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Nr. 21 734 Buchgewerbe Buchbinderei * * Buchdruck * * * *** Buchhandel *** Steindruck Eingesandte Werke finden Besprechung Mitarbeitez und Berichterstattes erhalten angemessene Bezahlung Sachliche Mitteilungen finden kostenfreie Aufnahme Buchdruckwalzenmasse In Nr. 16 der Papier - Zeitung befindet 'sich unter obiger Ueberschrift ein Artikel, welcher auf Angaben einer in der »Pape terie franaise« von einem Herrn F. Heuer veröffentlichten Ab handlung beruht, wonach die Erfindung der Walzenmasse und auch die der Massewalzen dem französischen Chemiker Jean Nicolas Gannal zukommen würde. Die Mitteilungen des Herrn Heuer erweisen sich aber fast sämtlich als Irrtümer, und da sie geeignet sind, die deutsche Erfinderehre, speziell die Friedrich Koenigs, des Erfinders der Schnellpresse, zu schädigen und deren Erfindungsgeschichte zu fälschen, erlaube ich mir, Sie um Aufnahme nachfolgender Zurechtstellungen resp. Berichti gungen zu ersuchen. Ich brauchte mich allerdings, um die Heuerschen Angaben zu widerlegen, nur auf mein Buch »Fried rich Koenig und die Erfindung der Schnellpresse« zu beziehen, da dasselbe aber schon 1883 erschienen und deshalb jetzt wohl kaum in vielen Händen ist, man bei mir vielleicht auch Vor eingenommenheit oder Gott weiss was voraussetzen könnte, so gebe ich die Hauptpunkte der Zurechtstellungen direkt nach den Koenigschen Patenten. Der Erfinder baute seine erste Schnellpresse nicht 1814 für die Times; sie wurde ihm bereits am 29. März 1810 patentirt, und die Eintragung seiner Patentbeschreibung erfolgte am 27. September desselben Jahres. Darin heisst es in Bezug auf die Walzen: ». . . . is a particular gort of leather, made for the purpose, with the grain, being sheepskin, dressed in oil, in order to keep the said leather in such a moist and soft state as is required for printing.« Die Walzen waren also nicht aus Kalbfell, wie Heuer angibt. Ueber die höchst ingeniöse Kon struktion dieser Walzen wolle man event. S. 50 meines vorer wähnten Buches nachlesen. Ebendaselbst wird man auf S. 32, 33 und 35 Abbildungen der ersten, im Jahre 1803 von Koenig gebauten Presse, hergestellt nach seinen eigenen, heute im Buchgewerbe - Museum zu Leipzig befindlichen Zeichnungen finden, welche durch den Augenschein dartun, dass der Ueber- gang vom Ballen zur Walze bei seinen Maschinen nicht erst 1814 erfolgte, sondern dass von Koenig schon von allem An fang an Walzen zum Aufträgen der Farbe angewandt wurden. Nach Heuer hat der Chemiker Gannal 1819 Massewalzen an die Buchdruckerei geliefert, wahrscheinlich, ebenfalls nach Heuer, zuerst an A. Durandt, der 1819 in Frankreich eine Presse baute, welche die Farbe mittels einer »eisernen Achse, die eine Umhüllung von gelatinöser Masse trägt«, auf die Form verteilte. »Von diesem Zeitpunkte an schreibt sich erst die gewaltige Entwicklung der Buchdruckerei, denn diese gelatinöse Masse war unerlässliche Bedingung zur Erreichung der Ge schwindigkeit im Druck.« Es ist bedauerlich, dass ein Mann deutschen Namens solche von französischer Oberflächlichkeit zeugende Neuigkeiten in die Welt ausposaunt. Walzenmasse aus Leim und Sirup, wie sie viele Jahrzehnte hindurch für Farbwalzen gebraucht worden ist, hat zuerst ein englischer Drucker namens Foster, wie ja ziemlich allgemein bekannt, in die Buchdruckerei eingeführt, zunächst aber nicht als Walzen, sondern als Ballen, zu deren Herstellung er die Masse auf grobe Leinwand goss, die Ballen wie gewöhnlich mit Rosshaar füllend und dann die Leinwand mit der Masseschicht dar über nagelnd. Das Verdienst, Walzenmasse zuerst bei einer ihrer seits konstruirten, aber niemals zur praktischen Einführung ge langten Druckmaschine benutzt zu haben, kommt Bryan Don kin und Richard Mackenzie Bacon zu, welchen diese Maschine am 23. November 1813 in England patentirt wurde, in deren Patentbeschreibung, eingetragen am 23. Mai 1814, es heisst: »The ink cylinder and distributing roller may be made of cop- per or brass tube, covered with glue, so prepared as to lessen its tendency to become hard by exposure to the air, or to be- come soft by the application of oil or printing ink, and their quality is given to the glue by melting with it a quantity of treacle, in the proportion of two parts of the latter to one part of the former.