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Nr. 4 106 Buchgewerbe Buchbinderei * * Buchdruck * * * *** Buchhandel *** Steindruck Eingesandte Werke finden Besprechung Mitarbeiter und Berichteratatter erhalten angemessene Bezahlung Sachliche Mitteilungen finden kostenfreie Aufnahme Berliner Typographische Gesellschaft Zu der am Dienstag, 13. Januar 1903, abends 9 Uhr pünktlich im Berliner Buchgewerbesaal, Friedrichstrasse 231, stattfindenden ordentlichen Generalversammlung werden die geehrten Mitglieder mit der Bitte um pünktliches und zahlreiches Erscheinen ergebenst eingeladen. Der Vorstand TAGES-ORDNUNG: 1. Geschäftliches. Eingänge. Aufnahme neuer Mitglieder. 2. Erstattung des Jahresberichts seitens des Vorstandes. 8. Erstattung des Kassenberichts und Entlastung des Kassirers. 4. Wahl des Vorstandes. 5. Wahl einer technischen Kommission. 6. Erledigung etwaiger Anträge. 7. Fragekasten. Die eingegangenen Entwürfe zu dem Wettbewerb für ein Ex-libris der Typographischen Gesellschaft werden an diesem Abend im Buchgewerbesaale ausgestellt, ebenso eine Sammlung von Neujahrs-Drucksachen. Die neuesten Fachzeitschriften liegen von 8 Uhr ab im Vereins lokale aus. Moderne Merkantil-Lithografie Von C. Kulbe Nachdem Kunstgelehrte und Künstler dem Buchdruck ge holfen haben neue künstlerische Bahnen zu finden, und nach dem, unterstützt durch günstige Geschäftsjahre, auf diese Weise der Buch- und Akzidenzdruck zu guten sachlichen und materiellen Erfolgen gekommen ist, sind mehr und mehr Krätte frei geworden, welche auch der Lithografie eine ähnliche Förderung geben wollen. Hierbei hat man besonders die in Lithografie ausgetübrien kaufmännischen Arbeiten, Adress karten, Briefbogen, Umschläge, Titel, Etiketten usw. im Auge. Zwei andere Zweige der Lithografie, Plakat- und Bilderdruck, erfreuen sieh bekanntlich bereits ausgedehnter künstlerischer Unterstützung. Das Plakat war eines der ersten Mittel, welche der neuen Kunstrichtung vor 5 Jahren bei uns in Deutschland zu äusserlichem Durchbruch verhalfen, und der Bilderdruck ist durch viele Original-Steinzeichnungen der Künstler bereits zu einer achtunggebietenden Höhe gelangt. Sowohl für den Plakat- wie den Bilderdruck gilt als künstlerischer Grundsatz, dass dem Steindruck eine flächige, grossangelegte Technik ge höre. Die Zeichnung wird deshalb vorzugsweise mit Pinsel und Feder, teilweise auch in breiter Kreideinanier hergestellt. Vom Plakat- wie vom Bilderdruck wird malerische Wirkung und grössere oder geringere Fernwirkung verlangt. Die Merkantil-Lithografie hat dagegen andere Aufgaben. Das wichtigste Darstellungsobjekt des Merkantil-Litho grafen ist die Schrift, und für diese kommt in erster Linie die Technik der sogenannten Gravur in Frage. Fängt dagegen der Merkantil-Lithograf an, Schrift mit der Feder zu schreiben, so weicht er ganz von selbst nach der Seite hin ab, dass er mehr der Arbeit des für den Buchdruck arbeitenden Zeichners nahe kommt. In Bezug auf die mit der Feder geschriebene Schrift kann der Zeichner sehr wohl neben dem Lithografen bestehen, und es ist aus diesem Grunde kaum empfehlenswert, der Schriftlithografie die besondere Pflege der Federschrift zu überweisen. Im engen Zusammenhänge mit der Technik der Schrift stehen ihre Formen. Der Federstrich zeichnet naturgemäss freiere aber auch derbere Buchstabenbilder als die spitze Gravurnadel. Vom modernen Standpunkte aus wäre zu wünschen, dass die gravirte Schrift nicht so oft konstruirt sei. dass vielmehr die freie, mit der Feder geschriebene Schrift übernommen werden möchte. Aber bei näherer Betrachtung wird man dem Merkantil-Lithografen immer wieder die Gravurschrift empfehlen müssen, weil sie für seine Technik eine Besonderheit darstellt, die ihn vor der andrängenden Kon kurrenz der Aetzung und des Buchdrucks schützt. Es hat eine Zeit gegeben, und sie besteht für