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Nr. 2 PAPIER-ZEITUNG 35 Tapetenpapier 112. Schiedspruoh Tatbestand. Die Papierfabrik A. verkaufte, nachdem schon Lieferungen vorausgegangen waren, laut Auftragsbestätigung vom 5. Dezember 1900 an die Tapetenfabrik B. 600 000 bis 720 000 kg Tapetenpapier, lieferbar vom 1. April 1901 bis 1. April 1902 in möglichst gleichmässigen Monatsraten von 50—60 000 kg zum Preise von — M. Die Lieferungen bis Mitte 1902 wurden bis auf eine Klage über Wicklung bei einer Sendung nicht beanstandet. Da die Tapetenfabrik mit der Abnahme stark im Rückstand blieb und Preisminderung ver langte, so wurde für den Rest des Schlusses am 31. Januar 1902 vereinbart, dass die Abnahme der restlichen 300 000 kg mit 50 000 kg per’ Monat bis Ende Juni 1902 zu erfolgen habe, und der Preis um 31/ M. ermässigt. Trotzdem erfolgte die weitere Abnahme sehr schleppend, meist nur auf vieles Drängen, und dann auch nur teilweise, sodass Mitte Oktober 1902 noch 13 300 kg abzunehmen waren. Am 4. Juli 1902 beklagte sich die Tapetenfabrik über Löcher in dem gelieferten Papier und stellte am 7. Juli 1902 sämtliches dort lagernde Papier, weil es Löcher habe, zur Verfügung, darunter Ladungen, welche be reits im November 1901 geliefert worden sind. Zur Verfügung gestellt sind 133 500 kg bei der Tapetenfabrik und 19 474 kg für diese bei der Papierfabrik lagerndes Papier. Bei der Zur verfügungstellung stützt sich die Tapetenfabrik auf folgende, in dem Bestellbrief gemachte und von der Papierfabrik an erkannte Bedingung: Das Papier muss ohne Flecke und Löcher sein und sich zum Tapetendruck gut eignen. Dass auch Teile von Lieferungen, die zur Zeit der Be anstandung 1/2 Jahr und darüber in der Tapetenfabrik lagern, zur Verfügung gestellt werden können, obwohl das Handels gesetz tunlichst umgehende Prüfung vorschreibt, begründet die Tapetenfabrik mit folgender Bedingung des Bestellbriefs: Wir sind berechtigt, das Papier in Angriff zu nehmen; sollte sich herausstellen, dass die Lieferung nicht den obigen Vorschriften entspricht, so können wir das Papier jederzeit zur Verfügung stellen. Die Papierfabrik erkennt die Zurverfügungstellung nicht an, denn 1. sei das Papier im grossen und ganzen nicht anders als die in früheren Jahren derselben Firma gemachten Lieferungen, auf Grund deren das Geschäft abgeschlossen wurde; 2. verstände sich die Bedingung über die Qualität unter dem üblichem Vorbehalt, dass die bei der Fabrikation so billigen Papiers unvermeidlichen Fehler erlaubt sind; 3. bedeute der Vorbehalt über die Freiheit der Tapetenfabrik, die Ware jederzeit zur Verfügung stellen zu dürfen, nicht die Aufhebung des § 377 HGB , welcher den Empfänger verpflichtet, die Ware umgehend zu untersuchen, sondern dieser Vorbehalt ge währe ihr nur das Recht, Teile von Sendungen, die sich fehler haft erweisen, zur Verfügung zu stellen. Die Tapetenfabrik habe Papier gleicher Art auf Grund des vorliegenden Ab schlusses unbeanstandet bezogen, sie wäre verpflichtet ge wesen, der Papierfabrik die Mängel rechtzeitig zur Kenntnis zu bringen, damit sie dieselben bei späteren Ladungen ab stellen konnte. Da beide Parteien zu keiner Einigung gelangen konnten, ersuchten sie den Herausgeber der Papier-Zeitung um Fällung eines Schiedspruches, dem sie sich im Voraus unterwarfen. Urteil. Der Schiedspruoh lautet: Die Tapetenfabrik B. ist verpflichtet, das auf Grund obigen Abschlusses ihr gelieferte und bei ihr lagernde Papier mit einem Nachlass von 15pCt. des ermässigten Kaufpreises zu übernehmen und zu bezahlen. Begründung. Zunächst musste geprüft werden, ob die Tapetenfabrik infolge verspäteter Prütung der Ware ihres Rügerechts verlustig gegangen ist. Dieser von der Papier fabrik verfochtenen Ansicht konnte sich der Schiedsrichter nicht anschliessen. Die Klausel im Bestellbrief musste von den vertragschliessenden Parteien so verstanden werden, dass es dem Käufer frei stehe, die Ladungen auch später, als das HGB vorschreibt, zu prüfen und wie es wörtlich heisst, jeder zeit zur Verfügung zu stellen. Bei fortlaufender Lieferung zahlreicher Wagenladungen Rollenpapiers ist es nicht möglich und auch nicht Brauch, jede Wagenladung durch Aufwickeln von Proberollen zu prüfen. Es ist vielmehr üblich, dem Käufer zu gestatten, dass er die Ladungen in Angriff nehme, wie es seine Fabrikation erfordert, und etwaige Beanstandungen nicht aus dem Grund zurückzuweisen, weil sie verspätet seien. Da dieser aus der Art der Geschäftsverbindung hervorgehende Brauch durch die erwähnte Klausel noch eigens festgesetzt war, so kann die