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Nr 1 PAPIER ZEITUNG besten Nährboden abgab für die moderne Bewegung, die von allen Seiten in unser Kunstgewerbe eindrang. Seitdem sind die Zeiten leider etwas anders geworden. Die rege Tätigkeit aller Gewerbe hat abgeflaut. Unter dieser Voraussetzung glaube ich, dass in gleichem Maasse, wie die Geschäftslage niederging, die Lust und Freude am Schaffen neuer Muster, am Schaffen neuer Gegenstände abgenommen hat. Man wird finden, dass mit jedem schlechteren Monatsabschluss des Geschäftsiebens auch die künstlerische Begeisterung gegenüber den Erzeug nissen zurückgegangen ist, und dass sich mit jedem unangenehmen Verlust im Geschäft auch die reine Freude an der künstlerischen Tätigkeit verminderte. Wer durch seine Stellung berufen ist, hierüber im Interesse des zu hebenden Umsatzes nach zudenken, wird sich des leisen Bedauerns nicht erwehren können, dass die so hochschlagenden Wellen der modernen Bewegung stark beruhigt sind. Wer recht genau beobachtet, findet sogar Leute, die schon die Frage aufwerfen: Was nun in künstlerischer Beziehung? Ganz leise meinen sie, dass vielleicht doch die Moderne in dem Sinne, wie sie jetzt geübt wurde, nicht das Richtige ist um dem Geschäftsgänge wieder vorwärts zu helfen. Diese Zweifler darf man nicht übersehen, da sie tatsächlich die Frage beim richtigen Ende anschneiden, aber sie verwechseln die Ursache mit der Wirkung. Der Geschäftsgang ist nicht abhängig von dem Werte der künst lerischen Erzeugnisse, sondern es ist umgekehrt der mehr oder weniger bedeutende Kunstwert abhär gig von dem Umfange des Verkaufes und von den Mitteln, die der Fabrikant an seine Erzeugung wenden kann. Diese Mittel lassen naturgemäss nach, wenn der Geschäftsgang zurückgeht. Das, was uns als Richtschnur dienen muss, ist, mit allen Mitteln auf Echtheit und auf innere Wahrhaftigkeit unserer Ware bedacht zu sein. Ist dies der Fall, so wird selbst in schlechten Zeiten der Absatz immer wieder sich seinen Weg suchen. Wie die kaufmännische Ehrlichkeit die Grundbedingung jedweden Geschäftes ist, so muss auch der künstlerischen Ehrlichkeit um jeden Preis auch in trüben Zeiten der Weg geebnet werden. Die Stilrichtungen sind also in letzter Linie von dem Ge schäftsgang nicht abhängig. Es ist auch heute noch genug Kraft und Lust vorhanden, um reichliche Mittel an künstlerische Arbeit zu setzen. Auf die Frage: Was nun? könnte man ant worten: Dasselbe wie bisher! Die moderne Kunst hat uns im Laufe der letzten fünf Jahre mit ehrlichem Triebe und mit Ge wissenhaftigkeit erfüllt, sie hat uns von der notwendigen Wahr haftigkeit in Bezug auf Materialechtheit und Zweckmässigkeit überzeugt, sodass wir darauf, ob augenblicklich mehr oder weniger neue Schnörkel erfunden werden, wenig Gewicht zu legen brauchen. Bei aufwärts gehender Konjunktur werden ebenso wie früher alle künstlerischen Kräfte bemüht sein, Neues zu dem Gegebenen zu schaffen, wie bisher. Wenn heute sowohl das Kunstgewerbe wie der Buchdruck sich in Wiederholungen ergeht oder in dekorativer Beziehung nach Einfachheit strebt um sich vor solchen Wiederholungen zu hüten, so ist das keineswegs Stillstand, sondern nur ein Zeichen gesunden Fort schrittes, eines Fortschrittes, der frei ist von krankhafter Sucht durch Neues zu glänzen, und der lediglich bemüht ist, im Stil cht zu bleiben. Hamburger Brief Mitte Dezember 1902 Die im letzten Hamburger Brief berichtete Besserung des Ge schäftsganges im hiesigen