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700 PAPIER-ZEITUNG Nr. 20 deutschen Druckschrift auch eine schöne Buchschrift besitzen. Ihre alte Frakturschrift eignet sich weniger, ebenso die Neudeutschen Schriften, die zwar stahlhart und geschlossen im Gesamtein- druok, wegen der Steilheit und Schnörkel aber schwer zu lesen sind. Die Renaissance-Ornamente, ebenso die Neu- deutschen Ornamente sind weniger Neuschöpfungen als eine Belebung des Mittelalters durch Nachahmungen. Die wenigen Giessereien, die sich noch beteiligt haben, gaben sich nicht einmal die Mühe, ihre Probenblätter geschlossen anzuordnen. Dieselben sind so wirr durcheinander untergebracht, dass man nicht recht klar wird, ob Hast oder Unwille hier waltete. Die von Klinkhardt ausgestellten Probenblätter zur Antiken Gotisch und den Morris-Bändern, die Parallelen zur Berthold’schen Morris-Gotisch und den Weinreben und der Woellmer’schen Uncial-Gotisch sind zur Genüge bekannt. Von Woellmer ist noch die »Siegfried« zu nennen: eine eigenartige Schrift zwar, aber zu gekünstelt, um rechte praktische Verwendung zu finden. Numrich hat eine Schrift mit Schmuck »International« ausge stellt. Der Name sagt viel. Nach Darwin entwickeln sich die Arten höher hinauf. Im Schriftgiesserei-Gewerbe ist es umge kehrt. Was gibt es nicht für Zwischenstufen seit der Eckmann! Eine hässlicher als die andere. Dass aber Numrich, der doch mit der Romana Artistica sich einen rühmlichst bekannten Namen geschaffen, über Eckmann und Baldur hinaus solche Missgeburt zeugen konnte, wie die International, sei ihm unverziehen. Wehe dem »Künstler«, der hier Vater wurde. Der Geburts helfer hätte soviel Mitleid haben müssen, diesen Krüppel zu erdrosseln. Ne sutor ultra crepidam! Kunst ist, was die grossen Künstler gemacht haben. Wenn ihr etwas dem Sehriftgiesserei- und Buchgewerbe Heilbringendes schaffen wollt, wendet euch an Künstler, die etwas davon verstehen, der Segen wird nicht ausbleiben. — Der Besucher des Hohenzollern-Kunstgewerbe- hauses findet auch sonst viel Wertvolles. Möbel, Teppiche, Bronzen, Porzellan, Schmuckgegenstände (Paris und Darm stadt), Zeichnungen und Radirungen. Hervorzuheben ist eine Mappe Radirungen von Alfred Kubin, die an monumentaler Auffassung und eigenartiger überwältigender Fantastik durch das organische ihrer Symbole vorteilhaft von den oft will kürlich gesucht und gekünstelt wirkenden Sascha Schneider’s abstechen. Es wäre zu wünschen, dass Ausstellungen für Buchaus stattung mit Neuheiten wiederholt würden. Stuttgarter Brief 1. März 1908 Der diesjährige Geburtstag des Königs brachte einen sehr gut ausgearbeiteten Vortrag in der Kgl. Kunstgewerbeschule über »die grafischen Künste der Jetztzeit«, vom Direktor Kolb. Der Vortragende verstand es, seine Zuhörer mit den verschiedenen Künsten zu be freunden und behandelte nach einander den Steindruck, das Auto grafische Druckverfahren, die Chromolithografie, den Zinkdruck und den algrafischen Druck, die Radirung, den Holzschnitt, die Autotypie, die Citochromie, den Dreifarbendruck und den Lichtdruck. Unter Hinweis auf die gerade in der letzteren Zeit gemachten Neuerungen und Erfindungen hält Herr Direktor Kolb dieses Gebiet durchaus noch nicht für abgeschlossen, bei einer an den Vortrag sich an schliessenden Preisverteilung erhielten auch aus der grafischen Abteilung der Lehranstalt ein Schüler einen Preis und zwei Schüler