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Nr. 19 Buchgewerbe Buchbinderei * * Buchdruck *** * * * Buchhandel * * * Steindruck 32 Eingesandte Werke finden Besprechung Sachliche Mitteilungen finden kostenfreie Aufnahme Mitarbeitet und Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung L Berliner Typographische Gesellschaft Für die Sitzung vom 24. Februar waren die Wände des Buchgewerbesaales mit neueren Musterblättern von Berliner Giessereien geschmückt; ausserdem waren die Skizzen des Exlibris-Wettbewerbes, eine Reihe neuzeitiger Akzidenzen sowie einige von der Buchdruckerei des Herrn W. Sommer in Schöneberg freundlichst zur Verfügung gestellte Vierfarben druckbilder aus dem bei Paul Kittel erschienenen Werke »Kaiser Friedrich der Gütige« ausgestellt. An Eingängen waren weiter zu verzeichnen: von Herrn Faktor Hülsen ein Exemplar der Gedichte des verstorbenen Vorsitzenden Herrn Adolf Röhn, einige mit Doppeltonfarben gedruckte Illustrationen von Herrn Dr. Lövinsohn und von der Firma Gustav Fischer & Co. eine Abbildung der Monoline-Setzmaschine unter Glas und Rahmen. Der Vorsitzende Herr Könitzer dankte den freundlichen Gebern und knüpfte daran die Bitte, dass die Berliner Giessereien der Gesellschaft regelmässig Abdrücke ihrer Neuheiten zur Verfügung stellen möchten, damit den Mitgliedern Gelegenheit geboten werde, sich mit den neuen Erscheinungen bekannt zu machen. Weiter wurde mitgeteilt, dass sich neuerdings in Gleiwitz, Hamm i. Westf., Hirschberg, Posen und Stettin typografische Vereinigungen gebildet haben; der Vorsitzende wünschte diesen jungen Schwestergesellschaften Glück zu weiterer gedeihlicher Entwicklung. Schliesslich wies er auf die am 27. Februar in Leipzig stattfindende General versammlung des deutschen Buchgewerbe-Vereins hin und konnte berichten, dass für die nächsten Sitzungsabende bereits interessante Vorträge in Aussicht ständen. Als Mitglieder wurden aufgenommen die Herren Carl Jahn, Hermann Kempe, Carl Schmiedchen und J. Wagner; angemeldet wurde Herr Alfred Hohmann, Reichenbergerstrasse 179, Faktor bei W. Grewe. Nunmehr erhielt Herr C. Kulbe das Wort als Berichterstatter über das Thema Die Formen des gemeinen ß und des Versal SZ sowie die Versal- Umlaute Ä Ö Ü in der neuen Rechtschreibung Redner wies darauf hin, dass es not tue, Stellung zu nehmen zu der seit dem 1. Januar d. Js. eingeführten neuen Recht schreibung, zumal sich die Anfragen über das, was diese Rechtschreibung mit sich bringe, bei den Giessereien mehren, und eine einheitliche Reglung der Fragen geboten erscheine. Der Kreisverein Leipzig der Vereinigung der Sohriftgiessereibesitzer Deutschlands habe sich bereits mit der Gestaltung des Versal SZ beschäftigt, und an das dort Verhandelte wolle Redner an knüpfen. Zu diesem Zwecke hatte er Sonderabzüge der in der Zeitschrift für Deutschlands Buchdrucker veröffentlichten Muster zeilen für Vorschläge zur Gestaltung des Versal SZ hergestellt, zu denen die Sohriftleitung der »Zeitschrift für Deutschlands Buchdrucker« ihm mit dankenswerter Bereitwilligkeit Galvanos überlassen habe. Diese Abzüge sowie Abdrücke der Vorschläge der Wöllmer’schen Schriftgiesserei in Berlin für die Form der Umlaute A Ö Ü wurden an die Anwesenden verteilt. Der Vortragende beschäftigte sich zunächst mit der Ent wicklung des gemeinen B, dessen Entstehung er auf eine Ver bindung des langen [ mit dem runden s zurückführte, und welche Ansicht er durch sehr anschauliche Zeichnungen an der Tafel überzeugend begründete. Es seien drei Formen des ß in der Antiqua gebräuchlich, die Sulzbacher ß, die schon 1760 angewendet worden und am meisten eingeführt sei. Die zweite Form sei diejenige der Schriftgiesserei Flinsch, bei welcher das zweite s in der Form eines verkürzten 3 (Frakturbuchstabe) an das lange I sich anschliesst und die dritte, die Poppel- baum’sche, welche den Buchstaben in der Sulzbacher Form zeigt, mit dem Unterschiede, dass der untere Teil nach rechts ausgebauoht erscheint. In Schreibschriften habe man bisher das lange und kurze