Volltext Seite (XML)
Nr. 24 PAPIER-ZEITUNG 837 Dem möglichst dick eingetragenen Stoff wird die Farbstoff lösung, und nach gründlicher Vermischung 20 kg denaturirtes Kochsalz in Lösung auf je 100 kg Zellstoff, zugesetzt. (Statt Kochsalz kann auch 25 kg krystallisirtes oder 15 kg kalzi- nirtes Glaubersalz genommen werden.) Man färbt während 1/2 Stunde bei Kochhitze, sperrt dann den Dampf ab und lässt den Stoff noch 11/2 Stunden laufen, bis völliges Aufziehen der Farbstoffe bewirkt ist. Zur besseren Fixirung werden am Schlüsse 2 kg schwefelsaure Tonerde auf je 100 kg Zellstoff zugesetzt. Das neben den einzelnen Mustern in Kilo' angegebene Farbstoffquantum wurde zum Färben von 100 kg Zellstof- Melirung verwendet. Die zu den verschiedenen Papiermustern verwendete Menge von Melirfasern ist in Prozenten, vom Gewicht des weissen Grundstoffes gerechnet, in der Karte angegeben. Bei Mustern Nr. 73 bis 79 ist der Grund vorgefärbt, und die angegebene Menge Farbstoff bezieht sich auf 100 kg dieses Grundstoffs. Die Zugabe der Melirung hat nach vollendeter Leimung des Grundstoffes zu geschehen. Bei den dunklen Melangen, die keinen weissen Stoff enthalten, können die einzelnen Farben getrennt, oder erst nach erfolgter Vermischung geleimt werden. Steht ein Mischholländer zur Verfügung, so ist getrennte Leimung vorzuziehen. Äusser zum Färben von Zellstoff sind die Diaminfarben auch zum Färben von Baumwolle, Leinen und Jute nach dem beschriebenen Verfahren vorzüglich geeignet. Die auf der Karte enthaltenen 126 Muster melirter Papiere zeigen die mannigfaltige Verwendbarkeit der auf diese Art er haltenen Melirfasern zur Herstellung von Papieren ver schiedensten Karakters. Für jedes Muster ist angegeben: 1. Herstellungsweise der Melirfasern, deren mitunter zwei oder drei zu einer Eintragung benutzt werden; 2. Menge der Melir fasern, die auf 100 kg vorgefärbten Zellstoffs zugesetzt werden müssen. Der Grundstoff ist bei Mustern 73 bis 79 nicht weiss, sondern vorgefärbt. Ueberraschende Wirkungen werden durch viele Muster von Nr. 97 bis 126 erzielt, die ohne Grundmasse lediglich durch Mischung verschieden gefärbter Melirfasern hergestellt sind. Die Vorschrift für Muster 115 lautet z. B. wie folgt: 3 kg Diaminreinblau pat. 50 3 „ Diaminbraun R . . 50 Dies bedeutet: 100 kg Eintragung bestehen zu gleichen Teilen aus Melirfasern, erhalten durch Ausfärben von je 100 kg weissen Zellstoffs mit je 3 kg des erwähnten Farb stoffs in eingangs beschriebener Weise. Dieses Muster wirkt durch die diskrete dunkelblaue Sprenklung der dunkelbraunen Grundmasse sehr eigenartig und dürfte wie viele andere dieser Muster für moderne Buchumschläge und dergl. Anklang finden. »Administration« in Russland Die Hauptgläubiger einer zahlungsunfähig gewordenen Firma dürfen in Russland unter bestimmten Voraussetzungen diese Firma in eine Art Zwangsverwaltung nehmen, die man dort »Administration« nennt. Welche traurigen Folgen eine solche Administration für die Gläubiger sowie für die Ange stellten der Firma haben kann, geht aus folgendem Bericht der St. Petersburger »Nowoje Wremja« hervor. In letzter Zeit durchleben unsere Papierfabriken eine schwere Krisis, verursacht durch die Konkurrenz der finländischen Papier fabrikation. Da die Zollsätze in Finland niedriger sind, und auch der Kredit leichter und billiger ist als hier, stellt sich auch die Fabrikation billiger. Der Wechseldiskont beträgt dort 4—6 pCt., während er bei uns 7—8 pCt. erreicht; Holzschliff kostet dort 40 Kop. pro Pud, bei uns 1 Rbl. 20 Kop. Die Folge hiervon ist Ueberschwemmung des russischen Marktes mit finländischem Papier und Niedergang unserer Fabriken. Dieses Schicksal hat drei Papierfabriken betroffen, deren Haupt aktionär die Firma »G. J. Pallisen« ist, nämlich die Fabriken von Rshew, Koschely und die unter der eigenen Firma bestehende Papier fabrik. Im Jahr 1899 wandte sich die Firma Pallisen an die Staatsbank mit der Bitte, ihr ein Darlehn im Betrage von 2 Mill. Kubel zu gewähren, welches die Firma auch gegen Lombardirung ihrer Aktien im Nennwert von 3 Mill. Rubel erhielt, ausserdem musste die Firma Wechsel über 2 Mill, zur Sicherstellung des Dariehns zeichnen. Die Bewilligung des Darlehns rettete aber die Firma nicht sondern ruinirte sie, denn kaum verbreitete sich die Nachricht von der Be willigung des Darlehns, so verweigerten alle Privatkreditoren der Firma jeden Kredit. Nach Verlauf von kaum sechs Monaten musste die Firma ihre Zahlungen einstellen und ein Gesuch um Einsetzung einer Administration einreichen. Damit geriet das Unternehmen in volle Abhängigkeit von den Vertretern der Staatsbank. Als Hauptgläubiger hatte sie über