Belobungen. Zur besseren Veranschaulichung der verschiedenen Druckverfahren war eine Seite des Vortragsaales mit einer grossen Anzahl prächtiger Drucke bedeckt. Bei der Besprechung des österreichischen Zolltarifs wird von den Zeitungen hervorgehoben, dass der Wert der deutschen Ausfuhr nach Oesterreich im Jahre 1900 für Bücher, Karten, Musikalien 84,7 Mill. M. betrug und für Farbdruckbilder 9,2 Mill. M. Wenn diese Einfuhr künftig erschwert wird, so trifft der Schaden wohl am meisten die süddeutschen Druckplätze mit ihren Stein- und Lichtdruckereien. Im Interesse des gesamten Buch- und Papiergewerbes würde es aber liegen, wenn die Ausfuhr gesteigert werden könnte. An eine solche Steigerung nach den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika scheint jedoch der hiesige Verlegerverein nicht zu glauben, da derselbe mit Rücksicht auf den ungenügenden Verlagsschutz es ablehnt, die Aus stellung in St. Louis zu beschicken, trotzdem das Reich zur Beschik- kung durch den Reichskommissar Geheimrat v. Lewald einlädt. Kürzlich fand in Stuttgart eine Besprechung von Inhabern und Ver tretern württembergischer Firmen statt, welche die Weltausstellung beschicken wollen. Der dort anwesende Reichskommissar gab Aus kunft über die voraussichtliche Anordnung der Ausstellung und über die Bedingungen zur Beschickung derselben. Bei Aufzählung der verschiedenen sich namentlich zur Ausstellung eignenden Fabrikations- zweige wurden die Papierfabrikation und die grafischen Künste hervorgehoben. Nene Werke, umfangreichere Zeitungen Infolge Tagung des Reichs- und Landtags sowie Frühjahrsarbeiten haben in der Buch druckerei eine kleine Besserung hervorgebracht. In der letzten Februarwoche waren in Württemberg arbeitslos: 83 Setzer, 21 Maschinen meister, 1 Tiegeldrucker, 1 Handpressendrucker, 8 Schweizerdegen, 6 Schriftgiesser und 3 Stereotypeure. Von diesen 68 arbeitslosen Buchdruckern entfällt natürlich der grösste Prozentsatz auf Stuttgart. Bei der herannahenden Neueinstellung von Lehrlingen sollte aber allgemein auf die vorhandenen überschüssigen Arbeitskräfte Rücksicht genommen und weniger Lehrlinge eingestellt werden. "Wir befinden uns in einem Uebergangsstadium. Zeilengiessmaschinen und fort gesetzte technische Vervollkommung der Druckmaschinen vermehren in einer Zeit des wirtschaftlichen Niedergangs die überflüssigen Arbeitskräfte, welche wiederum auf Gehilfen und Prinzipale drücken, denn mancher Gehilfe greift, als letztem Rettungsanker, sobald er über etwas Geld verfügt, zur Selbständigkeit und — drückt die Preise. War das letzte Jahr für die Buchdruckergehilfen Württembergs wirt schaftlich ungünstig, wie bei den Prinzipalen, so waren die Abschlüsse der humanitären Kassen sehr günstig. Der sogenannte Unterstützungs- verein für Buchdrucker und Schriftgiesser in Württemberg, dem auch verschiedene Prinzipale angehören und der Ende 1902 2167 Mitglieder zählte, schliesst in eich eine Zuschuss-Invalidenkasse mit 21 206 M. 13 Pf. Vermögen, eine Witwen- und Waisen-Unterstützungskasse mit einem Vermögen von 110 918 M. 59 Pf. gegen 99 510 M. 17 Pf. im Vorjahr und eine Begräbniskasse mit 87 674 M. 55 Pf. Vermögen gegen 84 045 M. 81 Pf. im Vorjahre. Aus letzter Kasse wurden 79 Stergelder für Mitglieder, Frauen und Kinder, und aus der Witwen kasse wurden an die Hinterbliebenen von 18 verstorbenen Mitgliedern je nach den Beitragsjahren Unterstützungen von 100 —800 