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140 PAPIER-ZEITUNG Nr 5 Schwierigkeiten am „Soo“ In Nr. 93 von 1902 berichteten wir unter der Spitzmarke »Wasserkräfte in Nordamerika« über die grossen gewerblichen Unternehmungen, die unter Führung des Kanadiers Clergue an dem Sault Ste. Marie-Kanal in Entstehung begriffen sind. Die meisten dieser Unternehmungen befinden sich im Besitz der Consolidated Lake Superior Company, ebenso die seit Jahren bestehende Sault Ste. Marie Pulp and Paper Company, eine der bedeutendsten Papier- und Papierstoff-Fabriken in Kanada, ferner mehrere Kraft- und Lichtanlagen, Schienen walzwerke und andere Fabriken in der kanadischen Provinz Ontario. Es verursachte unter den Aktienbesitzern dieser Ge sellschaft sowie unter allen an der Industrie in diesem Teile Kanadas Beteiligten grosse Bestürzung, als die General- Versammlung der Gesellschaft am 18. Dezember beschloss, auf die Vorzugsaktien für das abgelaufene Vierteljahr keine Dividende zu zahlen. Zugleich wurde bekannt, dass die Ge sellschaft eine Anleihe von 1 000 000 Dollar aufnehmen müsse, um ihre Verhältnisse ordnen und den Betrieb der Werke auf recht erhalten zu können, ferner dass die genannte grosse Papier- und Papierstoff-Fabrik ihren Betrieb eingestellt habe, angeblich weil der Mangel an Schnee die Zufuhr genügenden Papierholzes aus den Wäldern unmöglich machte. Diese Tatsachen stehen mit den grosssprecherischen Worten des Herrn Clergue, die wir in Nr. 93 Wiedergaben, in grellem Widerspruch. Schutz der Fischerei. — Sonntags-Heiligung Englische Rechtsentscheidungen Nach »Paper and Pulp« ist den Papierfabrikanten A. Pirie & Sons, Ltd. in Bucksburn, zum zweiten Mal durch Gerichts beschluss verboten worden, dem Flusse Don soviel Wasser zu entziehen, dass die Lachse nicht mehr aufwärts nach den Laichgründen ziehen können. Das Urteil des Gerichts wurde von den daran teilnehmenden drei Lords einstimmig gefällt. * * * Edward Lloyd Ltd. in London geben ein Sonntagsblatt heraus und verkl»gten einen Agenten in der Provinz wegen nicht erfolgter Zahlung von 2 Lstr. 9 sh. 1 penny für gelieferte Zeitungen. Der Anwalt des Verklagten erhob den Einwand, dass die Zeitung ein Sonntagsblatt sei, und der »Lords Day Observance Act« ein Eingehen auf die Klage verhindern müsse. Der klägerische Anwalt machte geltend, dass der Vertrieb von Sonntagsblättern unmöglich wäre, wenn dieser Standpunkt Rechtegiltigkeit hätte. Die Zeitung werde am Sonnabend fertig gestellt, und der Verklagte allein entheilige den Sonntag durch Verkauf der Zeitungen am Sonntag Vormittag. Richter Rentoul sprach sich dahin aus, dass Kläger wie Verklagter am Vertrieb des Blattes gleichmässig beteiligt seien, verschob aber das Urteil, um zu prüfen, wie in ähnlichen Fällen früher entschieden wurde. Berliner Papier- und Schreibwaren-Neuheiten Eigenbericht. Nachdruck verboten Wenn man die Neujahrskarten alle beschreiben wollte, die dem Jahre 1903 ihre Entstehung verdanken, könnte man Bände damit füllen. Das Publikum hatte die Qual der Wahl. Die Gedanken, die zur Darstellung gelangten, bewegten sich von der Zote und dem Kalauer bis zu den niedlichsten Kinder gruppen, anmutigen Frauengestalten und poetischer Symbolik. Im Norden und Osten Berlins waren die Erzeugnisse der beiden ersten Gattungen vorherrschend, und es ist kaum glaublich, was für Bildwerk da manchmal in die Schaufenster gehängt wird. Kunstblätter, eine Venus darstellend und andere ideale Frauengestalten, die förmlich von Keuschheit umflossen er scheinen, müssen durch ein Blatt Papier bedeckt werden, sodass nur Kopf und Füsse sichtbar bleiben, Darstellungen aber, als »Glückwunsch« zum neuen Jahr bestimmt, so frivol, dass ein junges Mädchen bei deren Anblick erröten muss, dürfen an den Fensterscheiben hängen, zum Vergnügen für eine rohe schaulustige Menge, für wissbegierige und schon halb verdorbene Kinder. Dieserart Schaufenster wurden förmlich belagert, und diese Ausstellungen dienen der »Volkserziehung!