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Nr 19 PAPIER-ZEITUNG 667 tragende, von der Leipziger Sehriftgiesser-Vereinigung un gelöst geblieben. Die Lösung, wie sie die Abdrücke zeigen, erscheine mit der angedeuteten Aenderung des ö gelungen. Wenn die verkürzte Form der Umlaute in Versalienzeilen auch etwas störend wirke, so müsse man berücksichtigen, dass un durchschossener Versaliensatz wohl sehr selten vorkomme, und die neue Form nur auf ßrotschriften Anwendung finden könne, grössere Schriftgrade als Cicero werde man stets durchschossen setzen und sich dann auf andere Weise helfen können. Zum Schluss seiner mit allseitigem Beifall aufgenommenen Ausführungen stellte Herr Kulbe folgende Leit sätze zur Besprechung: 1. Für das gemeine ß empfiehlt sich vorzugsweise aus Zweckmässigkeitsgründen die Sulzbacher Form, die auch bei Kursiv- und Zierschriften ohne Not im Sinne des Poppelbaum- sehen ß variirt werden könne. 2. Eine besondere Type für das Versal SZ zu schaffen, ist nicht empfehlenswert. 3. Für die Unterbringung der Punkte bei den Versal- Umlautern Ä Ö Ü empfiehlt sich bei Brotschriften bis Cicero eine entsprechende Verkürzung des A 0 U. Bei dem Meinungsaustausch über diese Leitsätze, an welchem sich u. a. die Herren Erler, Hartmann, Schwarz, Weber, Zeike und der Vorsitzende beteiligten, wurde von Herrn Smalian, der sich im übrigen mit den Ausführungen des Herrn Kulbe völlig einverstanden erklärte, auf die grossen Kosten hingewiesen, welche die in Aussicht genommenen Neuerungen den Giessereien verursachen. Die Praxis werde zeigen, dass es nicht angängig sei, mit den einmal eingeführten neuen Formen bei den Brotschriften stehen zu bleiben. Bei der Abstimmung über die Kulbe’schen Leitsätze wurden die selben einstimmig angenommen. Zum folgenden Punkt der Tages-Ordnung, der weiteren Be sprechung der Exlibris- Wettbewerbs-Entwürfe, machte Herr Taubei den Vorschlag, zur Erzielung künstlerisch vollendeter Ent würfe einen neuen Wettbewerb zu veranstalten, in der Voraus setzung, dass sich dabei eine gesteigerte Leistungsfähigkeit der besten Kräfte der Gesellschaft ergeben und der Erfolg die Resultate der ersten Ausschreibung überbieten werde. Dieser Vorschlag fand keine Unterstützung bei den Mit gliedern. Herr Stadthagen machte den Vorschlag, die ge samten Entwürfe als Eigentum der Gesellschaft zu erwerben und — nachdem sie anderen typografischen Vereinigungen zur Ausstellung überlassen worden — in einer besonderen Mappe als ein Dokument der Leistungen der Mitglieder aufzubewahren; er erklärte sich gleichzeitig bereit, persönlich diejenigen un- prämiirten Einsender, welche ihre Entwürfe der Gesellschaft nicht kostenlos überlassen wollen, zu entschädigen. Die Ver sammlung nahm diesen Vorschlag dankend an und erklärte, dass Entschädigungs-Ansprüche bis zur nächsten Sitzung geltend zu machen seien. Dann werden die den Entwürfen beigegebenen Briefumschläge, soweit nicht Widerspruch von einzelnen Einsendern erhoben wird, geöffnet und die Namen der Einsender auf den Skizzen vermerkt. Es wurde be schlossen, den mit dem ersten Preis ausgezeichneten Entwurf des Herrn Scherz, vorbehaltlich einiger kleiner Abänderungen, als Exlibris der Gesellschaft auszuführen. Die weiteren Punkte der Tages-Ordnung wurden der vor- . geschrittenen Zeit wegen für die nächste Sitzung zurück gestellt. Vor Schluss der Sitzung