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78 PAPIER-ZEITUNG Nr. 3 Jahresbericht 1902 des Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller Mit gewohnter Pünktlichkeit erschien der Bericht des Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller, der gegen früher erheblich kleineren Umfang aufweist. Dies ist durch die be deutende Einschränkung der Geschäfte hervorgerufen, welche sich der Verein infolge der Gründung einer Berliner Handels kammer im vorigen Jahre auferlegen musste. Während die Berichte des Vereins bisher die Geschäftslage des ganzen Reiches schilderten, begnügt sich der jetzige Bericht mit der Behandlung Berliner Verhältnisse. Wir entnehmen dem Bericht auszugsweise Folgendes: Die Geschäftslage im vielfarbigen Steindruck (Chromolithografie) einschliesslich der Luxuspapierfabrikation war im Jahre 1902 äusserst un günstig. Uebererzeugung und massenhaftes Angebot auf der einen Seite, anderseits das hierdurch hervorgerufene fortdauernde Sinken der Preise haben diese Industrie auf einen solchen Tiefstand gebracht, dass an einen, der grossen Mühe und dem Risiko, welche dies Fach verlangt, entsprechenden Nutzen nicht zu denken ist. Diesem Preis sturz der fertigen Ware steht aber kein, wenn auch geringes, Nach geben der Rohstoffpreise, besonders für Papier, gegenüber. Diese Preise sind zwar von der Höhe des Vorjahres wieder etwas gesunken; gerade in den letzten Monaten zeigt sich aber wieder ein Anziehen der Preise, welches durch lebhafte Beschäftigung der Papierfabriken begründet wird; die Papierverbraucher fabriziren eben ihrerseits auch ohne Nutzen, um durch Stillstand ihrer Fabriken nicht noch grösseren Schaden zu haben. Auch die Löhne zeigen keine Aenderung gegen die Vorjahre. Es ist versucht worden, wenigstens auf gewissen Gebieten und bei bestimmten Waren, das gegenseitige Unterbieten durch eine Kon vention zu unterbinden; aber selbst dabei zeigte sich die Schwäche dieser Industrie, denn viele Fabriken, selbst grössere Werke, mussten alsbald ihren Austritt aus der Konvention erklären, weil ihnen das Beharren auf gebundenen Preisen nicht möglich war. Viel mehr zogen sie es vor, ohne Nutzen recht viele Aufträge zu über nehmen. Dieselbe Uebererzeugung, derselbe grenzenlose Wettbewerb und infolgedessen das Unterbieten in den Preisen zeigt sich bei den An sichtspostkarten. Den Verbrauchern werden täglich so viele Neu heiten geboten, dass kaum ein Fabrikant sich einen Nutzen aus rechnen kann, weil es nicht möglich ist, eine genügende Anzahl Post karten einer Serie zu verkaufen, um die einmaligen Herstellungs kosten zu verdienen. Dazu kommt, dass sich eine deutliche Neigung des Publikums zu Lichtdruckpostkarten gerade in der letzten Zeit herausgebildet hat, welche den Buntdruck noch weiter beeinträchtigen dürfte. Gratulationskarten, welche früher den Hauptzweig dieser Industrie darstellten, sind durch die Ansichtspostkarten fast vollständig ver drängt worden, und das Gebiet der Reklame, welches in den Vor jahren den Buntdruckereien ebenfalls willkommene Beschäftigung brachte, liegt infolge der allgemeinen ungünstigen Geschäftslage fast vollständig brach. Die Ausfuhr zeigt allerdings in der bis jetzt zur Verfügung stehenden Statistik, welche 10 Monate umfasst, erfreuliches Wachs tum, jedoch muss man hierbei bedenken, dass gerade diese Industrie, welche