s in der Form eines geschriebenen deutschen h und des anschliessenden Schluss-s angewendet; hierzu fehle aber jede Berechtigung, wenn man bestreite, dass das ß aus einer Verbindung des langen und kurzen s ent standen sei. Die Sulzbaoher Form des ß sei durch Jahr hunderte hindurch angewendet worden und habe sich einge bürgert, es liege kein triftiger Grund vor, daran zu rütteln und eine Neuerung einzuführen. Zu den Vorschlägen der Leipziger Vereinigung übergehend, teilte der Redner mit, dass man dort die Form des russischen weichen s, des 3, als die geeignetste und empfehlenswerteste bezeichnet habe, weil sie die meiste Aehnlichkeit mit der Minuskel ß besitze, die Eigen schaft eines Versalbuchstaben genügend zum Ausdruck bringe und auch das ästhetische Gefühl befriedige. Man habe die typografischen Gesellschaften aufgefordert, Stellung hierzu zu nehmen, und seine heutigen Ausführungen sollten der Berliner Gesellschaft den Anlass geben, dies zu tun; er hoffe, dass es im ablehnenden Sinne geschehen werde, denn die für die Ein führung eines grossen SZ angeführten Gründe seien nicht stichhaltig. Mit dem gleichen Rechte könne man ein langes Versal S für nötig halten, wie es früher bereits dagewesen und in einigen neuzeitlichen Schriften wieder vorkomme; dennoch werde Niemand ernsthaft eine solche Forderung stellen. Das Kind lerne in der Fraktur das Wort Hase z. B. mit einem langen f, und müsse sich daran gewöhnen in der Antiqua ein Zeichen dafür nicht zu finden; ebenso sei es mit dem ge meinen ß. Es sei als ein Rückschritt anzusehen, wenn man einerseits die deutsche Schriftsprache zu vereinfachen suche und anderseits neue Zeichen einführen wolle, welche das Ver ständnis der deutschen Sprache im Auslande erschweren und der Internationalität des Weltverkehrs nicht entsprächen. Weiter geht der Redner zu den durch „die neue Recht schreibung bedingten Formen der Umlaute Ä, ö und Ü über; er legt mehrere in Vorschlag gebrachte, in vergrössertem Maassstabe gezeichnete Formen in Abbildungen vor, welche bei der Fraktur den linken Teil des Versals verkürzt und darüberstehend die Punkte zeigen, während bei der Antiqua die Punkte beim A entweder auf die rechte und linke Seite der Spitze verteilt oder beide an der rechten Seite stehen, bei 0 und U aber der rechtseitige Grundstrich verkürzt ist und die Punkte darüber gestellt wurden. Alle diese Formen erscheinen in dem grossen Maassstabe der Zeichnung annehm bar, sie würden bei den kleinen Schriftgraden aber unkenntlich werden; auch ein Versuch die Punkte unter die Vokale zu setzen, müsse als misslungen bezeichnet werden, weil sie zu weilen mit den i-Punkten oder den langen Buchstaben der unteren Zeile Zusammenstössen und übersehen werden würden. Der von anderer Seite beschrittene Ausweg, einen kleineren Schriftgrad für diese Buchstaben zu wählen und die Punkte darüber anzubringen, müsse als unzulässig bezeichnet werden, weil die ganze Form des Umlautes verjüngt erscheine und den Gesamteindruck der Schrift störe, darum habe die Schriftgieserei Wilh. Wöllmer, wie aus den Abzügen hervor gehe, die Versalvokale der betreffenden Schrift selbst ver kürzt und die Punkte darüber angebracht, wie dies die folgende Buchstabenreihe zeige: H ÄH ö H Ü H Das 0 in dem Ö erscheine hier durch die Verkürzung zu breit für den Charakter der Schrift, hier müsse bei der Ein führung dieses Umlauts eine schlankere Form des 0 ge schnitten werden. Als ein erfreuliches Zeichen des Entgegen kommens konnte der Vortragende Probezeilen und Abzüge von solchen verteilen, welche die Monoline-Setzmaschinen- Gesellschaft ihm zur Verfügung gestellt habe, bei denen die Frage der Versal-Umlaute Ä Ö Ü in ähnlicher Weise gelöst wurde wie von der Wöllmer’schen Giesserei, nur sei hier der Gesamteindruck der Schrift nicht recht zum Ausdruck gekommen, weil in den Zeilen unverkürzte Versalien nicht angewendet werden. Eine solche Monolinenzeile ist hier abgedruckt: Ähre, öl, Überfall, Ära, Ökonomie, Übersicht, Öhr Die Frage dieser Umlaute sei, so bemerkte der Vor-