Wahl, Zahl und Gehalt der Administratoren zu entscheiden. Die Vertreter der Bank verstanden es vortrefflich, für sich zu sorgen. Das Gehalt der früheren Direktoren betrug 26 000 Rubel; jetzt wo die Geschäfte schlecht gehen, sind für den Unterhalt der Administration über 60 000 Rubel ausgeworfen. Der Löwenanteil entfällt auf die Vertreter der Staatsbank, die im Geschäft manchmal auf ein oder zwei Stunden erscheinen, manchmal sich auch garnicht sehen lassen. Ein Vertreter der Staatsbank erhält jährlich 10 200 Rubel, ein anderer 9300 Rubel, ein Dritter 6400 Rubel. Auf diese Weise taxiren die Beamten ihre unproduktive Arbeit! Viele, viele Jahre werden die Firma Pallisen und ihre Kreditoren auf diese Weise ausgeraubt werden, falle das Finanz ministerium nicht seine Aufmerksamkeit auf diesen Punkt richtet. Am allertraurigsten ist aber das Verhalten der Administratoren den früheren Angestellten der Firma gegenüber. Die Angestellten der Firma besassen eine Sparkasse, in welche bestimmte Gehalts abzüge aller Angestellten flossen, die am Jahresschluss durch eine gleichhohe Summe der Direktion ergänzt wurden. Zum Zeitpunkt der Einsetzung der Administration war der Bestand der Kasse gegen 60 000 Rubel, welche sich bei der Firma Pallisen auf lautender Rechnung befanden. Da das Gesetz keine derartigen Ausnahmefälle vorgesehen hat, kam auch die Sparkasse in die Konkursmasse, und die Angestellten der Firma haben das Nachsehen. Die Administration zahlte keinem der Angestellten seine Ersparnisse, und keiner wagte auch zu klagen, aus Furcht entlassen zu werden. Eine »Administration«, die nur eins im Auge hat, den Beamten ein fettes Gehalt zukommen zu lassen, unterbindet jede gesunde Konkurrenz und muss in einer Reihe von Jahren zum Zusammenbruch der solidesten Geschäfte führen, weil das unter Administration stehende Geschäft die Zinszahlungen für alle früheren Schuldforderungen ein stellt. Wie wir von anderer Seite erfuhren, war es eine der ersten Taten der neu eingesetzten Administratoren, dass sie jahrelang bewährte deutsche Angestellte teils entliessen, teils durch ent sprechende Behandlung zur Aufgabe ihrer Stellung veranlassten. Das von der Staatsbank s. Zt. gewährte grosse Darlehn erklärt sich vielleicht z. T. daraus, dass dem Vernehmen nach die Kaiserin - Witwe Haupt - Aktionärin der Pallisen’schen Gesell schaft ist. Papier-Einkauf der Kleinbetriebe Dem kleinen Buchbinder oder Kartonnagenfabrikanten ist es nicht immer möglich, namentlich nicht in Zeiten schlechten Geschäfts ganges, grössere Papier- oder Pappenvorräte zu halten. Auch Sattler, Galanterie-Arbeiter, kleine Buchdrucker, Spielwarenfabrikanten ver brauchen Papier und Pappen. Muss aber der kleine oder mittlere Handwerker oder Fabrikant seine Rohstoffe im Kleinen (von Hand lungen) beziehen, so kann er nicht bestehen. Von weissem Papier benötigt der kleinere und mittlere Buch binder sogenanntes Vorsatzpapier, dieses sollte zu 600 Bogen in Sortimenten in den Handel kommen. Dem Fabrikanten entstände dadurch der Nutzen, dass er dazu verschiedene angesammelte sonst für ihn unbrauchbare Reste verwenden könnte, der kleine Geschäfts mann käme dadurch in Besitz verschiedener Formate, ohne dass er grosse Posten beziehen müsste. Auch Sortimente von fehlerhaftem Papier liessen sich zu genannten Zwecken verwenden und an den Mann bringen. Dasselbe gilt von Pappen. Graue, Leder-, Stroh- und Holzpappen sollten sortimentsweise in Packungen von 60 kg Gewicht in den Handel kommen, in welchen alle üblichen Stärke-Nummern vertreten ■wären. Dabei hätte der Pappenfabrikant ebenfalls Gelegenheit seine Reste und Extraformate zu verwerten. Es wäre sehr erfreulich, wenn es über diese Vorschläge zu einer Aussprache käme, und diese zu einem Fortschritt in der Art des Ein kaufes führte. F. K. Dicke und Grösse der für die verschiedenen Handwerker nötigen Papiere und Pappen sind so verschieden, dass in den vorgeschlagenen »Sortimenten« für jeden viel Unverwendbares enthalten wäre. Dieser Nachteil wird in den meisten Fällen den Vorteil der vom Einsender empfohlenen Vertriebsweise über wiegen. Die kleinen Gewerbetreibenden brauchen übrigens in Orten mit grösserer Industrie nicht beim Kleinhändler zu kaufen, da es dort meist Grosshändler und Fachgeschäfte gibt, die für die Bedürfnisse des ortsüblichen Handwerks sorgen und sich mit mässigem Gewinn begnügen. Zusammenschluss gleichartiger Geschälte zu Einkaufs-Genossenschaften dürfte den Handwerkern bessere und raschere Abhilfe gewähren als die von Anderen abhängige Aenderung in der Vertriebsweise der Papiere. Kein Baum ist in der Erde so festgewurzelt, als in manchem Menschen das Vorurteil.