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Nr. 63 PAPIER ZEITUNG 2225 vermieden. Diese Methode bewährt sieh durchaus — sogar schon früher bei der alten Klammerart, umsomehr bei den jetzigen selbstschliessenden Klammern — und beruht einfach dar auf, die Pappen in einen feuchten Raum zu hängen. Diese feuchte Luft wird durch eingehängte nasse Pappen erzielt, wobei in folgender Weise verfahren wird: Der ganze Raum wird mit nassen Pappen vollgehängt, jedoch so, dass allemal eine Reihe überschlagen wird, also leer bleibt. In diese leeren Reihen werden die trockenen Pappen gehängt, wo sie 15 bis 20 Stunden bleiben. So ziehen die trockenen Pappen von beiden Seiten her von den nassen Pappen gleichmässig an und geben die überschüssige Trockenheit an die nassen ab, welche also lang sam vortrocknen. Die nassen Pappen werden reihenweise von Zeit zu Zeit — etwa nach 6 bis 8 Tagen — gewechselt, da sie dann nicht mehr genügend Feuchtigkeit abgeben, sondern schon so betrocknet sind, dass sie im Kanal oder in den Kammern viel schneller trocknen und doch weniger wellig werden. Es ist zweckmässig, die nassen Pappen in je 2 Reihen übereinander zu hängen (was hier unbedenklich geschehen kann, da sie stets gleichzeitig geleert und gefüllt werden), die trockenen aber nur unten, damit die Feuchtigkeit auch von oben herab auf die härtesten obersten Kanten der trockenen Pappen fällt. Diese werden unterhalb stets etwas feuchter als oberhalb; deshalb werden sie beim Abnehmen paarweise gegen seitig gestapelt, sodass stets das obere Ende des einen Paares auf dem unteren Ende des vorherigen Paares liegt. Zu diesem Zweck wirft man die Hälfte der Pappen auf die eine und die übrigen auf die andere Seite des Stapels, die Klammer-Enden beider nach der Mitte gerichtet, und zieht abwechselnd von der einen und andern Seite die Pappen auf den Stapel. Das geht sehr schnell, ebenso das Einhängen der trockenen Pappen in dem Anfenchteraum. Man stellt, soviel man mit den Armen fassen kann, aufrecht vor sich und schiebt sie nacheinander in die Klammern, entweder paarweise oder — bei schwachen Nummern — drei- und vierfach. Ebenso schnell geschieht das Abnehmen. Alles kann von denselben Leuten gemacht werden, die die Trockenräume bedienen, während bei der Feuchtmaschine meist 2 besondere Arbeiter nötig sind. Für das Aufhängen der anzufeuchtenden trocknen Pappen eignen sich nur Rollenklammern. Daumenklammern oder ex zentrische Klauen passen dazu nicht, denn die trockenen Pappen, zumeist oben sehr hart, spreizen so sehr, dass sie — zwei- oder dreifach gehängt — die schrägstehende Klemmklaue zurückdrücken und dann herunterfallen; die Klemmrolle lässt sich aber dadurch nicht zurückdrücken, sondern hält die Pappen fest. Freilich wird zu dieser Anfeuchte-Methode verhältnismässig viel Platz gebraucht, doch ist sie sehr zu empfehlen, wo der Raum nur einigermaassen zu beschaffen ist. Man muss un gefähr für 100 kg trockener Pappen in 24 Stunden rund 10 qm Grundfläche der Anfeuchteräume rechnen. Diese Räume müssen ringsum geschlossen sein, ruhende Luft haben und dürfen nicht Kältegraden ausgesetzt sein. Am besten ist 5 bis 10° Wärme. Deswegen wird unter Umständen gelinde Beheizung nötig. Der kaufmännische Lehrling in der Praxis Zu Nr. 60 Aus Frankfurt a. M. Die Lehrlingsfrage liegt noch gehr im Argen. Die Dauer der Lehrzeit wird willkürlich festgesetzt; die viel eingeführte