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PAPIER-ZEITUNG Braunschweiger Brief Mitle August Die allgemeine Geschäftslage im grafischen Gewerbe, namentlich bei den Buchdruckern, lässt leider wieder viel zu wünschen übrig; reichlich 30 Buchdrucker-Gehilfen sind hier arbeitslos und müssen ihre Unterstützungkassen in Anspruch nehmen. Leider ist auch vor läufig keine Aussicht auf Besserung. Die Papier-Industrie zeigte im Frühjahr einen kleinen Fortschritt zum Bessern, trotzdem wird es noch lange dauern, bis ein nor maler Stand wieder erreicht wird. Die Zeiten, wo die Papier-Laden geschäfte ein annehmbares Geschäft machten, sind hier meistens schon vorüber. Am Niedergange haben die Warenhäuser die grösste Schuld. Gerade die Waren, welche die Sonderartikel der Papierläden bildeten, Galanterie- und Lederwaren, werden vom grossen Publikum, welches mehr Anspruch an Billigkeit als an Güte stellt, in den Warenhäusern gekauft. Ein besonderes Erzeugnis Braunschweigs, der Spargel, hat auch Einfluss auf die hiesige Kartonnagen-Industrie. Zur Zeit der Spargel- Ernte werden von den Versandgeschäften, Konservenfabriken und Privatleuten tausende von Pappkästen gebraucht. Aus dem kürzlich erschienenen Bericht der Gewerbeinspektion für das Herzogtum Braunschweig ist erwähnenswert, dass den Holz schleifereien und Pappenfabriken in der überwiegenden Mehrzahl die Vornahme von Arbeiten an 26 Sonn- und Festtagen im Herzogtum gestattet ist. In einem Falle wurde die Ueberschreitung dieser Er laubnis um vier Sonntage festgestellt, doch von einer Bestrafung des betreffenden Unternehmers Abstand genommen, da bislang noch nie Uebertretungen in seinem Betriebe beobachtet wurden. Für das neue Braunschweiger Gesangbuch, welches letzte Ostern erschien, und dessen Vertrieb namentlich Papierhändlern, Buch bindereien, Kolportage- und Sortiments - Buchhandlungen obliegt, scheint meistens ohne Nutzen gearbeitet worden zu sein, denn kürzlich erliessen diese Geschäfte eine gemeinsame öffentliche Bekanntmachung, worin eine Preiserhöhung der Schulausgabe angekündigt wurde. Die hiesigen Buchdrucker-Krankenkassen leiden darunter, dass mit grösserer Arbeitslosigkeit vermehrte Erwerbsunfähigkeit wegen Krankheit eintritt, auch ist die Gesundheit vieler Mitglieder derart, dass sie ärztlich vorgeschriebenen Aufenthalt in Kurorten und Bädern nehmen müssen und dadurch die Krankenunterstützung länger als gewöhnlich in Anspruch nehmen. Wenn auch für die Kosten des Aufenthalte an solchen Orten meist die hiesige Landesversicherung eintritt, so wird das Krankengeld, falls das Mitglied unverheiratet ist, von dieser mit zur Deckung der Unkosten eingezogen, ist der Kranke verheiratet, zur Unterstützung der Angehörigen überwiesen. Ich teilte in Nr. 12 von 1903 mit, dass vielleicht anstelle der auf gelösten »Zwangs-Ionung für das Buchdruckgewerbe im Herzogtum Braunschweig« eine neue Vereinigung der Buchdruckereibesitzer ins Leben gerufen werde. In einem von namhaften Buchdruckerei besitzern unterzeichneten Rundschreiben wenden sich diese jetzt an alle Inhaber von Buchdruckereien im Herzogtum und fordern zum Anschluss an eine neu zu gründende Vereinigurg auf. Der Eintritt soll nur freiwillig sein, und die Mitgliedschaft ist rein persönlich; zum Eintritt berechtigt ist jeder Besitzer einer Buchdruckerei, Steindruckerei, Lichtdruckerei und lithografischen Anstalt im Herzogtum oder deren handelsrechtlich bestellte Vertreter. Auch hat der Verein Braunschweiger Steindruckereibesitzer den Wunsch geäussert, in diese neu zu gründende Vereinigung auf genommen zu werden. Zu den Zielen der neuen Vereinigung ge hören: Regelung örtlicher Angelegenheiten zwischen Prinzipalität und Gehilfen, sowie des Lehrlingswesens, Errichtung eines Ehren- und Schiedsgerichts zur Erledigung und Aufdeckung gewerblicher Streitigkeiten und Schäden, Errichtung eines Arbeitsnachweises, Gründung einer Witwen- und. Waisenkasse, Anschluss an schon be stehende Vereinigungen, Veranstaltung von Ausstellungen und Vor trägen, Pflege des Gemeinsinns und Förderung und Hebung gewerb licher und Standesinteressen der Mitglieder. Eine empfindliche Strafe wurde dem Reisenden Ludolf Böhm z. Zt. in Halle a. S. in Strafhaft, seitens des hiesigen Landgerichts zudiktirt, weil er die lithografische Anstalt und Steindruckerei von Aug. Wehrt, für welche er reiste, durch gefälschte Bestellscheine veranlasste, ihm unverdiente Provisionen auszuzahlen. Unter anderem hatte er seiner Firma auch eine fingirte Bestellung auf 50 000 Post karten gegeben, wodurch dieselbe allein einen Schaden von mehreren hundert Mark hatte. Er wurde zu insgesamt vier Jahren Zuchthaus und acht Jahren Ehrverlust verurteilt. H. S. Nicht fest haftende Steindruck-Ueberdrucke Sie würden mich zu Dank verpflichten, wenn