seit Jahren weit über die Hälfte ihrer Fabrikation ausführt, unter den ungünstigen inländischen Verhältnissen besonders auf die Ausfuhr angewiesen ist, selbst zu Preisen, welche gar keinen Nutzen mehr übrig lassen. Im Allgemeinen ist die Reihenfolge der Länder, nach ihrer Wichtigkeit für die Ausfuhr, dieselbe geblieben wie im Vorjahre. Allen andern Ländern voran steht natürlich England. Nächst England folgen die Vereinigten Staaten von Amerika, auch dorthin hat sich, dank dem dort noch immer blühenden Handel, die Ausfuhr stark vermehrt. Auch nach Oesterreich zeigt eich ein er freuliches Wachstum der Ausfuhr; nächstdem kommt Frankreich in Betracht, dass mit seiner gegen das Vorjahr erhöhten Einfuhrziffer immer noch nicht die Zahlen des Ausstellungsjahres 1900 er reicht hat. Bei den Ländern mit geringeren Einfuhrzahlen, Niederlande, Dänemark, Schweden und Norwegen, Belgien und Russland, macht sich mit Ausnahme von Russland ein ziemlich bedeutendes Wachs tum geltend; in Russland kommt hierbei wohl die besonders un günstige Geschäftslage in Betracht. Von den Ländern, welche für unsere Ausfuhr überhaupt noch in Betracht kommen, zeigt Spanien ein erfreuliches Aufblühen des Verkehrs und Handels. So bietet diese Industrie dem Uneingeweihten ein Bild des Aufschwunges in ihrem Ausfuhrhandel, wenn nicht diese Aus fuhr als Zeichen der Uebersättigung des deutschen Marktes an gesehen werden müsste. Trotzdem aber muss diese Möglichkeit der Ausfuhr erhalten bleiben. Wir besonders bedürfen langfristiger Handelsverträge; denn auf Jahre vorher müssen in unserem Fache grosse Summen festgelegt werden. Tapeten-Fabrikation. Die Preise der Erzeugnisse wurden, um mit den Fabrikanten ausserhalb des Ringes zu konkurriren, bedeutend herabgesetzt, und ebenso dementsprechend im Gross- und Klein handel, ohne dass durch diese Massregel der Konsum gehoben wäre. Die Bautätigkeit war beschränkt, und viele Kunden wurden durch die Zurückhaltung der Banken zahlungsunfähig. Grosser Verbrauch bestand in billigen sogenannten Naturell- Tapeten; auch fanden noch verhältnismässig guten Absatz Naturell- »Goldtapeten« von 0,50 bis 1 M. Die Ingrain-Streifentapeten waren auch gangbar. Alle übrigen besseren Sorten liegen in den Geschäften fest. Das Ausland hat wenig Neues geliefert. Es sind daher die Bezüge vom Ausland, namentlich von England, gegen früher sehr zurückgegangen; Frankreich war schon lange für den Bezug von Tapeten nach Deutschland ausgeschieden. Sehr be liebt sind immer noch die Lincrusta-Tapeten. Die Preise sind auch hier durch Konvention festgelegt, und der Artikel ist sehr begehrt. Buchdruckereigewerbe. Sobald Handel und Gewerbe unter wirt schaftlich schlechter Lage zu leiden haben, schränken sie die Reklame ein, und das Buchdruckereigewerbe hat den Schaden zu tragen. Den Rückgang im Geschäft zeigt am besten der Arbeite- markt. Es wurden vielfach Arbeiterentlassungen vorgenommen, die in manchen Wochen die Höhe von 700 Mann erreichten, also etwa 81/2 pCt. der gesamten Berliner Vollarbeiter. Die Zahl der arbeitslosen Drucker ging in der zweiten Hälfte des Geschäftsjahres zurück, während die der arbeitslosen Setzer sich fast auf gleicher Höhe hielt. Unter den Druckereien macht sich noch immer eine Anzahl nicht lebensfähiger Konkurrenten unliebsam bemerkbar. Auch der Ausblick auf die Zukunft erscheint