« Ein ehrendes Andenken mag Gannal vielleicht für andere Dienste, die er der Wissenschaft geleistet, verdienen, wir Buchdrucker sind ihm keins schuldig für Herstellung der Walzenmasse oder deren Anwendung für Buchdruckwalzen, denn beides ist nicht durch ihn zuerst geschehen. Die Erfindung der Walzenmasse ist aber auch weder durch die Herren Donkin und Bacon, noch durch Foster gemacht worden. Letzterer, in einer Druckerei zu Weybridge arbeitend, hatte in den grossen Töpfereien von Staffordshire gesehen, dass man sich einer Komposition von Leim und Sirup zur Her stellung von Ballen behufs Bedruckens der keramischen Er zeugnisse bediente, und das führte ihn zu Versuchen mit Buch- druckballen. Da diese gelangen, scheint er später eine An stalt zur Herstellung solcher und wohl auch von Walzen, deren man sich laut Johnson’s »Typographia or the Printer’s Instructor«, Band II, S. 532 (1824 erschienen), schon 1819 in England be diente, errichtet, aber damit nur wenig Erfolg gehabt zu haben, wie aus einem höchst charakteristischen Briefe Koenigs an den Besitzer der Times, abgedruckt auf S. 78 meines angeführten Werkes, hervorgeht. Koenig selbst hat, als er schon nach Deutschland zurückgekehrt war, Walter die Zusammensetzung der nach seinen eigenen Versuchen hergestellten Walzenmasse angegeben und die ihm dafür gebotene Entschädigung von 50 Pfund Sterling nicht angenommen, obwohl die Leder walzen der Times - Maschinen deren Besitzer eine jährliche Ausgabe von 300 Pfund Sterling verursachten. Das Vorhergehende dürfte genügen, um Verdienste des Franzosen Gannal, wie ihm solche Herr Heuer vindizirt, als nicht bestehend darzulegen; ein Auszug aus dem letzten (dem vierten) englischen Patent Koenigs vom 24. Dezember 1814, ein getragen am 22. Juni 1816, möge dies noch weiter dokumentarisch belegen: »Several compositions«, heisst es in demselben, »have been used for some years past in order to oover printer’s balls instead of skins. The same compositions are fit materials for the outside or covering of the inking rollers in my maohine. The component parts are glue and treacle, or glue, treacle and gum, or glue, moist sugar and gum, mixt and brought to combine [over a gentle fire. It will answer the purpose in va- rious proportions, but there ought to be a greater proportion of treacle or sugar than of the other ingredients. To fix it upon the cylinder, it may be cast upon"oloth in a flat piece of equal thickness, and wrapped round the roller and fixed upon it by the edges of the cloth with nails or serews. A better method, which requires, however, an expensive mould, is the following: Two hollow pieces of cast iron or brass, of a semi circular shape, are well fitted and sorewed together, and bored so as to form a hollow cylinder of the size of the inking roller. To both ends of these semicircular moulds are fitted pieces with semiciroular cavities, corresponding with the bearings of the roller, which is thus fixed in a concentric position in the mould; around the roller are closely wrapped strings, to which the composition adheres firmly. The composition is cast in this mould, and the cylinder thus produced will be at once true and concentric with the bearings. I hereby desire it to be understood, that I lay no claim to the invention of these com- positions, neither do I claim their application to my maohinery and inventions.« Aus dem Vorhergehenden ergibt sich 1., dass Koenig nicht erst zur Walzen-Einführung überging, als er die Times-Ma schinen baute, — sie bildete vielmehr ein Grundprinzip seiner Erfindung; 2. dass seine Walzen niemals Kalbleder - Bezüge, dte viel zu derb gewesen sein würden, besassen; 3. dass der Chemiker Gannal weder die Walzenmasse, deren man sich schon zur Herstellung der Ballen bediente, als er fast noch ein Knabe war, noch die Buchdruckwalzen erfunden hat, und dass 4. Herr Heuer gut tun wird, sich vorher bezüglich des Gegen stands, über den er schreiben will, genau zu unterrichten, da mit er nicht wieder durch Unkenntnis den wohl und schwer ver dienten Ruhm eines deutschen Erfinders schädige. Theod. Goebel