Beanstandung nicht als verspätet gelten. Danach mussten die von den Firmen A. und B. gemeinsam als Grundlage des Schiedspruches eingereichten Muster ge prüft werden. Es stellte sich heraus, dass das Papier fast aller Musterrollen in grösseren oder geringeren Abständen kleine Löcher enthält, diezwar bei der Verarbeitung der Rollen zu Tapeten vielleicht unbemerkt bleiben, jedoch beim Tapeziren dadurch schädlich wirken müssen, dass der auf die Rückseite der Tapeten gestrichene Kleister durch diese Löcher auf die Vorderseite dringt und Schmutzflecke hervorbringt. Da Monate vergehen, bevor die Tapeten aus der Fabrik zum Händler und von diesem zum Tapezirer gelangen, so ist es teilweise er klärlich, dass die Tapetenfabrik grosse Mengen solchen Papiers verarbeiten konnte, ohne die Mängel zu bemerken. Äusser diesen kleinen Löchern enthalten einzelne Musterrollen grosse Löcher von etwa 1 cm Durchmesser, die anscheinend teils durch Ausfallen von Abfallzellstoff - Splittern, teils durch auf das Sieb der Papiermaschine gefallene Wassertropfen entstanden sind. Diese grossen Löcher machen aus den Tapetenrollen, in welchen sie vorkommen, Ausschuss. Es wurde durch Nach frage bei tüchtigen Tapetenfabrikanten festgestellt, dass von den grossen Löchern abgesehen, auch Papier mit den erwähnten kleinen Löchern nicht als regelrechtes Tapetenpapier an genommen , sondern von Tapetenfabrikanten zur Verfügung gestellt wird. Von anderer Seite erhaltene Tapeten zeigen jedoch, dass weniger sorgfältige Fabrikanten Papier mit kleinen Löchern manchmal verarbeiten. Wenn nun auf Grund dieser Feststellung der Tapetenfabrik das Recht zustand, die Annahme des Papiers, soweit es die erwähnten Mängel aufweist, zu ver weigern, so hat doch die Tapetenfabrik mehr als 40 Wagen ladungen, die auf diesen Schluss erfolgt sind, anstandslos ver arbeitet, und die von der Papierfabrik vorgelegten Ausfall muster der Sendungen aus den Jahren 1900 und 1901 be weisen, dass auch diese Ladungen mit den erwähnten kleinen Löchern behaftet waren. Da man nicht annehmen kann, dass die Tapetenfabrik aus den 40 anstandslos verarbeiteten Wagen ladungen Ausschuss erzeugt hat, so muss das Papier für die Tapetenfabrik immerhin verwendbar sein. Ferner hat die Tapetenfabrik dadurch, dass sie trotz Uebernahme so grosser Mengen die Papierfabrik nicht auf die Mängel der Ware auf merksam gemacht hat, den Glauben erweckt, dass die er wähnten Mängel unschädlich sind. Es musste auch berück sichtigt werden, dass die Tapetenfabrik auf den grösseren Teil des laufenden Schlusses einen Preisnachlass von über 15 pCt. erwirkt hat, und dass sie mit der Abnahme der Ware bedeutend in Verzug gekommen ist. Aus diesen Gründen konnte weder die Annahmeweigerung der Tapetenfabrik noch die Forderung der Papierfabrik auf glatte Uebernahme als berechtigt gelten. Es musste vielmehr ein Mittelweg gesucht werden, der in obigem Urteil gefunden wurde. Schutz von Fabrik-Geheimnissen Mit welchem Mittel kann ich mich gegen den Verrat von Fabrik- Geheimnissen durch Angestellte schützen? Können Letztere darauf vereidigt werden, oder kann ich sie zur Geheimhaltung nur durch Vertrag oder Konventionalstrafe verpflichten? Antwort unseres rechtskundigen Mitarbeiters: Gegen Verrat von Fabrik-Gekeimnissen durch Angestellte schützt schon der § 9 des Reichsgesetzes vom 27. Mai 1896, welcher Geldstrafe bis 3000 M. oder Gefängnis bis 1 Jahr Dem jenigen androht, der als Angestellter Geschäfts- oder Betriebs- Geheimnisse, die ihm vermöge des Dienstverhältnisses anver traut oder sonst zugänglich geworden sind, während der Geltungsdauer des Dienstverhältnisses unbefugt an Andere zu Zwecken des Wettbewerbes mitteilt. Nach regelmässiger Be endigung des Dienstverhältnisses hört freilich der Schutz auf. Geht aber z. B. der vertraglich bis 1. April 1903 Angestellte schon am 1. März ab, so dauert der Schutz noch während des März. Für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses kann der Angestellte durch Vertrag und Vertragsstrafe ver pflichtet werden, jedoch nur mit der im § 74 HGB. vorge schriebenen Beschränkung, also nur, wenn dadurch das Fort kommen des Angestellten nicht unbillig erschwert wird und höchstens für eine Dauer von 3 Jahren. Eine Vereidigung wäre nach § 132 SiGB. strafbar, weil diese eine Handlung ist, welche nur kraft eines öffentlichen Amts vorgenommen werden darf. Zu den gesetzlich geschützten Betriebs-Geheimnissen ge hören übrigens auch die von dem Angestellten selbst infolge seiner Dienstverrichtungen gemachten Erfindungen. (Urteil des Reichsgerichts vom 8. Juni 1899.)