dreijährige Lehrzeit ist nichts als ungehörige Ausnützung einer Arbeitskraft, die vertragsmässig mit einem Hungerlohn bezahlt wird. Nichts hindert den Geschäftsmann, soviel Lehrlinge einzustellen, als er bekommen kann. Solche »Lehrlingszüchtereien« ersparen dadurch die Gehilfen, dass sie die jungen Leute nach Ablauf der Lehrzeit wegschicken. Einer dieser Lehrlingszüchter pflegt dies stets mit den gleichen Worten zu tun, welche hier sprichwörtlich geworden sind: »Von morgen ab sind Sie Kommis — aber nicht bei mir.« Das Verhältnis des Prinzipals zum Kommis und des Kommis zum Lehrling wird meist ungefähr so aufgefasst wie die Rang- Unterschiede beim Militär zwischen Offizier, Unteroffizier und Rekruten. Der Lehrling hat nur Pflichten, und seine »praktische Tätigkeit« besteht nicht selten darin, Kisten auszupacken, Waren abzustauben, Frühstück zu holen, Briefe, Geldsendungen und Pakete zur Post zu bringen, und in sonstigen Ausläuferdiensten. Dabei muss der junge Mann als erster morgens antreten (beim Prinzipal die Schlüssel holen), um abends als letzter das Lokal zu verlassen, sodass seine Arbeitszeit länger als die der richtig bezahlten Leute ist. Ich habe sogar in einer sehr »feinen« hiesigen Grosshandlung wahrnehmen können, dass Lehrlinge noch um 10 Uhr abends mit dem Adressiren und Kopiren der Briefe vollauf beschäftigt waren. Eigentlich sollte doch der Lehrling Alles lernen, was in kauf männischen Betrieben vorkommt. Demnach sollte er äusser in seinem Sonderfach und in der Erledigung des Betriebes auch in Buchhaltung und Briefstil ausgebildet werden. Die Buchhaltung liegt aber in der Regel in den Händen älterer Leute, denen es oft am guten Willen fehlt, sich mit einem nicht sofort begreifenden Lehrling abzuplagen, oder der Prinzipal wünscht, dass der Lehrling nicht an die Bücher kommt. Nicht viel besser steht es mit dem Briefschreiben, denn auch hierfür haben die meisten grösseren Ge schäfte besondere Angestellte, und zu den gewöhnlichen Briefen, wie Bestellungen, Mahnungen usw., sind der Zeitersparnis wegen Vordrucke da. Ist ein junger Mensch besonders aufgeweckt Und gibt sich alle Mühe vorwärts zu kommen, so erregt dies wieder die Furcht älterer Angestellter, dass ihnen aus dem strebsamen Ankömmling ein ge fährlicher Konkurrent erwachsen könnte, und jedes Mittel wird ver sucht, dem künftigen Nebenbuhler zu schaden. Herr Bostell empfiehlt den Eltern, sich von Zeit zu Zeit über die Fortschritte ihres Kindes beim Prinzipal zu erkundigen. Dieser kümmert sich aber oft genug nicht um etwas derart Untergeordnetes, wie es ein Lehrling in seinen Augen ist. Deshalb sollten die Eltern die Wahl des Lehrherrn mit grösster Vorsicht vornehmen und sich über die Aussichten eines Lehrlings bei ihm erkundigen, ehe der Lehrvertrag abgeschlossen wird. Das Gesetz erschwert es den Eltern, den zu spät erkannten Missgriff gut zu machen, denn zu gerichtlichem Austrag können die Beweise nur selten erbracht werden, und auf Klauseln über etwaigen Rücktritt lassen sich die Prinzipale nicht ein. Es gibt ja zahlreiche Prinzipale, die den Lehrlingen gegenüber ihre volle Schuldigkeit tun, aber diese pflichtbewussten Lehrherren bilden sicher nur eine bescheidene Minderheit. E. R. Erlebnisse eines Stellesuchenden Ich suchte in der Papier-Zeitung Stellung als Reisender für eine Luxuspapierwarenfabrik oder als Direktor eines grösseren Hauses des Luxuspapierfaches. Die Angaben meiner Anzeige liessen un zweifelhaft erkennen, dass ich nur auf feste Stellung in einem grösseren feinen Hause rechnete. Ich erhielt 1. Einladungen von 4—5 Berliner, z. T. sehr unbedeutenden Firmen: »Kommen Sie nächster Tage zwischen 6 und 6 Uhr nachmittags auf unser Kontor, wir würden event. geneigt sein usw. usw.