Buchdruckgewerbe scheint von Bestand zu sein; die meisten Akzidenz-Druckereien waren auch in der Berichtszeit gut beschäftigt, die Zeitungen waren mit Anzeigen - Aufträgen reich- liehst bedacht. Wenn die allgemeine Geschäftslage trotzdem gegen die Vorjahre noch beträchtlich zurückbleibt, so ist das zum grossen Teil auf die immer wachsende Gepflogenheit hiesiger Geschäftskreise zurückzuführen, grössere Arbeiten in kleineren Städten anfertigen zu lassen, die vermöge ihres niedrigeren Lokalzuschlages auf die Ge hilfenlöhne und sonstiger günstigerer Existenzbedingungen, Druck sachen um ein paar Pfennige billiger herstellen können. Auch in diesem Jahre wurden viele umfangreiche Kataloge, Preislisten usw. für das Weihnachtsgeschäft in auswärtigen Druckereien angefertigt. Das wird den Bestellern umso leichter gemacht, als sich Druckerei- Geschäfte kleinerer Städte in Hamburger Zeitungen zu billiger An fertigung grösserer Drucksachen empfehlen; andere schicken auch wohl ihre Reisenden zur Aufnahme von Aufträgen, einige haben so gar besondere Vertreter in Hamburg. An Versuchen, diesem Uebel stande abzuhelfen, hat es die hiesige Buchdrucker- (Zwangs-) Innung nicht fehlen lassen, doch haben alle Hinweise auf die Konkurrenz fähigkeit der hiesigen Druckereien keinen Erfolg gezeitigt, eine Tatsache, die im Interesse unseres Buchdruckgewerbes nur zu be dauern ist. Wie sehr das Hamburgische Druckereigeschäft unter diesem Uebelstand auch im verflossenen Jahre zu leiden hatte, geht u. a. aus dem monatelang anhaltenden überaus hohen Konditionslosen- Bestände hervor. Der hiesige Buchdrucker-Verein (Verband) hat in folge der grossen Inanspruchnahme seiner Unterstützungskassen augenblicklich mit einer Unterbilanz von 2500 M. zu rechnen. Trotz dieser ungünstigen Kassenverhältnisse soll den Invaliden, Witwen, Konditionslosen und durchreisenden Mitgliedern eine Weihnachtsgabe von 6—10 M. gewährt werden, wodurch die Kasse mit weiteren 1600 M. belastet wird. Ueberdies veranstaltet der Verein am zweiten Weihnachtsfeiertag ein Wohltätigkeits - Konzert, dessen Ertrag zum Besten seiner erkrankten und arbeitslosen Mitglieder verwandt werden soll. Auch richtete der Vorsitzende in der letzten Mitglieder-Ver sammlung an die Versammelten das Ersuchen, im Interesse der Kon ditionslosen in den einzelnen Betrieben dahin zu wirken, dass Ueber- stunden möglichst vermieden werden. Dieser Hinweis war im Hinblick auf die Tatsache, dass in einer hiesigen Druckerei an einen Drucker- Lehrling in einer Woche für Ueberstunden 16 M. bezahlt wurden, ge wiss am Platze. Gegenwärtig sind 37 Setzer und 10 Drucker arbeits los, welche Zahl sich wohl nach den Erfahrungen früherer Jahre bis Weihnachten wieder um etwa 100 vermehren wird. Krank sind 60 Mitglieder. Am 8. Dezember verstarb im Alter von 76 Jahren Herr Theodor Dingwort, Buchdruckereibesitzer in Ottensen, eine hochgeachtete und angesehene Persönlichkeit. Der Verstorbene hatte, nachdem er seit 1848 in Altona die Redaktion der »Schleswig-Holsteinischen Zeitung« führte, im Jahre 1867 eine Buchdruckerei in Ottensen gegründet, die im Lauf der Jahre guten Aufschwung nahm, indem ihr seitens der Königl. Eisenbahn-Direktion ein Teil der Druckarbeiten überwiesen wurde. Herr Christiansen ist aus der Firma Wettig & Christiansen aus getreten. Das Geschäft wird unter der Firma Aug. Wettig weiterge führt. In die Firma Scharnweber & Knoop sind die Söhne Emil und Otto des alleinigen Inhabers C. L. T. Scharnweber und in die Firma