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Nr. 60 PAPIER-ZEITUNG 2113 Der kaufmännische Lehrling in der Praxis Von Harry Bostell, Düsseldorf-Oberkassel Jeder ältere Praktiker, dem das Wohl der Kaufmannschaft am Herzen liegt, wird zugeben müssen, dass im allgemeinen die Lehrlings- Ausbildung in der Praxis noch sehr viel zu wünschen übrig lässt. Hier wird der Lehrling meist als ein notwendiges Uebel, wenn nicht als Sündenbock betrachtet. Trotz der gesetzlichen Bestimmungen findet er häufig nur ganz geringes Interesse und Entgegenkommen in Bezug auf Ausbildung und Behandlung, ein Interesse, welches seinem Alter und seiner Veranlagung nicht entspricht. Das sorglose Schulleben und die praktische Tätigkeit, welch’ ein Gegensatz! Kann da ein Lehrling empfinden, was er alles zu lernen hat, ob er etwas Ordentliches lernt oder nicht? Erhält er in der Praxis in jedem Fall die erforderliche sorgfältige Ausbildung in allen kaufmännischen Dingen? Wer kümmert sich um seine Ausbildung, um Förderung und Ausnutzung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten, wer geht ihm oder seinen Angehörigen mit Kat und Tat zur Hand? Niemand! Er bleibt sich meist selbst überlassen! Gewöhnlich besorgt der välteree Lehrling oder der »jüngste« Kommis das Anlernen zur Ausführung von Schablonenarbeiten! Der Lehrherr oder sein Stell vertreter bekümmert sich garnicht oder nur ganz wenig um seine Handelelehrlinge! Jeder Lehrling kommt, zumal in den Geschäften, in denen sehr viele Lehrlinge gehalten und ausgenutzt werden, in die »Tretmühle« und muss gedankenlos und geduldig mittreten nach dem bekannten Schema F. Nur in wenigen Geschäften wird heute dem Lehrling Gelegenheit geboten, sich die Grundideen zum tüchtigen Kaufmanne anzueignen. Er kommt erst nach Ablauf der Lehrzeit zur Besinnung und beginnt erst als Handlungsgehilfe wirklich zu lernen. Kann man sich unter diesen Umständen wundern, wenn er völlig einseitig und unselbständig im Denken und Handeln wird? Woher kommt das Heer der unfähigen jungen Kaufleute, welche ihrem Stande nur Unehre machen? Welcher junge Kaufmann kann heute selbständig arbeiten? Gleicht er, besonders in grösseren Geschäften, nicht mehr einer Maschine, die das ihr zugewiesene, schon vorbereitete Material mechanisch verarbeitet? Wachet auf Ihr Jünger Merkurs, fort mit den veralteten Traditionen, welche Euch nur schaden! Ein weiterer Mahnruf sei an die Eltern gerichtet, welche sich um die Tätigkeit ihrer Söhne in der Praxis so gut wie garnicht kümmern. Sie beschränken sich meist darauf, hier und da einmal die jungen Leute selbst zu befragen, und erhalten dann ein vollständig falsches Bild aus den stets rosigen Schilderungen. Es wäre Pflicht der Eltern, sich bei dem Lehrherrn oder Chef über das Schicksal ihres Kindes häufig zu erkundigen, sonst werden sie viel zu spät erkennen, wo es fehlt! Wenn in Deutschland für Handel und Industrie gesunde Grund lagen geschaffen werden sollen, so ist es wahrlich die allerhöchste Zeit, die Wurzel des Kaufmannsstandes zu säubern, also die praktische Lehre mit allen Mitteln, ihrer Bedeutung entsprechend, umzugestalten und auf die richtige Höhe zu bringen. Nur auf diesem Wege ist ein Weiterblühen und -Gedeihen der Industrie im Interesse des Staates möglich! Der deutschen Kaufmannschaft dürfte durch den Bankkrach, durch Konkurse, Misswirtschaften usw., die vor den Gerichten zur Genüge beleuchtet wurden, endlich die Augen geöffnet sein über die weitgehenden Folgen ungenügender praktischer Ausbildung der jungen Kaufleute, welche in ihrer Unkenntnis Recht und Unrecht in kaufmännischen Sachen kaum noch unterscheiden können. Im übrigen muss der Kaufmannsstand selbst dafür sorgen, dass er wieder mehr als bisher zu Ehren kommt, durch Förderung und Verbesserung der Ausbildung der Lehrlinge und jungen Kaufleute, durch Hebung des Standesbewusstseins und durch inniges Zusammen- schliessen und -Wirken in Lebensfragen! Probenschau Unter dieser Ueberschrift werden alle von Beziehern der Papier-Zeitung eingesandten Muster von Erzeugnissen des Papier- und Schreibwaren - Faches die Neues oder Bemerkenswertes bieten, kostenfrei beschrieben Ansichtskarten von Alfred Schultze, Kunstverlags-Anstalt in Halensee bei Berlin. Wir erhielten eine umfangreiche Muster sammlung, welche sowohl einfarbigen Lichtdruck wie bunten Steindruck und die Verbindung beider Druckverfahren mit und ohne Prägung in mannigfacher Form umfasst. Besondere Erwähnung verdient eine sehr zahlreiche Serie von Berliner Ansichten in Autochrom-Manier. Diese Karten wurden sämtlich nach besonderen Aufnahmen