lederfabrik Karl Beringer in Stuttgart. Der eine ist für eine Turbine mit 400 PS., der andere für. eine Haupttransmission mit 250 PS. bestimmt. Sie sind 641/2 und 571/4 m lang, 800 und 600 mm breit und 13 und 7 Zentner schwer. Zu beiden Riemen wurden zusammen 192 Ochsenhäute verwendet. In einer gemeinschaftlichen Sitzung des Stuttgarter Gemeinderats und des Bilrgerausfchusses am 3. September erklärte Dr. Erlanger namens des Bürgerausschusses, daß dieser der Bewilligung von städtischen Beiträgen zur Errichtung und zum Betrieb einer Fachschule für das Buchdruckergewerbe zustimme. Da schon Ende August mit der Aufstellung der Maschinen, Regale usw. begonnen wurde, so dürfte die auf 1. Oktober angesetzte Eröffnung wohl pünktlich stattfinden. Die Einrichtung mit Geräten, Elektromotoren und elektrischer Be leuchtungsanlage wird in den sauber und praktisch angelegten Räumen den Eindruck einer Musterdruckerei machen und gereicht den Stiftern der mannigfachen Gegenstände zur Ehre. In derselben Sitzung erklärte sich auch der Bürgerausschuß prinzipiell für Einführung einer obligatorischen, kaufmännischen Fort bildungsschule, wünscht aber Erhöhung der Zahl der Pflichtfächer und hält den obligatorischen Schulbesuch des weiblichen Handlungspersonals für wünschenswert. Gute kaufmännische Bildung tut nicht nur den Kaufleuten sondern allen Gewerbetreibenden not, denn Klagen über unreelles Geschäftsgebaren, ungenaue Kalkulation und unrichtige Preis ansätze mehren sich in erschreckender Weise. Der in Stuttgart abgehaltene internationale Mittelstandskongreß hat eine Internationale Vereinigung für die Interessen des Mittelstandes mit einem ständigen Sekretariat in Brüssel geschaffen. Bis zur endgiltigen Wahl eines Präsidenten hat dieses Amt Prof. Gießler, früher Vor sitzender der Württembergischen Gewerbevereine, übernommen. Auf dem 45. Verbandstag der Württembergischen Gewerbevereine in Blaubeuren wurde über die Streitigkeiten zwischen Handels und Handwerkskammern beraten. Einer angenommenen Resolution entnehmen wir, daß durch die Reichsregierung eine Regelung anzu streben sei derart, daß im § 100 s der Reichsgewerbeordnung einzu schalten sei: »Die Inhaber gemischter Betriebe, welche für handels registerpflichtig erklärt werden, haben im Verhältnis der Zahl der von ihnen beschäftigten Handwerksmeister, Gesellen und Lehrlinge zu den Kosten der Handwerkskammern oder der Innung und nach dem Verhältnis des Teils ihres Gewerbesteuerkapitals, welcher auf den Fabrik- oder Handelsbetrieb entfällt, bezw. zur Hälfte desselben zur Handelskammer zu zahlen. Sie unterstehen den von der Handwerks kammer oder der Innung erlassenen Vorschriften zur Regelung des Lehrlingswesens und genießen zugleich alle Vorteile, welche sich aus der Eintragung in das Handelsregister ergeben. Gleichzeitig sind sie