viele litho grafische Kunstanstalten heute noch, wo die Gravurarbeit für die Merkantil-Lithografen allein üblich war. Durch Einführung von Maschinen, die feine Schraffuren vorzüglich herstellen, und im Zusammenhänge damit durch die Entwicklung der Stein-Asfaltätzung hat sich auch für die Dekoration ein be sonderer Stil herausgebildet, der als für die Lithografie richtig bezeichnet werden muss, dessen künstlerischer Wert aber sehr gering ist. Die Ursache liegt in der begreiflichen Neigung, von Fall zu Fall immer mehr einzelne Schmuckmotive anzu bringen, um so die Arbeit des Vorgängers und Konkurrenten zu übertreffen. So hat sich seit den 80er Jahren für Brief kopfarbeiten ein im Ausdruck und in der Herstellung ver zwickter Gravurstil entwickelt. Es ist unglaublich und kann nur durch die Feinheit der Gravurarbeiten erklärt werden, wie vielerlei Dinge ein erstklassiger Lithograf auf den Kopf eines Quartbriefbogens hinzaubert. Jedermann kennt solche Brief köpfe, und es gibt wenige grössere kaufmännische Geschäfte, welche sich eine solche Gravurplatte im Laufe der Jahre nicht hätten fertigen lassen. Trotzdem und trotz des Kapitals, das in solchen Briefköpfen seit 20 Jahren angelegt wurde, liegt hier der von den modernen Reformatoren am meisten und mit Recht bekämpfte Uebelstand. Die Bestrebungen der vorwärts drängenden Künstlerschaft, die durch Veröffentlichungen und Unterricht in Fachschulen unterstützt werden, gehen im Allgemeinen dahin, dem heutigen Stil der Merkantil-Lithografie den Garaus zu machen. Nach dem, was bis heute hierüber zu sehen ist, liegt die Gefahr vor, dass der Merkantil-Lithograf von seiner ureigensten Tech nik, der Gravurarbeit, abgebracht werde. So sehr auch die Gravur der kranke Teil der Merkantil-Lithografie geworden ist, so falsch ist es, dem Merkantil-Lithografen plötzlich alle anderen technischen Mittel zu erlauben. Durch die Arbeit mit Pinsel und Feder greift er so stark in Chromo- und Plakat- Lithografie ein, dass die dringende Gefahr besteht, sein eigenes Feld werde durch Verschmelzung der Technik mit den anderen Verfahren völlig für ihn verloren gehen. Moderne Vorlagen blätter für Merkantil-Lithografie zeigen bereits häufig keine Spur von Gravurarbeit. Sie könnten, abgesehen von einigen technischen Feinheiten, ebenso gut als Zeichnung und Zink ätzung, wie auch auf dem Wege des Buchdrucks mit Ton plattenschnitt hergestellt werden. Solche Merkantil-Vorlagen werden den Lithografen gerade jener Konkurrenz in die Arme führen, von der er sieh durch Förderung seines künstlerischen Selbst befreien will. Um die Merkantil-Lithografie künstlerisch zu befruchten, ist es keineswegs richtig, den Lithografen in den ornamentalen Formenkreis des Plakatmalers oder des Buchdruckers einzuführen. Verlässt der Merkantil-Lithograf seine ihm eigentümliche Technik, die Gravurarbeit, so begibt er sich seiner Eigenart und beraubt seine Arbeiten des Reizes, den ihnen sonst Niemand nehmen kann. Die neuen künstlerischen Ideen und Formen, die man dem Lithografen geben will, moss dieser vorzugsweise auf seine bis herige Arbeitsweise übertragen. Die Schrift des Merkantil- Lithografen kann wesentlich schöner ausgestaltet werden, und das ornamentale Beiwerk kann seine Eigenarten als Gravur behalten und doch modern ausgestattet werden, es braucht dann nur einfacher, ungekünstelter und organischer zu sein. Die modernen Künstler, die dem Lithografen Vorlagenblätter geben, erfinden Schriftarten, die anderen Gebieten entstammen und dem kaufmännischen Formularstil nicht immer entsprechen. Es ist verständlich, dass der entwerfende Zeichner seine Schrift nicht dem durch die Gewohnheit festgesetzten Stil des Merkantil- Formulars entsprechend arbeitet, sondern dass er zu freieren Formen kommt. Was man in der Lithografie unter englischer Schrift versteht, kennt z. B. der Zeichner überhaupt