Volltext Seite (XML)
4 PAPIER-ZEITUNG Nr. I 2. Zahlungspflicht für unbestellte Muster Frage: Ist der Empfänger unbestellter Muster verpflichtet, diese zu bezahlen? Antwort: Bezahlung von Mustern, die ohne Bestellung zugesandt sind, kann nie verlangt werden. 3. Rückgebepflicht für unbestellte Muster Frage: Ist der Empfänger unbestellter Muster mindestens zur Rückgabe derselben unter Anrechnung seiner Unkosten verpflichtet, oder kann er stillschweigend die unbestellten Muster zur Verfügung des Absenders halten? Antwort: Der Empfänger unbestellter Waren muss dieselben dem Absender herausgeben. Zur Tragung irgend welcher Unkosten, die dem Absender entstanden sind, oder zur Verpackung und Rücksendung unbestellter Waren ist Empfänger nicht verpflichtet. 4. Aufbewahrungspflicht für unbestellte Muster Frage: Ist der Empfänger unbestellter Muster, falls er dieselben weder bezahlen noch zurücksenden will, zur ordnungsgemässen Auf bewahrung der Muster verpflichtet, und kann von ihm, falls die Muster abhanden kommen oder zufällig beschädigt werden, Ersatz verlangt werden? Antwort: Der Empfänger unbestellter Waren ist nur verpflichtet, diese Waren mit derselben Sorgfalt zu bewahren, mit der er seine eigenen Sachen zu verwahren pflegt. Falls ohne seine Schuld Muster abhanden kommen oder beschädigt werden, so kann der Eigentümer keinen Schadenersatz beanspruchen. In der hierüber entstandenen Aussprache wurde beschlossen, eine weitere Auskunft darüber zu erbitten, ob es bei Fragen 2—4 von Wichtigkeit sei und zu einer anderen Beurteilung führe, wenn Lieferant und Kunde bereits in Geschäftsverbindung gestanden haben. Bei Besprechung der Frage »Lichtdruck, das Schmerzens kind unserer Branche«, führte der Vorsitzende aus, dass wohl hauptsächlich den Fabrikanten, die jedes einzelne Tausend Karten Jedermann, einerlei ob Verleger oder Verbraucher, zu billigem Preise liefern, die Schuld für den Rückgang des Ar tikels beizumessen sei, und empfahl Erhebungen darüber anzu stellen, damit derartige Firmen zur Kenntnis der Verleger ge bracht werden. Es wurde beschlossen, den Vorstand mit der Beratung dieser Angelegenheit zu betrauen, damit in einer der nächsten Sitzungen ein positiverVorschlag gemacht werden könne. Zuletzt wurden mehrere interessante Fälle aus der Praxis besprochen und der Antrag Michaelis, den auswärtigen Mit gliedern über die jedesmaligen Sitzungen einen Bericht zu übersenden, einstimmig angenommen. Nächste Sitzung Montag, 12. Januar 1903. Stenografirmaschine In die Ausführungen des Herrn A. Winandy in Nr. ICO hat sich ein sinnstörender Setzfehler eingeschlichen. Von der 10. bis zur 17. Zeile von oben sollte es dem Sinne nach richtig heissen: . . . ., denn 120 Silben ist absolut keine Leistung für einen Stenografen, der nach Diktat oder dergl Aufzeichnungen machen soll, denn damit würde keine Zeit zu sparen sein oder: ist keine Zeit zu sparen. Mir wurden früher Korrespondenzen diktirt, und stenografirte ich bis zu 230—240 Silben in der Minute, was aber nicht reicht um einem flotten Redner zu folgen. Heute diktire ich einem Fräulein, das eben falls stark über 200 Silben kommt, was ungefähr viermal so schnell geht als ein flotter Korrespondent niederschreibt, damit kann es mir indes nicht folgen. * * * Was die Mahnung des Herrn A.W. an die jungenLeutebetrifft,so kommt meines Erachtens die Klage über die Konkurrenz der Damen im Kaufmanns stande nicht daher, dass diese besser stenografiren oder stenotypiren können, sondern dass derartige Stellen von Damen billiger ausgefüllt werden. Wenn der Fabrikant bei dem heute mässig stillen Geschäfts gang dadurch im Jahre ungefähr 800 M. sparen kann, so wird er für den Posten gewiss nur eine Dame nehmen, nicht aber wegen Mangel an Fleiss und Uebung seitens der jungen Leute. Zweifellos wird sich die Mehrzahl der jungen Leute wie ich auf den Standpunkt stellen: »Was sollst du dich speziell zum Stenotypisten ausbilden, wenn doch so wenig Gehalt dafür ausgeworfen wird?