« Je weiter man nach dem Westen hinauskam, je mehr steigerte sich die Freude an den Karten, wenn auch auf diesen der Sylvesterlaune die grösste Freiheit gewährt war. Da steht z. B. ein Piecolo und betrachtet grinsend die eingetriebenen Zylinder am Kleiderständer, oder ein schmäch tiger Kellner, mit einer Miene, als sei von seiner Wirksamkeit das Wohl der Welt abhängig, trägt auf einem grossen Tablett einen so hohen Aufbau von Berliner Pfannkuchen und Punsch gläsern, dass man fürchten könnte, er möchte unter der Last zusammenbrechen. Diese Motive und andere von ähnlicher lustiger Art sind in Flachmalerei flott und ausdrucksvoll dar gestellt. Von feinster Zeichnung, in Schwarzdruck oder leicht kolorirt, sind die folgenden Karten: Auf borstigem Eber, in Gestalt eines schlanken Mädchens in flatterndem weissem Rock und kurzem farbigem Jäckchen, das Stundenglas in der Hand, kommt das neue Jahr durch die Luft daher, und hinter dem Mädchen, ebenfalls auf Ebern, folgt die Verkörperung der Herzenswünsche vieler Menschen: ein Bankier, dargestellt durch einen Geldsack mit der Zahl 100 000, an dem oben und unten ein Kopf und vier dünne Gliedmaassen angebracht sind; eine kurzrockige Zirkus-Künstlerin, die auf dem Rücken ihres Rüsselträgers ihre Pas ausführt und einen Brustpanzer trägt in Form eines Herzens; ein stark karrikirtes Männchen, dessen Rumpf von dem Orden Pour le merite bedeckt ist, und andere Glücksträume mehr. Das Glück kommt Vielen auch im Schlaf und fragt nicht nach Verdienst und Würdigkeit: auf einer Marmorbank ist ein nobler Zecher eingeschlafen, die Sektflasche im Arm. Ueber die Lehne der Bank neigen sich schmunzelnd zwei Schweine zu ihm herab, während ein kleineres Exemplar dieser Glücksboten ihm sogar unter den Arm kriecht. Eine schöne Schläferin wird beglückt, indem Cupido sein Füllhorn über sie ausscbüttet. Rosen, Dukaten, flammende Herzen, Kleeblätter und Schweinchen fallen auf sie herab. Oder eine bunte Reihe Gratulanten erscheint mit dem Glockenschlage zwölf. Der erste hält seine Uhr in der Hand, um den rechten Augenblick nicht zu verfehlen. Ihm folgen die anderen, Damen und Herren, beladen mit Sekiflasche, Rosenstrauss, Kuchen herz und einem lebendigen Schweinchen. Das Schwein er scheint auch mit Rosen bekränzt als alleiniger Gratulant vor einem scherzenden jungen Paar, oder fröhliche Kinder schleppen den Glücksboten herbei. Auf einer Reihe Karten war, auf einem Tisch stehend, ein Weinglas gezeichnet, in den Formen, wie sie für die verschiedenen Weinsorten in Gebrauch sind; den Hintergrund bildete eine Landschaft, in der sich die Heimat der Weinsorten vermuten lässt, mit welchen die Gläser gefüllt waren. Dem Zecher, der die Wahrheit im Weine sucht, tritt aus dem Glase das Bild eines schönen Mädchens entgegen. Da die Sylvesternacht dem Neugierigen manchmal die Zukunft enthüllt, so tritt ein junges Mädchen, wie es Vorschrift ist, im Dunkeln vor einen Spiegel und erblickt in diesem das Bild ihres »Zukünftigen«, während eine andere Wissbegierige es sogar auf dem Grunde ihrer Waschschüssel entdeckt. Auch aus dem Kaffeesatz lässt sich manches profezeien, und während die forschenden Mädchenaugen in die Tasse blicken, formt sich aus dem Dampf des Kaffees die Jahreszahl 1903. In eleganten Kurven schreibt eine Schlittschuhläuferin diese Zahl ins Eis ein; Engel, die sich in Weiss vom tiefblauen, sternenbesäten Nachthimmel abheben, schreiben sie in die Luft, und die Pilze im Walde haben sich alle in den Formen jener Zahl entwickelt. Glückspilze aus Seidenpapier sind übrigens auch eine originelle Neuheit für Blumenhandlungen. Diese Pilze sind in ver schiedenen Grössen und Farben aus einer festen Unterlage hergestellt, die mit Seidenpapier umwickelt wird. Man bindet sie einzeln oder mehrfach in die Blumensträusse mit ein oder befestigt sie im Sand der Blumentöpfe, und dann erscheint es auf den ersten Blick, als seien sie aus dem Sande hervor gewachsen. Das neue Jahr wird aber auch feierlich empfangen, Von der Galerie eines Kirchturms begrüssen es Kinder und Er wachsene mit einem Choral. Oder man sieht eine weisse Lilie im Vordergrund der Karte, aus deren Kelch eine ideale Frauen gestalt emporsteigt. Mit der Hand den Schleier vom Gesicht hebend, blickt sie über die Landschaft hin, die unter ihr aus gebreitet liegt, und über welche soeben die goldene Sonne des neuen Jahres aufgeht. Bemerkenswert waren ferner Neujahrskarten mit teilweise beweglichen Figuren auf einem einfachen oder Doppelblatt. Für die erste Form können als Beispiel ein Livrdiener oder Briefträger gelten, die einerseits Blumenstrauss oder Geldbrief tragen, unter dem lose aufliegenden Arm aber eine Besuchs karte oder eine Banknote. Die Figuren innerhalb der Doppel karten: Gratulanten mit Blumensträussen oder Glückssymbolen, waren entweder mit dem Oberkörper oder mit den Beinen be weglich, oder es war am Kopfe ein Schieber angebracht, um das