Sie mir erklären wollten, wie es kommt, dass sich Chromo-Ueberdrucke, die mit Ber liner Umdruckpapier gemacht und tadellos abgezogen sind, nachher, selbst nachdem sie eine Nacht gestanden, mit Leichtigkeit vom Stein abwischen lassen, also nicht halten. Der Stein war gut geschliffen, die Farbe war auch erprobt. X. Antwort eines Fachmannes: War der Stein gut geschliffen, die Umdruckfarbe aus- probirt und der Umdruck tadellos vom Umdruckpapier ab gezogen, so kann der Uebelstand nur an nicht sachgemässer Behandlung liegen. Das richtige, durch langjährige Erfahrungen ausprobirte Verfahren ist folgendes: Nachdem der fertiggeschliffene Stein in der Handpresse eingerichtet und die richtige Druckspannung gestellt ist, wird er mit reinem Wasser mit glattem Birnstein schwach nach geschliffen, sauber abgewaschen und mit weichem Papier sehr gut trocken gerieben. Der Stein darf nicht warm, jedoch auch nicht allzu kalt sein. Hierauf wird der Stein mit einem in ganz frisches, reines Wasser getauchten Lappen, der nebenbei bemerkt, nur zu diesem Zwecke verwendet werden darf, mässig, aber gleichmässig angefeuchtet und der Umdruck aufgezogen. Nach dem Ablösen des Papiers wird der Stein mit frischem, nicht sauer reagirendem Gummiarabicum gummirt und ohne das Gummi trocknen zu lassen, angerieben (verstärkt), wobei zu beachten ist, dass das zum Verdünnen der Umdruckfarbe zu verwendende Terpentinöl recht innig mit der Umdruckfarbe mittels Anreibeschwammes vermischt werden muss. Das Verstärken mit dem Anreibeschwamm ist dem Verstärken mit der Handlederwalze vorzuziehen, weil der Umdruck saftiger wird und hierdurch der Säure (Aetzung) bessern Widerstand leistet. Dann wird der Stein geätzt und gummirt. Die auf solche Weise hergestellten Umdrucke haften auf den Steinen so fest, dass dieselben gleich nach der Aetzung und Gummi trocknung zum Auflagedruck in die Maschine gegeben werden können und sehr grosse Auflagen aushalten. Zum Steine-Aus waschen (Entfernung der auf dem Steine befindlichen Farbe) hat sich die im Handel befindliche »Aus wasch-Tinktur« ausgezeichnet bewährt. Sie enthält Fettstoffe, welche schnell tief in den Stein eindringen, wozu die weniger fettstoffhaltige Umdruckfarbe mehrere Tage benötigt. Viele Umdrucker haben aus Unkenntnis die Gepflogenheit, die Steine vor dem Ueberziehen mit Bimsteinmehl abzureiben, um die selben fettempfänglicher zu machen, womit jedoch das Gegen teil erreicht wird, aus folgendem Grunde: Die Oberfläche der Lithografie-Steine ist, auch wenn diese noch so fein geschliffen werden, mehr oder weniger porös, und die Porosität tritt umso stärker auf, je weicher und schlechter der Stein ist. Wird nun ein solcher Stein mit Bimsteinmehl abgerieben und das Mehl nicht wieder äusserst sorgfältig entfernt, so bleibt das Mehl in den Poren hängen und macht festes Anhaften der Umdruckfarbe unmöglich. Bei sehr guten fehlerlosen Steinen mit sehr feinen Poren hält die Farbe manchmal das Anreiben und die Aetzung noch aus, verschwindet aber sehr bald beim Druck der Auf lage. h. Nachahmenswert. Der Dresdener Rat schreibt den Druck- sachen-Bedarf seiner Kanzleien für die Jahre 1904 bis 1906 mit der Beschränkung aus, dass nur die Buchdruckereien zur Bewerbung zugelassen werden, welche ihre Gehilfen ent sprechend dem Deutschen Buchdruckertarif entlohnen. Jahrbuch 1903 der Buchbinder-Innung zu Leipzig. Die Leipziger Buchbinder Innung gab zum Schluss des Geschäftsjahres ein hübsch gebundenes Buch mit dem Jahresbericht heraus, welches äusser dem Bericht einen Kalender für 1903/4 und eine Menge nützlicher Tabellen enthält. Die Ausstattung des Buches an Druck, Satz, Papier und Einband ist recht ansprechend. Die Steglitzer Werkstatt in Steglitz, Fichtestr. 59, versendet ein längeres Rundschreiben, in dem mitgeteilt wird, dass die am 1. Oktober 1902 begonnene und mit guten Erfolgen ent wickelte Schule für Buchgewerbe durch eine Klasse für Kunst- Buchbinderei ergänzt werden soll. Die technische Leitung wird Herr C. Böttger übernehmen, während der künstlerische Unterricht von den bewährten Lehrkräften der Steglitzer Werkstatt erteilt wird. Die Berufung des Herrn F. W. Kleukens als Lehrer an die Kgl. Akademie für Buchgewerbe in Leipzig ändert den Lehrplan insofern, als Herr Kleukens nur an drei Tagen der Woche unterrichten kann, während die Malklasse des Herrn C. Klein und die Porträtklasse des Herrn E. Nelson zugefügt wird. Um den Untertitel der Anstalt »Schule für an gewandte Kunst« mehr zu rechtfertigen, wurden die Herren Anton Huber und Balthasar von Hornstein, Inhaber des Ateliers Patriz Huber, für den Unterricht im Möbelzeichnen und der Innen- und Aussen-Architektur gewonnen. Für talent volle, aber mittellose Schüler werden sechs Freistellen ein gerichtet. Alles weitere sagt der Lehrplan.