M. gezahlt. Auch die seit 21 Jahren bestehende Zuschuss-Krankenkasse hat ihren Vermögensstand von 6922 M. 48 Pf. auf 10 846 M. 78 Pf. gehoben und in diesen 21 Jahren 154 042 M. 5 Pf. Krankengeld und 4645 M. Be- erdigungsbeiträge bezahlt. Eine anderweitige Regluug des Amlsblattwesens rief kürzlich im Landtag eine längere Debatte hervor, an der sich auch mehrere im Landtag sitzende Redakteure beteiligten. Es wurde beantragt, be sondere Amtsblätter herauszugeben, welche alle amtlichen Bekannt machungen der Behörden ohne Entgelt aufzunehmen haben, private Anzeigen, natürlich gegen Bezahlung, aufnehmen können, ohne politischen und unterhaltenden Teil erscheinen müssen und sämtlichen im Erscheinungsbezirk herausgegebenen Zeitungen auf Verlangen kostenfrei als Beilage geliefert werden müssen. Dem gegenüber stand eine Eingabe von 53 Verlegern der in Württemberg erscheinenden Amtsblätter, welche darum ersuchen, es bei der bis herigen Reglung der Amtsblätter zu belassen. Auf Antrag des Berichterstatters wurde Vorstehendes der Regierung zur Kenntnis nahme überwiesen. In der Kommissionsberatung kam noch ein Vor schlag zur Erörterung, wonach die offiziellen Amtsblätter auf Rechnung und in Regie der betreffenden Behörden erscheinen sollen, um auf diese Weise das Anzeigenwesen zu monopolisiren, wodurch dem Staat •in» Einnahmequelle geschaffen würde. S. Braunschweiger Brief Zur Geschäftslage — Schliessung der Buchdrucker-Zwangsinnung Ende Februar Die allgemeine Geschäftslage am hiesigen Ort bessert sich langsam. Konditionslos sind noch etwa 18—15 Buchdrucker, doch dürften Konditionslose auch in der günstigsten Zeit vorhanden sein, was wohl der Einführung der Setzmaschinen zuzuschreiben ist. Entgegen den vorhergehenden Wintern wurde in dem letzten, namentlich in den Verlagsdruckereien, weniger mit Ueberstunden gearbeitet. Hierbei gibt aber die niederdrückende Geschäftslage weniger den Ausschlag, vielmehr sind infolge Vergrösserung der hierbei in erster Linie in Betracht kommenden Betriebe, namentlich der Maschinensäle und der hierdurch mehr eingestellten Maschinen, die Ueber stunden möglichst beschränkt worden. Äusser mehreren im ver gangenen Jahre vorgenommenen Vergrösserungen und Umbauten errichtet eine hiesige grössere Verlagedruckerei neben ihren schon vorhandenen verschiedenen grafischen Zweigen eine Abteilung für Steindruckerei. Nachdem bei der Herzogi. Kreisdirektion hier der Antrag auf Zurücknahme des Innungszwanges für das Buchdruckereigewerbe angebracht war, hat die Herzogi. Kreisdirektion zum 31. März d. Js. die für das Herzogtum Braunschweig mit dem Namen Zioangsinnung für das Buchdruckereigewerbe bestehende Innung geschlossen. Die Abwicklung der Geschäfte hat der bisherige Vorstand bis zu obigem Termin zu besorgen, und das etwa noch verbleibende Innungsver mögen ist der hiesigen Handwerkskammer zu überweisen. Dieses Innungsvermögen wird wieder zurückgegeben werden, falls bis zum 81. Dezember d. Js. eine freie Innung für das Buchdruckerei gewerbe im Herzogtum errichtet werden sollte. Die behördliche Ent scheidung wurde den Innungsmitgliedern in einem besonderen Rund schreiben mitgeteilt. Wie es inzwischen heisst, ist es nicht aus- geschlossen, dass im Laufe dieses Jahres irgend eine freie Vereini gung der hiesigen Buchdruckereibesitzer ins Leben tritt, da »in wenn auch lockerer Zusammenschluss dem ganzen Gewerbe nur dienlich sein kann.