« Deshalb von der Stenografie nur die nötigste Kenntnis und Uebung, und einem anderen, einträglicheren Posten möglichste Ausbildung gewidmet! Düren, 15. Dezember 1902 Fr. Müller Anmerkung der Schriftleitung: Die nicht abgedruckte Ein leitung dieser Zuschrift befasste sich mit dem infolge Setz fehlers unklar gewordenen, oben berichtigten Te 1 der Aus führungen Herrn A. Winandy’s. * * * Prof. Dr. Robert Fuchs, Mitglied des Kgl. stenografischen Instituts in Dresden, beschreibt in Nr. 12 des »Korrespondenz blatts« (amtl. Zeitschr. des genanuten Kgl. Instituts) die »Steno- dactyle Lafaurie« (vergl. Nr. 85 der Papier-Zeitung), lobt die Festigkeit, Leichtigkeit und den dauerhaften Bau dieser Maschine, erörtert die Grundsätze, auf denen ein deutsches Alfabet für diese Maschine ausgearbeitet werden soll, und schreibt dann über die voraussichtliche Verbreitung dieser Stenografirmaschine unter Anderm Folgendes: Es ist klar, dass die Lafaurie nicht heute und morgen alle Stenografen aus ihren Stellungen verdrängt haben wird. Das aber kann man mit Sicherheit annehmen, dass sie die wenig leistungs fähigen Elemente auf andere Gebiete als das ihnen zu hohe steno grafische Gebiet abstossen wird. Das wäre ein Segen, denn wie Stümperei überall unheilvoll ist, so ist es auch die stenografische, und diese erst recht. Die leistungsfähigen Stenografen natürlich werd' n bleiben, schon um die schwachen Redeerzeugnisse unbeholfener Redner in ein erträgliches Gewand zu hüllen und aufzuputzen. So lange die Beredsamkeit in Deutschland infolge der nervösen Ueber- hastung und der recht verbreiteten Unüberlegtheit und Gedanken losigkeit öffentlicher Redner, nicht zum wenigsten auch infolge des abstossenden Papierdeutsch, das man allenfalls, wenn auch mit wenig Entzücken anhören, aber nicht schriftlich verewigen kann, im Ver gleiche zu anderen Ländern darniederliegt, und solange augen scheinlich der Verfall der Rhetorik mehr und mehr fortschreitet, wird der nachfeilende Stenograf nicht entbehrt werden können. Also auf die sogenannte Parlamentsstenografie ist es nicht abgesehen. Schon die Würde einer solchen Versammlung, die Unentbehrlichkeit der persönlichen ungestörten Einwirkung verbieten es, dass Maschinen schreiber die Blicke der Zuschauer von dem Mittelpunkte des Interesses, den Personen und Reden, auf die Nebensache, die akrobatische Kunst- ausübung der »Stenodaktylografen«, hinlenken. Aber bei wenig feier lichen Versammlungen, bei öffentlichen Versammlungen und Vorträgen wird die Maschine ihre Dienste tun, namentlich für den Journalisten. Er wird imstande sein, sofort das Mitteilenswerte auf der Maschine niederzuschreiben, ohne dass er durch die Grösse des Apparats, wie jetzt bei der Schreibmaschine, oder durch Geräusch aufzufallen braucht. Der Schreibgehilfe tritt hinzu, reisst den langen Streifen ab und kann sogleich das Aufgenommene mit der Setzmaschine schreiben. Ebenso wird es in Geschäften möglich sein, dass