Lütcke & Wulff ist Herr Carl Lütcke als Teilhaber eingetreten. Die Herren Lütke & Kranz eröffneten anfangs Dezember Stein damm 86 V eine Buchdruckerei. Die Gewerbekammern zu Hamburg, Lübeck und Bremen beab sichtigen, im neuen Jahre ein hanseatisches Gewerbeblatt herauszu geben, ein Unternehmen, dem die Gewerbetreibenden mit vieler Sympathie entgegensehen. Die Buchdruckerei von Johannsen & Martons hierselbst, Eppen dorferwog 88, wird von Neujahr ab eine wöchentlich erscheinende Vororts-Zeitung unter dem Titel »Eimsbütteler Bote« erscheinen lassen, deren Inhalt lediglich aus Inseraten und den üblichen Reklame-Notizen bestehen wird. Um den weiblichen Besuchern der im nächsten Jahre in Hamburg stattfindenden Allgemeinen Ausstellung für hygienische Milchversorgung ein nützliches Andenken von dauerndem Wert mit auf den Weg zu geben, will die Ausstellungsleitung ein Milch-Kochbuch anfertigen lassen, für das sie sich die Mitarbeit der Damen erbittet. Sie richtet deshalb an alle deutschen Frauen die freundliche Bitte, leichte und verständliche Rezepte über bewährte kalte und warme, einfache oder umständlichere Speisen und Getränke, zu deren Herstellung oder An richten vorwiegend Milch in irgend einer Form verwendet wird, an die »Kosthalter-Abteilung des Komitees der Allgemeinen Ausstellung für hygienische Milchversorgung« zu Händen des Herrn Gutsbesitzers C. Reuter in Saselhof bei Hamburg-Barmbeck bis zum 10. Januar 1903 einsenden zu wollen. Der Maschinenmeister-Verein will in Gemeinschaft mit der vor einiger Zeit gegründeten Typografischen Gese llschaft im neuen Jahre eine Drucksachen - Ausstellung im engeren Kreise veran stalten, da ja bekanntlich die hiesige Buchdrucker - Innung dem aus Gehilfenkreisen laut gewordenen Wunsche nach einer solchen Aus stellung nicht folgen will. In der letzten Innungs -Versammlung widmete der Vorsitzende Herr Wulff dem Kommerzienrat G. W. Büxenstein, Buchdruckerei- Besitzer in Berlin, aus Anlass seines Geschäfts-Jutiläums warme Worte der Anerkennung für die Verdienste, die er sich um den gesamten deutschen Buchdruckerstand erworben hat. Darauf wurde der Haus- haltungsplan für 1903, abschliessend in Soll und Haben mit 76 10 M. genehmigt. Der Kassirer stellte angesichts der günstigen Finanzlage der Innung in Aussicht, dass mit Beginn des nächsten Etatjahres die Mitgliedsbeiträge, die bisher 6 M. vierteljährlich betragen, herabgesetzt werden. Aus der Versammlung wurde angeregt, während des Winter- Halbjahres in die Tages - Ordnung der Innungs-Versammlung fach technische und gemeinnützige Vorträge einzufügen, welchem Vor schläge von verschiedenen Seiten zugestimmt wurde. Der Vorstand wird diesen Wunsch in Erwägung ziehen. Ueber die zukünftige Ge staltung des Arbeitsnachweises wurde ausgeführt, dass vor Ueber- führung des Innungsnachweises in einen paritätischen noch mancherlei zu erledigen sei, bevor der Antrag auf Aenderung der Statuten nach dieser Richtung eingebracht werden kann. Zum Schluss liessen sich nach einer Aufmunterung des Vorsitzenden 9 Mitglieder in den deutschen Buchdrucker-Verein autnehmen. Die letzteVersammlung des Hamburg-Altonaer-Buchdrucker- Vereins (Verband) ging mit dem Redakteur des»Correspondent für Deutschlands Buchdrucker und Schriftgiesser«, L. Rexhäuser, recht scharf ins Gericht. Veranlassung dazu gab der in Nr. 143 erschienene Leitartikel »Die Probe aufs Exempel«, in dem sich der Redakteur im Sinne der in Breslau gehaltenen Kaiserrede für reine, lediglich