trübe, so lange nicht die allgemein-wirtschaftliche Konjunktur sich gehoben hat. Der deutsche Buchhandel hatte schlechten Geschäftsgang im letzten Jahre. Kauft der Deutsche schon in guten Zeiten wenig Bücher, so macht er in schlechter Lage den ersten Abstrich an der ihm entbehrlich erscheinenden Anschaffung von Büchern. Billige Volksschriften, Jugendschriften, Bilderbücher usw. werden in den Grossstädten von den Warenhäusern verkauft. Eine weitere Konkurrenz für die erzählende und für die volkstümlich-wissenschaft liche Literatur bilden in zunehmendem Maasse die Tageszeitungen und Zeitschriften. Dem Sortimentshandel bereitet der Reisebuchhandel immer schärferen Wettbewerb. Konversationslexika und sonstige Sammel werke werden fast nur noch durch diesen abgesetzt. Im Schreibwaren- und Bureau-Artikel-Gewerbe war das abgelaufene Geschäftsjahr nicht ungünstiger wie das letzte. Die allgemeine Arbeits einschränkung und der schlechte Geschäftsgang, hauptsächlich in grossindustriellen Betrieben, haben zu einer bedeutenden Einschränkung des Bedarfs geführt und das Bestreben gezeitigt, die Geschäftsspesen dadurch zu verringern, dass man die billigsten Waren verlangt, ohne Rücksicht auf Dauerhaftigkeit und praktischen Wert. Im Papier-Kleinhandel haben die Verhältnisse, dem allgemeinen Geschäftsgänge entsprechend, im Berichtsjahre recht schlechte Ergeb nisse gezeitigt. Ausgenommen sind davon nur einige, an den bevor zugtesten Strassen gelegene Geschäfte, welche sich fast ausschliesslich mit dem Vertrieb von feinsten Luxus- und Bedarfsgegenständen be fassen. Diese haben sogar erfreulicher Weise über günstige Geschäfts lage zu berichten. In der Dütenfabrikation waren im ganzen Jahre sehr gedrückte Preise zu verzeichnen. Die Beschäftigung in der Kartonnagenfabrikation war im Jahre 1902 nicht besonders lebhaft, dessen ungeachtet wird der Abschluss der meisten Fabriken besser sein als im Vorjahr, weil alle Rohstoffe im Laufe des ganzen Jahres um 10—20 pCt. gefallen und beinahe dieselben Verkaufspreise geblieben sind. Leder- und Holzpappen sind infolge günstiger Wasserverhältnisse wesentlich im Preise ge fallen und infolge der neuen Strohernte auch Strohpappen im Preise zurückgegangen. In den letzten vier Wochen zogen aber Pappen im Preise wieder an, weil wieder Wassermangel und Frost die Erzeugung zurückhalten. In letzter Zeit wird eine neue Art Kartonnagen aus Well strohpappen hergestellt. Die in unserm Bericht von 1899 gegebene Anregung, für die bessere fachliche Ausbildung des jüngeren Nachwuchses zu sorgen, ist auf fruchtbaren Boden gefallen. Der führende Fachverein hat seine, auch für die Angestellten von Nichtmitgliedern kostenlos zu gänglichen Belehrungskurse, welche jetzt zwei Jahre bestehen, zu einer ständigen Einrichtung gemacht und damit eine fühlbare Lücke ausgefüllt. Papierwarenfabrikation. Der bereits im vergangenen Jahre statt gefundene Preisrückgang nahm noch weiter zu. infolge ungenügen der Beschäftigung der Fabrikanten war das Angebot in der ersten Hälfte des Jahres sehr stark. Im zweiten Halbjahr machte sich ge ringe Besserung dadurch bemerkbar, dass die Preise zwar nicht höher wurden, die Fabrikanten jedoch längere Lieferzeit bedangen. GEBR. LANGE, Bernburg (Anhalt) fabriziren als Spezialität hadernreiches Schreib u. Druck — Muster u. Preise gern zu Diensten — [142568