ein besonders gewandter Maschinenschreiber mit besserer Bildung vor den anderen zur Auf nahme von Diktaten seines Chefs berufen wird, dass er ausschliesslich zum Nachschreiben rascher Diktate von Briefen, Vorträgen, Prozess besprechungen verwendet wird, während die Arbeit zweiten Ranges, das Uebertragen, von Jen übrigen Maschinenschreibern geleistet wird. Denn das Wiederlesen des Stenogramms ist ja immer gleich leicht, ob der Chef nun 120 oder 180 Worte in der Minute spricht. Schon hieraus ergibt sich, dass die Verwendung der Maschine keine un begrenzte sein wird. Wo der Chef nur imstande ist, langsam zu diktiren, was ja bei der menschlichen Veranlagung nicht selten eine Notwendigkeit ist, wo die Schreibkraft nicht genügend geschult oder wie das auch vorkommt, unzulänglich bezahlt ist, da wird die Lafaurie nicht einziehen. Auch kleine Geschäfte werden sich den Luxus zweier Maschinenschreiber nicht leisten können. Aber da, wo die nächsten Bedingungen erfüllt sind, und wo die Ausdehnung des Geschäfts die Heranziehung mehrerer Maschinenschreiber, eines ersten mit höherem Gehalte und mehrerer zweiter mit geringerem Gehalte, erlaubt, da wird sich die neue Maschine bezahlt machen. Zu einer Tätigkeit wird man die Lafaurie natürlich niemals verwenden mögen: zu Notizen, die man bei beliebigen Gelegenheiten niederschreibt. Denn den Tintenstift oder die Füllfeder kann man überall bei sich führen, nicht aber wird aller Voraussicht nach die Sthnodaktyle den Kulturmenschen in Zukunft überallhin begleiten. Deshalb wird es auch immer wünschenswert sein, dass man die Stenografie von Jugend an treibt. J. F. Gall bespricht in der französischen Zeitschrift »La Nature« auch die verschiedenen Zwecke, denen die neue Erfindung dienen wird. Sie zu erschöpfen ist nicht seine Absicht, das wird sich viel mehr ganz von selbst nach und nach herausstellen. Er weist besonders darauf hin, dass die Maschine im Dunkeln ebensogut zu benutzen ist wie bei guter Beleuchtung, weil die Finger stets auf den Tasten ruhen, und ein blosser Druck das Schriftbild erzeugt. Zwar konnte Gabelsberger auch im schnellfahrenden Wagen ohne Licht tadellos stenografiren, zwar erlöschen auch mitunter bei Vorträgen, die Steno grafin werden, des Skioptikons wegen die Gasflammen, aber es wird wohl kein Stenograf behaupten wollen, dass er ohne Beleuchtung ebenso sicher und gerne nachschreibe wie am hellen, lichten Tage. Weiter gedenkt er der Aufzeichnung telefonischer Mitteilungen. Noch während der Aufnahme kann die Hilfskraft mit der Uebertragung des »Stenogramms« beginnen, was ja für Zeitungen von grosser Bedeutung ist. Ferner wird für Blinde eine neue Erwerbstätigkeit geschaffen werden. Es bedarf gar keiner Veränderung der Tastatur, soweit es sich um Aufnahmen handelt; nur wenn die Uebertragung auch von einem Blinden vorgenommen werden soll, werden Relieftypen auf dem Papiere erzeugt werden müssen. Wenn Gall aber schliesslich meint, dass der schönste Traum des französischen Stenografen damit in Er füllung gehen werde, nämlich der einer »unitö« der Stenografie für alle Sprachen und Völker, so kann ich ihm nicht Recht geben. Das ist überhaupt kein stenografisenes Ideal, dass alle Welt mit zehn Tasten zur stenografischen Seligkeit geführt werde. Die Laute weichen in ihrer Form und in ihrer Häufigkeit in den verschiedenen Sprachen so von einander ab, dass es unmöglich ist, auch nur für zwei nicht eng verwandte Sprachen eine Vorschrift zu geben.