gefertigt, und sie zeichnen sich durch grosse Leuchtkraft der Farben sowie feine und bestimmte Bilder aus. Trotzdem diese Berliner Ansichten auf fotografischen Aufnahmen beruhen, verwischen die sorgfältig gewählten Farben den Eindruck der mechanischen Arbeit, welcher foto grafischen Aufnahmen so leicht anhaftet. Auf anderen Karten serien sind Genrebilder in buntem Steindruck mit Prägung angebracht. Da sie die Liebe in gefälliger Form schildern, können sie wohl auf ein grosses Publikum rechnen, trotzdem der Maler nicht allzu gewissenhaft mit den Gestalten und deren Gliedmaassen umging. Sehr anmutig ist eine andere Serie, welche nur Landschaftsbilder in grauem Lichtdruck enthält. Diese kleinen Bilder sind fast sämtlich durch eine grössere oder geringere Wasserfläche belebt, die ihnen erhöhten Reiz verleiht. Die übrigen Karten sind teils Genrekarten, teils Glückwunschkarten für besondere Gelegenheiten, sehr zahlreich sind die für Weihnachten und Neujahr 1904 bestimmten Karlen. Am Kaminfeuer, 5 Künstlerkarten, Verlag von Jos. Wilh. Heeg, Bonn a. Rh. Diese Karten sind nach fotografischen Aufnahmen lebender Personen angefertigt. Sie zeigen ein Liebespaar vor dem Kaminfeuer, und der tiefrote Schein der Flamme im Verein mit der sonst herrschenden Dunkelheit im Zimmer ist auf recht einfache Weise durch eine rote Doppeltonfarbe erreicht. Die Wirkung dieser schwarzroten Bilder ist neu und eigenartig, und wenn man sie auch nicht gerade als künstlerisch be zeichnen kann, so sehen sie doch recht anziehend aus. Die Ausführung der Karten ist sorgfältig. Stimmungsbilder aus der Nordsee, Ansichtskarten aus dem Kunstverlag der Schulze'sehen Buchhandlung (Chr. Bachmann) in Celle. In der Papier-Zeitung wurden bereits früher die Karten serien desselben Verlages, welche die Lüneburger Heide schil derten, beschrieben. Die neuen Karten sind in gleicher Weise hergestellt. Eine Lichtdruckplatte ergab das Bild, welches durch nachträgliche Kolorirung lebhafter und eindrucksvoller gemacht wurde. Solche Kolorirung kann je nach ihrer Aus führung den Lichtdruckbildern nützen, aber sie kann auch schaden, wenn sie zu nachdrücklich gemacht wird. Für beides bietet die neue Kartenserie Beispiele, doch sieht die Mehrzahl der Karten recht gut aus. Der Nordseestrand auf Wyk, oder Westerland-Sylt, die Halligen auf den friesischen Inseln und die See sind dankbare und vielseitige Gegenstände für An sichtskarten. Postkarten aus dem Verlag von G. Fritzsche in Hamburg, Gerhofstrasse 12. In diesem Verlag erschienen Ansichtspost karten, von denen jede eine Anzahl Bildnisse vereinigt. Die Postkarte mit den 21 Bildern der deutschen Bundesfürsten und jene mit 13 Bildern deutscher Fürstinnen wurden in der Papier-Zeitung bereits erwähnt. Neuerdings erschienen ausser dem eine Karte mit den Bildern der europäischen Herrscher und eine andere mit denen der europäischen Herrscherinnen. Eine fünfte Karte trägt die Bilder von 13 Lieblingsfrauen des Sultans und 2 Haupteunuchen. Leider ist nicht angegeben, auf welche Weise man die schwer erreichbaren Bilder aus dem Harem des Sultans erhielt. Indessen sind die Karten gut und sauber in vielfarbigem Druck ausgeführt und werden viele Freunde finden. Lichtdruckpostkarten von Jacob & Aaronson in Berlin C 25, An der Stadtbahn 46. Diese Firma sandte uns Lichtdruck- Genrekarten, die sämtlich sehr komische Bilder tragen, auf denen das gemästete Schwein alle möglichen Rollen von Menschen jeden Berufes und jeder Beschäftigung übernehmen musste. Es gibt da Ammen, Automobilfahrer, Zirkusspringer und Clowns, betrunkene Kneipbrüder, Billardspieler, Jockeys und vieles andere mehr. Die Karten sind recht sauber gedruckt und sorgfältig kolorirt. Griffelfeile im Schiefertafelrahmen, DRGM 203235 von A. Graffunder in Massbach, Unterfranken. Das Anspitzen der Schiefergriffel ist schwierig, weil der Schiefer härter und spröder ist als z. B. der Bleistift. Die Kinder haben daher ziemliche Mühe mit dem Taschenmesser oder auf einem härteren Stein den Griffel so anzuspitzen, dass a er eine schöne runde Spitze zeigt. Um dies Geschäft V zu erleichtern, befestigte A. Graffunder in dem Holz rahmen der Tafel zwei Feilen im Winkel von etwa 45 Grad zu einander. Nebenstehende Skizze gibt einen _L Durchschnitt des Tafelrahmens mit den Feilen. Der b Griffel braucht in schräger Stellung nur in dem Feilen spalt hin- und hergeführt und dabei gedreht zu werden. Ein be sonderer Vorzug dieser einfachen Vorrichtung liegt darin, dass sie mit der Schiefertafel fest verbunden ist und nicht verloren werden kann. Vergl. Anzeige in dieser Nummer.