überreichte der als Gast anwesende Herr Ph. Wilhelm dem Vorstande noch ein Schreiben des Geschäftsleiters der Buch- und Kunstdruckerei von Döring & Hüning in Hanau, in welchem sich derselbe in überaus lobender Weise über das Linoleumschnitt-Verfahren äussert. Schluss der Sitzung 12‘/4 Uhr. Typographische Gesellschaft München Versammlung am 12. Februar 1903 im Vereinslokale. Auf der Tagesordnung standen folgende Themen: A. Wie schätzt man Schrift- und Ausschlussmaterial bei Neuanschaffungen? B. Welches sind die Haupttugenden eines brauchbaren Setzers? C. Wie druckt man Akzidenzen schnell und sauber ? Für die Behandlung dieser drei Fragen war je ein Referentaufgestellt. Wie schätzt man Schrift- und Ausschlussmaterial bei Neuanschaffungen? Referent: Herr Ed. Ross Handelt es sich darum, den Bedarf an Sehriftmaterial für eine Arbeit zu berechnen, die nur aus glattem Satz besteht, so ist es die einfachste Methode, die Grösse einer Kolumne in Nonpareille-Gevierte umzurechnen. Die hier gefundene Anzahl der Nonpareille-Gevierte 18t gleich der Anzahl der Gramme, weil ein Buchstabe in der Grösse eines Nonpareille-Gevierts durchschnittlich etwa 1 g wiegt. Bin Bei spiel wird dies erläutern: Eine Kolumne von 20 Cicero Breite und 32 Cicero Höhe in Nonpareille umgerechnet würde 40X64 = 2560 g — 2,500 kg wiegen. Benötigt man nun für einen Bogen von 16 Kolumnen Schrift, so wären hiervon 40 kg erforderlich. Da sich aber die Schrift niemals genau abschätzen lässt, tue man gut, immer etwas zuzugeben, Einzüge und Ausgänge überhaupt nicht in Anschlag zu bringen, sondern jede Kolumne für voll zu rechnen. Bei durchschossenem Satz wird die Stärke der Schriftzeile als Kolumnenhöhe in Ansatz gebracht. Für den Ausschluss wird der fünfte Teil des Gewichts vom Satz berechnet, demnach treffen auf 50 kg Schrift 10 kg Aus schluss Referent gibt noch genau an, wieviel Buchstaben je auf 100 kg Schrift von Nonpareille bis Cicero gehen, um zu berechnen, wieviel Satz aus einem bestimmten Quantum Schrift gesetzt werden kann. Handelt es sich um besonderen Satz, gemischten Satz, oder solchen mit Ziffern, Gedankenstrichen und Punkten usw., die in grösseren Mengen vorkommen, so ist Auszählen derselben zu empfehlen. Will man die erforderliche Menge von Durchschuss, Regletten und Quadraten berechnen, so ist hierbei die Kenntnis des Verhältnisses zwischen Gewicht und Stückzahl erforderlich. Redner erläuterte seine Angaben durch ein Beispiel, und be rechnete ein Werkchen aus der Gentzsch’schen Borgis römisch Antiqua auf Garmond-Kegel auf den Bogen zu 16 Seiten in Bezug auf Schrift, Durchschuss, Quadraten und Ausschluss. Der zweite Punkt der Tagesordnung lautete: Welches sind die Haupttugenden eines brauchbaren Setzers? Referent: Herr K. Buner Der Referent betonte eingangs seines Vortrags, die zu er wähnenden Eigenschaften seien dem Setzer notwendig, um das Prädikat »brauchbar« zu beanspruchen. Die sogen. Spezialsetzer habe er nicht im Auge, die einzelne Lücken ihres technischen .Könnens durch besondere Leistungen in irgend einem anderen Fache aus zugleichen suchen; derartige Eigenschaften können nicht als Setzer- Tugenden bezeichnet werden. An erster Stelle sollte die Ordnungs liebe stehen. Sie ermöglicht rationelle Arbeitsweise und spart Zeit, Aerger und Verdruss. Manche Kästen der Druckerei beweisen bei näherer Untersuchung leider, dass viele Setzer mit der Ordnung auf stetem Kriegsfüsse stehen. Abgebrochene Spatien usw. liegen in verschiedenen Fächern, oder das Quadratenfach bildet einen Sammel platz von Buchstaben verschiedener Gattung, und der Staub liegt fingerdick am Boden des Kastens. Aber auch Fensterbrett, Form- Regal und sogai- Fussboden lassen erkennen, dass es an der nötigen Ordnungsliebe fehlt. Der Akzidenzsetzer sollte es sich zur Pflicht machen, abgesetzte Zeilen, die er nicht braucht, umherliegende Regletten und Linien, einzelne Einfassungs- oder Zierstücke so schnell wie tunlich ihrem Aufbewahrungsort wieder zuzuführen. Zwei weitere Tugenden seien: Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt. Schon am gewöhnlichen glatten Satz erkennt man, wie weit der Setzer sich derselben befleissigt. Nachlässiges Ausschliessen hat meist Spiesse zur Folge, die wiederum Aerger und Verdruss im Maschinen saal erregen. Dass auch im Setzersaal oft nicht die nötige Vorsicht und Schonung des Materials obwaltet, beleuchtet Redner noch durch einige treffende Beispiele. Besonders in der Akzidenz-Abteilung wird noch allenthalben gebogen, geschnitten, gehobelt und gefeilt mit einem Eifer, der einer besseren Sache würdig wäre als der — Zeug kiste zu dieneu. Wenn es auch jetzt in dieser Beziehung besser geworden sei, lassen doch hier und da noch die Fachzeitschriften erkennen, dass diese Künste’elen nicht ausgestorben sind. Hier sind es die typografischen Gesellschaften hauptsächlich, welche in Wort und Schrift Wandel zu schaffen suchen. Das dritte Thema: Wie druckt man Akzidenzen schnell und sauber? Referent: Herr Jäger • entnimmt Redner dem ersten Heft der »Typographischen Jahrbücher«. Ueber die Schnelligkeit des Druckes ist in Kürze folgendes zu sagen: Während die Maschine mit einer Form läuft, bekümmere sich der Maschinenmeister um das Papier für die nächste Form und lasse dasselbe, wenn noch nicht geschehen, schneiden oder beschneiden. Sodann schliesse er die neue Form und wasche sie mit Benzin. Ist die erste Form ausgedruckt und aus der Maschine genommen, so richte man diese für die neue Form vor. Besonders ist auf gründ liches Waschen des Farbwerks zu achten, wenn die neue Form bunt gedruckt wird. Manche Maschinenmeister haben hierbei die üble Gewohnheit, sobald sie nash Schwarz ein dunkles Braun, Schwarzgrün oder Schwarzblau zu drucken haben, das Farbwerk nicht gründlich reinigen zu lassen. Sie ziehen lediglich die Farbe mittels Makulatur bogen ab und lassen dann die Walzen mit der betr. bunten Farbe einlaufen. Dieses Verfahren kann durchaus nicht zweckmässig ge nannt werden, sondern ist bequem und nachlässig. Bei nicht zu grossen Auflagen wird eben die Farbe nie rein sein, sie wird stets zu dunkel ausfallen. Ist die Form eingehoben, das Schliesszeug ge lockert, so wird erstere nach dem Klopfen nicht zu fest zum Druck geschlossen, weil dadurch dem Neigen des Formates und dem Spiessen Vorschub geleistet würde. Nachdem die Form an der Vorderseite des Fundaments befestigt wurde, lässt man behufs Zurichtung leer durchlaufen. Ist die Hauptzurichtung fertig und mit ihr ein gut lesbarer Abzug, so kommt derselbe behufs Durchsicht an die damit betraute Person. Während die Revision gelesen und dann vom Setzer in der Maschine gemacht wird, können dann noch die Feinheiten | der Zurichtung ihre Erledigung finden, sodass nach Beendigung der