« Als ob es nur Berliner gäbe! 2. erhielt ich ein halbes Dutzend Drucksachen, auf welchen »unter Bezugnahme auf Ihr Inserat« die provisionsweise Vertretung für den Verkauf von »Papierzigarrenspitzen, Papierlackbuchstaben, Papp tellern, Schnupftabak- und Zündholzdosen mit Firma, Briefordnern (unerreichtes System!), unzerstörbaren Kopirbüchern usw.« angeboten wurde. 8 kamen Firmen, die etwa schrieben: »Chiffre X. Y. Z. Wir sind nicht abgeneigt, einen Reisenden zu plaziren und ersuchen Sie um Aufgabe von Referenzen, Gehaltsansprüchen, Fotografie, Zeugnis abschriften und Mitteilungen über Ihre bisherige Tätigkeit.« Damit wird dem Stellesuchenden zugemutet, auf das Ungewisse hin einen ellenlangen Brief zu schreiben, seine Verhältnisse klarzulegen usw., um dann in den meisten Fällen an der Frage des Gehalts oder der Tagesspesen zu scheitern, mögen diese auch nur auskömmlich sein. Warum sagt der Firmeninhaber dem Stellesuchenden nicht gleich im ersten Anknüpfungsschreiben: »Wenn Ihnen ein Jahresgehalt von . . . . M, Tagesspesen von . . M. genehm sind, so beantworten Sie meine heutige Anfrage in ausführlichster Weise, mit Referenz-Aufgabe, Zeugnissen, Fotografie usw., ich verlange das und das von Ihnen, Sie haben das und das zu leisten!« Trotz der erwähnten Ungewiss heit gibt man Referenzen auf, diese werden auch benutzt und lauten gut. Darauf folgt oft — ein Angebot vier wöchentlicher Probezeit! Kann denn der Inhaber eines Geschäfts mit Luxuspapierwaren, Plakaten, Reklameartikeln usw. in 4 Wochen, wovon meist eine Woche mit Zusammenstellung der Muster, Firmen-Auszüge, Orientirung über Preise, Fabrikationsweise usw. dahin geht, beurteilen, ob ein Reisender für seinen Posten geeignet ist? Heutzutage, wo die Konkurrenz so stark ist und die erwähnten Waren zu den aller schwierigsten gehören? Ein stellesuchender Reisender, der eine der artige Bedingung annimmt, muss sehr in Not sein, oder er macht eben auf anderer Leute Kosten mal eine Vergnügungsreise, glückt es, so ist es gut, wenn nicht, so findet er wieder eine andere Firma unter gleicher Bedingung. Wenn eine Firma glaubt, sich auf diese Weise zu sichern, so ist sie wenig beraten, und meist gesellt sich dann gleich und gleich. Man bewillige einem Reisenden, den man nicht sofort mit gesetzlicher Kündigung anstellen will, dreimonat liche Probezeit, dann weiss der Chef, wen er hat, während er bei 4 Wochen Probezeit oft sein Geld hinauswirft, da diese nur in den seltensten Fällen feste Anstellung zeitigt. Wie unangenehm ist es für einen Stellesuchenden, wenn er an 6—10 Firmen tadellose Referenzen aufgab, und diese von allen An fragenden eingeholt werden! Es ist eine grosse Belästigung für jeden Chef, wenn scharenweise Anfragen über seine früheren An gestellten einlaufen, und der Stellesuchende hat den Schaden davon, denn die Auskünfte werden kurz und flüchtig gegeben. Eine meiner früheren Firmen, wo ich 7 Jahre in Stellung war, Prokura hatte, 8 Jahre selbständiger Leiter einer Filiale im Auslande war, und von der ich ein glänzendes Zeugnis besitze, antwortet auf Anfragen kurz: